Full text: Lübeckische Anzeigen 1913 (1913)

aaagaug der Der seit einer Reihe von Jahren zu beobachtende Ruͤckgang der Segel-— 
Segei· Schiffahrt hat den Zentralverein deutscher Reeder veranlaßt, die Reichs— 
chiflsahrt egierung auf die Gefahren hinzuweisen, welche damit der Ausbildung der 
—— aautischen Schiffsoffiziere drohen, weil belanntlich die Prüfungsvorschriften 
——— Seesteuerleute fur die Ausbildung zum Seesteuermann 
offiziere. eine 12 monatige Fahrzeit als Vollmatrose auf einem Segelschiff fordern. 
An Hand der Statistik hat der Zentralverein deutscher Reeder nachgewiesen, 
daß die Zahl der Segelschiffe von mindestens 1000 Brutto⸗Reg.Tons in den 
etzten Jahren ständig zurückgegangen ist, und daß diese Schiffs⸗ 
zröße daher schon infolge des zunehmenden Alters der Schiffe und mangels 
rusreichender Erneuerung in absehbarer Zeit aussterben wird. Der Zentral- 
oerein hält daher zur Vermeidung der Einführung des sogen. reinen Dampfer⸗ 
vatentes eine staatliche Subventionierung des Deutschen Schulschiffvereins 
ur zweckmäßig, um diesen in die Lage zu versetzen, nautische Schiffsoffiziere 
in genügender Zahl auszubilden. Die Angelegenheit hat seitdem die nautischen 
dreise lebhaft beschäftigt, allerdings ohne daß es bisher zu einer allseitig 
befriedigenden Klärung der Ansichten gekommen wäre. So bestehen Meinungs- 
nerschiedenheiten über den vermutlichen Zeitpunkt des völligen Verschwindens 
der großen Segelschiffe insofern, als die großen Schwankungen, denen die 
Bautätigkeit für die große Segelschiffahrt je nach der Konjunktur bisher unter⸗ 
worsen war, es nicht ausgeschlossen erscheinen lassen, daß noch wieder Jahre 
mit wachsender Bautätigkeit folgen. Namentlich aber hat die vom Zentral- 
»erein vertretene Ansicht, daß die kleineren Segelschiffe für die Ausbildung 
aautischer Schiffsoffiziere kaum wesentlich in Frage kommen könnten, leb⸗ 
Jaften Widerspruch geweckt, weil man in weiten Kreisen gerade den Dienst 
an Bord kleiner Segelschiffe für eine ausgezeichnete Ausbildungsstätte für den 
zukünftigen Schiffsoffizier hält. Trotzdem läßt sich nicht bestreiten, daß der 
Rückgang der Segelschiffahrt ein unaufhaltsamer ist, und daß daher, wenn 
aicht rechtzeitig Abhilfe geschaffen wird, in absehbarer Zeit der Augenblick 
gekommen sein wird, wo die Forderung einer 12monatigen Fahrzeit als 
Vollmatrose auf einen Segelschiff als Bedingung für die Prüfung zum See⸗ 
teuermann aus Mangel an Segelschiffen nicht mehr erfüllt werden kann. 
Im Interesse der Erhaltung eines tüchtigen Standes deutscher Schiffsoffiziere 
iegt es aber durchaus, solange als irgend möglich, jene Prüfungsbedingung 
zestehen zu lassen und die Einführung des reinen Dampferpatentes hintanzu⸗ 
jalten. Es erscheint daher dringend ersorderlich, daß die Reichsregierung und 
ie interessierten Kreise beizeiten eingehend prüfen, wie dem früher oder 
päter mit Sicherheit zu erwartenden Mangel an geeigneten Segelschiffen 
zu begegnen ist. Einen größeren Teil des seemännischen Nachwuchses dürfte, 
venigstens für die nächste Zeit, noch die kleinere Segelschiffahrt aufnehmen 
können, zumal wenn die Steuermannsaspiranten ihre Fahrt auf diesen Schiffen 
tunlichst nicht über die vorgeschriebenen 12 Monate ausdehnen. Im übrigen 
wird allerdings, soweit sich bis jetzt übersehen läßt, ein weiterer Ausbau der 
Organisation des Deutschen Schulschiffvereins, wenigstens als eine Art Über⸗ 
gangsstadium, in Aussicht genomrten werden müssen, solange nicht andere 
und bessere Ausbildungsmöglichkeiten vorhanden sind, oder bis man sich später 
aunter dem Zwange der Verhältnisse etwa zur Aufhebung der Forderung 
der Segelschiffahrtszeit entschließen sollte. 
