nicht ganz stichhaltig. Auch der Senat hat Er.
kundigungen eingezogen, und das, was Herr Dr.
Priess mitgeteilt hat, war ihm im wesentlichen be-
kannt. Die mitgeteilten Tatsachen können aber nicht
zur Bekämpfung des Senatsantrages dienen. Der
Kampfgenossenverein hat gerade zu Mitgliedern auch
solche Kriegsteilnehmer, die an den Kriegen vor
1870/71 teilgenommen haben. Er zählt viele ältere
Mitglieder, als der Kriegerverein von 1870/71 sie
hat. Daß unter diesen älteren Mitgliedern mehr
erwerbsunfähige sind, als sich zurzeit im Krieger-
verein befinden, ist ja ganz natürlich. Jetzt kommen
aber die Jahre auch für die Kriegsteilnehmer von
1870/71, wo auch bei manchem von ihnen die Not
an die Tür klopfen wird. Also ist das, was Herr
Dr. Priess ausgeführt hat, doch nur eine Bestätigung
dessen, was ich vorhin dargelegt habe. Nun ist an
und für sich gewiß nichts dagegen einzuwenden,
wenn Sie es dem Senate überlassen wollen, die
Verteilung der Unterstützungen vorzunehmen. Aber
zwei gewichtige Bedenken habe ich vom Standpunkt
des Senates aus dagegen geltend zu machen. Ein-
mal das Bedenken, das wir die verdienten Vereine
als solche dann vollkommen ausschalten. Ich glaube
nicht, daß das der Wunsch der Bürgerschaft ist,
sondern daß sie geneigt ist, diese Gelegenheit zu be-
nutzen, um den Vereinen für ihre Tätigkeit die An-
erkennung auszudrücken. Auf der andern Seite muß
ich auch das praktische Bedenken, das ich vorhin
gegen die Überweisung des ganzen Kapitals an den
Kriegerverband geltend gemacht habe, wiederholen.
Wenn Sie dem Senate diese Aufgabe zuschieben,
dann wird die Folge sein, daß in jedem Falle ein
umständliches Ermittelungsverfahren eintreten muß,
bei dem die gutachtlichen Äußerungen der Vereine
doch schließlich wieder ausschlaggebend sein müssen.
Ob ein solches mehr bureaukratisches Verfahren vor
der von dem Senate vorgeschlagenen Verteilung der
Unterstützungen durch die beteiligten Vereinsvorstände
den Vorzug verdient, das überlasse ich dem Urteile
der Bürgerschaft.
Peters: Ich will nicht weiter auf historische
Erinnerungen zurückgreifen, möchte Herrn Schwartz
aber doch erwidern, daß sich auch mein Wissen über
]ene Zeit auf das Werk von Pastor Klug ,Lübeck
unter französischem Regime" stützt. In demselben
ist das gesagt, was ich ausgeführt habe. Lübeck ist
in der französischen Zeit geradezu scheußlich behandelt
worden. Die Arbeiterschaft hat am wenigsten Ur-
sache, die Zeit der französischen Herrschaft zu loben,
gerade unter dem französischen Regime waren Jie in
der allerelendesten Lage.
54 1 –ö Verhandl. d. Bürgerschaft am 8. Oktöber 1906.
u
„ Dobberstein: Herr Schwartz hat vorhin die
Äußerung fallen lassen, er wüßte nicht, ob die
kameradschaftlichen Vereine das Geld zu Vergnügungen
und dergleichen brauchten. Nach diesen Worten muß
ich annehmen, daß Herrn Schwartz die kameradschaft:
lichen Vereine sehr wenig bekannt sind und er wenig
mit dem Leben der Vereine vertraut ist. Da wird
er mir gestatten, daß ich zur Illustration der kamerad-
schaftlichen Vereine das ein wenig näher ausführe.
\Lebhafter Widerspruch.) Wir haben in allen hiesigen
kameradschaftlichen Vereinen ein für gewöhnliche
Verhältnisse immerhin mäßiges, wenn nicht billiges
Eintrittsgeld. Es beträgt pro Jahr M 6 bis
M 7,20, also monatlich 50 bis 60 Pfg. Nun
möchte ich mal sehen, welcher Arbeiter dieses Geld
wohl nicht aufbringen könnte, um der Segnungen
der kameradschaftlichen Vereine teilhaft zu werden.
Wenn der betreffende Kamerad älter geworden ist,
tritt selbstredend die Not an ihn leichter heran.
Dann tritt für ihn die Unterstütungskasse ein. Daß
der Kamerad dann nicht mehr nötig hat, ein Vereins-
geld zu zahlen, wenn er die Unterstützung bekommt,
ist ja selbstredend. So sehen Sie, daß das Geld,
das heute hier bewilligt werden soll, für die Vereine
nur ein verhältnismäßig geringer Beitrag ist. Die
Vereine bezahlen an Unterstützung jährlich viel mehr,
als die Zinsen dieses Kapitals ausmachen. Es wird
aber dieses Geld für die einzelnen Vereine eine sehr
gute Beihilfe sein, und es wird nicht Haß gesät
werden, wie Herr Schwarß sagt. (Große Unruhe.
Glocke des Wortführers.)
Wortführer Dr. G ör tz: Herr Dobberstein, ich
möchte Sie in dieser späten Abendstunde doch bitten,
nicht weiter auf die Organisation der Kriegervereine
einzugehen, sondern sich mehr an den Gegenstand
der Tagesordnung zu halten. Die große Unruhe
des Hauses zeigt Ihnen an, daß Sie irgendwelche
Aufmerksamkeit nicht finden. Sie dürfen also nicht
glauben, auf die Bürgerschaftsmitglieder noch in
lezter Stunde mit Ihren Ausführungen irgendwie
einwirken zu können; ist doch auch die Bürgerschaft
jeßt schon 41,4 Stunde versammelt. Ich bitte Sie
daher, sich möglichst kurz zu fassen und sich an den
Gegenstand der Tagesordnung zu halten.
Dobberstein: Ich möchte konstatieren, daß
ich auf die Abstimmung überhaupt nicht mehr ein-
wirken will; denn die Stimmung der Bürgerschaft
ist mir genau bekannt. Ich habe nur die Worte
von Herrn Schwartz zurückweisen und zeigen wollen,
daß es falsch ist, wenn er meine, daß hier eine Saat
des Hasses ausgesät werden könnte. Meines Er-
achtens wird das Geld einen großen Segen für die