Lübecische Blätter.
()rgau der Gesellschaft zur Beförderung gemeinnühiger Citigkeit.
28. Mai.
Siebenundbierzigster Jahrgang. N°: 22.
1905.
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Diese Blätter erscheinen Sonntags morgens. Bezugspreis 1,25 ( vierteljährlich. Einzelne Nummern der Bogen 10 y. Anzeigen 20 „y die Petitzeile.
Die Mitglieder der Lübeckischen Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit erhalten diese Blätter unentgeltlich.
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Gejellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit.
Wahlrechtsreform in Lübeck ~ Wahlrechtsreform in
Hamburg. + Aus dem Jahresbericht des Vereins der Musik-
freunde in Lübeck. – Welchen Sport sollen wir betreiben ?
D Jahresbericht des Vereins zur Hebung des Fremdenver-
kehrs in Lübeck für das Jahr 1904. ~ Hamburg und
der Kaiser-Wilhelm-Kanal. –~ Ziele und Zweck des Zeichen-
unterrichts an unseren höheren Schulen. (Zur Berichtigung.)
— Anfrage. – Gemeinnützige Rundschau. – Lokale Notizen.
Geographische Gesellschakt.
Herrenabend
Fr e ita n 8 Uhr.
.
R.-A. Dienstag den 30. Mai 7% Uhr
Walhlrechtsreform in Lübeck + Wahlrechts-
reform in Hamburg.
In Nr. 18 der Lübeckischen Blätter vom 30.
April 1905 (Aufsatz: ,„Verhältniswahlen“ Z 1075)
ist der Nachweis zu führen versucht worden, daß das
theoretisch vortreffliche System der Verhältniswahl
auch praktisch ganz wesentliche Vorzüge gegenüber
den Mehrheitswahlen besittt, erhebliche Nachteile da-
gegen keine, wenigstens nicht für kleinere Gebiete, in
denen örtlichkkommunale und stadt-staatliche Inter-
essen in der Hauptsache sich decken. Ganz besonders
ist, wie wiederholt hervorgehoben worden ist, das
System der Verhältniswahl geeignet, dort wo be-
stimmte Minderheiten gestärkt und gestützt werden
müssen, ihnen solchen Schuß zu gewähren. Das ist
in der Tat das eigentliche Wesen der Verhältnis-
wahl, das zugleich den Fingerzeig dafür gibt, wo
ihre Einführung am Plate ist. Erkennt man über-
haupt das Bedürfnis des Schutzes für gewisse
Minderheiten an, so darf unbedenklich ausgesprochen
werden, daß die Einführung der Verhältniswahl eine
Notwendigkeit ist, ~ es sei denn, daß ein anderer
noch besserer oder gleich guter Weg gewiesen wird,
den Schutzbedürftigen die wirksame Ausübung des
ihnen zukommenden Wahlrechts zu sichern. Die
Notwendigkeit folgt einfach daraus, daß man einem
als vorhanden anerkannten Bedürfnis auch wirklich
wird gerecht werden müssen. Über eine größere und
bedeutungsvolle Anzahl von Wählern kann man
nicht mit bedauerndem Achselzucken zur Tagesordnung
übergehen.
y den letzten Wochen sind nunmehr zwei über-
aus wichtige und interessante offizielle Vorlagen be-
kannt geworden, die sich beide eingehend mit der
Verhältniswahl beschäftigen. Einerseits hat nämlich
bereits Anfang Mai ds. Js. die am 22. März ds. Js.
eingesetzte Bürgerausschußkommission über die Wahl.
rechtsreform in Lübeck ihren Bericht erstattet, der
auch durch die hiesigen Zeitungen der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht worden ist. Andererseits ist
wenige Tage nach der Drutklegung dieses vom 2.
Mai 1905 datierten Berichtes, nämlich am 10. Mai
1905, ein Antrag des Hamburger Senates betreffend
Änderung der Verfassung und des Wahlgesetzes zur
Bürgerschaft in Hamburg nebst ausführlichster Be-
gründung amtlich ausgegeben worden. Von der
Ausarbeitung einer solchen Vorlage verlautete in
Lübeck erst in den allerleßten Tagen vor ihrer Ver-
öffentlichung etwas näheres, und die Mitteilungen
überraschten damals wohl ziemlich allgemein. Die
Bürgerausschußkommission hält in ihrem Bericht für
Lübeck noch an dem Standpunkt der gemeinsamen
Kommission des Senates und der Bürgerschaft fest
und lehnt die Verhältniswahlen ab. Für Hamburg
dagegen fordert der Senat die Verhältniswahlen
jezt ganz allgemein für alle Wahlgruppen und
zwar einschließlich der Wahlen der Grundeigentümer
und der sogenannten Notabeln. Dabei ist zu berück-
sichtigen, daß für die Hamburger Vorlage die viel.