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Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familienfreund.
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübecdk 163. Jahrgang Nachrichten für das herzogtum Tauendurg, die
ßeiblatt: Gesetz⸗ und Verordnungsblatt BEBeen ar Fürstentümer Ratzeburg, Luübeck und das angren⸗
77 Zigen, vom Grundungs· Jahre 1761 (6. Marʒ) ab, befindet sich nd dlenb e und h it ini 6 ebiet.
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Abend⸗Blatt Ur. 656.
und Heizer haben ihren bestimmten Platz. und wer sonst noch
hinzukommt. weiß nicht recht, wohin er sich stellen soll. Doch
nan fühlt sich auf der Lokomotive noch ganz anders ver-
zunden mit der Kraft, als im jagenden Auto. Im Auts
ähßt die Leichtigleit des Vorwärtskommens, die Empfindung
niner mächtigen Gewalt nicht so wach werden, wie auf der
ausschnaubenden Maschine.
Etwa auf halbem Wege, zwischen Topra Kaleh und
Alexandrette, stößt die Bahn, die bisher im Binnenlande ge—
aufen ist, ans Meer. Bis dahin war die Bahnstrecke fertig;
aun mußte ich meine Lokomotive verlassen und ein von meinem
„orsorglichen Gastgeber, dem bayerischen Ingenieur, bestellter
Landauer nahm mich auf. Jetzt folgte eine herrliche Fahrt
am Meere entlang. Links der Amanus, ein Ausläufer des
Taurus, beinahe bis an die See herantretend. tief zerfrucht
zurch geheimnisvolle, vom Meer ins Innere führende Täler.
Am Meere viele Ortschaften, still versunken in unendliche Haine
von Orangen. Und schließlich die See im glänzenden Mittags—
chimmer, nur in zwei Farben, blaugrün und gold, erstrahlend.
Dies ist das Land der Orangen, sie haben Wärme und Meer—
nuft, wie in Sizilien und Südspanien, und immer wird die
Wärme durch die Meerluft gemildert. Das ist ihr eigent—
iches Klima, und so wird denn diese heute so versteckte Küste
zald zu einem Hauptausfuhrgebiet der Orangen werden. Man
adet sie direkt in kleine Segelschiffe, die sie nach den größeren
leinasiatischen oder syrischen Häfen bringen, wo sie umge—
aden und meist nach Rußland transportiert werden.
Bei Pajas findet sich das Schönste der Fahrt: ein großer,
erfallener türkischer Han, ein Mittelding aus Kaserne, Festung
ind Karawanserei, der unmittelbar am Meere liegt. In der rie⸗
igen Anlage gibt es Höfe, um die halb offene Gewölbe laufen,
dreurtngen ähnlich, und Moscheen mit verwinkelten Balu—
traden. Ein seltsam phantastischer Eindruck! Ueber eine Zug
rüde gehe ich zu einer Art Fort, dessen Mauern ins Meet
zineinragen. Und dlam gehe ich, überall photographierendi
vieder zurück und komme in ausgemauerte Höhlen, die von
inzähligen Fledermäusen bevölkert find. Wilde Hunde streifen
zerum und über das ganae graue Gemäuer rankt sich üppiastes
ßrün.
Am Nachmittag bin ich in Mexandrette. Wieder genieße ich
die Gastfreundschaft eines Ingenieurs, diesmal des ausführen-
en Oberingenieurs der Alexandretter Linie. Er wohnt dicht am
Meere in einem weitläufigen Haus, das italienischen Charakter
rãgt. Ueberhaupt fällt die italienische Bauart vieler Häuser
»er Stadt stark in die Augen, ein Rest der alten genuesischen
Besiedlung dieser Küsten. Auch Mersina, das ich später kennen
ernen sollte, hat deutlich ein italienisches Gepräge. Bis vor
kurzer Zeit hatten die Italiener im Süden Anatoliens noch viel
zu sagen. Italienische Firmen beherrschten den Markt und es
wurde viel italienisch gesprochen. Dies hat seit dem italienisch-
ürklischen Krieg mit einem Schlage aufgehört. Zwar sind auch
ietzt noch große itolienische Exnorthüufer vorhanden, aber die
—
die Kunstreiterin der ihren Ohren märchenhaft klingenden Erzäh—
iung der Leidensgefährtin.
