Full text: Lübeckische Blätter. 1905 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1905 (47)

3 6A dem Allgemeinwohl zu dienen. Bei der Mehrheits- wahl ist dies grundsätzlich anders, obgleich eine ein- zige starke Partei das Szepter der Allinherrschaft zu führen in der Lage ist! Der Aufsatz: „Die Bürgerschaft“" führt aus: „Das Land wird immer den meisten Vorteil haben, wenn es ein Parlament hat mit einer starken führenden Partei." Das kommt denn doch wohl stets auf das Wesen und die Eigenschaften dieser starken führenden Partei an! Oder ist es z. B. ein Vorteil, daß zurzeit im Reiche das Zentrum Trumph ist. Die Angst des Abgeordneten nach der langen Zeit von sechs Jahren sein Mandat einzubüßen, das ist das eigentümliche der Wahlart der Verhältniswahl, und diese Angst ist es, welche die aufrechte Haltung des Abgeordneten verhindert ? Das wäre freilich ein trauriges Wahlsystem, es wären traurige Abgeordnete infolge dieser Wahlart. Unmöglich kann dem so sein. Alle Bedenken in dieser Hinsicht sind schlechterdings gleichbedeutend mit dem Zweifel an der Qualifikation aller mittelst der Verhältniswahl wählbaren Vertreter. Es ist die Frage zu wiederholen: Werden nicht auch heute aus möglichst allen Berufs- und Interessentenkreisen Kan- didaten für die Wahlen präsentiert und gewählt, ,die trotzdem dem allgemeinen Interesse das Sonderinter- esse unterordnen, dabei aber begründete Interessen U N erotss; Worte des Aufsatzes: „Die Bürgerschaft.! Wohl jeder Abgeordnete entstammt einem bestimmten Be- rufs-, Interessen- oder Parteikreise, mag die Wahl. art sein, wie sie wolle. Heute ist es so und in der Zukunft wird es nicht anders sein. Selbstverständ- lich ist damit aber nicht gesagt, daß er dann nicht mehr das Gemeinwohl, vielmehr nur Sonderinter- essen vertreten kann, wenn er in erster Linie mit Hülfe und durch die Unterstützung von Berufs. oder Parteigenossen gewählt ist. „Die Abgeordneten z; zcüter. erger tu.ufrnt. fret repräsentieren. Aber in Ausübung ihrer parla- mentarischen Tätigkeit handeln sie durchaus unab-. hängig. Sie sind nicht Vertreter ihrer Wähler, sondern Vertreter des gesamten Volkes. Sie haben nicht die Meinungen ihrer Wähler, sondern ihre eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen und sind deshalb an Aufträgen und Instruktionen nicht ge- bunden." Jede andere Auffassung eines Abgeord- neten würde pflichtwidrig sein. Man erhalte und bewahre unseren Bürgern den trefflichen Gemeinsinn für das größere Ganze; dann werden diese Vorzüge sich, wie bisher, auch in der Bürgervertretung wider- spiegeln. Voraussezung dazu ist Zufriedenheit der einzelnen Stände und Volksklassen mit unseren innerstaatlichen Verhältnissen infolge möglicher Mit: wirkung aller nationalgesinnter Bürger an der Regierung durch ihre Vertreter in der Bürgerschaft. Die verderbliche Sonderpolitik und Sonderwirtschaft werden stets eine Folge des Mißvergnügens der- jenigen sein, die sich aus berechtigten oder vermeint- lich berechtigten Gründen in ihren sstaatsbürgerlichen Befugnissen zurückgesetzt fühlen, aber nicht die Folge einer bestimmten Wahlart als solchen, zumal wenn diese Wahlart alle Interessen „verhältnismäßig“ zu berücksichtigen bestrebt ist. Zum Schluß ist noch auf einen anderen Punkt hinzuweisen. Ganz außerordentlich beachtenswert sind die Ausführungen des Aufsatzes: „Die Bürger. schaft,“" es dürfe ein neues Wahlrecht für die Bürger- schaft auf keinen Fall dahin führen, daß nunmehr der Mittelstand die allein ausschlaggebende Partei werde. Der Artikel stellt klar: „Wenn man bedenkt, daß in dieser Gruppe sich unschwer alle unzufriedenen und radikalen Elemente Geltung verschaffen können, so ist ohne weiteres ersichtlich, daß man ohne Not eine Gefahr für unseren Staat schafft. Diese aus- schlaggebende Mitte wird sowohl mit Rechts als Links die Mehrheit gewinnen, und damit ist ohne weiteres die Rechte an die Mitte ausgeliefert, weil sonst sehr leicht eine Verbindung mit der Linken eintreten kann." Man braucht keineswegs davon auszugehen, daß im Mittelstand gerade die radikalen Elemente die Oberhand gewinnen könnten. Gatz allgemein ist auszusprechen, daß auch dem Mittelstand, ebenso wie der Rechten oder der Linken oder wie überhaupt irgend einem einzelnen Stande, einer Gruppe oder Partei eine allein entscheidende, überragende Bedeutung nicht zukommt. Das wäre ebenso ut begründet wie die Vorherrschast anderer Stände, Gruppen oder Parteien. Es ist ohne Einschränkung zu behaupten, daß bei der bisher vorgeschlagenen Zwet teilung (Abteilung 1 und ITI) durch die Einführung der Verhältniswahl diese Gefahr wächst. Auch det Verfasser der früheren Artikel in diesen Blättern über Verhältniswahlen hat darauf aufmerksam gr macht, daß bei einer Zusammenfassung aller Wähler mit Einkommen über / 2000 in eine Klasse dit verhältnismäßig kleine, aber besonders wichtige und am stärksten besteuerte Gruppe von Großkaufleutet. Großindustriellen usw. dem Mittelstand gegenüber gänzlich ohnmächtig sein würde. Das leuchtet ett Bei einer Zweiteilung ist die Einführung der Verhältniswahl in Abteilung I, so w'! sie geplant ist, ausgeschlossen. Auch det relativ kleine Kreis der Gelehrten, Rechtsanwälte Ärzte und gewisser anderer Gruppen können hei Beibehalt der vorgesehenen Zweiteilung mittelst dt! Verhältniswahl nur durch die Begünstigung seitens der komr werd tücht habe Vak Sin: dem genü zula inde gewr änd- liche jebit frag Bet eing Mù Vil Rüc einf zwe in sel hei der Dr de: ein! D Vo: eine den Se; hat das auf reic Ba Ih des ani Plau un hy und unl
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