Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

nicht ganz stichhaltig. Auch der Senat hat Er. kundigungen eingezogen, und das, was Herr Dr. Priess mitgeteilt hat, war ihm im wesentlichen be- kannt. Die mitgeteilten Tatsachen können aber nicht zur Bekämpfung des Senatsantrages dienen. Der Kampfgenossenverein hat gerade zu Mitgliedern auch solche Kriegsteilnehmer, die an den Kriegen vor 1870/71 teilgenommen haben. Er zählt viele ältere Mitglieder, als der Kriegerverein von 1870/71 sie hat. Daß unter diesen älteren Mitgliedern mehr erwerbsunfähige sind, als sich zurzeit im Krieger- verein befinden, ist ja ganz natürlich. Jetzt kommen aber die Jahre auch für die Kriegsteilnehmer von 1870/71, wo auch bei manchem von ihnen die Not an die Tür klopfen wird. Also ist das, was Herr Dr. Priess ausgeführt hat, doch nur eine Bestätigung dessen, was ich vorhin dargelegt habe. Nun ist an und für sich gewiß nichts dagegen einzuwenden, wenn Sie es dem Senate überlassen wollen, die Verteilung der Unterstützungen vorzunehmen. Aber zwei gewichtige Bedenken habe ich vom Standpunkt des Senates aus dagegen geltend zu machen. Ein- mal das Bedenken, das wir die verdienten Vereine als solche dann vollkommen ausschalten. Ich glaube nicht, daß das der Wunsch der Bürgerschaft ist, sondern daß sie geneigt ist, diese Gelegenheit zu be- nutzen, um den Vereinen für ihre Tätigkeit die An- erkennung auszudrücken. Auf der andern Seite muß ich auch das praktische Bedenken, das ich vorhin gegen die Überweisung des ganzen Kapitals an den Kriegerverband geltend gemacht habe, wiederholen. Wenn Sie dem Senate diese Aufgabe zuschieben, dann wird die Folge sein, daß in jedem Falle ein umständliches Ermittelungsverfahren eintreten muß, bei dem die gutachtlichen Äußerungen der Vereine doch schließlich wieder ausschlaggebend sein müssen. Ob ein solches mehr bureaukratisches Verfahren vor der von dem Senate vorgeschlagenen Verteilung der Unterstützungen durch die beteiligten Vereinsvorstände den Vorzug verdient, das überlasse ich dem Urteile der Bürgerschaft. Peters: Ich will nicht weiter auf historische Erinnerungen zurückgreifen, möchte Herrn Schwartz aber doch erwidern, daß sich auch mein Wissen über ]ene Zeit auf das Werk von Pastor Klug ,Lübeck unter französischem Regime" stützt. In demselben ist das gesagt, was ich ausgeführt habe. Lübeck ist in der französischen Zeit geradezu scheußlich behandelt worden. Die Arbeiterschaft hat am wenigsten Ur- sache, die Zeit der französischen Herrschaft zu loben, gerade unter dem französischen Regime waren Jie in der allerelendesten Lage. 54 1 –ö Verhandl. d. Bürgerschaft am 8. Oktöber 1906. u „ Dobberstein: Herr Schwartz hat vorhin die Äußerung fallen lassen, er wüßte nicht, ob die kameradschaftlichen Vereine das Geld zu Vergnügungen und dergleichen brauchten. Nach diesen Worten muß ich annehmen, daß Herrn Schwartz die kameradschaft: lichen Vereine sehr wenig bekannt sind und er wenig mit dem Leben der Vereine vertraut ist. Da wird er mir gestatten, daß ich zur Illustration der kamerad- schaftlichen Vereine das ein wenig näher ausführe. \Lebhafter Widerspruch.) Wir haben in allen hiesigen kameradschaftlichen Vereinen ein für gewöhnliche Verhältnisse immerhin mäßiges, wenn nicht billiges Eintrittsgeld. Es beträgt pro Jahr M 6 bis M 7,20, also monatlich 50 bis 60 Pfg. Nun möchte ich mal sehen, welcher Arbeiter dieses Geld wohl nicht aufbringen könnte, um der Segnungen der kameradschaftlichen Vereine teilhaft zu werden. Wenn der betreffende Kamerad älter geworden ist, tritt selbstredend die Not an ihn leichter heran. Dann tritt für ihn die Unterstütungskasse ein. Daß der Kamerad dann nicht mehr nötig hat, ein Vereins- geld zu zahlen, wenn er die Unterstützung bekommt, ist ja selbstredend. So sehen Sie, daß das Geld, das heute hier bewilligt werden soll, für die Vereine nur ein verhältnismäßig geringer Beitrag ist. Die Vereine bezahlen an Unterstützung jährlich viel mehr, als die Zinsen dieses Kapitals ausmachen. Es wird aber dieses Geld für die einzelnen Vereine eine sehr gute Beihilfe sein, und es wird nicht Haß gesät werden, wie Herr Schwarß sagt. (Große Unruhe. Glocke des Wortführers.) Wortführer Dr. G ör tz: Herr Dobberstein, ich möchte Sie in dieser späten Abendstunde doch bitten, nicht weiter auf die Organisation der Kriegervereine einzugehen, sondern sich mehr an den Gegenstand der Tagesordnung zu halten. Die große Unruhe des Hauses zeigt Ihnen an, daß Sie irgendwelche Aufmerksamkeit nicht finden. Sie dürfen also nicht glauben, auf die Bürgerschaftsmitglieder noch in lezter Stunde mit Ihren Ausführungen irgendwie einwirken zu können; ist doch auch die Bürgerschaft jeßt schon 41,4 Stunde versammelt. Ich bitte Sie daher, sich möglichst kurz zu fassen und sich an den Gegenstand der Tagesordnung zu halten. Dobberstein: Ich möchte konstatieren, daß ich auf die Abstimmung überhaupt nicht mehr ein- wirken will; denn die Stimmung der Bürgerschaft ist mir genau bekannt. Ich habe nur die Worte von Herrn Schwartz zurückweisen und zeigen wollen, daß es falsch ist, wenn er meine, daß hier eine Saat des Hasses ausgesät werden könnte. Meines Er- achtens wird das Geld einen großen Segen für die
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