vielleicht nachher noch Gelegenheit finden, Ihnen aus
anderen Städten nachzuweisen, welch glänzende
Resultate sich dort ergeben haben. Ich will nur
auf den Punkt weiter eingehen, daß das Kirchhofs-
gelände ungefähr die neunfache Zahl von Urnen-
gräbern fassen kann, als jetzt von Erdgräbern.
Während wir für die letzteren Gräber je 2% qm
Oberfläche gebrauchen, braucht ein Urnengrab nur
zirka ) qm, so daß man auf derselben Fläche
neun Urnen unterbringen kann. Außerdem wird
der Friedhof durch die Anlegung des Urnenfriedhofes
schöner, gefälliger und im ganzen tröstlicher für die
Hinterbliebenen. Wer das nicht glauben kann, be-
mühe sich nur nach Ohlsdorf hinaus, sehen Sie sich
das Prachtstückchen eines Friedhofes an, Sie werden
dann sofort anderer Meinung über die Kirchhofsfrage
werden. Ich habe aber eigentlich nicht das Wort
rsunung zu halten. Jch möchte Herrn Vihiam
nur entgegnen, der sich erst bemühte, ein Referat
über die Entstehungsgeschichte des Senatsantrages
Ihnen zu geben, das leider nicht ganz der Wirklich-
keit entsprach. Als am 5. Juni vorigen Jahres
meine Wenigkeit und 51 Mitglieder der Bürgerschaft
den Antrag an den Senat richteten, hatten wir aller-
dings den Antrag gestellt, den Senat um Errichtung
eines Krematoriums zu ersuchen. Der Antrag war
außerdem nicht ganz selbständig, sondern ebenfalls
gestellt im Anschluß an die Kapellenfrage, wie schon
Herr Kollege Wissell erwähnt hat. Er wurde damals
von der Bürgerschaft einstimmig dem Bürgerausschuß
zur Prüfung überwiesen. Der Bürgerausschuß wollte
seinerseits, weil er die Stimmung der Bürgerschaft
kannte, die Sache nicht irgendwie in Frage stellen,
~ Herr Mühsam war damals nicht im Bürger-
ausschuß, ich erinnere mich der Sache aber sehr
genau, weil ich ihm angehörte und dort war ~ und
um nun auch im Bürgerausschuß die Sache möglichst
einstimmig an den Senat weiter zu geben, wurde
damals auf Vorschlag des Herrn Senatskommissars
das Wort „in Erwägung ziehen“ gewählt, was ja,
wie er sich ausdrückte, völlig gleichbedeutend sei, denn
er würde dem Senat über den Gang der Ver-
handlung berichten. Er hat es auch getan, wir sehen
das aus der glänzenden Dotation von AM 7000,
die uns heute der Senat gewähren will. Aber
daran bitte ich Sie doch zu denken: Wenn wir heute
M 7000 für die Unterkellerung bewilligen, kann
ich Ihnen die heilige Versicherung geben, daß niemals
ein Krematorium später gebaut werden wird, denn
es finden sich in der Kirchhofsbehörde immer energische
Herren, die die Sache zu hintertreiben verstehen
werden. Jedermann weiß, daß in einer kleinen Be-
hörde eine energische Persönlichkeit, die den nötigen
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Verhandl. d. Bürgerschaft am 11. Juni 1906.
Mut der Überzeugung hat, einen großen Einfluß
besizt. Für mich also würde die Hoffnung, jemals
ein Krematorium hier zu sehen, begraben, sobald der
Senatsantrag angenommen wird. Sie brauchen sich
nur zu vergegenwärtigen, wie die Sache nachher sich
weiter entwickeln würde. Der Lübecker Verein, der
sehr rührig ist, denn er hat in 1 /e Jahren über
600 Mitglieder gewonnen, würde mit vieler Mühe
diese / 27 000 zusammenzubringen suchen; er käme
dann an den Senat und bekäme die Erlaubnis, ein
Krematorium einzubauen. Soll dann aber während
der Bauzeit der Kirchhof geschlossen werden? Die
Kapelle und der ganze Friedhof würden durch den
Bau schwer geschädigt werden, die schönen großen
Bäume, die bis zu der Zeit herangewachsen sein
würden (Heiterkeith – Sie sehen sie ja auf dem
Bilde dort – können Sie wieder abhacken und an
ihrer Stelle eine Bauplanke setzen, die dann monate-
lang stehen wird. Von dem Zwecke, den die ganze
Sache haben soll, wird kein Mensch etwas haben,
wir alle ganz gewiß nicht. Deswegen habe ich mir
erlaubt, den Antrag so zu formulieren, wie er Ihnen
erst vorgelesen ist. So billig wie heute können wir
ein Krematorium niemals bekommen, alle anderen
haben das doppelte und dreifache gekostet. Entweder
bauen wir es also heute und legen damit das
Kapital gut an, indem wir die Konjunktur benuten,
oder wir lehnen den Senatsantrag überhaupt ab!
Die Summe, um die sich mein Antrag dreht, ist so
geringfügig, daß niemand die Ablehnung verstehen
würde. In diesem Sinne möchte ich Sie bitten,
meinen Antrag zu unterstüßen und nicht mit falscher
Sparsamkeit zu wirtschaften. Diese Sache wird uns
ganz sicher später viele Früchte, vielen Dank und
innere Befriedigung bringen. (Bravo.)
R. Thiel: Ich bitte Sie, den Antrag des
Herrn Dr. Wichmann annehmen zu wollen. Es ist
heute nicht mehr an der Zeit, es einem Privatverein
zu überlassen, die Lösung solcher Fragen in Szene
zu sezen. Der Privatverein ist gewiß berufen, das
Interesse der Bevölkerung und das Verständnis für
solche Fragen zu wecken, aber damit ist auch seine
Hauptaufgabe erledigt, und es sollte die Ausführung
der Feuerbestattung, wenn sie als praktisch anerkannt
ist, billigerweise in einem modernen Staatswesen,
wozu wir doch auch unser Lübeck zählen, vom Staate
durchgeführt werden. Es liegt mir fern, Ihnen einen
Vortrag über die Vorzüge der Feuerbestattung
halten zu wollen. Daß sie viele Vorzüge, auch in
sanitärer Beziehung hat, ist allen bekannt. Ich
kann nicht zugeben, daß die Summe von M 34000,
die uns allerdings jährlich M 1360 an Zinsen
kostet, zurückschrecken sollte, jezt den Schritt zu tun,
ein Krematorium aus Staatsmitteln zu erbauen.