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evangelischem und katholischem Christentum beobachtet
werden kann, betreten wir, wenn wir von der kirch-
[ichen Vereinstätigkeit reden. Wie oft um den Chor-
abschluß unserer alten romanischen und gotischen
Dome herum ein Kranz von kleineren Kapellen sich
lagert, so lagert um die Arbeit der christlichen Kirche
in der Gegenwart und zwar um die beider christ-
licher Religionsgessellschaften ein Kranz freier christ-
[licher Vereine; sie unterstützen die Arbeit der organi-
sierten Kirchen, sie tragen hier evangelische, dort
katholische Gesinnung und Weltanschauung in breiteste
Volkskreise hinaus. Auf diesem Gebiet werden wir
etwas länger verweilen müssen, weil gerade die Ver-
gleichung römisch-katholischen und evangelischen Ver-
einswesens überall helle Schlaglichter wirft auf die
Beziehungen der Konfessionen zueinander und auf die
kirchenpolitische Lage der Gegenwart. Namentlich
die katholische Kirche Deutschlands hat „durch ein
schlagfertiges Massenaufgebot und durch eine fast
lückenlose Organisation des katholischen Volkes in
kirchlich geleiteten Vereinen ihr stehendes Heer von
Priestern und Orden zu ergänzen gewußt und damit
einen großartigen Beweis der jugendlichen Elastizität
ihres alten Körpers und ihrer Anpassungsfähigkeit
an neue Verhältnisse gegeben." Wir werden aber
bei der Besprechung dieses Punktes auch zugleich
über unseren Landwehrgraben hinüberblicken müssen.
Denn so wenig, wie unsere evangelisch-lutherische
Landeskirche ihre Sondergebilde an kirchlichen Ver-
einen hat, so steht noch viel weniger die römisch-
katholische Gemeinde in Lübeck auf diesem Gebiet
vereinzelt da; sie ist nur ein Glied der in ihren
Vereinen unablässig tätigen und sich verjüngenden
römisch-katholischen Weltkirche. :
Das moderne katholische Vereinswesen hat seinen
Ursprung in dem Sturmjahre 1848, in welchem in den
meisten deutschen Staaten die gesetzlichen Hindernisse
freier Vereinsbildung fielen. Damals wandelte der
Domkapitular Lennig in Mainz das demokratische
Schlagwort „Befreiung des Volkes von Bevormun-
dung durch Staat und Kirche“ in die Losung „Ve-
freinng der Kirche von Bevormundung durch den
Staat“’ um und gründete einen Verein zum Schutze der
religiösen Freiheit, welcher sich nach Pius IR.
„Pius-Verein“ nannte. Die Veröffentlichung der
Statuten dieses Vereins „gab das Signal zur Grün-
dung von vielen hundert ähnlichen Vereinen,“ die
sich auf einer Versammlung in Mainz im Oktober
1848 zu einem Zentralverein unter dem Namen
„Katholischer Verein Deutschlands“ zusammenschlossen.
Die Generalversammlungen dieses Vereins, seit 1872
als Generalversammlungen der Katholiken Deutsch-
lands bezeichnet, sind nicht nur Paraden geworden,
auf welchen der Öffentlichkeit alljährlich ein impo-
nierender Eindruck von der glänzenden Größe des
geeinten deutschen Katholizismus beigebracht werden
joll, sondern auch Quellpunkte katholisch-kirchlichen
Lebens, von welchen aus neue Aufgaben ins Auge
gefaßt werden. Der deutsche Episkopat hat anfäng-
lich der katholischen Vereinsbewegung ferngestanden.
Die demokratische Haltung einzelner katholischer Ver
eine ebensosehr, wie der starke national-deutsche Ein
schlag in die ersten Gewebe des katholischen Vereins-
wesens (das Verlangen nach nationalen Synoden,
Döllingers Hoffnung auf eine deutsche kath. Kirche)
scheinen ihm Bedenken verursacht zu haben. Aber
jehr bald lernte doch auch der höhere deutsche Klerus
die wachsende Bedeutung der katholischen Vereine
und die Wichtigkeit der von ihm auf die Fahne gr
schriebenen Aufgaben schätzen. Und schon im Jahr
1851 sprach der ultramontane Professor. der Rechts
und Staatswissenschaften in Freiburg im Breisgat,
Dr. von Buß, in einer Universitätsvorlesung Zwet
und Ziel der katholischen Vereinstätigkeit deutlich
aus: „Mit einem Netz von katholischen Vereinen
werden wir den alt.protestantischen Herd in Preußen
von Osten und Westen umklammern, durch möglich
viele Klöster diesen Klammern Halt geben, so den
Protestantismus erdrücken, die katholischen Provinzen,
die der Kirche zum Hohn der Mark Brandenburg
zugeteilt worden sind, befreien und die Hohenzollern
unschädlich machen.“
Die katholischen Vereine lassen sich in vier groß
(Gruppen gliedern: in Propagandavereine, charitative
Vereine, Standesvereine und sogenannte from
Vereine.*)
Der an letter Stelle genannten frommen Ver
eine ist auf seiten der römisch-katholischen Kirche eit!
so unabsehbar große Zahl (von der Erzbruderjtef
vom Gürtel des heiligen Franz von Assisi at tit
zum Apostolat des Gebets, von der Erzbrudecsthtf
unserer lieben Frau von der immerwährenden hit
bis zum Gebetsverein vom heiligen und unbefle i
Herzen Mariä zur Bekehrung der i:. k.
selbst ihre Namen zu nennen Stunden er or '
würde. Doch können und müssen sie für den zue
dieses Vortrages außer Betracht bleiben. Sie fi
zwar für das innere Leben der katholischen tit
für die gegenwärtige katholische Frömmigkeit hst
charakteristisch; aber Beziehungen zur evangeli4.,
Frömmigkeit zeigen sie der Wahrnehmung "w
Dagegen stehen die erstgenannten drei Gruppet, j
wohl die Propagandavereine, als die charitativen "i
die Standesvereine, vielfach in Wechselwirkung
Lebensäußerungen der evangelischen Kirche.
. *) Vgl. zum folgenden das „Protestantische Tejthentu
on Hermens und Kohlschmidt, Leipzig 1905, Seite qui f
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