tatsächlich so, daß man unter einem Zwang steht,
dem man sich kaum entziehen kann. Wie groß dieser
Zwang ist, geht ja aus den Worten des Herrn
Windel hervor, der diejenigen Leute, die in dieser
Hinsicht von der Regel abweichen, gar als Maul-
würfe bezeichnet, die an der Grundlage seiner
Existenz wühlen. Ich bin im Grundprinzip natürlich
völlig mit den Ausführungen des Herrn Windel
insofern einverstanden, als ich es auch für verkehrt
halte, ein einzelnes Gewerbe, eine einzelne Berufs-
schicht herauszugreifen und sie mit Steuern zu
belasten, damit sie dazu beiträgt, die Kasse des Staates
zu füllen. Das halte ich für ganz verkehrt, und
darum werde ich gegen die Vorlage stimmen. Ich
meine, mit Zwang kann man das Trinken nicht
bekämpfen, kann man nichts erreichen, man soll durch
Überredung und Überzeugung wirken und dann der
eigenen Überlegung und der freien Entschließung des
einzelnen und der Einwirkung der Zeit das
Weitere überlassen. Aber da ich einmal bei diesem
Thema bin, gestatten Sie mir, daß ich auf einiges
noch eingehe, die wesentlichen Gesichtspunkte wird
mein Freund Schwartz noch erörtern. (Unruhe.) Ob
es Ihnen angenehm ist oder nicht, kann ich nicht
ändern, das ist mir auch ganz gleichgültig. Ich
spreche auch nicht Ihnen zuliebe, sondern ich sage
das, was ich für notwendig erachte. Ich möchte
Sie darauf aufmerksam machen, daß in diesem Geset
das preußische Vorbild etwas gar zu sehr kopiert ist.
Es ist gesagt worden, daß, wenn jemand die Steuer
nicht rechtzeitig entrichtet, der Betrieb geschlossen
werden kann. Es hat damit der Senat den § 63
des preußischen Gewerbesteuergesezes Absatz II
kopiert, nur daß dort dasselbe mit andern Worten
gesagt ist wie hier. Der betreffende Absay lautet:
„Nach fruchtloser Zwangsvollstreckung kann bis zur
vollständigen Entrichtung des Rückstandes die fernere
Ausübung des ssteuerpflichtigen Betriebes untersagt
und die Einstellung desselben durch Schließung und
Versiegelung der Geschäftsräume erzwungen werden."
Nun ist aber in den preußischen Gewerbesteuergeset
auch die Bestimmung enthalten, daß Betriebe, die
ein Einkommen bis M 1500 im Jahre erzielen,
frei von der Steuer sind. Damit ist für diese
Betriebe ausgeschlossen, daß sie jemals zwangsmäßig
geschlossen werden können. Hier ist aber diese
Bestimmung nicht kopiert. Auch von den ganz
kleinen Betrieben soll hier eine Gewerbesteuer
entrichtet werden. Gerade in diesen Kreisen aber ist
die Gefahr nur zu leicht vorhanden, daß sie nicht
imstande sind, ihre Steuer bezahlen zu können,
und sie wird man dann auf Grund dieser Bestimmung
schließen können. Man wird also diesen Leuten die
Existenz reinweg abschneiden und untergraben können.
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Verhandl. d. Bürgerschaft am 9. April 1906.
Ich bin der Meinung, daß diese Bestimmung so
ungerecht ist, wie sie tatsächlich nicht ungerechter sein
kann. Wenn man sich schon nach Preußen hat
richten wollen, hätte man es auch nach der Richtung
hin tun müssen, daß man die Bestimmung auf-
genommen hätte, die Betriebe bis zu M 1500
Einnahme ganz frei von der Steuer sein zu lassen. Ich
bin der Meinung, daß wir nicht einer einzelnen
Schicht der Bevölkerung, einer Klasse des Gewerbes
die Mittel abpressen dürfen, die wir für die Staats-
kasse erforderlich haben. Das kann und darf die
Zustimmung der Bürgerschaft nicht finden, und
darum bitte ich Sie, diesem Geseß Ihre Zustimmung
nicht geben zu wollen, sondern es abzulehnen.
Tegtmeyer-Moisling: Ich stelle mich Ihnen
als früherer Wirt vor, vor sechs Jahren habe ich
meinen Betrieb aufgegeben. Ich muß von vornherein
sagen, daß ich vollständig mit der Senatsvorlage
einverstanden bin. Ich kann Ihnen sagen, daß ich
es früher oft als ungerecht bezeichnet habe ~ auch
im Wirteverein, den ich mitgegründet habe, habe
ich Gelegenheit genommen, das auszusprechen
wenn ein kleiner Wirt, der vielleicht Z 1000 Ein-
kommen aus seiner Wirtschaft hat, mag es nun eine
Gast- oder Schankwirtschaft sein, ebenso viel Gewerbe-
steuer zahlen soll wie z. B. der Besitzer von Stadt
Hamburg oder der Pächter des Ratsweinkellers.
Das brauche ich Ihnen nicht weiter zu erzählen,
das muß jeder fühlen. Deswegen ist es nicht mehr
als gerecht, daß jetzt die Steuer, wie sie vorgeschlagen
ist, erhoben wird. Nur eins bedaure ich in bezug
auf den Kleinverkauf von Branntwein oder Spiritus.
Man hat allerdings nicht gesagt, daß mit der Er-
hebung der Steuer von M 30 der Kleinverkauf
mit gemeint sein solle. Ich verstehe die Sache so,
daß die Kommission, die aus den Polizeiherren und
sechs bürgerlichen Deputierten besteht, feststellen wird,
in welche Klasse diese Betriebe zu bringen sind und
ob es sich im einzelnen Falle um eine Gastwirtschaft,
eine Schankwirtschaft oder einen Kleinverkauf handle.
Da möchte ich darauf aufmerksam machen, daß es
nicht gerecht wäre, wenn man den Kleinverkauf mit
den niedrigsten Sähen anseßen wollte. Diese Klein-
verkäufe sind es gerade, die die Armsten von den
Armen so herunterbringen. Ich kann Ihnen einen
Fall davon erzählen. Ich bin Gemeindevorsteher.
Gestern morgen kommt ein Mann zu mir, der sagt:
Gestern abend habe ich in Lübeck mit guten Freunden,
jedenfalls in einem Kleinverkauf, zu viel genossen.
Ich kam dann an einer Wirtschaft vorbei, in der
noch Licht brannte. Ich dachte, da trinkst du noch
ein Glas Bier + das war jedenfalls der Nachdurst.
– Aber den Herren, die da saßen, war dieser
Arbeiter nicht genehm, auch wohl dem Wirt nicht.