Zeiten und daß der Andrang bei der Rekursbehörde
sich meines Erachtens nur darauf zurückführen läßt,
daß eine ganze Menge von Leuten, die eigentlich
keine Wirte sind, dahin streben, eine Wirtschaft oder
Konzession dafür zu erlangen. Viele dieser Leute
sind teilweise schon verkracht, und sie sehen, wie ich
schon in der vorigen Bürgerschaftssizung sagte, das
Geschäft noch immer als ein rosiges an. Es wurde
auch gesagt, daß vielleicht noch eine ganze Menge
mehr Wirte da seien, denen es recht gut ginge. Ich
könnte Ihnen Leute nennen, die hier große Lokali-
täten besitzen und einen großen Namen haben, in
deren Haut ich aber nicht stecken möchte. Aber im
Interesse dieser Herren will ich auf die Sache nicht
weiter eingehen. Die Hauptgläubiger bei Konkursen
im Wirtsgewerbe sind meistens Bierbrauer, Schlachter
und Weinhändler, und aus dem Munde dieser Herren
werden Sie am besten hören, wie es um das Wirts-
gewerbe bestellt ise Dann sagte Herr Senator Dr.
Schön noch, man müsse nicht durch meine Brille
die Sache besehen. Jch bin fest davon überzeugt,
daß Eingeweihte die Sache mit bloßen Augen sehen
können. Die brauchen keine Brille dazu, und diese
werden mir alle beistimmen, wenn ich sage, daß die
Wirte nicht auf Rosen gebettet sind. Augenblicklich droht,
wie Sie wisssen, unserm Gewerbe noch die Brau-
steuer und erhöhte Gewerbesteuer. Von unten her
wühlen wie Maulwürfe die Antialkoholiker, die
Temperenzler. Diese entblöden sich sogar nicht, an
die Bürgerschaft heranzugehen und zu verlangen, daß
der Staat in sein Budget eine feste Summe auf-
nehmen soll, die ihnen für ihre Zwecke zur Ver-
fügung gestellt werde. Da hört es wirklich auf.
Im Interesse dieser Herren sollen Sie, meine Herren,
Existenzen vernichten. Dem Vorgehen spreche ich
jede Berechtigung ab. Es sind in einer Denkschrift
vom Verein Lübecker Wirte, die Ihnen ja zuge-
ELO UR N;
aufhalten. Es ist auch von den Gast- und Schank-
wirten eine Eingabe an die Bürgerschaftsmitglieder
gekommen. Sie ist gewissermaßen nur eine Re-
produktion der ersteren Eingabe, denn die vom
Verein Lübecker Wirte ist zuerst ausgearbeitet worden.
Ich möchte die Herren der Bürgerschaft ersuchen,
mich in meinem Antrage, den ich jetzt stellen werde,
zu unterstützen, der dahin geht, diese Vorlage an
eine Kommission zu verweisen. In dieser Kommission
kann die Sache dann noch einmal gründlich durch-
beraten werden, ich möchte aber hieran die Bitte knüpfen,
daß in diese Kommission auch Wirte hineingewählt
werden. Meiner Meinung nach muß die Kommission
zu dem Schluß kommen, daß diese Vorlage nicht so
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Verhandl. d. Bürgerschaft am 9. April 1906.
beschlossen wird, wie sie heute vom Senat vorge-
schlagen wird.
Wortführer Dr. G ör ß: Herr Windel teilt
mir eben mit, daß er auch bezüglich des Nachtrages
betreffend die Gebührentarife beantragen wird, die
Sache an eine Kommission zu verweisen.
Sch orer: Ich möchte zunächst konstatieren,
daß ich kein Gastwirt bin. Aber ich muß gleich von
vornherein hervorheben, daß mir diese Vorlagen im
höchsten Grade unsympathisch sind. Eine gerechte
Besteuerung wird nicht erzielt, wenn man irgendein
Gewerbe herausgreift, hier das Wirtsgewerbe, und
sagt: Du bist ein wohlhabender Mann, du sollst
extra steuern. Wir können dann ebensogut die Rechts-
anwälte herausgreifen und sagen: Dieser Stand
kann gern eine Extrasteuer zahlen, denn er hat gute
Einnahmen, und der Staat braucht Geld. Das
wäre doch so ungerecht wie nur irgend möglich !
Heute sollen wir ein Geseß bewilligen, welches nur
auf den Gastwirtsstand zugeschnitten ist. Wer steht
denn dafür, daß nicht morgen die Tischler oder sonst
irgendein Gewerbe zu einer neuen Steuer heran-
rpg etcutsustsrazitrcgrtzhs!
verschiedenen Übelständen, wodurch sie unannehmbar
wurde. Herr Stender hat schon neulich mit Recht
angeführt, daß man in der einen oder anderen Weise
eine Erwerbssteuer einführen könne, die jeden Stand
treffe. Eine solche Steuer wäre ganz in der Ord-
nung. Aber jetzt einzelne Stände herauszugreifen,
um ein paar Tausend Mark für den Staat zu be-
kommen, ist im höchsten Grade ungerecht und erzeugt
nur böses Blut. Ich kann dieser Vorlage daher
unter keinen Umständen zustimmen. Ich bin dafür,
daß wir alles ablehnen. Herr Windel hat vorge-
schlagen, die Vorlage an eine Kommission zu ver-
weisen. Ich hoffe, daß in derselben die Vorlage ganz
gehörig Schiffbruch erleiden wird. Ich bedauere die
Steuerfindungskommission, daß sie solche Gesetze hat
schaffen können. Sie hat wunder geglaubt, was sie
gemacht hatte, als sie diese Abstufungen vorschlug.
Der Grund für diese Vorschläge ist aber doch nur
der, daß man mehr Geld herausschlagen wollte.
Mir fehlt der Ausdruck, diese Vorlage der Steuer-
findungskommission richtig zu bezeichnen.
Senator Dr. Sch ön: Die letzte Bemerkung
des Herrn Schorer, daß er keinen Ausdruck dafür
habe, um die Vorlagen der Kommission zu kenn-
zeichnen, muß ich entschieden zurückweisen. Ich
möchte dabei auch daran erinnern, was schon in der
vorigen Sitzung hervorgehoben ist, daß es sich bei
der jetzigen Vorlage nur um den Rest dessen handelt,
was die Steuerkommission vorgeschlagen hat. Die