Full text: Lübeckische Blätter. 1905 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1905 (47)

4.9 & Weiter: Auf einer Wanderung trete ich in ein Bauernhaus; im Hintergrunde, im Zwielicht der großen Diele hantiert die Bauersfrau in ihrer bunten Tracht, zwischen blinkenden Messsingschüsseln, beim Scheine des flackernden Herdfeuers ~ ein unvergeß- liches Bild! Nun bekommt das bunte Gewand der Frau Interessc, die Messinggeräte stellen sich als künstlerische Treibarbeiten heraus, eine buntbemalte Truhe wird plötzlich entdeckt, dies Steingut ist von längstgesuchter Art; und gesetzt den Fall, daß eine ganze Reihe dieser Stücke für viele gute Worte und noch mehr erworben werden und in ein Museum wandern ~- da stehen nun die getriebenen Messing- schüsseln in einem Schranke mit vielleicht zwanzig anderen; sie sind kunstgeschichtlich von hohem Werte; an anderer Stelle haben die Fayencen ihren Plat gefunden, und wieder an anderer Stelle hat die Truhe sich trefflich einreihen lassen; sie füllt nun eine längst fühlbare Lücke in der historischen Ent- wicklung der Holzbildhauerei aus. Solch’ ein Ver- fahren ist eigentlich barbarisch. Ist nicht das ganze Bild zerrissen, vielleicht unwiderbringlich zerstört! Gewiß soll die Wissenschaft ihr scharfes, unerbitt- liches Messer auch an solche intimen Bilder legen; aber so reizvoll die Formen und Farben auch an sich sein mögen, so wertvoll auch das Wissen ist von der Verwendung und Zusammensegung der Farbe auf den Fayencen, ~ die künstlerische Eigenart jener Formen und Farben, das künstlerische Empfinden des Volksstammes, der seine Formen und Farben schuf oder benutzte, werden erst verständlich, wenn dieselben in ihrer wirklichen Umgebung stehen, in dem Milieu, in dem sie lebendig geworden sind. Eine derartige Umgebung gibt bleibende, dauernde, wertvolle Eindrücke, die nicht sobald wieder ver- wehen, deren jtille Fruchtbarkeit, wenn man sie ge- nießend, ohne zersplitterndes Urteil in sich aufnimmt, um mit Goethe zu reden ~ ganz unschäzbar ist. Es lassen sich natürlich nicht immer solche Milieus schaffen, es gibt hundert und tausend Dinge, die systematisch aufgestellt werden müssen, und systema- tische Sammlungen sind unbedingt notwendig, aber wenn man solche Interieurs schaffen kann und unser deutsches Kulturleben ist noch heute so reich daran + so soll man sie festhalten und soll ihnen im Museum eine Stätte bereiten. _ Aber echt müssen die Interieurs sein! Wenn dieselben nur vom Künstler –~ mit Rücksicht auf künstlerische Wirkung ~ zusammengestellt sind, so ist das Fälschung, an der die Volksseele, der Volks- geschmack nicht mehr empfunden werden kann. Da tritt uns nichts weiter als die größere oder ge- ringere künstlerische Schulung des Arrangeurs ent- gegen. Aus diesen Gedanken heraus ist das Altonaer Muÿeum geschaffen worden, es will dem Beschaue bleibende Eindrücke geben, die er mit sich hinaus nimmt, will ihn erziehen zum Menschen, der nach denklich die umgebende Natur und Kultur betrachtet Das Altonaer Museum hat Jich auf seine Heimat auf die Provinz Schleswig-Holstein beschränkt; in der Kulturgeschichte ganz; in der naturhistorischen Abteilung insofern weiter ausholend, als auch solche Tiere in den Kreis der Darstellung bezogen wurdet, die in dem Empfinden, dem Gedanken des nieder deutschen Volkes eine Rolle spielen. Den Wolf den Bären, den Elch auszuschließen, weil sie nicht mehr in Schleswig-Holstein vorkommen, wäre Pe danterie gewesen. Drei Abteilungen umfaßt das Altonaer Museun; eine kulturhistorische, eine naturhistorische und als letzte, vor wenigen Monden erst dem Museum eiv gereiht, die Abteilung für See- und Küstenfischerei, die zum Teil ständige Ausstellung des deutschen Seefischerei-Vereins ist. ö Im oberen Stock befindet sich die kulturhistorisch Abteilung; es ist versucht worden, so viel wie mög lich in zusammenfassenden Gruppen eine Idee zit Darstellung zu bringen. So sind z. B. die Innung geräte einheitlich behandelt worden. In dem großen Saale, in welchem die Bilder und sonstigen Erinne- rungsstücke zur historischen Entwicklung Altonas, zit Erhebung Schleswig-Holsteins 1848/51, die keta: mischen Erzeugnisse der Provinz Platz gefunden haben, E Ust tele vuiütt die Vorlage arliefert hat. Auf einem großen Tit stehen Willkommen und Humpen, Innungsbetht!, eine Lade und Schafferstab, darüber hängen alt Schilder und die Zeichen, unter denen die gur genossen sich zu versammeln pflegten. An der Wan finden sich alte Innungsfahnen, Meissterbriefe, st ordnungen und dergleichen. Die Wände der Innung stube sind durch Glasschränke bezeichnet, 11 .'! die wertvollen silbernen Willkommen, Kredenzk! Laden und Schilder aufgestellt sind. Auf tf Weise ist innerhalb des Saales ein einheitlich g" gestatteter Raum geschaffen, der inhaltlich und ttt seiner Gesamtwirkung etwas Abgeschlossenes het Ein gleicher Grundsat hat bei der Ausste ! der Trachten gewaltet. Sie sind nicht als Pusst, steif nebeneinander in Schränke gestellt, sondett fi sind nach landschaftlichen Gesichtspunkten 6<1}f! gebildet worden. So sind die Trachten des hen holsteinischen Waldgebietes z. B. auf plus., Figuren so zusammen vereinigt, daß ste das je einer alten Spinnstube geben. Anachronismen .. dabei selbstverständlich mit unterlaufen, für
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