Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

561 Berhandl. d. Bürgerschaft am 12. November 1906 an den Senat bringen will, ruhig nein sagen dürfen und damit der Geschäftsordnung genügt haben. Wenn der Senat nicht in gegebener Zeit auf den Antrag des Bürgerausschusses antwortet, kann in der Bürgerschaft oder im Bürgerausschuß jederzeit die Sache wieder aufgenommen werden. Es ist aber nicht daran zu zweifeln, daß eine allen Wünschen entgegenkommende Antwort des Senates demnächst im Bürgeraysschuß erfolgen wird. Senator Dr. S ch ön: Die Sache liegt so, daß das Ersuchen wegen der Errichtung eines Spiel- plates auf Buniamshof an die Baudeputation über- wiesen ist, damit dort die Sache nochmals geprüft wird. Das andere Ersuchen wegen des Spielplatzes am Falkendamm ist an die Oberschulbehörde gegangen, und diese hat ihrerseits beschlossen, sofort mit einem Antrage vorzugehen. Der Antrag Hempel wird hierauf abgelehnt. Zu dem Antrage A. Pape, der die nach der Fscztftservnuns nötige Unterstützung findet, ergreift as Wort A. Pa pe: Es freut mich, daß wir noch zeitig genug zur Beratung des Antrages kommen, wenn ich auch bedauere, daß die Bürgerschaft an und für sich keine Mittel besitzt, um derartige wichtige An- träge etwas schnellee zur Beratung bringen zu können. Wir haben, könnte ich fast sagen, eigentlich eine Geschäftsordnung gegen die Bürgerschaft, statt daß wir eine solche für die Bürgerschaft haben. Ich meine, die Geschäftsordnung sollte derartig sein, daß die Bürgerschaft unter Umständen auch in der Lage ist, einen so wichtigen Antrag wie den meinigen unbedingt zu Beginn einer Sitzung besprechen zu können. Doch das nur nebenbei. Ich glaube, wie die Sachlage heute liegt, ist der von mir vor Monaten gestellte Antrag, der sich ungefähr deckt mit dem Antrage, wie er ziem- lich gleichlautend in der Bürgerschaft Bremens angenommen ist, ziemlich milde gehalten. Heute steht ein großer Teil der Kommunen und Verbände auf dem Standpunkt, daß man dazu schreiten muß, überhaupt die Zölle zu suspendieren. Ich habe den Antrag nicht weiter gestellt, weiß aber nicht, ob nicht im Laufe der Debatte noch ein andrer kommen wird. Jedenfalls ist der Antrag heute derartig, daß meines Erachtens die gesamte Bürgerschaft, auch die Landwirte, ihm zustimmen können. Im großen und ganzen kann man sich jedenfalls nicht zweifelhaft darüber sein, daß eine Fleischteuerung im weitesten Maße vorhanden ist. Jeder Familienvater weiß, daß er heute für Fleisch 20-25 Prozent mehr be- zahlen muß als vor wenigen Jahren. Das sind Zustände, die unbedingt auf die Lebenshaltung der gesamten Bevölkerung sehr einwirken und die deshalb dringende Abhülfe erheischen. Inwieweit eine Fleisch- not vorhanden ist, darüber gehen unter Umständen die Meinungen auseinander. Es sind vielleicht noch Landwirte vorhanden, die da glauben, daß eine eigentliche Fleischnot nicht existiert und immerhin wenigstens zu gutem Preise Fleisch zu bekommen sei. Aber mein Antrag richtet sich nicht in der Hauptsache gegen die vermeintliche Fleischnot, sondern dagegen, daß das vorhandene Fleisch so teuer be: zahlt werden muß. Ich meine, wer diese Fleisch- teuerung an und für sich bestreitet, ist entweder nicht fähig, überhaupt die Sachlage beurteilen zu können, oder er setzt sich aus irgendwelchen sonstigen Gründen mit der Wahrheit in Widerspruch. Die jetzige Situation hat ihre bestimmten, leicht ersicht- lichen Gründe. Wenn ich darauf hinweise, daß wir seit dem wirtschaftlichen Aufschwung im Jahre 1879, als wir die Schutzzollära bekamen, immer mehr und mehr dahin gedrängt sind, die Werte aufzuwerten, wenn ich darauf hinweise, wie immer mehr Gesete geschaffen worden sind, um die Lebenshaltung zu verteuern, wie Gesetze geschaffen worden sind, bei- spielsweise durch die Margarine den Butterpreis zu heben, wie jetzt die von allen Seiten als lästig empfundene Fleischschau eingeführt worden ist, die in der Hauptsache vielleicht nur dazu dient, die aus ländische Konkurrenzware fernzuhalten, wenn ich weiter darauf hinweise, wie alle Konsum- und Genußartikel in den leßten Jahren mit Steuern belegt worden sind, werden Sie zugeben, daß in alle Kreise eine Beunruhigung hat hineingebracht werden müssen, deren Ende nicht abzusehen ist, und die in der Hauptsache Schuld daran ist, daß wir heute mit so vielen Streiks zu rechnen haben. Wenn sich unter Umständen die Landwirte darüber beklagen, daß sie heute keine Leute mehr bekommen können, ist in der Hauptsache ihre Agitation daran Schuld, indem sie geglaubt haben, ohne weiteres die notwendigen Nahrungsmittel mit verteuern zu müssen. Nichts ist gefährlicher, als immer und immer wieder den Leuten zu sagen: ihr müßt das, was ihr für euren eigenen Lebensunterhalt braucht, gut bezahlen, damit wir in der Landwirtschaft existieren können. Ich bin kein Gegner der Landwirtschaft an und für sich. Ich bin stolz darauf, selbst der Sohn eines Landwirtes zu sein. Es wird mir niemand vor-: werfen können, daß ich geschworener Gegner der Landwirtschaft sei. Aber ich bin der Meinung, daß auch die Landwirte ebenso wie alle andern ein bißchen mehr für sich selbst sorgen müssen und die Selbsthülfe nicht ganz aufgeben dürfen. Immer
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