Full text: Lübeckische Blätter. 1905 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1905 (47)

3Z& zur Wahl teilnehmen sollen, wesentlich vermehrt und erweitert wird. Eine gleiche Zersplitterung der Kräfte würde eintreten, wenn man die I. Abteilung noch weiter gliedern wollte. Die Wahrnehmung be- rechtigter Interessen wird dadurch nicht mehr gewähr- leistet, wenn man Interessengruppen schafft. In dem- selben Augenblicke, wo solches geschieht, werden die berech- tigten Interessen nicht mehr von der Allgemeinheit ge- tragen, sondern von der Interessengruppe. Man schafft künstlich eine Teilung der Bürger, während man alle Mittel anwenden sollte, die Bürger zusammenzu- fassen, um zusammen zu arbeiten. Durch die Glie- derung teilt man unzweifelhaft die Wähler in mehrere Lager und verhindert den gegenseitigen Aus- tausch ihrer Meinungen, den gegenseitigen Ausgleich ihrer Interessen. Das muß unbedingt seinen Ein- fluß auf die Bürgerschaft, ja auf das ganze öffent- liche Leben unserer Stadt, ausüben. Mit einem Schlage beseitigt man die Gleichheit der Bürger- schaftsmitglieder, die Rücksichtnahme auf die gegen- seitigen Interesssee. Wo man bisher gemeinsam schlug, wird man in Zukunft gesondert marschieren. Man zerstört mit Rürcksichtslosigkeit die Harmonie der Bürgerschaft, die Frucht von mehr als 50 reich gesegneten Jahren, man bricht die Kraft der Bürger- schaft und des Bürgertums. Jeder Zusammenschluß kräftigt, jede Zersplitterung lähmt. Denke man sich nun einmal die Bürgerschaft hervorgegangen aus 1) den Notablen, 2) den Höchstbesteuerten, 3) der Mittelpartei und 4) der Alrbeiterschaft, so wird man die Zahl der Mandate für die Gruppe 1 und 2 schon aus dem Grunde nicht zu hoch bemessen können, weil die Wählerzahl eine sehr begrenzte ise. Die Mittelpartei wird daher die stärkste und ausschlaggebende Partei. Wenn man bedenkt, daß in dieser Gruppe sich nicht unschwer alle unzufriedenen und radikalen Elemente Geltung verschaffen können, so ist ohne weiteres ersichtlich, daß man ohne Not eine Gefahr für unsern Staat schafft. Diese ausschlaggebende Mitte wird sowohl mit Rechts als Links die Mehrheit gewinnen, und damit ist ohne weiteres die Rechte an die Mitte ausgeliefert, weil sonst sehr leicht eine Ver- bindung mit der Linken eintreten kann. In ähnlicher Weise verheerend, aber noch viel schlimmer würde die Einführung der Verhältniswahl wirken. Sie bietet ja nicht nur großen Klassen und Gruppen, sondern jeder kleinen Abteilung Gelegen- heit sich zu sondern und ihre eigene Meinung zur Geltung zu bkingen. Es ist doch wohl kaum ernstlich daran zu denken, die Verhältniswahl nur in der Abteilung II einzuführen. Dasselbe Recht, was die Minderheit in der einen Abteilung erhält, muß auch der Minderheit der anderen Abteilung zuteil werden. Wenn nun auf 3000 Wähler 90 Mandate fallen, so würde schon eine Vereinigung von 35 Bürgern mit Erfolg in den Kampf ziehen können. Bei der Schwäche des Deutschtums für Sondermeinungen würden wir also mit Leichtigkeit 50 und mehr Vereinigungen Gelegenheit schaffen, gesondert zu raten, gesondert vorzuschlagen, gesondert zu wählen. Es mag diese Annahme übertrieben sein, aber so viel steht doch fest, daß wir mit sehr viel mehr Strömungen bei der Wahl zu rechnen haben als bisher. Würde dadurch ein lebhaftes, frisches poli- tisches Leben erzielt, so könnte man sich wohl damit zufriedengeben, aber das ist hier durchaus nicht der Fall. Bei der Verhältniswahl hat ja keiner ein so großes Interesse daran zu kämpfen, denn die Frucht fällt ihm ohne weiteres in den Schoß, sobald sich ein verhältnißmäßig kleiner Kreis von Freunden für ihn interessiert. Jeder Vorstadtverein, jeder Gewerbe- stand, jeder Turn-, Gesang- und Schützenverein kann dann seine eigenen Vertreter in die Bürgerschaft senden. Wo bleibt da das Zusammenarbeiten, wo bleibt da der Austausch der Meinungen, der Ausgleich der Interessen. Und ebenso wie man getrennt wählt wird man inder Bürgerschaft getrennt marschieren. Jeder muß dann schon besorgt sein, die Interessen seiner Gruppe zu vertreten, weil ihm sonst sein Mandat nach sechs Jahren verloren geht. Wie üppig werden dann die Sonderinteressen wuchern. Durch alle Vorschläge, seien es Klassenwahlen, seien es Verhältniswahlen, zerklüften wir die bürger lichen Parteien, jede Spaltung bedeutet abet Schwächung, und jede Schwächung muß im Ar gesichte der sozialistischen Gefahr vermieden werden. Bisher haben wir eine kräftige Bürgerschaft gehabt, nicht nur in sich geschlossen, sondern auch in ihrer Bedeutung zu dem andern Staatskörpet, dem Senate. Bisher ist es der Bürgerschaft möglich gewesen, im allgemeinen Interesse ihre Ansichten gegen diejenigen des Senates durchsetzen zu könnet Sie konnte es, weil sie in sich geschlossen und ein!! war. Würde sie es in Zukunft sein können b! einer Zersplitterung in so und so viele Gruppen? Man wird darauf mit „nein“ antworten müssen. Die Bedeutung der Bürgerschaft wird schwinden. ' Ist es nun aber vom allgemeinen Standpunkte el! Glück, daß mehr Abteilungen geschaffen werden ? Wit sind nicht der Ansicht, daß dadurch die maßgebenden I" teressen besser vertreten werden als bisher. Besst sind dieselben aufgehoben, wenn sie von der. All (§vcinheit getragen werden, als von der speziellen yr es aber auch vom allgemeinen Standpunkte füt jes Star Gli erstes]! U & Y U ti J | h II P. De r?
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