Während die Größe der den Schiffern auf großer Fahrt vorbehaltenen 
„chiffe dank der Entwickelung der Schiffbautechnik im Laufe der letzten Jahre 
mmer mehr zugenommen hat, ist die Fahrtbefugnis für Schiffer auf kleiner 
Fahrt nach wie vor auf Schiffe von 400 chm und darunter beschränkt. Eine 
AInderung erscheint aus verschiedenen Gründen erforderlich, einmal im Interesse 
ver Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der dentschen Küstenfahrt gegenüber 
den Küstenfahrern anderer Nationen, die ohne eine bessere seemännische Aus— 
hildung heute schon bedeutend größere Schiffe führen dürfen, und — 
nit Rücksicht aus die Bedeutung der Kleinschiffahrt für die Ausbildung unseres 
eemännischen Nachwuchses. Der diesjährige Deutsche Seeschiffahrtstag hat 
ich daher dahin ausgesprochen, daß die Schiffer auf kleiner Fahrt berechtigt 
verden möchten, Schiffe bis zu 800 cbm sowie Schleppdampfer jeder Größe 
zu sahren. Die Handelslammer hat diesen Antrag zuständigenorts befürwortet. 
Schiffa⸗ Die schon früher erörterte, jedoch unentschieden gebliebene Frage des 
xermelsung. Beitritts Deutschlands zum großbritannischen Merchant Shipping Act 1907 
ctreffsend die Beschränkung des. Maschinenraumabzugs zur Feststellung des 
Nettoraumgehalts von Dampfern auf 5596 ist im Berichtsjahr akut geworden, 
da der Merchant Shipping Act am 1. Januar 1914 in vollem Umfange in 
Kraft tritt, und inzwischen auch eine Reihe anderer auswärtiger Staaten 
bereits ihre Entschließungen gefaßt haben. Vom Standpunkt der hiesigen 
Interessen bestehen gegen die inzwischen durch Bundesratsbeschluß vom 11. De— 
zember 1913 erfolgte Abänderung der deutschen Schiffsvermessungsordnung 
m Sinne der Festlegung einer Höchstgrenze des für die Räume der Treibkraft 
porgesehenen Abzugs von 55 9, des Brutto-Raumgehaltes, also entsprechend 
»er britischen Regelung, keine Bedenken Es erscheint aber zweckmäßig, 
Jleichzeiig für die deutschen Schiffe Sonderausweise mit unbegrenztem 
Maschinenraumabzug, also nach Art der jetzt bestehenden Meßbriefe 
einzuführen. Dadurch würde erreicht, daß einerseits in deutschen oder 
n solchen ausländischen Häfen, die sich der neuen englischen Methode nicht 
ingeschlossen haben, keine höheren Abgaben als bisher gezahlt zu werden 
zrauchen, und andererseits in englischen oder anderen Häsen, wo die eng⸗ 
ssche Methode gilt, eine jedesmalige Neuvermessung mit deren Kosten und 
inbequemlichkeiten vermieden bleibt. 
Der von zuständiger Stelle vorbereitete Entwurs einer neuen Eichordnung 
ür die Binnenschiffahrt auf den lübeckischen Binnengewässern fand nach An— 
zörung der beteiligten Kreise die Zustimmung der Handelskammer. 
Hinsichtlich des Eisenbahnverkehrs hat die von der Handelskammer 
seiter mit allem Nachdruck verfolgte Frage der Einrichtung eines Abendschnellzugs⸗ 
zaares zwischenstiel und Verlin, das als selbständige Zugverbindung über Lübeck 
zedacht war, bedauerlicherweise mur teilweise einer die hiesigen Interessenten befrie— 
digenden Lösung entgegengeführt werden können. Der Bezirkseisenbahnrat 
zu Altona hat sich nämlich im September für die Herstellung einer Spät— 
derbindung zwischen Kiel und Berlin über Neumünster ausgesprochen, vor allem weil 
seitens der Verwaltung erklärt worden war, daß für eine Abendschnellzugsverbindung 
schon deshalb nur die Leitung über Neumünster-Oldesloe in Frage käme, 
veil auf der eingleisigen Strecke Kiel-Lübeck zwei Schnellzüge miteinander 
kreuzen müßten, wodurch die Fahrtdauer nicht unwesentlich verlängert würde. 