„Sie kommen mir vor wie eine verzauberte Prinzessin,“
neint sie bewundernd. „Was werden Sie nun tun, wenn Sie
zon hier entlassen werden?“
Ein tiefer Seufzer entringt sich Miriams Brusfst.
„Ach Blanche, daran mag ich noch gar nicht denlken!
Wenn ich Maruschka nicht wiederfinde und sie mich doch noch
nach Marseille zu den guten Schwestern des Klosters Sacré
Foeur“ bringt ,— — w
Die kleine Kunstreiterin entgegnet nichts. Aber als sie so
veit ist, daß sie einen Brief schreiben kann, bittet sie um
bapier und Bleifeder und kritzelt einen ganzen Bogen voll. Als
Miriam sie fragt. für wen das lange Geschreibsel bestimmt
ist, macht sie ein geheimnisvolles Gesicht. Dann malt sie mit
zrohzen. ungelenken Schriftzügen die Adresse.
Schwester Benedetta. Kloster .Sacré Coeur“, Marseille.“
18.
Nach außen hin trägt Fürst Wladimir Orloff noch immer die
alatte. weltmãnnische Maske zur Schau.
Niemand weiß, wie Se. Hurchlaucht oft bis tief in die Nacht
zinein vor dem Toilettenspiegel sitzt und jede Miene seines
hesichts studiert; wie er jedes Fältchen sorgsam glättet unß
eden erschlafften Muskel so lange bearbeitet. bis er die
zewohnte Elastizität wiedergewonnen hat. —
Und. wenn dann die lächelnde Außenseite wieder da ist —
o nigt Se. Durchlaucht bekriedigt seinem Spiegelbilde zu.
„Nur immer die Maske huͤbsch vorhalten! Niemals sein
dahres Gesicht zeigen! Das ist ein Geheimnis der meisten Men—
hen. die auf der Höhe des Lebens daherwandeln!“ —
So lautet der Wablspruch Sr. Durchlaucht des Fürsten Wla-
imir Orloff.
Seit einiger Zeit freilich wird es ihm schwer. seinem Wabhl⸗
pruch treu zu bleiben.
Das plötzliche Verschwinden des jungen Geschöpfes, das er
noch vor kurzem mit der ganzen Glut seines ungezügelten Tem⸗
eraments zu lieben glaubte, beunruhigt ihn weit weniger, als
)as Verschwinden Maruschkas. Zuerst meinte er, Maruschka werde
niach der kleinen Villa hinter der Rosenhecke zurückkehren. Als
edoch Taa auf Taa vergeht und der alte Iwan guf jede Froge
J33 —
Erstes Blatt. hierzu 2. Blatt. —
—— — — —EMASSwüü»«»«e2e«e2e2 “——————
Umfaug der heutigen Nimmer 6 Seiten.
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Nichtamtlicher TeiiliiI.
Streifzüge durch die neue Cürkei.
VIII.
Alexandrette.
Von Dr. Adolf Grabowskn.
Vor einigen Wochen ist die Bahnstrece Topra Kaleh—
Alexandrette eröffnet worden. Damit ist der Hafen
Alexandrette, der nach unserer Absicht einmal der erste Hafen
im östlichen Mittelmeer werden soll, durch eine Zweiglinie an
die Bagdadbahn angeschlossen worden, eine der wichtigsten
Ftappen im Bau der Bahn. Als ich vor wenigen Monaten
nach Alexandrette fuhr, mußte ich die Hälfte der Strecke Topra
Kaleh—Alexandrette noch auf der Lokomotive, die andere Hälfte
su Wagen zurücklegen. Von Adana der Hauptstadt Ziliziens,
war ich mit der Bagdadbahn bis Topra Kaleh gefahren —
durch unabsehbare Baumwollfelder, die, denkt man, unter einer
lastenden Fiebersonne verdorren müßten. Diese Gluthitze aber
ist der Baumwolle zum Ausreifen gerade recht; fie braucht zwar
in der ersten Zeit ihres Wachstums etwas Regenfrische, doch
nachher muß es heiß sein und kein Tropfen darf mehr fallen.
Weil das Land Zilizien diese Forderungen der Baumwolle er—
jullt, deshalb wird hier von Jahr zu Jahr der grünen Pflanze
mehr Boden eingeräumt. Dazwischen sehe ich Mohnfelder,
Felder mit Weizen, und weite Strecken, die mit Maulbeer—
zäumen bepflanzt sind.
