Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

1 66 allerdings neben geeigneten Plätzen, daß eine sachver- ständige Aufsicht und Unterweisung durch einen Lehrer stattfindet, der mit den hygienischen Anforderungen und allen Spielregeln wohlvertraut ist. Die Aus- führungen des. Referenten gipfelten in folgenden Leit- sätzen: 1. Die Lungentuberkulose ist eine Volkskrankheit, welche von allen Krankheiten die meisten Opfer fordert. 2. Hauptkampfmittel gegen die Tuberkulose der Lungen ist Erhöhung der Ausdehnungsfähigkeit der Lungen, besonders im jugendlichen Alter. 3. Die Aus- dehnungsfähigkeit der Lungen kann bei der Schul- jugend am besten erreicht werden durch Jugendspiele im Freien. 4. Allen Schulen einer Stadt sind geeig- nete Plätze anzuweisen, auf denen sie unter sachver- ständiger Leitung wöchentlich mindestens einmal Nach- mittags im Freien spielen können. In der nun folgenden lebhaften Aussprache gaben alle Redner ihre Überzeugung von der Zweckmäßigkeit, ja dringenden Notwendigkeit, in Lübeck Spielpätze für die Schuljugend anzulegen, Ausdruck. Die Debatte drehte sich hauptsächlich um die Platzfrage und die aufsichtführenden Lehrer. An Plätzen sind bisher nur das Burgfeld und der Mühlentorbrink vorhanden, sie genügen bei weitem nicht. Es müßten ein Spielplaß an der Falkenwiese und mehrere vor dem Holstentor hinzukommen. Als ganz besonders geeignet wurde aber der Platz zwischen dem Eisenbahndamm und den Wallanlagen bezeichnet. ßwar sieht dort das Rehdersche Projekt eine Re- stauration mit Teich vor, doch ginge, so wurde aus- geführt, die Gesundheit der heranwachsenden Jugend vor, auch würde ein Spielplatz dort der Gegend durch- aus nicht zur Unzierde gereichen. Was nun die auf- sichtführenden Lehrer betrifft, so könne man von ihnen keine weiteren Pflichtstunden verlangen, sondern müsse sie honorieren, auch müsse man sie gegen Haftpflicht versichern, denn sonst würde es unmöglich sein, ge- eignete und genügende Kräfte zu bekommen. Dem- entsprechend beschloß die Versammlung einstimmig, daß an die Bürgerschaft eine Eingabe gerichtet werden soll mit der Bitte, den Platz zwischen Eisenbahndamm und Wallanlagen als Spielplatz zu reservieren. Eine Eingabe an die Oberschulbehörde soll dem Wunsche Ausdruck geben, in sämtlichen Volks- und Mittelschulen Spielnachmittage einzuführen, dazu die die Aufsicht führenden Lehrkräfte zu honorieren und gegen Haft- pflicht zu versichern. Mit großer Dankbarkeit wurde allgemein aner- kannt, was die Oberschulbehörde, soweit bis jett bekannt geworden, in der Spielplatfrage bereits ge- plant hat. 1118. Kunstsalon Möller. Ausstellung von Originallithographien, Radierungen usw. Hans Thoma's. Heftig und leider oft häßlich, besonders von der Reichshauptstadt aus tobte der Kampf zwischen Karls- ruhe und Berlin um Wesen und Ausdrucksform der malenden Kunst, und noch immer nicht haben sich die Wogen oft allzu persönlicher Leidenschaft geglättet. Wenn nun auf der einen Seite Henry Thode für die Kunst Thoma’'s eine gewaltige Lanze bricht und andererseits ein Freilichtmaler wie Max Liebermann als der vielleicht stärkste Vertreter entgegengesetzter Richtung die wohl als deutsche Maler bezeichneten rheinischen Künstler mit schwerwiegenden Argumenten in hartem Andrang zu ersticken versucht, so möge man als Außenstehender nur einmal des Sprichworts ge- denken: „Es Find die schlechtsien Früchte nicht, an denen die Wespen nagen.“ Und wenn nun auch mit noch so scharfen Waffen auf jene süddeutschen Künstler immer aufs neue der Angriff gerüstet wird, so ist damit die Berechtigung desselben noch keineswegs er- wiesen, ebensowenig wie Meyer - Gräfés fast drei- hundertseitiges Buch gegen Arnold Böcklin die Welt überzeugen kann, daß es nichts mit Meister Arnold ist. . Es bleibt doch wohl eine unbestrittene Tatsache, daß Tausenden des deutschen Volkes ein Böcklin oder ein Thoma mindestens ebenso unentbehrlich ist als ein Max Liebermann. Freuen wir uns des Besitzes beider Gegensätze und versuchen wir lieber, jeder großen künstlerischen Persönlichkeit unseres Volkes gerecht zu werden, indem wir ihren Fingerzeigen folgen und je nach unserer Eigenart in ihren Werken Offenbarungen der allumfassenden Mutter Natur erkennen lernen. Die im Kunstsalon L. Möller ausgestellte, ziemlich umfangreiche Sammlung von DOriginallithographien, Steinzeichnungen, Radierungen usw. Hans Thoma’s muß gerade jetzt ganz besonders interessieren, und sie ist wohl geeignet, die oft sonderbare aber deutsche Eigenart des Meisters kennen zu lernen. In diesen Blättern vereinigt sich stark poetisches Empfinden mit urwüchsiger, ja kindlicher Naivität und oft glücklichem Humor, schlichte Frömmigkeit und innerliche Wärme mit oft herber Form des Ausdrucks zu nicht immer schönen, aber stets guten, zumeist ganz köstlichen Schöpfungen echt deutscher Kunst. Curdt. Geistliches Konzert in St. Marien. Am nächsten Sonntag (d. 25.) veranstaltet die Vereinigung für kirchlichen Chorgesang ihr zweites diesjähriges Konzert in der St. Marienkirche. Jm Gegensatz zu dem Bach-Programm des ersten Konzerts werden bei dem bevorstehenden ausschließlich neuere Komponisten berücksichtigt werden. Franz Liszt hat
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