Full text: Lübeckische Blätter. 1905 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1905 (47)

31 0 auch in Abteilung 1 vor allem nur deshalb, weil einerseits bei einer Steuergrenze von .# 2000 auch Sozialdemokraten in Abteilung I gewählt werden könnten und andererseits bei Zu- sammenfassung aller Wähler mit Einkommen über „ 2000 in eine Klasse die verhältnismäßig kleine, aber besonders wichtige und am sstärksten besteuerte Gruppe von Großkaufleuten, Großindu- striellen usw. gegenüber dem Mittelstand gänzlich ohn- mächtig sein würde. Bei Erhöhung der Steuer- grenze und Einfügung einer dritten Klasse für die Höchstbesteuerten fallen diese Bedenken fort. Selbstverständlich beanspruchen alle vorstehenden, teilweise nur angedeuteten Erwägungen nicht für sich, daß sie im Rahmen dieser Ausführungen als voll überzeugend nachgewiesen sind; sie sollen lediglich immer wieder die Notwendigkeit der Nach- prüfung des Berichtes der Bürgerausschußkom- mission an der Hand des nachträglich ausge- gebenen Hamburger Senatsantrages dartun. Eine Einigung darüber, welche der größeren und kleineren Mittel einzeln oder in Verbindung miteinander die richtigsten und daher anzuwenden sind, wird sich jetzt erzielen lassen, nachdem die verschiedenen Kom- missionsberichte und die Hamburger Vorlage die mannigfachen Wahlsysteme behandelt haben und nun- mehr ein Vergleich möglich ist. i Nur zwei Einwendungen sollen zum Schluß noch berührt werden. | ö ]. Man sage nicht: die Sache eilt so, daß zu einer nochmaligen Vorberatung desselben Stoffes keine Zeit mehr ist, nachdem bereits zwei Kom- missionen getagt haben. Eine der allerwichtigsten Vorlagen, die wohl für lange Zeit die geseggebenden Körperschaften Lübecks beschäftigen wird, aus dem Gesichtspunkt der Eile abtun zu wollen, würde an sich außerordentlich stußsig machen. Damit ist doch die Pflicht nicht beseitigt, um die ein einzelner nie herumkommen könnte, nämlich eine zwar etwas un- bequem spät, aber doch noch gerade rechtzeitig ein- gegangene Vorlage zu prüfen, die jetzt allen Um- fanges vorliegt und die für die zu leistende Arbeit von der allergrößten Wichtigkeit ist. Zeit genug ist aber auch noch vorhanden. Schon der Hinweis genügt, daß die Bürgerausschußkommisssion in der Frist von reichlich einem Monat das seinen Mit- gliedern neue System der Verhältniswahl studiert, an statistischen Berechnungen erprobt und eingehend darüber schriftlich Bericht erstattet hat. Bei der jetzt notwendigen Nachprüfung dagegen handelt es sich in erster Linie nur um die Nachprüfung eines ein- zigen Geseßentwurfes nebst Begründung über eine jeyt bekannte Materie. Dabei werden der Inhalt und selbst die technische Fassung des Hamburger Entwurfes bei Billigung in weitgehendem Maße für uns zu verwenden sein. II. Der Haupteinwand gegen die Einführung der Verhältniswahlen war bisher der, daß das System zu kompliziert, umständlich und unverständlich sei. Der Bericht der gemeinsamen Kommission des Senats und der Bürgerschaft vom 4. Februar 1905 bemerkt noch wörtlich: „Man einigte sich doch schließlich in der Überzeugung, daß die Einrichtung der Verhältnis. wahlen gegenwärtig noch zu wenig erprobt sei und daß gerade unsere Verfassungsverhältnisse ein Er- perimentieren auf diesem Gebiete nicht gestatten.“ Der eingangs erwähnte Aufsat ,„Verhältniswahlen“ spricht diesem lezten Einwand zwar die Berechtigung nicht ab, betont aber, daß die technischen Schwierig- keiten sich überwinden lassen. Nun aber höre man über diesen Punkt den Hamburger Senatsantrag, dessen eigene Worte besser wirken als alles andere. Seite 20022 in der Begründung heißt es: „Gegen das System der Verhältniswahl ist das Bedenken erhoben, daß es für die große Masse der Wähler schwer verständlich sei und deshalb trog seiner theoretischen Vorzüge sich zur praktischen Ver wendung nicht eigne. Die bislang damit, wenn auch auf anderen Gebieten, gemachten Erfahrungen haben das Gegenteil bewiesen. Der Grund gedanke der Verhältniswahl, die zu vergebenden Mandate auf die verschiedenen in den Wahlkamps eingetretenen Parteien im Verhältnisse der von jeder Partei aufgebrachten, also auf die Kandidaten dert Partei zusammen entfallenen Stimmen zu verteilen, ist klar und durchsichtig. Auch für den einzelnen Wähler ist die Entschließung, welchen Personen er seine Stimme zuwenden will, bei der Verhältnis wahl ebenso einfach wie bei jedem anderen Wahl system. Jede in den Wahlkampf eintretende Partet, mag sie durch gemeinsame wirtschaftliche, politisch oder sonstige Interessen zusammengefaßt sein, stellt wie bei jeder anderen Wahl so auch hier ihr Kandidatenliste auf, und jeder Wähler entscheide! sich für diejenigen Bewerber, die ihm die geeignetsten Vertreter zu sein scheinen, wobei es ganz dem freien Er messen des Wählers überlassen ist, durch welche Gesicht punkte er sich bei der Auswahl leiten läßt, ob ihw insbesondere die Persönlichkeit oder die Parteistellung eines Bewerbers wichtiger erscheint. In dem einzigen Falle, in dem die Verhältniswahl bislang in Hatt burg praktisch erprobt ist, bei den Wahlen der Bet sißer des Kaufmannsgerichts, haben sich der Aus führung keinerlei Schwierigkeiten entgegengestell Bei politischen Wahlen, bei denen naturgemäß be! Zusammenschluß der einzelnen Parteien von vet! herein ein noch festerer ist, sind solche noch wenig? zu erwarten. Der zwischen der Mehrheitswahl und
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