Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

vielleicht nachher noch Gelegenheit finden, Ihnen aus anderen Städten nachzuweisen, welch glänzende Resultate sich dort ergeben haben. Ich will nur auf den Punkt weiter eingehen, daß das Kirchhofs- gelände ungefähr die neunfache Zahl von Urnen- gräbern fassen kann, als jetzt von Erdgräbern. Während wir für die letzteren Gräber je 2% qm Oberfläche gebrauchen, braucht ein Urnengrab nur zirka ) qm, so daß man auf derselben Fläche neun Urnen unterbringen kann. Außerdem wird der Friedhof durch die Anlegung des Urnenfriedhofes schöner, gefälliger und im ganzen tröstlicher für die Hinterbliebenen. Wer das nicht glauben kann, be- mühe sich nur nach Ohlsdorf hinaus, sehen Sie sich das Prachtstückchen eines Friedhofes an, Sie werden dann sofort anderer Meinung über die Kirchhofsfrage werden. Ich habe aber eigentlich nicht das Wort rsunung zu halten. Jch möchte Herrn Vihiam nur entgegnen, der sich erst bemühte, ein Referat über die Entstehungsgeschichte des Senatsantrages Ihnen zu geben, das leider nicht ganz der Wirklich- keit entsprach. Als am 5. Juni vorigen Jahres meine Wenigkeit und 51 Mitglieder der Bürgerschaft den Antrag an den Senat richteten, hatten wir aller- dings den Antrag gestellt, den Senat um Errichtung eines Krematoriums zu ersuchen. Der Antrag war außerdem nicht ganz selbständig, sondern ebenfalls gestellt im Anschluß an die Kapellenfrage, wie schon Herr Kollege Wissell erwähnt hat. Er wurde damals von der Bürgerschaft einstimmig dem Bürgerausschuß zur Prüfung überwiesen. Der Bürgerausschuß wollte seinerseits, weil er die Stimmung der Bürgerschaft kannte, die Sache nicht irgendwie in Frage stellen, ~ Herr Mühsam war damals nicht im Bürger- ausschuß, ich erinnere mich der Sache aber sehr genau, weil ich ihm angehörte und dort war ~ und um nun auch im Bürgerausschuß die Sache möglichst einstimmig an den Senat weiter zu geben, wurde damals auf Vorschlag des Herrn Senatskommissars das Wort „in Erwägung ziehen“ gewählt, was ja, wie er sich ausdrückte, völlig gleichbedeutend sei, denn er würde dem Senat über den Gang der Ver- handlung berichten. Er hat es auch getan, wir sehen das aus der glänzenden Dotation von AM 7000, die uns heute der Senat gewähren will. Aber daran bitte ich Sie doch zu denken: Wenn wir heute M 7000 für die Unterkellerung bewilligen, kann ich Ihnen die heilige Versicherung geben, daß niemals ein Krematorium später gebaut werden wird, denn es finden sich in der Kirchhofsbehörde immer energische Herren, die die Sache zu hintertreiben verstehen werden. Jedermann weiß, daß in einer kleinen Be- hörde eine energische Persönlichkeit, die den nötigen 327 Verhandl. d. Bürgerschaft am 11. Juni 1906. Mut der Überzeugung hat, einen großen Einfluß besizt. Für mich also würde die Hoffnung, jemals ein Krematorium hier zu sehen, begraben, sobald der Senatsantrag angenommen wird. Sie brauchen sich nur zu vergegenwärtigen, wie die Sache nachher sich weiter entwickeln würde. Der Lübecker Verein, der sehr rührig ist, denn er hat in 1 /e Jahren über 600 Mitglieder gewonnen, würde mit vieler Mühe diese / 27 000 zusammenzubringen suchen; er käme dann an den Senat und bekäme die Erlaubnis, ein Krematorium einzubauen. Soll dann aber während der Bauzeit der Kirchhof geschlossen werden? Die Kapelle und der ganze Friedhof würden durch den Bau schwer geschädigt werden, die schönen großen Bäume, die bis zu der Zeit herangewachsen sein würden (Heiterkeith – Sie sehen sie ja auf dem Bilde dort – können Sie wieder abhacken und an ihrer Stelle eine Bauplanke setzen, die dann monate- lang stehen wird. Von dem Zwecke, den die ganze Sache haben soll, wird kein Mensch etwas haben, wir alle ganz gewiß nicht. Deswegen habe ich mir erlaubt, den Antrag so zu formulieren, wie er Ihnen erst vorgelesen ist. So billig wie heute können wir ein Krematorium niemals bekommen, alle anderen haben das doppelte und dreifache gekostet. Entweder bauen wir es also heute und legen damit das Kapital gut an, indem wir die Konjunktur benuten, oder wir lehnen den Senatsantrag überhaupt ab! Die Summe, um die sich mein Antrag dreht, ist so geringfügig, daß niemand die Ablehnung verstehen würde. In diesem Sinne möchte ich Sie bitten, meinen Antrag zu unterstüßen und nicht mit falscher Sparsamkeit zu wirtschaften. Diese Sache wird uns ganz sicher später viele Früchte, vielen Dank und innere Befriedigung bringen. (Bravo.) R. Thiel: Ich bitte Sie, den Antrag des Herrn Dr. Wichmann annehmen zu wollen. Es ist heute nicht mehr an der Zeit, es einem Privatverein zu überlassen, die Lösung solcher Fragen in Szene zu sezen. Der Privatverein ist gewiß berufen, das Interesse der Bevölkerung und das Verständnis für solche Fragen zu wecken, aber damit ist auch seine Hauptaufgabe erledigt, und es sollte die Ausführung der Feuerbestattung, wenn sie als praktisch anerkannt ist, billigerweise in einem modernen Staatswesen, wozu wir doch auch unser Lübeck zählen, vom Staate durchgeführt werden. Es liegt mir fern, Ihnen einen Vortrag über die Vorzüge der Feuerbestattung halten zu wollen. Daß sie viele Vorzüge, auch in sanitärer Beziehung hat, ist allen bekannt. Ich kann nicht zugeben, daß die Summe von M 34000, die uns allerdings jährlich M 1360 an Zinsen kostet, zurückschrecken sollte, jezt den Schritt zu tun, ein Krematorium aus Staatsmitteln zu erbauen.
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