Einige Stunden geht das so fort. Ich sitze im bequemen
Toupé und werde schläfrig von dem ewigen Anblick der gleich⸗
näßigen, einförmigen Ebene. Da tauchen wieder Bergzüge auf.
Mit leeren Kuppen ziehen sie sich hin durch die slache Gegend.
Fine linde Nachmittagssonne spielt um die einsame Land—
schaft. Es ist ein wenig kühler geworden und ich denke daran,
daß nicht weit im Süden das Meer in abendlicher Frische sich
dehnt. Und dann gibt es plötzlich Merkwürdiges zu sehen:
alte Burgen mit zinnengekrönten Mauern, mit Türmen und
Toren. Alte Burgen, denen man beim ersten Blick ansieht,
dahß sie nicht türkischen Ursprungs sind. Ein Stüd christlichen
Mittelalters im Morgenlande. Das Gedenken an die Kreuzzüge
vird wach, an die Reiche der Kreuzzüge, an die nordische
Romantik unter südlicher Sonne. Und das Problem der Kreuz—
üge wird lebendig: wie es kommen konnte, daß ein Glaubens—⸗
turm durch die nordischen Länder tobt, also, daß Tausende und
Abertaufende ins Unbekannte fortgerissen wurden. Wie haben
ie sich wohl geschleppt, die schweren Reiter unter der brennen⸗
den Sonne, die damals wie jetzt diese Länder überfunkelte.
Und wenn sie vor Müdigkeit zusammenbrachen, kamen di⸗ Ny—
Irrlichter des Glücks.
Ein Gesellschaftsroman von der Riviera.
Von Erich Friesen.
42. Forisetzung.) Machdruck verboten)
Stodend, jedes Wort mühsam dem zerrissenen Herzen ab—
ringend, belennt Madame Lolo der Tochter alles: daß sie sie
vie ganzen Jahre daher getäuscht; daß sie keine Ahnung habe,
wo das Kind sich aufhalte; daß sie es gleich nach feiner
Feburt gegen eine eimmalige Abfindungssumme mit verschie—
»enen Legitimationspapieren einer Artistin, die unter dem Namen
Artemisia Barsescu in einem Moskauer Varieté auftrat, über—⸗
eben und seitdem nie wieder etwas von ihr gehört habe.....
Bekennt, daß sie die für das Kind bestimmten Gelder für sich
verwandt und, um dieselben auch fernerhin nicht zu verlieren,
der Tochter jene falsche Adresse in Mentone angegeben habe —
n der richtigen Voraussetzung, Irene würde sich von jenem
Geschöpf derart abgestohen fühlen. daß sie ihren Vorsatz auf⸗
geben und die Angelegenheit, wie bisher, nun für alle Zeiten
endgültie ihrer Mutter überlassen würde.
Madame Lolo hat den Kopf ein wenig von den Kissen
erhoben; ihre Rechte gestikuliert aufgeregt in der Luft herum;
hre Angen blicken mit um Erbarmen flehendem Ausdruck zur
Zimmerdede.
Es ist, als ob die ehemalige Operettensängerin noch einmal
ine Rolle spielte — die letzte in ihrem Leben — bevor die Seele
ũr immer dem irdischen Körper entflieht.
Oder lommt noch kurz vor dem Tode auch in dieser leicht⸗
lebigen Schauspielernatur durch all den Wust von Eitelkeit und
Eaoismus eine Ahnung von dem Ernst des Lebens, von Pflicht⸗
gefühl und Reue zum Durchbruch? Jenes Aufflackern des gött.
lichen Funlens, der in jedem Menschenherzen schlummert? ..
Irtene denkt nicht weiter darüber nach. Zwar quoll zuerst
bei jenen Bekenntnissen etwas wie Empörung in ihr auf. Doch
bald verwandelt sich diese Empörung in Mitleiden. Tiefes Mit⸗
leiden mit der Charakterschwäche der Mutter, die schuld war an all
den Irrungen ihres bewegten Lebens.
Und noch ehe die Nacht mit ihren dunklen Schleiern sich
rolhends herabsenkt auf das Svpieler-Eldorado Monte Carlo