Full text: Lübeckische Blätter. 1905 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1905 (47)

4 6,2 Volkstümliche Theatervorsstellungen. In dem Aufsatz, den kürzlich die „Lübeckischen Blätter“ über das neue Stadttheater brachten, wurde die Forderung aufgestellt, daß das neue Theater mehr, als es beim alten der Fall gewesen ist, dem Arbeitersslande zugute kommen solle. Wir möchten diese Forderung aufs wärmste unterstüten und zu ihrer Bekräftigung hinweisen auf das interesssante Referat, das der Kammerherr v. Ebart in Gotha über volkstümliche Theatervorstellungen auf der IX. Konferenz der Zentralstelle für Arbeiter.Wohlfahrts- einrichtungen erstattet hat.!) v. Ebart erinnert zu- nächst daran, wie lebhaft sich Goethe mit den Re- formen des Theaters beschäftigt hat. „Stände ich noch an der Spitze der Theaterleitung,“ so äußerte er sich in seinen Gesprächen mit Eckermann, „ich würde jetzt zum Besten der Kasse noch einen Schritt weitergehen, und Ihr solltet erfahren, daß mir das nötige Geld nicht ausbliebe. Ich würde auch die Sonntage spielen lassen. Die große arbeitende Klasse," fuhr Goethe weiter fort, „die an den Wochentagen gewöhnlich bis spät in die Nacht be- schäftigt ist, hat den Sonntag als einzigen Er- holungstag, wo sie dann das edlere Vergnügen des Schauspiels dem Tanz und Bier in einer Dorf- schenke sicher vorziehen würde.“ Goethes Idee, auch an Sonntagen spielen zu lassen, fand in weiten Kreisen die vollkommenste Zustimmung und wurde als eine sehr glückliche be- grüßt. Es erhob sich nur ein leiser Zweifel, ob der Plan auch dem Hofe genehm sein würde. „Der weimarische Hof,“ erwiderte Goethe, ,ist zu gut und weise, als daß er eine Maßregel hin- dern sollte, die zum Wohl der Stadt und einer be- deutenden Anstalt gereicht. Der Hof wird gewiß gern das kleine Opfer bringen und seine Sonntags- Soireen auf einen andern Tag verlegen. Wäre dies aber nicht annehmlich, so gebe es ja für die Sonn- tage Stücke genug, die der Hof ohnedies nicht gern sieht, die aber für das eigentliche Volk durchaus geeignet sind und ganz trefflich die Kasse füllen.“ Und tatsächlich war das Weimarische Hoftheater eines der ersten, das Goethes Idee verwirklicht hat. Noch heute veranstaltet es regelmäßig Vorstellungen is:: hie weniger bemittelten Bewohner von Stadt und Land. _ In Gotha wurden im Anfang des Jahres 1898 die ersten Volksvorstellungen veranstaltet. Bei ihrer Einrichtung lehnte man sich nach Möglichkeit an Z Beispiel des Stadttheaters zu Frankfurt a. M. an. Vertiz wr! u Hef ! ber Schriften der Hentralstelle. Die Intendanz machte den Vorschlag, sieben Volksvorstellungen, nämlich vier Schau- oder Lust spiele und drei Opern zu geben, und bat, daß sie der Aufgabe enthoben werden möchte, die Verteilung der Eintrittskarten selbst in die Hand zu nehmen, denn sie sah sich außerstande, dieselben ausschließ. lich in die Hände derjenigen Personen gelangen zu lassen, für welche sie nach der Tendenz des Unter nehmens bestimmt waren. Es erschien daher erforder lich, daß die Verteilung der Karten an Schulen, Vereine, Gesellschaften oder Körperschaften von einet amtlichen Stelle aus vorgenommen werde, welcher die Intendanz eine gewisse Anzahl gegen Zahlung des Gesamtpreises nach dem Maßstabe von 40 Pfg. pro Karte zur Verfügung stellte und welche der Intendanz gegenüber eine Gewähr dafür übernahm, daß diese Karten nur zur besstimmungsgemäßen Ver wendung gelangten. Der Senator Dr. Tepelmann in Gotha, det sich um die Einführung volkstümlicher Theatervor stellungen besondere Verdienste erworben hat, gibt in einem seinerzeit von ihm veröffentlichten Bericht vor diesen Veranstaltungen folgende Schilderung: „Nachdem bereits seit Jahren im Herzoglichen Hoftheater zu Gotha während jeder Spielzeit mehrere Vorstellungen zu ermäßigten Preisen veranstaltet worden sind, haben in diesem Jahre auf Anregung des Gothaischen Landtags zum ersten Male siebet sogenannte Volksvorsstellungen, und zwar Sonntaj/ nachmittags, stattgefunden, zu denen jeder Play ohr! Unterschied des Ranges zum Preise von 40 Pfs abgegeben wurde. Erst dadurch ist der Besuch dt Theaters allen denjenigen Kreisen der Bevölkerung ermöglicht worden, denen solches bei Vorstellung! zu gewöhnlichen wie auch zu ermäßigten Preiset nicht oder doch nur äußerst selten möglich wält, ohne sich drückenden pekuniären Einschränkungen an anderer Stelle auszusegen. Dazu gehören vorzugt" weise alle Arbeiter und Arbeiterinnen im eigentliche! Sinne in Fabriken, Werkstätten, in der Landwirt schaft und sonstigen wirtschaftlichen Betrieben, all Dienstboten, ferner Gehülfen und Gehülfinnen " allen gewerblichen Zweigen, das kaufmännische per sonal, leßzteres natürlich nur bis zu einem gewiss?" Grade, endlich auch kleinere Handwerker und dit Unterbeamten der Post. und Eisenbahnverwaltun) Die Intendanz des Hoftheaters wandte sich an det hiesigen Stadtrat mit dem Ersuchen, selbst hi Verteilung der Karten an die oben bezeichnet! Kreise in die Hand zu nehmen, eventuell aber eit! andere geeignete Stelle zu bezeichnen. Der Stadtrat bezeichnete als solche die von ht Gewerbegerichtsbeisißern gewählte Kommission pt den städtischen Arbeitsnachweis. Die Zusamn " setzi unt Po Ko wä trit
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