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daß irgendein Wirt durch diese Steuer ruiniert
worden wäre. Die Fälle, in denen die Gewerbe-
steuer nicht gezahlt ist, sind außerordentlich selten
gewesen, und mir ist in meiner Tätigkeit ein der-
artiger Fall nicht vorgekommen. Derart hoch ist die
Steuer auch nicht, daß nicht diese Abgabe für die
Wirte möglich wäre. Es muß aber doch Zwangs-
mittel geben, um von jemand, der die Steuer nicht
zahlen will, aber gleichwohl seine Einnahmen bezieht,
sie zu bekommen. In der Regel wird die Androhung
der Schließung vollständig genügen, um die Zahlung
der Steuer herbeizuführen. Ich glaube nicht, daß
in Preußen in erheblichem Umfange davon Gebrauch
gemacht wird. Das ist allerdings richtig, was Herr
Wissell sagte, daß die kleinsten Betriebe in Preußen
steuerfrei sind.
Was die Ausführungen von Herrn Tegtmeyer
betrifft, so möchte ich ihm erwidern, daß selbst-
verständlich es die Aufgabe der Kommission sein
wird, die Betriebe der Gastwirtschaften, Schank.
wirtschasten und des Kleinhandels sämtlich in die
vier Klassen einzurangieren. Da kann es wohl ge-
schehen, daß ein Kleinhandel einen erheblicheren
Umfang hat und in eine höhere Klasse kommt. Im
allgemeinen werden allerdings unsere Kleinhandels-
betriebe nur geringfügig sein, und die Mehrzahl
wird in die niedrigste Klasse kommen. Jedenfalls
besteht aber die Möglichkeit, daß ein Kleinhandels-
betrieb in eine höhere Klasse kommt. Ich stimme
darin mit Herrn Tegtmeyer überein, daß die haupt-
sächlichen Bedenken auch bei den Behörden sich gegen
das Überhandnehmen des Kleinhandels mit Brannt-
wein und Spiritus richten. Da ist es Aufgabe der
Behörde, dem entgegenzuwirken, und ich vertrete auch
beim Polizeiamt den Standpunkt, daß im Klein-
handel möglichst die Zahl der jetzt bestehenden
Konzessionen nicht allzusehr erweitert werde.
Wortführer Dr. Görtz: Ich will nur darauf
aufmerksam machen, daß in einer der früheren Ver-
handlungen über dieses Geseß Herr Mühsam seiner-
seits den Antrag ankündigte, anstatt des auf Seite 11
der Vorlage beantragten fünffachen Betrages bei
Neukonzessionierungen den zehnfachen der Gebühren-
säße zu erheben. Herr Mühsam ist heute, wie er
mir schreibt, zu seinem Leidwesen verhindert, an der
Sitzung teilzunehnen. Ich will aber den Antrag
mitteilen; vielleicht nimmt ihn ein anwessendes
Bürgerschaftsmitglied seinerseits auf.
Th. Schwartz: Ich möchte Sie bitten, die ganze
Vorlage pure abzulehnen. Einmal, weil ich es nicht
für gerechtfertigt halte, daß man aus der ganzen
Zahl der Gewerbetreibenden ein einzelnes Gewerbe
herausgreift, um es mit einer höheren Steuer zu
belasten. Dann meine ich auch, daß die Vorlage
t
nicht fertig ist. Es wird hier nämlich gesagt: „Zum
Zwecke der Erhebung der Gewerbesteuer werden die
stenerpflichtigen Betriebe in vier Klassen eingeteilt.
Die Einteilung erfolgt durch eine Kommission, welche
aus dem Dirigenten des Polizeiamtes oder dessen
Stellvertreter als Vorsizenden und vier bürgerlichen
Deputierten besteht.“ Ich bin der Meinung, daß,
wenn man eine so schwerwiegende Sache durchführen
will, dann in dem Geset unbedingt festgelegt werden
muß, welche Normen bei der Einteilung der Klassen
Platz greifen sollen. Ich habe schon neulich in
meinen Ausführungen erwähnt, daß das in diesem
Gesetz nicht steht, und ich befürchte, daß, wenn der
§ 2 in der jetzt vorliegenden Fassung angenommen
und nicht durch irgendeinen Zusatz ergänzt wird,
die Sache zu großen Unzuträglichkeiten führen kann.
Es müßte doch festgelegt werden, ob die Klassen be-
messen werden sollen nach dem Anlagekapital der
Wirtschaft oder nach dem Jahresertrage derselben
oder ob man ssie vielleicht wie in Bremen und
Hamburg nach dem Flächeninhalt der Wirtschaft
bemessen will. Irgendwelche festen Normen müssen
doch gegeben sein. Es gibt eine ganze Reihe von
Städten, in denen keine Gewerbesteuer bezahlt
wird. Dazu gehört Hamburg und, wie mir heute
mitgeteilt ist, auch Rostock. In Preußen wird eine
Gewerbesteuer allerdings erhoben, und zwar nach
dem Gewerbesteuergeseß vom Jahre 1891. Dort
werden aber nicht alleen die Wirte zur Steuer
herangezogen, sondern alle Gewerbe. Es ist also
in dem Gewerbesteuergeseß vom Jahre 1891 keine
Ausnahme für Wirtschaften gemacht. Allerdings ist
die Ausnahme gemacht worden, die schon von Herrn
Wissell angeführt ist, daß nämlich bei den gewerb-
lichen Betrieben, ganz gleich welcher Art sie sind,
wenn das Anlagekapital die Summe von M 3000
nicht übersteigt oder der Jahresertrag die Summe
von M 1500 nicht erreicht, die Gewerbesteuer nicht
erhoben wird. In allen andern Betrieben wird
natürlich die Gewerbesteuer erhoben, und zwar ist
die Einteilung der Klassen folgendermaßen festgesett:
Klasse IV, die einen Jahresertrag von M 1500
-4000 hat, bezahlt eine Gewerbesteuer von M A
~36, Klasse II], mit einem Jahresertrag von
A 400020000, eine solche von M 32-192,
Klasse I1 von . 20000- 50000 Jahresertras
eine Steuer von M 156-480. In Klas!
sind dann die Riesenbetriebe, die hier nicht wette
in Frage kommen können. Nun werden Sie schon
hieraus ersehen haben, daß die von mir angeführten
Summen sehr viel niedriger sind als diejentgew. ~
wir hier erheben wollen. Ich glaube, daß in L:teh
Wirtschaften mit einem Jahresertrag von A 50 j
nicht vorhanden sind. Der höchste Steuersaß