435 ö Verhandl. d. Bürgerschaft am 17. Septbr. 1906.
Das scheint mir außer allem Zweifel zu sein. Wir
machen den großen Kirchhof nicht bloß für die
Stadtgemeinden und die Vorstädte, sondern auch für
die Gemeinden, die jetzt an die Kirchen in der Vor-
stadt St. Lorenz angegliedert sind. Wo sollen denn
die sonst ihre Leichen lassen? Nach Rensefeld dürfen
sie sie nicht mehr bringen. Meiner Ansicht nach tut
es nicht nötig, den Antrag Lauenstein anzunehmen,
sondern die Sache ist selbstverständlich.
Pastor Evers: Die Ausführungen des Herrn
Wengenroth sind durchaus zutreffend. Die Vororte,
die in Frage kommen, haben tatsächlich jeßt das
Recht, ihre Leichen auf dem alten St. Lorenz.Kirchhof
zu bestatten. Wenn nun der Vorwerker Friedhof
der Rechtsnachfolger des alten St. Lorenz-Kirchhofes
ist, geht meiner Meinung nach ohne weiteres ein
solches Recht auf diesen über. Ich würde aber doch
im Einverständnis mit dem Herrn Spezialkommissar
des Senates davor warnen, dieses Recht jezt zu
formulieren. Eine solche Formulierung können wir
augenblicklich nicht genügend übersehen. Ich mache
auch darauf aufmerksam, daß Ziffer 2 des Senats-
antrages lautet: „Der Vorwerker Friedhof geht in
das Eigentum der Stadtgemeinde über und ist auf
den Namen der Stadtgemeinde Lübeck (Friedhofs-
behörde) in das Grundbuch einzutragen." Es steht
aber nicht darin ausgesprochen, daß nur Angehörige
der Stadtgemeinde Lübeck auf diesen Kirchhof be-
stattet werden dürfen. Wenn dort stände, er dürfe
nur von Angehörigen der Stadt und der Vorstädte
benutzt werden, würde ein Ergänzungsantrag des
Herrn Lauenstein notwendig sein. . Das ist aber
nicht der Fall. Auf dem Allgemeinen Gottesacker
sind in vereinzelten Fällen auch Leichen auswärtiger
Personen und verschiedentlich Angehörige anderer
Landgemeinden, Israelsdorf, Schlutup, ohne weiteres
bestattet worden. Ich sehe nicht ein, warum man
hier besondere Schwierigkeiten erheben will. Schwierig-
keiten könnten aber kommen, wenn man die An-
gelegenheit jeßt gesetzlich fixierte, und davor möchte
ich im Augenblick warnen. ;
Wortführer Dr. Görtz: Ich möchte Herrn
Lauenstein ersuchen, seinen Antrag zurückzuziehen.
Herr Lauenstein ist immer in der Lage, später den
Fall wieder zu Sprache zu bringen, wenn Schwierig-
keiten sich herausstellen sollten, und nachträglich An-
träge zu stellen. Der Herr Senatskommissar ist jett
unterrichtet, und es würde möglicherweise auch noch
bei Rückäußerung des Senates von diesem eine Er-
klärung erfolgen können, die die mancherlei Bedenken
gegen die jetzige Formulierung des Antrages beseitigt.
Ich bitte darum Herrn Lauenstein, seinen Antrag
zurückzuziehen. Er hört aus allem, daß es in Zu-
kunft in der gleichen Weise wie bisher gehalten
werden soll.
Lauenstein: Vor etlichen Jahren hat der
Lübecker Staat ich glaube /2 30 000 ausgegeben,
um die Gemeinden Vorwerk, Krempelsdorf und
Schönböcken vom Kirchspiel Rensefeld abtrennen zu
können. Der Staat hat das Geld ausgegeben, um
die Gemeindemitglieder der drei Gemeinden in die
kirchlichen Verhältnisse der Stadt Lübeck zu be-
kommen. Der St. Matthäi-Gemeinde wurde damals
Vorwerk zugewiesen, der St. Lorenz-Gemeinde Schön-
böcken und Krempelsdorf. Wenn jetzt also die
Regelung des Begräbniswesens erfolgen soll, muß
entschieden auch für die Gemeinden in der Weise
gesorgt werden, daß sie ihre Leichen bestatten können.
Mir kommt es nicht darauf an, einen bestimmten
Antrag durchgeführt zu sehen. Es freut mich, daß
über die Sache gesprochen ist, und ich bin jetzt voll-
ständig beruhigt durch die Erklärungen des Herrn
Wortführers. Sie werden den Eindruck machen,
der notwendig war, um die Sache klarzustellen. Ich
ziehe meinen Antrag zurück.
Ziffer 2 des Senatsantrages wird hierauf an-
hencmmen. Dr. Fehling (zu Ziffer 3): Es findet
sich in Ziffer 3 ein kleiner Druckfehler, der berichtigt
werden muß. Es muß heißen: Er wird durch
Zahlung einer 3)zprozentigen Rente berichtigt.
Die Ziffern 3 bis 8 werden ohne Debatte an-
enommen.
G Freytag: Ich möchte den Herrn Wortführer
bitten, zu gestatten, über die Ziffern 9 und 11 zu-
sammen zu sprechen, da ich eventuell zu Ziffer 9
einen Abänderungsantrag stellen möchte, dies aber
erst nach Erledigung von Hiffer 11 tun kann. Ich
möchte mich gegen die jetzige Fassung der Ziffer 11
wenden, das heißt gegen den Sat, den die Kom-
mission der ursprünglichen Senatsvorlage hinzugesett
hat. Nach der ursprünglichen Vorlage sollte die
Entschädigung der Geistlichen im Betrage von
J 3660 eine dauernde sein. Die Kommission will
diese Entschädigung aber nur den gegenwärtig
im Amt befindlichen Geistlichen gewähren. Das be-
deutet unbedingt eine Härte gegen die später neu
anzustellenden Geistlichen; denn es wird ihnen eine
Einnahme entzogen, welche ihre Vorgänger besessen
haben. Ich glaube nicht fehlzugehen in der Auf-
fassung, daß der Kirchenrat, dem Gefühl der Gerech-
tigkeit entsprechend, sehr bald eine Aufbessserung des
Gehaltes der Geistlichen vornehmen wird. Das
wird natürlich die allgemeine Kirchenkasse belasten,
und da diese keine weiteren Einnahmen hat als die
aus der Kirchensteuer, werden wir in absehbarer Zeit