Full text: Lübeckische Blätter. 1905 ; Verhandlungen der Bürgerschaft. 1905 (47)

182 Verein für entlassene Gefangene und sittlich Verwahrloste. [' Am 30. März fand die Jahresversammlung des Vereins im Gesellschastshause statt. Der Vorsitzende, Herr Rat Velhagen, verlas zunächst den Jahres- bericht, aus dem zu entnehmen ist, daß auch im ver- gangenen Jahre recht erhebliche Anforderungen an den Verein gestellt waren, denen gerecht zu werden nicht immer leicht war. Der Jahresbericht wird demnächst in diesen Blättern zum Abdruck kommen. Anschließend an den Bericht gab Herr Fromm eine Übersicht über den Vermögensbestand des Vereins. Sodann erhielt Herr Landrichter Dr. Lienau das Wort zu seinem Vortrage über die strafrechtliche Behandlung jugendlicher Personen. Ausgehend von dem für Jugendliche geltenden Recht besprach der Redner eine Reihe von Abänderungsvorschlägen, die bei der Revision des Strafrechts in Frage kommen, insbesondere, ob die Strafmündigkeitsgrenze, die bisher das zwölfte Lebensjahr bildete, herauf- gesetzt werden solle. Während der Redner im Laufe seiner Ausführungen diese Frage unbedingt bejahte und für die Strafmündigkeit die Vollendung des vierzehnten Lebensjahres als geeignete Grenze hielt, glaubte er eine Reihe anderer Punkte, so die Herauf- sezung der Grenze für die Bestrafung jugendlicher Personen (§8 57 St..G.-B.) bis zum 20. oder 21. Lebensjahr, ferner die Einführung eines anderen Strafverfahrens, etwa die Bestrafung durch die Schule oder durch ein besonderes Gericht, z. B. durch das Vormundsgericht unter Hinzuziehung von Laienelementen, nicht befürworten zu sollen. Zum Schluß erwähnte der Redner noch, daß die Zahl der jugendlichen Verbrecher in Lübeck verhältnismäßig groß sei, indem sie den durchschnittlichen Satz von 10 4 zeitweise noch um ein geringes überstiegen hat. An den Vortrag schloß sich eine lebhafte Diskussion, die sich hauptsächlich um die Frage der Erhöhung der Straf- mündigkeitsgrenze drehte. Während die Mehrzahl der Anwesenden den Ausführungen des Vortragenden zustimmte, fehlte es nicht an Stimmen, die es bei den bestehenden gesezlichen Bestimmungen gerade mit Rücksicht auf die häufig recht schweren Straftaten zwölf: und dreizehnjähriger Kinder belassen zu sollen rieten. Nachdem an Stelle des aus dem Vorsstande aus- scheidenden Herrn Rud. Fromm, der seit der Gründung des Vereins dem Vorsstande angehört, uunmehr aber eine Wiederwahl abgelehnt hat, Herr Rentier Mildenstein gewählt war, teilte der Vor- sitzende mit, daß er mit einem hiesigen Unternehmer in Verbindung getreten sei zwecks Beschaffung von Arbeiten für entlassene Gefangene.. Zum Schluß machte er einige interessante Mitteilungen über den im vorigen Jahre abgehaltenen Verbandstag in Halle, an dem er als Vertreter des Vereins teil: genommen hat. 1151. Mus eum. Um den Museunmsbesuchern die Übersicht zu erleichtern und sie insbesondere auf hervorragende Neuheiten oder zeitweilige Sonderausstellungen in den einzelnen Ab- teilungen aufmerksam zu machen, ist am Eingange, rechts neben der Garderobe, eine Tafel angebracht, welche auf derartiges hinweist. Zurzeit steht z. B. auf der Tafel zu lesen unter Gewerbemuseum: Dresdener Künstler lebkuchen, Kunsttöpfereien von Mutz-Altona und Bruse- Lübeck; unter Naturhistorisches Museum: Häckels Kunst formen in der Natur. Eine Auswahl von Tafeln dieses hochinteressanten Werkes, das sowohl für den Naturfreund wie den Kunstverständigen eine Fülle von Anregungen bietet, befindet sich in den Schau- kasten der genannten Abteilung ausgelegt. In der Gemäldeabteilung liegen Rembrandt-Blätter aus. Am Scheidewege. Neben der Frage der Verfassungsänderung hat eine andere Vorlage von gleicher Bedeutung bislang nicht die ihr gebührende Beachtung in der Bevölkerung gefunden: die der Besteuerung des Wertzuwachses des Grundes und Bodens in den Vorstädten, eint Steuervorlage, welche, wie bekannt, bereits im Bürger ausschuß angenommen wurde. Wohl die wenigstet ahnen, wie einschneidend diese Anderung unseres Steuersystems für Lübeck sein wird, sonst wärt diese Frage sicher schon im Vatersstädtischen oder Grundeigentümerverein erörtert worden. Nur der Bürgerrechtsverein hat sich bislang mit ihr befaßt. Bekanntlich agitieren in Lübeck seit langer Zet die Bodenreformer für eine Besteuerung des Grundes und Bodens nach dem sogenannten „gemeinen“ Werte. Sie gehen von der Ansicht aus, daß der Staat dit Wertsteigerung schafft und deshalb auch ein Anrecht auf den Gewinn hat. Sie wollen der Spekulatiot im Grunderwerbe entgegentreten und befürwortel eine möglichst große Beteiligung des Staates selbst al der Spekulation. Am liebsten sehen sie es, wenn det Staat allen Boden in der Umgebung einer wachsendel Stadt aufkauft, um entweder durch den Verkauf de! Gewinn einzustreichen und so eine Kontrolle ühet die Bodenpreise ausüben zu können, oder aber dt Boden ganz für sich festzuhalten und ihn nut " Form der Erbpacht auf Zeit abzugeben. Besondet! das letztere ist das eigentliche Ziel.
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