Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

[ 28 straße, wieder mit der Jakobikirche als Abschluß, ein Beispiel dafür, wie kleinere Häuser (die Prediger- häuser) cinen Maßstab bilden für größere Bauwerke, weiter der Abschluß der Mühlenstraße durch ein hohes Giebelhaus der Sandstraße und endlich die Sandsteintreppe und das Portal des Rathauses als Beispiel dafür, wie das Straßenbild durch Vorbauten belebt werden kann. Was ist aus diesen Beispielen zu lernen? Wir müssen uns von der Herrschaft des Lineals befreien und müssen zurückkehren zu den alten Grundsätzen. Gerade jetzt steht ein weiterer Ausbau der Stadt bevor; was jetzt geschaffen wird, wird zum großen Teil entscheiden über das Aussehen, das Lübeck später haben wird. Darum ist es wichtig, sich jetzt über diese Fragen klar zu sein. Einige Abbildungen aus dem neuen Lübeck zeigten mit erschreckender Deutlichkeit, wohin man kommt, wenn man den „modernen“ Straßen der Großstädte nacheifert. Der Vortragende schloß seine Ausführungen, indem er die Hoffnung aussprach, daß das Neuzuschaffende ut werde. ß In der sich anschließenden Aussprache wurde erwähnt, daß immer noch eine starke Gegenströmung zu bekämpfen sei, die allerdings in der Versammlung nicht zutage trat. Hingewiesen wurde auf die Seydlitzsiraße, in der ein Versuch, durch Vorbauten zu wirken, an der –~ Unfähigkeit ? der betreffenden Architekten gescheitert ist. Hauptsächlich drehte sich die Besprechung um das Kanzleigebäude, von dessen Notwendigkeit sich allmählich immer weitere Kreise überzeugt haben, und um die Häuser vor der Turm- front der Marienkirche, die durch ein Geset über die Verbreiterung von Schüsselbuden und Fünfhausen der Vernichtung preisgegeben sind. Die Gründe, die ihre Erhaltung notwendig machen, wurden mit der wünschenswerten Deutlichkeit ausgesprochen. Hoffentlich läßt sich in diesem Falle der Beschluß rückgängig machen, seine Ausführung würde sicherlich T tt ot rug: praktischen Rückssichten wegen der dann unvermeid- [lichen Wirbelwinde müßte die Straße wieder gegen die Kirche abgeschlossen werden. 547. .; in den v. Ticbent a Erinnerungen. Seit etwa zwei Jahrzehnten wiegen in der historischen Literatur mehr denn jemals vorher die Denkwürdigkeiten vor. Und diese Hochflut an Er- zeugnissen der Memoirenliteratur nimmt noch zu, erfreulicherweise nicht nur der Menge, sondern vielleicht in noch höherem Grade dem Werte und der Bedeutung nach. î Aus den Erscheinungen nur des letzten Jahres seien hier angeführt die Tagebücher des Grafen Ernst Ahasverus Heinrich v. Lehndorf; die von Herm. Oncken auserwählten Briefe Rudolf v. Bennig- sens; die Erinnerungen, die Generalfeldmarschall Freiherr von Loe aus seinem Berufsleben heraus- gegeben hat; die Notes et Souvenirs de M. Thiers; das Buch von Verdy du Vernois: im Hauptquartier der russischen Armee in Polen, 1863-65, und von Gustav v. Diest, aus der Zeit der Not und Befreiung Deutschlands in den Jahren 1806015; als die Perlen dieser ganzen Literatur des letzten Jahres aber die bekannten drei Bücher des Prinzen Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen, die Bismarckerinnerungen des Dr. Freiherrn v. Mittnacht und die Lebens- erinnerungen von Rudolph v. Delbrück, 1817\67. Ihnen reiht sich noch kurz vor Jahresschluß der erste Band eines großangelegten Memoirenwerkes an, welches an wertvollem Inhalt und politischer Bedeutung hinter den Werken Hohenlohes, Mittnachts und Delbrücks schwerlich zurückstehen dürfte. Dieser Band, der auf 504 Seiten in trefflichster Ausstattung die Zeit von 1830-68 umfaßt, ist für die gesamte deutsche und preußische Geschichte, für die Auffassung Bismarcks in der damaligen Zeit, für die Wirksamkeit des Nationalvereins von Wichtigkeit; eine wahre Fundgrube aber in angenehmster Mischung von Amüsantem und Bedeutendem für die Geschichte Schleswig.Holsteins.*) Manchem dürfte die Wiedergabe dessen, was in dem trefflichen Werke von Lübeck erzählt wird, nicht unwillkommen sein. Nachdem Christoph v. Tiedemann in Kiel sein juristisches Staatsexamen bestanden hatte, ließ er sich mit 26 Jahren als Advokat zu Segeberg nieder, woselbst er gleichzeitig dem Landeskomitee des Nationalvereins als Vertrauensmann für Stadt und Land Segeberg diente. Drei Monate später fand im Mai 1862 eine Versammlung des Nationalvereins zu Lübeck statt, auf welcher der junge Advokat Miquel kennen lernte: „Miquel hielt einen Vortrag über die Gegner des Nationalvereinz. Damals, im Beginne seiner politischen Tätigkeit, hatte er noch mit einem organischen Fehler zu kämpfen, von dem man in späteren Jahren nichts ahnte: wie sein griechischer Kollege Demosthenes stotterte er etwas. Bei seinem Vortrag in Lübeck fiel dies um so mehr auf, als vor und ' nach ihm zwei Redner sprachen, *) Christoph v. Tiedemann: „Aus sieben Jahrzehnten. Erinnerungen, B. I: Schleswig Holsteinische Erinnerungen." Leipzig, S. Hirzel, 1905, 8%, XIV und 504 S.
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