593 ~ Berhandl. d. Bürgerschaft am 3. Dezember 1906.
bereits bestehenden von Meyer & Co. Lettere ist
eine richtine Düngerfabrik, die organische Stoffe,
Fische, Fleischreste und dergleichen verarbeitet. Selbst-
verständlich bringen dergleichen Rohstoffe, die der
Fäulnis unterworfen sind, starke Geruchsbelästigungen
mit sich. Aber darum handelt es sich hier nicht.
Es wird immer das Wort Düngerfabrik ins Treffen
geführt. Um eine Düngerfabrik in dem Sinne, wie
eine solche bereits besteht, handelt es sich nicht,
sondern um eine Fabrik, in welcher Knochen, Horn
und Lederabfälle verarbeitet werden können. Ich
glaube, daß nach dem Gutachten, wie es von
wissenschaftlicher Seite abgegeben wurde, von Männern,
die vollständig objektiv dieser Sache gegenüberstehen,
die Anlage der Fabrik sehr wohl zu gestatten ist.
Nun wird gesagt, es sei möglich, daß die Gerüche
selbst keinen schädigenden Einfluß auf die Schlutuper
Fischindustrie hätten, daß aber die Konkurrenz die
Sache nach dieser Richtung hin ausnutzen werde.
Ich weiß nicht, ob nicht durch die heutigen Reden
die Herren selbst wesentlich dazu beitragen, daß die
Konkurrenz daraus Nuten zieht. Ich glaube, es
würde bessser gewesen sein, wenn die Sache nicht an
die große Glocke gekommen wäre. Aus der Nähe der
Fabrik allein kann die Konkurrenz durchaus nicht solche
Folgerungen verwerten, wie sie hier befürchtet werden.
Herr Dr. Eschenburg hat bereits vieles aus.
geführt, so daß ich davon absehen kann, noch weiteres
zu der Sache zu sagen. Jch bitte Sie, die Vorlage
nicht an eine Kommission zu verweisen, sondern
heute zu verabschieden. Sie können das ohne
Bedenken tun. Wie steht denn die Sache ? Lehnen
Sie die Vorlage ab, so geht der lübeckische Staat
nicht zugrunde, nehmen Sie sie an, so geht
Schlutup ebenfalls nicht zugrunde. Ich entscheide
mich für die letztere Alternative. d .1
Dr. Wit t er n: Das ist ganz richtig, daß, wenn
es sich hier nicht zufällig um Staatsland handelte,
auf dem die Firma Paap & Christ die Fabrik er-
richten will, die Bürgerschaft überhaupt nicht gehört
worden wäre. Dann würde nur die Instanz des
Polizeiamtes über diese Frage zu entscheiden haben.
Es ist nun aber mal Staatsland, und wir haben
die Hand auf dem Beutel. Da ist es unsere ver-
dammte Pflicht und Schuldigkeit, nun die Sache so
zu entscheiden, wie wir sie im Interesse tes all-
gemeinen Wohles und Schlutups für richtig halten.
Es liegt nicht nur im JInteresse Schlutups, daß die
Fabrik nicht dorthin kommt, sondern auch durchaus
im Interesse der Allgemeinheit. Sie haben gehört,
daß die Bodenentwertung dort unzweifelhaft eine
starke sein wird. Und außerdem wird sich dort ein
ganzes Zentrum bilden von derartigen Fabriken, wie
das auch in Wilhelmsburg der Fall ist. Darauf
weist auch der Kommisssionsbericht hin. Denn was ist
das Hauptargument der Kommission ? Das ist dies:
Eine Fabrik ist da, die stinkt asig (Heiterkeit), ob
eine zweite noch mehr stinkt, darauf kommt es nicht
an. Dann stinken beide, und stinken erst zwei,
dann kann auch noch eine dritte, vierte und fünfte
mit stinken. Nun wollen Sie dieses Zentrum schaffen,
und damit komnt jede neu entstehende Fabrik näher
an Schlutup heran; je mehr Sie bauen, desto näher
müssen Sie an Schlutup heranrücken. Und das ge-
schieht, obwohl uns doch Herr Bade sagt, daß gerade
hier das einzige Feld ist, das Schlutup zur weiteren
Ausdehnung hat. Damit versperren Sie Schlutups
Entwicklung !
Nun hat die Sache mit dem Polizeiamt noch
einen zweiten Haken. Die Konzession wird ja viel-
leiht erteile. weil das Peolizeiamnt ebenso
den theoretischen Gutachten folgen wird wie
sseinerzet die Schlutuper den Veorspiegelungen
gefolgt. sinn, die man ihnen gemacht hat,
als es sich um die Errichtung der ersten
chemischen Fabrik handelte. Als damals die Herren
kamen und diese chemische Fabrik einrichten wollten,
haben sie gesagt, die Verarbeitung solcher Fischreste
sei für die Nachbaren nicht lästig. Die Herren haben
ihnen die Sache so schön vorgemacht, daß die Schlu-
tuper glauben mußten, es handle sih – wie ein
Schlutuper sich kürzlich ausdrückte – um die An-
lage einer Honigfabrik. Da hat man denn die Be-
denken, die damals geäußert sind, fallen lassen, man
hat sich täuschen lassen und hat zur Anlage dieser
Fabrik die Hand geboten. Seit dem Jahre 1904
hat sich aber die Gemeinde Schlutup in fortwähren-
dem Kampf mit dieser Fabrik befunden, und sie hat
alles getan, um die Erweiterung der Fabrik, die ge-
plant wurde, zu verhindern. Noch kürzlich, im Jahre
1905, hat das Polizeiamt ausdrücklich anerkannt,
daß gegenwärtig schon von jener Fabrik sehr starke
Belästigungen entstanden, die größer wären, als zu.
lässig sei. Das Polizeiamt, das bitle ich zu beachten,
hat damals die Erweiterung nur unter der Bedingung
gestattet, daß vorher die Inhaber der Fabrik Vor-.
kehrungen und Einrichtungen träfen, die die jetzt
schon übergroße Belästigung auf ein erträgliches Maß
herabseßten. Als äußerster Termin hierfür ist der
1. März 1906 geseßt worden. Der 1. März ist
nun doch unstreitig längst ins Land gegangen, aber
ebenso unstreitig ist, daß die Vorkehrungen, die der
Fabrik zur Beseitigung der übermäßigen Belästigungen
auferlegt worden sind, noch nicht getroffen wurdenl
Warum nicht, weiß ich nicht. Ich nehme aber an,
es geschah deswegen nicht, weil ein Erfolg doch nicht
eintritt, und umsonst gibt kein Kaufmann sein Geld
aus. Erst wenn ein Erfolg zu verzeichnen wäre,
sollte ja die Erweiterung gestattet werden. Da haben
Sie Theorie und Nrarxis nebeneinander.