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für die bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Bau-
ordnung (15. Juli 1903) Bauerlaubnis erteilt war,
ward dies vom Statistischen Amte durch eine besondere
Nachfrage festgestell. Nach den Bestimmungen der
Bauordnung, daß Wohn- und Schlafräume nicht früher
als vier bezw. sechs Monate nach der Rohbauabnahme
bezogen werden dürfen, werden nur solche Gebäude mit-
gerechnet, für die ein Gebrauchsabnahmeschein erteilt ist.
Die Gesamtzahl der zu einem bestimmten Zeit-
punkte in einer Stadt vorhandenen Wohnungen läßt
sich dagegen nur durch eine allgemeine, an alle Haus.
besitzer gleichzeitig gerichtete Umfrage genau feststellen.
Solche Erhebung sindet in Lübeck nur alle 5 Jahre
in Verbindung mit der allgemeinen Volkszählung
statt. Es genügen aber die Listen des Katasteramtes
und der Baupolizeibehörde, um für die Zwischenzeit
nachzuweisen, wie viele bewohnbare Wohnungen, und
in welcher Größe, durch die Neu- und Umbauten ent-
standen oder durch Abbruch und Umbau beseitigt sind.
Bringt man diese durch Bautätigkeit erfolgten Ver-
änderungen der Wohnungszahl Jahr für Jahr mit
der durch die lezte Volkszählung ermittelten Gesamt-
zahl der Wohnungen in Verbindung, so läßt sich der
Bestand auch für den Schluß eines jeden zwischen
zwei Zählungen liegenden Jahres annähernd richtig
berechnen. Solche sog. Fortschreibung der Woh-
nungen wird vom Statistischen Amte alljährlich aus-
geführt. Am Jahresschlusse 1905 betrug die fort-
geschriebene Zahl der Wohnungen Lübecks 22986
gegen 19652 im Jahre 1900. In den letten 5
Jahren haben also die Wohnungen infolge der Bau-
tätigkeit um 3131, infolge Eingemeindung von
Wilhelmshöhe um 203 zugenommen. Daneben kann
aber eine Zu- oder Abnahme in der Wohnungszahl
dadurch stattfinden, daß ohne bauliche Änderung
eine Veränderung in der Benuzzungsweise der ein-
zelnen in ein und demselben Gebäude belegenen
Räumlichkeiten eintritt. Es können neue Wohnungen
entstehen, indem die Räume, welche bisher einer
Familie zum Wohnen gedient haben, an mehrere
Mieter abgegeben werden. Die Zahl der Woh-
nungen kann sich verringern, indem die bisher
mehreren Mietern überlassenen Gebäudeteile nur
an einen Mieter vermietet werden, indem der Haus-
eigner solche Räume für sFich allein in Benutzung
nimmt oder Räume, welche bisher zu Wohnzwecken
dienten, als Geschäftsräume verwendet. Derartige
Verschiebungen kommen in Häusern älterer Bauart
in der inneren Stadt häufiger vor, da dort
die einzelnen Wohnungen innerhalb der Wohngebäude
vielfach äußerlich nicht so scharf voneinander ah.
getrennt sind, wie in den neueren Gebäuden der Vor.
städte. Es erübrigt nun zu untersuchen, ob die sog.
Wohnungsfortschreibung wegen Nichtberücksichtigung
derartiger nichtbaulicher Veränderungen wesentliche
Fehler aufweist. Zieht man von der am Jahres-
schlusse 1905 durch die Fortschreibung ermittelten
Gesamtzahl der Wohnungen von 22986 die nach
der lezten Volkszählung, also erst im Dezember 1905,
fertiggestellten 46 Wohnungen ab, so ergibt sich für
den 1. Dezember ein fortgeschriebener Bestand von
22940 Wohnungen (in der inneren Stadt 9420, in
den Vorstädten 13520). Dagegen wurden durch die
Volkszählung ermittelt 22793 Wohnungen (in der
inneren Stadt 9277, in den Vorstädten 13516).
Die Zählung ergab also 147 Wohnungen weniger als
die Fortschreibung (in der inneren Stadt 143, in den
Vorstädten 4). Durch Zusammenlegung von Wohn-
räumen, die früher mehrere Wohnungen ausmachten,
zu einem Wohnungskomplex und durch Verwendung
bisheriger Wohnräume zu Geschäftszwecken im Laufe
der letzten 5 Jahre sind also insgesamt 147 Woh-
nungen mehr ausgeschieden, als Wohnungen durch
Teilung bisher zu einer Wohnung vereinigter Räume
hinzugekommen. Diese Zahl fällt gegenüber der in
jenen 5 Jahren eingetretenen Veränderung der Ge-
samtzahl der Wohnungen kaum ins Gewicht.
Der Gessamtzugang an Wohnungen seit der letzten
Volkszählung, also in den Jahren 1901-1905,
beziffert sich auf 4557 (hiervon durch Neubauten
3 669, durch Umbauten 685, durch Eingemeindung
203), der Abgang dagegen auf 1370 (hiervon durch
Abbruch von Häusern 685, durch Umbau 538, durch
Mehrabgang ohne bauliche Veränderung 147).
Wohnungsmarkt. Die Erhebung der leerste-
henden Wohnungen wird in den Jahren, in welchen
eine Volkszählung stattfindet, mit dieser verbunden.
Die Ergebnisse dieser Umfrage vom 1. Dezember 1905
sind gleichfalls im Statistischen Amte aufgestellt worden.
Von der Gesamtzahl der ermittelten 22793 Woh-
nungen Lübecks waren bewohnt 21966, unbewohnt
dagegen 827 oder 3,6 v. H. Gegenüber den in den
Vorjahren vorhandenen freien Wohnungen – es
wurden ermittelt 875 (3,9 v. H.) im Jahre 1904
und 898 (4,1 v. H.) im Jahre 1903 — hat sich
das Angebot etwas vermindert; es hält sich aber
innerhalbnormalerGrenzen, daesfürerforderlich erachtet
wird, daß 3 bis höchstens 4 vom Hundert sämtlicher zu
Gebote stehenden Wohnungen unbesetzt sein müssen, um
dem durch Zuzug, Umzügen und Bauten regelmäßig
auftretenden Bedarf an Wohnungen zu genügen.*)
*) Das Verhältnis der leerstehenden Wohnungen zur
Gesamtzahl berechnet sich nach den neuesten Mitteilungen aus
anderen deutschen Städten, welche sich fast durchgängig auf
das Jahr 1904 beziehen, wie folgt: in Barmen 4,15, Berlin
lz, B N Charlottenburg 3,4, Chem-
dukt s11, Elberfeld sv." Eser 3% Ercthtte tc" düfie
§Ütziturg 4,98, Halle 1,416, Karlsruhe 2,0, Königsberg 4,5,
eipzig 3,00, Magdeburg 3,13, Mannheim 4,24, Posen 4,r,
Rixdorf 8,15, Schöneberg 4,18, Straßburg 2,9.