Es ist jedoch gelungen, diese Zugverbindung für Lübeck im Verkehr mit Berlin 
nutzbar zu machen und statt der von anderer Seite beantragten Morgen⸗ oder 
Nachmittagsverbindung eine bessere Spätverbindung dorthin, um welche es den 
siesigen beteiligten Kreisen in erster Linie zu tun war, zu erreichen — vorausgesetzt, 
zaß die Lübeck-Büchener Bahn auf der Strecke Lübeck-Ratzeburg, wie vorgesehen ist, 
Anschlußzüge mit Kurswagen zwischen Lübeck und Berlin laufen lassen wird. Damit 
—XXX 
vürde, und zwar hoffentlich schon vom 1. Mai nächsten Jahres ab, 
ie so wichtige Verbindung mit Berlin weiter in wertdoller Weise 
erbessert werden, nachdem schon im Berichtsjahr ein erfreulicher Fortschritt 
adurch erzielt worden ist, daß entsprechend den von den beteiligten 
»andelskammern vertretenen dringlichen Wünschen die— bestehenden 
zchnellzüge zwischen Kiel, Lübeck und Berlin D 61 (Berlin an. 12,50) und 
)64 (Berlin ab 1,06) seit dem 1. Mai 1913 auch auf der Strecke Berlin⸗ 
zagenow das ganze Jahr über selbständig gefahren und dabei etwas be— 
chleunigt durchgeführt werden. 
Im übrigen hat sich aber in der Frage der Abendschnellzugverbindung 
zerlin⸗Kiel über Lübeck mit aller Deutlichkeit wieder gezeigt, daß der Zu⸗ 
and des Bahnkörpers zwischen Kiel und Lübeck der zeitgemäßen Ausbildung 
ines Schnellzugsverkehrs über Eutin hindernd entgegensteht. Es ist dringend 
rforderlich, daß die heutigen technischen Mängel dieser Strecke schleunigst 
ehoben werden, da sonst diese Linie an der weiteren Ausgestaltung des 
)urchgangsverkehrs zwischen Schleswig-Holstein, insbesondere Kiel, einerseits 
nd Berlin und Mitteldeutschland andererseits nicht einen der Verkehrsstellung 
rübecks entsprechenden Anteil nehmen kann. Von besonderer Bedeutung ist 
s deshalb für Lübeck, daß der von der Handelskammer seit langem dringend 
eforderte zweigleisige Ausbau der ganzen Strecke zwischen Kiel und Lübedk 
udlich in Angriff genommen würde. Preußen selbst hat sich der Notwendig- 
eit einer solchen Ausgestaltung seiner Teilstrecke, von der bisher nur die 
ztrecke Malente-Eutin zweigleisig ist, nicht verschließen können; es will schon 
allernächster Zeit auch die Strecke Kiel-Preetz derart ausbauen, während 
er entsprechende Umbau des Mittelstücks Preetz-Malente noch der Zukunft 
orbehalten bliebe. Unter diesen Umständen muß der zweigleisige Ausbau 
er Lübeck-Eutiner Strecke unbedingt so schnell wie möglich in die Wege 
eleitet werden, zumal nur in diesem Fall gehofft werden darf, daß die 
reußische Eisenbahnverwaltung sogleich ihre ganze Strecke bis Kiel den Er—⸗ 
»rdernissen des Schnellzugsverkehrs gemäß ausgestaltet. Die Handelskammer 
at Anlaß genommen, ihren Standpunkt entsprechend der Dringlichkeit der 
rrage, die auch für die wirtschaftliche Entwickelung des ganzen Fürstentums 
übeck von besonderer Bedeutung ist, an zuständiger Stelle erneut zu Gehör 
u bringen. 
Der Fahrplan auf der Strecke Lübeck-Eutin hat im Berichtsjahr ver⸗ Lübeg- Saann 
hiedene Anderungen erfahren, die sich erfreulicherweise zumeist als Ver—⸗ 
esserungen darstellen. Was allerdings zunächst den Binnenverkehr betrifft, 
)Rist aus Anlaß der Verlegung des Hamburger Zuges 52 der bisher im 
zommer von Lübeck nach Eutin verkehrende Sonnabendzug 758 (Lübeck 
b 5,20) in Wegfall gekommen. Die Handelskammer hatte beantragt, diesen 
zug, der als Anschlußverbindung für den Ausflugverkehr von Hamburg be— 
eutsam ist, unter Anpassung an die neue Lage des Hamburger Zuges bei⸗ 
ubehalten. Die Eutin⸗Lübecker Bahn ist jedoch dieser von zuständiger Seite 
nterstützten Anregung leider nicht gefolgt. Ebenso harrt der Wunsch nach 
zerbesserung der ungünstigen Anschlüsse im Verkehr mit Mecklenburg noch 
er Erfüllung. 
Als wesentlicher Fortschritt ist hingegen die bereits im letzten Bericht 
ngekündigte Einlegung eines neuen Eilzugpaares zwischen Kiel und Lübeck 
esonders hervorzuheben, das seit dem 1. Mai in der Lage Lübeck ab 7,36 
ins Kiel ab 9V bei einer Fahrtzeit von wenig mehr als 114 Stunden in 
eiden Richtungen verkehrt. 
