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allerdings neben geeigneten Plätzen, daß eine sachver-
ständige Aufsicht und Unterweisung durch einen Lehrer
stattfindet, der mit den hygienischen Anforderungen
und allen Spielregeln wohlvertraut ist. Die Aus-
führungen des. Referenten gipfelten in folgenden Leit-
sätzen: 1. Die Lungentuberkulose ist eine Volkskrankheit,
welche von allen Krankheiten die meisten Opfer fordert.
2. Hauptkampfmittel gegen die Tuberkulose der Lungen
ist Erhöhung der Ausdehnungsfähigkeit der Lungen,
besonders im jugendlichen Alter. 3. Die Aus-
dehnungsfähigkeit der Lungen kann bei der Schul-
jugend am besten erreicht werden durch Jugendspiele
im Freien. 4. Allen Schulen einer Stadt sind geeig-
nete Plätze anzuweisen, auf denen sie unter sachver-
ständiger Leitung wöchentlich mindestens einmal Nach-
mittags im Freien spielen können.
In der nun folgenden lebhaften Aussprache gaben
alle Redner ihre Überzeugung von der Zweckmäßigkeit,
ja dringenden Notwendigkeit, in Lübeck Spielpätze für
die Schuljugend anzulegen, Ausdruck. Die Debatte
drehte sich hauptsächlich um die Platzfrage und die
aufsichtführenden Lehrer. An Plätzen sind bisher nur
das Burgfeld und der Mühlentorbrink vorhanden,
sie genügen bei weitem nicht. Es müßten ein
Spielplaß an der Falkenwiese und mehrere vor
dem Holstentor hinzukommen. Als ganz besonders
geeignet wurde aber der Platz zwischen dem
Eisenbahndamm und den Wallanlagen bezeichnet.
ßwar sieht dort das Rehdersche Projekt eine Re-
stauration mit Teich vor, doch ginge, so wurde aus-
geführt, die Gesundheit der heranwachsenden Jugend
vor, auch würde ein Spielplatz dort der Gegend durch-
aus nicht zur Unzierde gereichen. Was nun die auf-
sichtführenden Lehrer betrifft, so könne man von ihnen
keine weiteren Pflichtstunden verlangen, sondern müsse
sie honorieren, auch müsse man sie gegen Haftpflicht
versichern, denn sonst würde es unmöglich sein, ge-
eignete und genügende Kräfte zu bekommen. Dem-
entsprechend beschloß die Versammlung einstimmig, daß
an die Bürgerschaft eine Eingabe gerichtet werden
soll mit der Bitte, den Platz zwischen Eisenbahndamm
und Wallanlagen als Spielplatz zu reservieren. Eine
Eingabe an die Oberschulbehörde soll dem Wunsche
Ausdruck geben, in sämtlichen Volks- und Mittelschulen
Spielnachmittage einzuführen, dazu die die Aufsicht
führenden Lehrkräfte zu honorieren und gegen Haft-
pflicht zu versichern.
Mit großer Dankbarkeit wurde allgemein aner-
kannt, was die Oberschulbehörde, soweit bis jett
bekannt geworden, in der Spielplatfrage bereits ge-
plant hat. 1118.
Kunstsalon Möller.
Ausstellung von Originallithographien, Radierungen usw.
Hans Thoma's.
Heftig und leider oft häßlich, besonders von der
Reichshauptstadt aus tobte der Kampf zwischen Karls-
ruhe und Berlin um Wesen und Ausdrucksform der
malenden Kunst, und noch immer nicht haben sich die
Wogen oft allzu persönlicher Leidenschaft geglättet.
Wenn nun auf der einen Seite Henry Thode für
die Kunst Thoma’'s eine gewaltige Lanze bricht und
andererseits ein Freilichtmaler wie Max Liebermann
als der vielleicht stärkste Vertreter entgegengesetzter
Richtung die wohl als deutsche Maler bezeichneten
rheinischen Künstler mit schwerwiegenden Argumenten
in hartem Andrang zu ersticken versucht, so möge man
als Außenstehender nur einmal des Sprichworts ge-
denken: „Es Find die schlechtsien Früchte nicht, an
denen die Wespen nagen.“ Und wenn nun auch mit
noch so scharfen Waffen auf jene süddeutschen Künstler
immer aufs neue der Angriff gerüstet wird, so ist
damit die Berechtigung desselben noch keineswegs er-
wiesen, ebensowenig wie Meyer - Gräfés fast drei-
hundertseitiges Buch gegen Arnold Böcklin die Welt
überzeugen kann, daß es nichts mit Meister Arnold ist. .
Es bleibt doch wohl eine unbestrittene Tatsache, daß
Tausenden des deutschen Volkes ein Böcklin oder ein
Thoma mindestens ebenso unentbehrlich ist als ein
Max Liebermann. Freuen wir uns des Besitzes beider
Gegensätze und versuchen wir lieber, jeder großen
künstlerischen Persönlichkeit unseres Volkes gerecht zu
werden, indem wir ihren Fingerzeigen folgen und je
nach unserer Eigenart in ihren Werken Offenbarungen
der allumfassenden Mutter Natur erkennen lernen.
Die im Kunstsalon L. Möller ausgestellte, ziemlich
umfangreiche Sammlung von DOriginallithographien,
Steinzeichnungen, Radierungen usw. Hans Thoma’s
muß gerade jetzt ganz besonders interessieren, und sie
ist wohl geeignet, die oft sonderbare aber deutsche
Eigenart des Meisters kennen zu lernen. In diesen
Blättern vereinigt sich stark poetisches Empfinden mit
urwüchsiger, ja kindlicher Naivität und oft glücklichem
Humor, schlichte Frömmigkeit und innerliche Wärme
mit oft herber Form des Ausdrucks zu nicht immer
schönen, aber stets guten, zumeist ganz köstlichen
Schöpfungen echt deutscher Kunst. Curdt.
Geistliches Konzert in St. Marien.
Am nächsten Sonntag (d. 25.) veranstaltet die
Vereinigung für kirchlichen Chorgesang ihr zweites
diesjähriges Konzert in der St. Marienkirche. Jm
Gegensatz zu dem Bach-Programm des ersten Konzerts
werden bei dem bevorstehenden ausschließlich neuere
Komponisten berücksichtigt werden. Franz Liszt hat