140
zur Übermittlung des Werkes selbst am Dirigentenpult
stand, durch Hervorruf aus.
Der in dem Konzert als Solist mitwirkende Cellist
Herr Heinrich Kiefer aus München siegte, wie er
wollte. Sein Ton ist nicht groß, aber von bezaubern-
der Schönheit, die Technik von unfehlbarer Sicherheit.
Schumanns A-moll-Konzert, ein nur in seinem Mittel-
satze dankbares Werk, haben wir in gleicher Voll-
kommenheit selten gehör. Am hervorragendssten
erschien uns der Künstler, für dessen Bekanntschaft
das Publikum dem Vorstand aufrichtig dankbar sein
muß, in dem Adagio, das unnachahmlich schön gespielt
wurde. Blendende Virtuosität, besonders im Staccato und
in Doppelgriffen, bewies Herr Kiefer in der Kadenz
des letten Satzes, die allerdings wirksamer würde,
wenn sie prägnanter wäre. Als ernster Musiker
hatte der Künstler auch für seine zweite Programm-
nummer auf jeden billigen Erfolg Verzicht geleistet.
Leon Boëllmanns (1862-~1897) ssinfonischen Varia-
tionen mit Begleitung des Orchesters machen dem
Virtuosen gar keine Konzessionen, und wer nur
Techniker ist, kommt bei ihnen so wenig wie die
Zuhörerschaft auf seine Rechnung. Bei ihnen hat in
erster Linie der Musiker das Wort, und nur wer den
sinfonischen Charakter des Opus innezuhalten weiß,
darf sich an das ernste und gediegene Werk heran-
wagen. Herr Kiefer löste die schwere Aufgabe mit
einer Feinheit, die schlechthin bewundernswert war, und
ihm schloß sich in gleicher Weise Herr Abendroth in
der Betonung des Sinfonischen der Variationen an.
Der Süden unseres Vaterlandes ist in diesem Jahre
durch eine Reihe von Solisten vertreten, die kennen
zu lernen gewiß niemand gereut hat. Herr Kiefer
dürfte sicher nicht zum letzten Male in einem Sinfonie-
konzert mitgewirkt haben, wenn immer der Vorstand
des Vereins der Musikfreunde in der Stimmung des
Publikums einen sicheren Barometer erblicken will.
J. Hennings.
~ Zahlreiche Feiern fanden in Veranlassung der
silbernen Hochzeit unseres Kaiserpaares in unserer
Stadt am 27. Februar statt. In den Schulen war der
Unterricht ausgesetzt, in besonderen Festakten wurden
die Schüler auf die Bedeutung des Tages hingewiesen.
Verschiedene Vereine veranstalteten Fesilichkeiten, die
sämtlich in eine begeisterte Huldigung für das Kaiser-
paar ausklangen. Die Schaufenster der Stadt hatten
vielfach eine der Bedeutung des Tages entsprechende
Ausschmückung erfahren.
Œ~ In Anlaß des Ablebens des Senators Dr.
Theod. Behn sandte der Kaiser dem Senate folgendes
Beileidtelegramm:
„Ich habe mit lebhaftem Bedauern die Nach-
richt von dem Ableben des früheren langjährigen
Bürgermeisters Dr. Behn empfangen und spreche
dem Senat meine wärmste Teilnahme an diesem
schmerzlichen Verlust aus. Die hohen Verdienste
des Verstorbenen, sowie die Stunden, die ich einst
in seinem Hause verbracht, sichern ihm bei mir eine
dankbare Erinnerung.
Wilhelm, I. R."
~ In der am 26. Februar abgehaltenen gut
besuchten Generalversammlung der Commerz.Bank in
Lübeck waren M 1 014 600 Aktien vertreten. Gewinn-
und Verlustrechnung und Bilanz für 1905, wonach
ME .
A 5000 überwiesen und AM 2013,77 aufs neue
vorgetragen wurden, fand unter Entlastung des Auf-
sichtsrates und Vorstandes für das verflossene Ge-
schäftsjahre Gnehmigung.
Der weitere Antrag des Aufsichtsrates auf Ver-
mehrung des Grundkapitals der Bank von f 3 000000
auf . 4 500 000 durch Ausgabe von 1250
jungen Aktien zu f 1200 fand nach lebhafter zu-
stimmender Aussprache aus dem Kreise der Aktionäre
einstimmige Annahme. Beschlossen ward, die jungen
Aktien an einen Übernehmer abzugeben mit der Ver-
pflichtung, sie den alten Aktionären zum Kurse von
125 % mit der Maßgabe anzubieten, daß auf je
A 2400 alte Aktien eine junge Aktie von f 1200
entfällt, die vom 1. Juli 1906 an dividendenberechtigt
sind. Als Einzahlungstermin sind März und Oktober
in Aussicht genommen, und zwar sollen 50 % nebst
25 % Agio im März und 50 % im Oktober gezahlt
werden. Volleinzahlungen werden mit 4 % verzinst.
Bekanntmachung wird erfolgen.
Für den aus dem Aufsichtsrat ausscheidenden Herrn
Generalkonsul Ch. H. Petit ward Herr Richard Piehl
erwählt.
~ Die hiesige Firma J. G. Niederegger konnte
am 1. März auf ein einhundertjähriges Bestehen
zurückblicken. Im Jahre 1806 von Johann Georg
Niederegger, einem Ulmer, gegründet, hatte das Ge-
schäft, als sein Begründer nach fünfzigjährigem Be-
stehen des Geschäftes im Jahre 18568 die Augen
schloß, bereits einen bedeutenden Ruf erlangt. Im
Jahre 1864 ging das Geschäft in die Hände Wilhelm
Köpffs über, unter dessen Leitung es sich kräftig weiter-
entwickelte. Als Marzipanfabrik wurde das Geschäft
weit über die Mauern unserer Stadt hinaus bekannt
und berühmt, das Absatzgebiet der Firma erstreckte
sich über alle Erdteile. Jm Jahre 1895 übernahm
Herr Johannes Köpff, der jeßzige Inhaber, die Leitung
des Geschäfts. Möge es ihm gelingen, das Geschäft
auf der stolzen Höhe zu erhalten, auf die es seine
Vorgänger gebracht haben.
T-
.
. l 1.3