Wie in den letzten Jahren an dieser Stelle leider berichtet werden mußte, 
ind die von der Handelskammer wiederholt beigebrachten Auträge wegen 
inrichtung eines Schnell⸗ oder Eilzugverkehrs anf der Strecke Lübeck⸗Lüne⸗ 
urg (Hannover) von der Königlichen Eisenbahndirektion Altona immer wieder 
ugunsten anderer, als noch dringlicher bezeichneter Verkehrswünsche zurlück- 
estellt worden, obgleich bereits im Jahre 1910 der Bezirkseisenbahnrat zu 
Utona die Wünsche Lübecks einstimmig als ausreichend begründet anerkannt 
und die Lübeck-Büchener Bahn sich mehrfach bereit erklärt hatte, auf ihrer 
ztrecke hierfür die erforderlichen Aufwendungen zu machen. Man ist hier der 
Unsicht, daß eine gesunde Weiterentwickelung des regen Reiseverkehrs, der 
ntsprechend dem intensiven Güteraustausch zwischen den skandinavischen 
ändern und dem deutschen Westen über Lübed unbedingt bestehen muß, durch 
ie völlig unzureichenden Verkehrsverhältnisse auf jener am meisten beunach— 
eiligten Eisenbahnstrecke Lübecks, d. h. durch die geringen Fahrgeschwindig- 
eiten, die zahlreichen zeitraubenden Aufenthalte und die dadurch bedingte 
ngünstige Fahrplanlage hintangehalten wird. Besonderes Gewicht gelegt wird 
on hiesiger Seite bekanntlich auf die Einlegung eines Eilzuges Lüneburg 
6 10,36, Lübeck an 12,00 (im Anschluß an Zug 77 Hannover ab 8,22) 
nd eines Gegenzuges Lübeck ab 72, Lüneburg an 9 mit Anschluß an den 
was später zu legenden Zug Ds80 (jetzt Hannover an 112). Auf diese 
veise würde endlich eine brauchbare Morgenverbindung von Hannover nach 
übeck mit einer entsprechenden Abendverbindung in umgelehrter Richtung 
nter Gewährung einer ausreichenden Aufenthaltszeit in Lübed geschaffen 
nerden. 
Auf Veranlassung der Handelskammer ist der dringende Wunsch Lübecks 
ach einer solchen Verbesserung des Verkehrs Lübeck-Luneburg (Hannover) 
m Berichtsjahr wiederum dem Bezirkseisenbahnrat zu Altona- als Antrag 
nterbreitet worden. Erfreulicherweise kann berichtet werden, daß die hier 
lange schon als unumgänglich notwendig empfundene Verkehrsbesserung 
uf dieser Strecke nunmehr der Erfüllung bedeutend näher gerückt sein 
ürfte. Bereits in der Sißzung selbst ließ die preußische Eisenbahn⸗ 
erwaltung erklären, daß es sich gemäß den Läbecker Vorschlägen. 
arum handeln werde, eine gute Morgenverbindung von Hannover nach 
übeck und eine gute Abendverbindung in umgekehrter Richtung zu schaffen 
zeitens der Kgl. Eisenbahndirektion Altona ist eine wohlwollende Prüfung 
er Frage im Anschluß daran zugesagt worden, sodaß die neuen Züge 
woffentlich schon im Sommerfahrplan 1914 zu finden sein werden. 
Die frühere Ablassung des Zuges 54 von Hamburg, jetzt ab 7,25, ist 
tneut befürwortet worden, um auf diese Weise zu erreichen, daß die westliche 
zost morgens eher in Lübeck ankommt. In umgekehrter Richtung ist wiederum 
eantragt worden, daß der jetzt sogar erst um 9,13 in Hamburg eintreffende 
zug 63 möglichst schon etwas vor 9 Uhr, spätestens aber punktlich um 9 Uhr 
ort angebracht wird. Alsdann könnten die in Hamburg am Vormittag an—⸗ 
seraumten Termine von hier aus besser wahrgenommen werden und auch 
ie Hamburger Geschäftsleute könnten von Travemünde aus ihre Kontore 
nktlicher erreichen. Die Verwaltung hat indessen wiederum geltend gemacht, 
aß die Verlegung dieses Zuges sich erst ermöglichen lasse, wenn der auf dieser 
ztrecke verkehrende Schwedenzug De6 nach dem schon in Angriff genommenen 
lusbau der Strecke Rostock-Stralsund und der Überbrückung des Strela- 
indes erheblich srüher in Luübeck angebracht werden wird und 
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