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Der große Zusammenstoß der mächtigsten Kultur-
völker im Jahre 1870 hat es gezeigt, daß der
Schwerpunkt der Macht sich dahin neigt, wo das
Volk am meisten durchgebildet ist. Der Verlauf
des jüngsten ostasiatischen Krieges bestätigt diese Er-
fahrung. Das bekannte Wort: „Geld regiert die
Welt“! hat eigentlich nur einen Teil seiner Wahr-
heit behalten. Jeder verständige Mensch ist von
der Überzeugung durchdrungen, daß eine tüchtige
Bildung ein viel besser angelegtes Kapital ist als
dasjenige, von dem es heißt: „Wie gewonnen, so
zerronnen."
Einig sind sich wohl alle über den Wert und
die Macht der Bildung. Fragt man aber, was
denn nun eigentlich unter Bildung verstanden wird,
wer zu den Gebildeten zu rechnen ist, dann begegnet
man einer solchen Menge von Auffassungen und
Meinungen, daß es sehr schwer ist, sich den Weg
durch dieses Labyrinth zu bahnen. Man spricht von
wissenschaftlicher, ästhetischer, politischer Bildung;
man unterscheidet zwischen theoretischer und prak-
tischer, klassischer und moderner, ja zwischen männ-
licher und weiblicher Bildung. Das sind Arten der
Bildung, die ihre besonderen Grundlagen und be-
stimmten Zwecke haben. Man sieht aber bald, daß
man aus keiner dieser Bildungen heraus die Frage
beantworten kann: Wer ist gebildet ? Diese Frage
stellt sich von vornherein auf einen allgemeineren
Standpunkt und sieht von jeglicher Fachbildung ab.
Es gibt eine Bildung, welche die Wurzel aller
jener besonderen Bildungen ist, die jeder derselben
erst den rechten Wert verleiht und die eigentliche
Weihe gibt; eine Bildung, die nicht die Menschen
trennt in Stände und Klassen, sondern sie einigt,
an der alle teilhaben, mögen sie sonst auch von noch
so verschiedenen Interessen beherrscht werden. Das
ist die Bildung zum Menschen. Die Frage: wer
ist gebildet, gestaltet sich dann zu der andern: wer
ist ein gebildeter Mensch. Wenn der französische
Minister Jules Favre nach einer jener ernsten Ver-
handlungen mit Bismarck bewundernd ausrief: „ein
Genius ist der Mann, aber leider ein Barbar,“
so wollte er damit aussprechen, er sei ein politisches
Genie, man könne aber auch trotz hoher Bedeutung
ein Unmensch sein, ohne wahre menschliche Bildung.
Wir erkennen den Satz, daß der Maßstab echt
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Falle es dahingestellt sein lassen, auf wessen Seite
der Mangel an menschlicher Bildung lag. Die
menschliche Bildung hat das vor jeder anderen
voraus, daß sie in jeden Kreis menschlicher Gesell-
schaft eingehen kann, in die Hütte so gut wie in
den Palast, daß sie jede Arbeit adelt, die höchste
wie die niedrigste. Ich denke, das Vorurteil wird
bald besiegt sein, daß wahre Bildung sich mit den
Arbeiten der niedrigsten Volksschichten nicht vertrage
Aber möchte auch das Vorurteil unter den letzteren
mehr und mehr beseitigt werden, daß zu einen
menschenwürdigen Dasein und zu dem Wesen wahre
Bildung Reichtum und Lebensgenuß unbedingt not
wendig sein müssen. Einer der reichsten Männer
der Welt sprach es aus: Mein Lebenszweck ist es,
tausend Millionen zu besitzen. Er erreichte seinen
Zweck. Da sagte er aber nicht: Nun will ich mit
meinem Besitze Gutes leisten, sondern: jetzt will ih
es auf zweitausend Millionen bringen. Das ver
trägt sich nicht mit wirklicher Bildung. Paulus.
der Mann umfassender Gelehrsamkeit, der schärssten
und tiefsten Denker, aber auch der größten Menschen
freunde einer, übte am Tage seinen apostolischet
Beruf aus und webte des Nachts Teppiche. Spinoza
ein edler Geist, der auf die Bildung seiner Zeit
einen tiefgehenden Einfluß hatte, verdiente seinet
Lebensunterhalt mit Glasschleifen. Ein Sokrates
war Bildhauer und Cincinnatus, der edle Römet,
ward vom Pfluge an die Spitze des politijchen
Lebens berufen. ö ö
Wenn wir nun auch die Frage: wer ist gebildet
dahin näher bestimmt haben: wer ist ein gebildete:
Mensch, jo it damit doch noch nicht die scheinba!
unüberwindliche Schwierigkeit aus dem Wege geräunt
näher zu bestimmen, was dazu gehört, um sich zl
den gebildeten Menschen rechnen zu dürfen.
Die Ansichten darüber gehen weit auseinandet
Die Bildungsideale sind bei den verschiedenti
Völkern Europas sehr verschieden. Bei den Perjen
gehörten Ehrfurcht vor den Göttern, Gehorsam gest
die Eltern und Wahrhaftigkeit im Reden t!
Bildung, bei den Griechen sorgfältige Pflege !
körperlichen Kraft und Schönheit, Redegabe wi
Kunstverständnis. In Amerika steht der soltm Uu
Mann, der es schnell zu etwas bringt, in höcst!
Achtung, in England der gentleman, der it s
Lage ist, seinem Sport zu leben. In Frankcei .
der Gebildete der Kavalier, der in den sû h
glänzende Schriftsteller und Künstler. In Deuh
land galt bisher der akademisch Gebildete für !
eigentlich Gebildeten. Die Hindus und cjry
dagegen suchen zu beweisen, daß ihren alten Bildu
formen gegenüber der Europäer ungebildet sei. pi
Ehe wir nun versuchen auseinanderzuseben jjet
nötig ist, um ein gebildeter Mensch z! hs
möchten wir nur noch die landläufige Weise erw
in welcher man gegenwärtig von Bildung pr
hört. Nach der gewöhnlichen Angicht rent u
den zu den gebildeten Menschen, der die k! mi
und oberen Schulen durchlaufen hät. t
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