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dagegen, mithin ein Disziplinargeseß auch für Lehr-
fragen sehr erwünscht.
Der vorliegende Entwurf des Kirchenrats fand
jedoch nicht die Genehmigung der Synode. Vor allem
wurde gewünscht, daß bei der Zusammensetzung des
Disziplinarhofes sowohl der jedesmalige Kirchenvorsiand
wie auch das Ministerium vertreten sein und daß
nach dem Vorgange anderer deutscher Landeskirchen
für moralische Verstöße und für Lehrvergehen zwei
getrennte Disziplinarhöfe eingerichtet werden möchten.
Der Entwurf wurde nach eingehender Beratung an
eine Kommission von fünf Mitgliedern verwiesen.
Zum Schluß hielt Herr Amtsrichter Dr. Leverkühn
einen Vortrag über „Kirchliche Erwägungen über die
bei dem Hochofenwerk und anderen industriellen An-
lagen an der Untertrave zu erwartende Ansiedelung.“
Seine von warmem sozialen und evangelischen Ge-
fühl durchdhrungenen Worte wurden mit lebhaftester
Aufmerksamkeit gehört und dürften bei den wichtigen
praktischen Aufgaben, die durch die Ausdehnung unserer
Industrie schon sehr bald an die Kirchenbehörden
herantreten werden, die höchste Berücksichtigung finden.
1130.
Öffentlichkeit der Synode.
Durch die hiesigen Tagesblätter ging in dieser
Woche die Mitteilung, daß die Synode sich mit dem
vom Kirchenrat vorgelegten Entwurf eines Disziplinar-
geseßes beschäftigt habe, in dem u. a. Geistliche,
die von der „reinen Lehre“ abweichen, mit Bestrafung
wegen Amtsvergehens bezw. Amtsverbrechens bedroht
werden. Nach einer lebhasten und langen Debatte ist
diese Vorlage an eine Kommission verwiesen.
Gewiß hat bei vielen unserer Mitbürger diese
Mitteilung nicht nur erhebliche Bedenken gegen die
beabsichtigte Überwachung unserer Geistlichen erregt,
sjondern auch den Wunsch, die Motive der Antrag-
steler und die Einzelheiten der Debatte kennen zu
lernen. Dem regen Interesse, das jetzt höchst er-
freulicherweise allen religiösen Fragen entgegengebracht
wird, sollte auch die Synode Rechnung tragen und
nicht mehr hinter verschlossenen Türen beraten, sondern
den Gemeindemitgliedern Zutritt gewähren, wie es in
Preußen geschieht, damit diese und insbesondere
die Mitglieder der Bürgerschaft rechtzeitig von
den Vorlagen Kenntnis bekommen und sich darüber
eine Meinung bilden können. Die Öffentlichkeit der
Verhandlungen, die wir als Staatsbürger vor anderen
Körperschaften beanspruchen, müssen wir erst recht in
kirchlichen Dingen verlangen, wo das höchste Eut des
f rttesauter, die Gewissensfreiheit,, auf dem Spiele
teht: [.; 1410.
JA
Denischer Abend.
Der letzte Deutsche Abend stand unter der Leitung
des Flottenvereins. Se. Magnifizenz Herr Bürger-
meister Dr. Eschenburg hatte es sich nicht nehmen lassen,
die Versammlung persönlich zu begrüßen, um. dann
Herrn Direktor der Navigationsschule Dr. Schulze das
Wort zu einem Berichte über die im Februar ab-
gehaltenen kinematographischen Vorführungen zu geben.
Die Veranstaltungen litten unter der ungünstigen
Lage des Lokals und den gerade in jener Woche zu
zahlreichen anderweitigen Darbietungen. Es ist eine
Einnahme von M 999,70 erzielt, dem eine Ausgabe
von ./ 482,85 gegenübersteht, so daß nur F 516,85
nach Berlin abgeführt werden konnten. Besonders
wurde anerkannt der Eifer, mit dem Kameraden des
Marinevereins die verschiedenen Ämter wahrgenommen
und zum Gelingen des Ganzen beigetragen hatten.
Darauf berichtete Exzellenz Kühne über die gerade
von ihm besuchte Sitzung des Voritandes vom Lübecker
Seemannsheim. Er pries die segensreiche Schöpfung,
hervorgegangen aus dem Gemeinsinn unserer Mitbürger,
und legte den Anwesenden ans Herz, nun auch ihrer-.
seits für die Ausbreitung des guten Gedankens zu
sorgen und nach Kräften auf das Seemannsheim hin-
zuweisen. Herr Navigationslehrer J. Krauss nahm
darauf das Wort zu einem sehr interessanten Vortrage:
„Das Meer im Leben der Völker.“ Der Redner
fesselte die Zuhörer bis zum Schluß seiner wohldurch-
dachten Ausführungen. Wir versagen uns, jetzt auf
eine kurze Inhaltsangabe einzugehen, um bei späterer
Gelegenheit ausführlicher darüber zu berichten. 1856.
Theater und Musik.
Stadthallentheater. Frühlings luft. Operette von
Reiterer. (24. März.)
Schon bei Gelegenheit der ersten Aufführung der
Reitererschen Operette im alten Stadttheater haben
wir unseren ablehnenden Standpunkt gegen dieses in
seinem Libretto frivole und geistlose Machwerk be-
gründet. Daß wir recht daran taten, haben wir am
Freitag bestätigt gefunden, und wir haben keine Ursache,
unser Urteil irgendwie zu korrigieren. Zu loben war
an der Operette die gute Aufführung, die wenigstens
einige der Blödsinnigkeiten, die ein anderer den beiden
Textfabrikanten vergeben möge, zu verdecken wußte.
Als Dienstmädchen Hanni gastierte unsere vorjährige
Soubrette Frau Seubert, die ihrer Rolle, allerdings
mit mehr äußerem als innerlich empfundenen Humor,
trefflich gerecht ward.
Achtes Sinfoniekonzert. (17. März.)
Wir besitzen von Bach im ganzen vier Orchester-
suiten, von denen die dritte in D-dur besonders durch
die von Wilhelmi für Violine übertragene Air bekannt