Full text: Lübeckische Blätter. 1906 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1906 (48)

Zeiten und daß der Andrang bei der Rekursbehörde sich meines Erachtens nur darauf zurückführen läßt, daß eine ganze Menge von Leuten, die eigentlich keine Wirte sind, dahin streben, eine Wirtschaft oder Konzession dafür zu erlangen. Viele dieser Leute sind teilweise schon verkracht, und sie sehen, wie ich schon in der vorigen Bürgerschaftssizung sagte, das Geschäft noch immer als ein rosiges an. Es wurde auch gesagt, daß vielleicht noch eine ganze Menge mehr Wirte da seien, denen es recht gut ginge. Ich könnte Ihnen Leute nennen, die hier große Lokali- täten besitzen und einen großen Namen haben, in deren Haut ich aber nicht stecken möchte. Aber im Interesse dieser Herren will ich auf die Sache nicht weiter eingehen. Die Hauptgläubiger bei Konkursen im Wirtsgewerbe sind meistens Bierbrauer, Schlachter und Weinhändler, und aus dem Munde dieser Herren werden Sie am besten hören, wie es um das Wirts- gewerbe bestellt ise Dann sagte Herr Senator Dr. Schön noch, man müsse nicht durch meine Brille die Sache besehen. Jch bin fest davon überzeugt, daß Eingeweihte die Sache mit bloßen Augen sehen können. Die brauchen keine Brille dazu, und diese werden mir alle beistimmen, wenn ich sage, daß die Wirte nicht auf Rosen gebettet sind. Augenblicklich droht, wie Sie wisssen, unserm Gewerbe noch die Brau- steuer und erhöhte Gewerbesteuer. Von unten her wühlen wie Maulwürfe die Antialkoholiker, die Temperenzler. Diese entblöden sich sogar nicht, an die Bürgerschaft heranzugehen und zu verlangen, daß der Staat in sein Budget eine feste Summe auf- nehmen soll, die ihnen für ihre Zwecke zur Ver- fügung gestellt werde. Da hört es wirklich auf. Im Interesse dieser Herren sollen Sie, meine Herren, Existenzen vernichten. Dem Vorgehen spreche ich jede Berechtigung ab. Es sind in einer Denkschrift vom Verein Lübecker Wirte, die Ihnen ja zuge- ELO UR N; aufhalten. Es ist auch von den Gast- und Schank- wirten eine Eingabe an die Bürgerschaftsmitglieder gekommen. Sie ist gewissermaßen nur eine Re- produktion der ersteren Eingabe, denn die vom Verein Lübecker Wirte ist zuerst ausgearbeitet worden. Ich möchte die Herren der Bürgerschaft ersuchen, mich in meinem Antrage, den ich jetzt stellen werde, zu unterstützen, der dahin geht, diese Vorlage an eine Kommission zu verweisen. In dieser Kommission kann die Sache dann noch einmal gründlich durch- beraten werden, ich möchte aber hieran die Bitte knüpfen, daß in diese Kommission auch Wirte hineingewählt werden. Meiner Meinung nach muß die Kommission zu dem Schluß kommen, daß diese Vorlage nicht so 209 Verhandl. d. Bürgerschaft am 9. April 1906. beschlossen wird, wie sie heute vom Senat vorge- schlagen wird. Wortführer Dr. G ör ß: Herr Windel teilt mir eben mit, daß er auch bezüglich des Nachtrages betreffend die Gebührentarife beantragen wird, die Sache an eine Kommission zu verweisen. Sch orer: Ich möchte zunächst konstatieren, daß ich kein Gastwirt bin. Aber ich muß gleich von vornherein hervorheben, daß mir diese Vorlagen im höchsten Grade unsympathisch sind. Eine gerechte Besteuerung wird nicht erzielt, wenn man irgendein Gewerbe herausgreift, hier das Wirtsgewerbe, und sagt: Du bist ein wohlhabender Mann, du sollst extra steuern. Wir können dann ebensogut die Rechts- anwälte herausgreifen und sagen: Dieser Stand kann gern eine Extrasteuer zahlen, denn er hat gute Einnahmen, und der Staat braucht Geld. Das wäre doch so ungerecht wie nur irgend möglich ! Heute sollen wir ein Geseß bewilligen, welches nur auf den Gastwirtsstand zugeschnitten ist. Wer steht denn dafür, daß nicht morgen die Tischler oder sonst irgendein Gewerbe zu einer neuen Steuer heran- rpg etcutsustsrazitrcgrtzhs! verschiedenen Übelständen, wodurch sie unannehmbar wurde. Herr Stender hat schon neulich mit Recht angeführt, daß man in der einen oder anderen Weise eine Erwerbssteuer einführen könne, die jeden Stand treffe. Eine solche Steuer wäre ganz in der Ord- nung. Aber jetzt einzelne Stände herauszugreifen, um ein paar Tausend Mark für den Staat zu be- kommen, ist im höchsten Grade ungerecht und erzeugt nur böses Blut. Ich kann dieser Vorlage daher unter keinen Umständen zustimmen. Ich bin dafür, daß wir alles ablehnen. Herr Windel hat vorge- schlagen, die Vorlage an eine Kommission zu ver- weisen. Ich hoffe, daß in derselben die Vorlage ganz gehörig Schiffbruch erleiden wird. Ich bedauere die Steuerfindungskommission, daß sie solche Gesetze hat schaffen können. Sie hat wunder geglaubt, was sie gemacht hatte, als sie diese Abstufungen vorschlug. Der Grund für diese Vorschläge ist aber doch nur der, daß man mehr Geld herausschlagen wollte. Mir fehlt der Ausdruck, diese Vorlage der Steuer- findungskommission richtig zu bezeichnen. Senator Dr. Sch ön: Die letzte Bemerkung des Herrn Schorer, daß er keinen Ausdruck dafür habe, um die Vorlagen der Kommission zu kenn- zeichnen, muß ich entschieden zurückweisen. Ich möchte dabei auch daran erinnern, was schon in der vorigen Sitzung hervorgehoben ist, daß es sich bei der jetzigen Vorlage nur um den Rest dessen handelt, was die Steuerkommission vorgeschlagen hat. Die
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