Wenn wir dies Recht aber nicht anerkennen können,
ist es unlogisch, unbeschränkt, ohne jede Zeitabgrenzung
den Kirchengemeinden eine jährliche Rente von
„ 15000 zahlen zu wollen, wo doch die ganzen
Berichte erkennen lassen, daß in den nächsten Jahren
auf ein völliges Schwinden dieser Einnahmen, zum
mindesten aber auf eine starke Verminderung gerechnet
werden muß. Ich beantrage, nicht nur den Antrag
Freytag zu Ziffer 11 abzulehnen, sondern auch
Hiffer 9 zu streichen.
Senator Dr. St o o s: Ich will mich nicht
über die Frage verbreiten, ob der Staat allgemein
verpflichtet ist zu entschädigen, wenn er Privatrecht
durch Gesetz beeinträchtigt oder aufhebt. Der Herr
Vorredner hat mit Unrecht behauptet, die Kirche
hätte kein Recht auf die Einnahmen aus dem Be-
gräbniswesen. Sie haben in der Tat ein gesetzliches
Recht darauf. Denn die Kirchhofs. und Begräbnis.
ordnung ist ein Gesetz, von Rat und Bürgerschaft
beschlossen, und die haben bestimmt, daß das Begräbnis.
wesen von den Kirchen wahrgenommen und die Ein-
nahmen ihnen zufließen Jollen. Dies Recht soll
ihnen jezt genommen werden. Das kann natürlich
geschehen; aber für die Kirchengemeinden muß eine
Entschädigung hier durchaus gerechtfertigt erscheinen.
Daß eine Entschädigung billig und angemessen sei,
ist vom Senate wie in der Bürgerschaft bei wieder-
holten Gelegenheiten ausgesprochen und bisher meines
Wissens niemals beanstandet worden. Darum können
wir die Frage wohl auf sich beruhen lassen, ob die
Kirchen ein klagbares Recht auf Entschädigung
haben. Auch wenn nur ein moralisches Recht be-
steht, wird es genügen, um die Bürgerschaft zu über-
zeugen, daß eine Entschädigungspflicht anerkannt
werden muß. Wenn dann der Herr Vorredner dar-
auf hingewiesen hat, daß die Einnahmen der Kirchen
aus dem Begräbniswesen in den letzten Jahren er-
heblich gesunken sind, so kann ich demgegenüber dar-
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der gemeinsamen Kommission ergibt sich allerdings,
daß die letzten Jahre kein günstiges Ergebnis hatten.
Im Jahre 1899 sind es noch 16 000, dann
kommen M 7000, 5000 und 9000. Damit schließt
der Bericht. Er enthält nicht mehr, daß die
Überschüssse, nachdem sie im Jahre 1903 wieder auf
„ 8000 gefallen, im Jahre 1904 auf & 10 000
und 1905 auf / 15 000 gestiegen sind.
Das gebe ich ohne weiteres Herrn Wisssell zu,
daß für die Kirchengemeinden die Aussicht bestand,
in absehbarer Zeit keine Einnahmen aus dem Be-
gräbniswesen mehr ziehen zu können. Sie mußten
damit rechnen, daß nach einigen Jahren der All:
qemeine Gottesacker vor dem Burgtor belegt sein
c,
[,
413§
werde. Dann wäre es aber Sache der Kirchen-
gemeinden gewesen, zu erwägen, ob ssie vielleicht
weiteres Gelände erwerben könnten, um das Be-
erdigungswesen fortzuführen. Ob sie das hätten
möglich machen können, wissen wir nicht. Als un-
möglich wird man es nicht bezeichnen können. Ich
brauche aber darauf wohl nicht weiter einzugehen.
Denn Sie werden, wie ich hoffe, in der Mehrheit
der Ansicht des Senates sein, daß es billig, wenn
nicht gar recht ist, den Kirchengemeinden eine an-
gemessene Entschädigung zu gewähren und daher
dem Senatsantrage grundsätzlich zustimmen. Ob
die Rente auf / 12000 und A 3000 oder auf
einige tausend Mark mehr oder weniger zu bemessen
sei, ist eine Frage, die natürlich von verschiedenen
Gesichtspunkten aus beurteilt werden kann. Bei
Fragen solcher Art gibt es für das Angemessene
einen Spielraum; auch eine etwas geringere Summe
wäre vielleicht noch angemessen, aber eine etwas
größere möglicherweise auch. Solche Summen muß
man nach dem Gefühl greifen. Nach Ansicht des
Senats treffen die vorgeschlagenen Summen von
J 12 000 für die fünf Kirchengemeinden der Stadt
und . 3000 für die St. Lorenz- und St. Matthäi-
Kirchengemeinden das Richtige. Ich bitte Sie dar-
um, tit in Ziffer 9 vorgesehenen Summen bewilligen
u wollen.
' Freytag: Daß die Fälle im Laufe der Heit
immer weniger geworden sind, wo die Geistlichen
zur unentgeltlichen Beerdigung aufgefordert werden,
ist richtiz. Das Publikum weiß im allgemeinen
nicht, daß es derartige Bestimmungen gibt, sonst
würde es in viel häufigeren Fällen davon Gebrauch
machen. Ich würde es sehr bedauern, wenn diese
Bestimmungen fortfallen, und ich möchte sie in die
breiteste Öffentlichkeit getragen wissen. Man wird
niemand mehr als den Geistlichen einen Gefallen
tun, wenn ihre Dienste in dieser Beziehung häufig
in Anspruch genommen werden. Dann ist auf die
Leistung der Geistlichen hingewiesen worden. Sie
können aber die Sache drehen wie Sie wollen:
Nehmen Sie die Summe der Kirchenkasse oder den
Geistlichen, es wird ein Defizit entstehen, das after
weitig gedeckt werden muß. Herrn Wissell möchte
ich kurz erwidern, daß die Einnahmen der Kircher
gemeinden aus dem Begräbniswesen deshalb kit
geworden sind, weil die Gebührensätze bevezte!)
verringert sind. Ich halte nach wie vor meine
Antrag aufrecht. : ;
Rud. Thiel: Ich habe mich sehr darüber 42
freut, daß die Frage des Begräbniswesens en t
durch staatsseitige Übernahme desselben rt
werden soll. Was die Entschädigung an die Kir it
gemeinden betrifft, so glaube ich im Rechte zu sein,