571 î Verhandl. d. Bürgerschaft am 12. November 1906.
des Fleischbeschaugesetzes schlecht abseten kann. Gerade
dieses Gesez trägt auch wesentlich zur Verbesserung
der Lebenshaltung der Bevölkerung bei. Es ist hier
Holland erwähnt. In Holland sind nach amtlicher
Statistik überhaupt nur 880 000 Stück Vieh, während
Deutschland 19 Millionen Stück besitt. Holland
kommt demnach für uns gar nicht in Betracht, es
sollte denn schon sein, daß Holland als Übergangs.
station gebraucht wird. Dänemark exportiert heute
nach England, weil es dort bessere Geschäfte macht.
Danach muß in England das Fleisch teurer sein
als hier. Ich bitte Sie, den Antrag A. Pape
abzulehnen.
Wisss ell: Herr Lauenstein machte eben eine
Bemerkung, die darauf hinauslief, daß er mit dem
Vorredner völlig einverstanden wäre. Herrn Lauen-
stein ist dabei gar nicht zum Bewußtsein gekommen,
daß dre Argumente des Vorredners seine vollständig
aufheben. Wenn gar kein Vieh da ist in andern
Ländern, warum sträubt er sich denn gegen die Off:
nung der Grenzen? (Heiterkeit.) (Zuruf : Seuchen.)
Wenn kein Vieh da ist, kann es auch nicht verseucht
sein, das ist doch so logisch wie nur irgend etwas.
Wenn kein Vieh da ist, ist die Aufgabe, das nicht
vorhandene Vieh zu überwachen, doch nur um so
leichter zu ermöglichen.
Dann hat der Herr Vorredner ganz übersehen,
wenn er davon spricht, daß z. B. zubereitetes Fleisch
eingeführt werden könnte, daß darauf ein Zoll von
M 28-35 pro Doppelzentner liegt. Dann hat er
auch vergessen, daß z. B. die Einführung fristhen
Fleisches nur in 4 Kilogramm schweren Stücken zu-
lässig ist. Wir haben in Lübeck mehrfach die Er-
fahrung machen müssen, daß z. B. Lungen oder
Zungen von Tieren, die vielleicht 7 /» Pfund wiegen,
nicht eingeführt werden konnten. Man hat sie nicht
etwa wieder zurückgebracht, weil das Fleisch dann
verdorben gewesen wäre, sondern diese Teile einfach
auf hoher See über Bord geworfen. Das sind Ein-
fuhrerschwerungen, die wohl zugunsten jener Herren
geschehen sind, in der vorliegenden Frage aber doch
in keiner Weise zugunsten jener Herren sprechen.
Wenn die Sache so ist, daß überall Vieh eingeführt
werden könnte, würden wir ganz sicherlich nicht die
Öffnung der Grenzen fordern. Dann brauchte sich
auch Herr Lauenstein nicht gegen den Antrag Pape
zu wenden. Aber in Wirklichkeit ist es nicht so.
Es ist nach dem Geseß verboten die Einfuhr von
Wiederkäuern und Schweinen aus Italien, Frank.
reich, England, Belgien, Schweden und Norwegen,
Holland, Rumänien, Serbien, Bulgarien und Ruß-
land, wobei das Verbot gegen Rußland die Ein-
schränkung erfährt, daß wöchentlich 2500 lebende
Schweine in sechs oberschlesische Industriestädte ein-
geführt werden dürfen. Aus Österreich-Ungarn ist
ferner erlaubt die Einfuhr von Schweinen für
Sachsen und Bayern in bestimmter Anzahl unter
bestimmten Voraussetzungen, und weiter die Einfuhr
von Schlachtrindern und Schlachischafen in 115
deutsche Schlachthäuser, wo die Tiere ~ wie es in
der früheren lübschen Verordnung darüber hieß
„alsbald“ abgeschlachtet werden müssen.
Nach der Verordnung, die vor einigen Wochen
vom Medizinalamt ergangen ist, besteht jetzt auch für
Lübeck die Vorschrift, daß die Tiere innerhalb vier
Tage abgeschlachtet werden müssen. Da setzt sich so
leicht keiner der Gefahr aus, sein Vieh innerhalb vier
Tage für jeden Preis losschlagen zu müssen. Die
Einfuhrerschwerungen gegen Dänemark sind hier be-
kannt. Das alles sind Erschwerungen, die in der
Weise sicherlich gemildert werden müssen. Wir wür-
den sehen, daß die Gesundheit des deutschen Viehes
nicht im entferntesten durch die Offnung der Grenzen
leiden würde, die des deutschen Volkes durch bessere
Ernährung aber wesentlich gehoben würde.
A. Pape: Herr Borchert hat sich auf eine Rede
von mir vorbereitet, die ich gar nicht gehalten habe.
Ich habe von Amerika keinen Ton gesagt, und er hat
wiederholt davon gesprochen, daß alles das, was ich
von Amerika gesagt hätte, nicht zuträfe. Dann
möchte ich Herrn Borchert eins zur Richtigstellung
mitteilen. Er sagte, frisches Fleisch könne von
überall eingeführt werden. Es heißt aber in dem
Gesetz: Frisches Rindfleisch, auch Kalbfleisch einzu-
führen ist allgemein erlaubt, jedoch verboten aus
Belgien, Rußland, Rumänien, Serbien und Amerika.
Frisches Schaffleisch einzuführen ist allgemein erlaubt,
auch aus Amerika, jedoch verboten aus Rußland,
Rumänien und Serbien. Frisches Schweinefleisch
kann eingeführt werden aus den meisten europäischen
Staaten, auch aus Amerika, ist aber verboten aus
Dänemark, Schweden, Norwegen, Rußland, Rumänien
und Serbien. Ich muß die Herren dringend bitten,
wenn sie der Landwirtschast wirklich dienen wollen,
daß sie nur Tatsachen vorbringen, die der Wahrheit
und den Gesetzen, wie sie nun einmal existieren, ent-
sprechen. Bei derartigen Mätzchen, wie sie heute
gemacht werden, können Sie unmöglich das Interesse
der Landwirtschaft vertreten. Ich möchte bei der
Gelegenheit noch auf einen Punkt aufmerksam machen.
Durch diese Fleischschaugeschichte wird der Handel
derartig beunruhigt, daß es nötig ist, daß der Senat
sich um diese Sache etwas kümmert. Ich habe dieser
Tage ein Zirkular aus Hamburg bekommen , worin
es heißt: Die Tätigkeit des Importeurs ist durch
die miserablen Verhältnisse und verschiedenartige Be-