425 ~ Verhandl. d. Bürgerschaft am 17. Septbr. 1906.
Schreiben des Rechtsanwalts Heine ab, in dem es
heißt - ich bitte das verlesen zu dürfen : „Wie
ich nachträglich erfahre, ist in einer Bürgerschafts-
sizung in Lübeck behauptet worden, ich hätte mit
großer juristischer Spitzfindigkeit die Statuten und
Prospekte von Serienlosgesellschaften verfaßt.“ Die
Behauptung ist unrichtig.
Hierzu bemerke ich folgendes. Was den Vor-
wurf anlangt, der Rechtsanwalt Heine sei Spezial-
vertreter der Serienlosgesellschaften, so gibt Herr
Rechtsanwalt Heine selbst zu, daß er mehrfach
Leiter und Vertreter dieser Gesellschaften vor Ge-
richt vertreten und verteidigt habe. Der Rechts-
anwalt Heine wird auch nicht leugnen, daß es sich
dabei nicht nur um Personen gehandelt hat, die
aus seinem Bezirk sich an ihn gewandt haben, son-
dern um Personen aus verschiedenen Gegenden des
deutschen Vaterlandes. Wenn so Angehörige eines
bestimmten Gewerbes sich an einen auswärtigen
Rechtsanwalt wenden, muß man annehmen, daß
dieser gerade auf diesem Gebiete besonders versiert
iste. So war auch mir, als ich in meiner Praxis
Gelegenheit hatte, mich über eine Frage dieser
Serienlosgeschäfte zu orientieren, von mehreren Sei-
ten geraten worden, mich an den Rechtsanwalt
Heine zu wenden, der sei Spezialist auf diesem
Gebiete. Ich habe es damals nicht getan und bin
auch so durchgekommen. Daß man auf einem
speziellen Gebiet des Rechtslebens besonders versiert
ist und daher als Spezialist bezeichnet wird, das
bedeutet doch keinen Vorwurf! Das ist nicht be-
leidigend, es ist nur wahr, und ich sehe nicht ein,
daß, wenn man eine wahre Tatsache über einen
Sozialdemokraten behauptet, man gleich vermuten
muß, das müßte etwas Schlechtes sein. Das sollte
Herr Wisssell am allerwenigsten tun. juh
Dann ein zweites. Der Rechtsanwalt Heine
verwahrt sich mehrfach, und zwar erst, nachdem
der stenographische Bericht erschienen war,
dagegen, daß er ,spitzfindige juristische Kniffe“ an-
gewandt und mit „großer juristischer Spitfindigkeit“"
die Statuten und Prospekte der Gesellschaften
verfaßt haben solle. Ich nehme an, daß sich auf
alle diese Behauptungen der von Herrn Wissell so
schön gebrauchte Ausdruck „Mist“ beziehen sollte.
Ich muß sagen, Herr Wisell ist in der Tat der
Nächste dazu, hier Richtiges mit dem richtigen Namen
zu belegen. Denn wer hat diesen großen Haufen
Mist nach Berlin zum Rechtsanwalt Heine trans-
portiert? Ich nicht. Der stenographische Bericht
auch nicht. Wer hat es dann getan? Tatsächlich
habe ich von alledem nicht ein Wort gesagt, nichts
von „Kniffen,“ nichts von „Spitfindigkeiten." Ich
habe besonders auch nicht gesagt, daß Rechtsanwalt
Heine irgendeinen Prospekt dieser Serienlosgesell
schaften verfaßt hätte. Ja, hätte ich das gesagt
daun hätte ich allerdings einen schweren Vorwurf
tt tw s: rhg s.
Gesellschaften ausgegeben sind, durchweg schwindelhaft
sind. Jch verstehe, wie ein anständiger Rechtsanwalt,
wie Heine es ist, sich gegen diesen Vorwurf in aller
Schärfe wenden mußte. Aber diesen Vorwurf habe
tft Ut § nick nt Er rs rs Bete
war, ist, daß ich gesagt habe, Rechtsanwalt Heine
hätte die Gesellschaftsverträge dieser Gesell.
schaften, suweit ich wüßte, im wesentlichen verfaßt.
Der Rechtsanwalt Heine leugnet das. Ich stehe
nicht einen Augenblick an, nach diesen Erklärungen
des Rechtsanwalts Heine, die ich ohne weiteres als
Erklärung eines anständigen, angesehenen Rechtsan-
waltes als wahr und richtig annehme, als irrig
zurückzunehmen, wobei ich übrigens bemerken will,
daß diese Behauptung eine Beleidigung nicht ent-
hält. Ich würde vielleicht auch früher, nachdem
mir Kenntnis geworden war von dem Brief des
Rechtsanwalts Heine, selbst Veranlassung genommen
haben, öffentlich dazu Stellung zu nehmen. Ich
habe es nicht getan aus bestimmten Gründen. Der
Rechtsanwalt Heine schreibt am Schlusse seines
Briefes im Volksboten, in dem er die nicht von mir,
sondern von ihm selbst aufgestellten Unrichtigkeiten
widerlegt: „Ich habe allerdings mehrfach Leiter und
Vertreter von Serienlosgesellschaften vor Gericht
verteidigt; es hat sich jedoch in allen diesen
Fällen nicht um Anklagen wegen betrügerischer
Manipulationen gehandelt, sondern nur darum, ob
der Betrieb dieser Gesellschaften den Bestimmungen
über Lotterien oder Abzahlungsgeschäfte usw. unter-
stellt werden könnte, also um rein juristische Fragen.
Dagegen habe ich Statuten und Prospekte dieser
Gesellschaften nicht verfaßt. Derartige Gesell-
schasten gibt es länger, als ich Rechtsanwalt bin;
sie konnten also meiner „Spitzfindigkeit“ entbehren.“
Er macht mir also den Vorwurf, daß ich wider
besseres Wissen die Unwahrheit gesagt hätte. Zu
Erklärungen eines Mannes, der so verfährt, hatte
ich keine Veranlassung, Stellung zu nehmen. Ich
habe es erst getan, nachdem hier in der Bürgerschaft
Herr Wisssell die Sache aufgenommen hatte. Jch
bedauere, daß ich die Bürgerschaft heute damit be-
helligen mußte. Dies ist von mir aber auch das
letzte Wort in dieser Angelegenheit.
Wisssell (zur persönlichen Bemerkung): Auch ich
bedaure außerordentlich, zu dieser Sache das Wort
ergreifen zu müssen. Aber nach den Ausführungen
des Herrn Dr. Wittern ist er der reine Unschulds-