Full text: Lübeckische Anzeigen 1913 (1913)

Eine große ESchwierigkeit bot in jenen Jahren die Militär— 
„flicht; viele Nordschleswiger wünschten sich ihr zu entziehen und 
»ptierten deshalb für Dänemark; sie kehrten dann als Aus— 
änder nach Schlesreig zurück. Es ist aber klar, daß ein solcher 
Zustand auf die Dauer nicht zu halten war, schon mit Rück— 
icht auf die willigen Untertanen, die auch diese Pilicht zu 
tragen hatten. Immerhin ist es begreiflich. daß man Ent— 
zegenkommen zeigte, solange die Verhältnisse noch ungewisj 
varen, wenn es auch vielleicht nicht zweckmäßig gewesen ist. 
In weitgehender Nachsicht hat man nach dem glükclichen 
Ausgang des, Krieges Gnade, geübt, auch gegenüber solchen, 
die wegen Fahnenflucht in Kriegszeiten schwerste Strafen ver— 
dient batten und mancher loygale Mann, der vielleicht für ge— 
inge Vergehen hat büßen, müssen, mag sich üher die Näachsicht 
zie mit jenen geübt wurde, oft gewundert haben, besonders 
venn die Verbohrun von der anderen Seite noch hinzu— 
'ant. So etwas tut nicht gut. 
Immerhin war eine milde Auffassung begreiflich, sotlange 
nit dem 35 gerechnet werden mußte. Dieser Parggraph war 
eine der Bedingungen, unter denen Oesterreich sich bereit er— 
lärt hatte, Frieden zu schließen; in dem Friedensschluß mit 
dänemark standen solche Bedingungen nicht. Als deshalb Oester- 
eich im Jahre 1878 erklärte, auf diese Friedensbedingung ver— 
ichten zu wollen, hatte der 4 5 aufgehört zu bessehen. Daß 
iber auch Dänemark keine Ansprüche auf Grund dieses Pa— 
ragraphen hatte, das ist von Dänemark sowohl im Jahre 
379 wie 1807 ausdrücklich anerkannt. Damit war der däni— 
chen Agitation der rechtliche Grund genommen; trotzdem wurde 
ie eifrig fortgesetzt unter dem Vorwand, daß Preußen nun 
erpflichtet sei, den Artikel freiwillig auszuführen. Man hoffte 
mmer wieder auf europäische Verwicdelungen, besonders als 
u Anfang der achtziger Jahre das Verhältnis mit Rußland, 
das wegen des Berliner Kongresses grollte, gespannt war, und 
danmm als durch Boulanger kein Krieg mit Frankreich drohte. 
PLoch vor einigen Jahren, durz nach dem russischjapanischen 
— 
rusgesprochen, wie man den Ausgang des Krieges bedauerte: 
„denn Rußland war, ja immer unsere Hoffnung.“ Um Na— 
tionalität und Sprache für den ersehnten Augenblick, der das 
zeue Deutschland zertrümmern sollte, zu erhalten, setzte eine 
ebhafte Agitation, die mit reichen Mitteln aus Dänemark un— 
erstützt. durch den Sprachverein Vollsbibliothelen in fast allen 
dirchspielen gründete, tendenziös gefärbte dänische Schriften, 
oänische Liederbücher und dänische Kalender herausgab. In 
demselben Geiste wirkte die dänische Presse, die unter dem 
Schutze, der Preßfreiheit eine unglaubliche Freiheit genoß, und 
»arin durch vereinzelte gerichtliche Bestrafungen, die zudem in 
ibertriebenem Gerechtigkeitsgefühl meist viel zu milde ausf'elen. 
ich nicht beeinflussen ließ. 
Troßtzdem nahmen bei den Wahlen die dän schen Stummern. 
tändig ab: bei manchem Wähler mocten die anerkennenswerte 
kidesberweigerung dänisch gesinnter Abgeordneter lähmend auf 
das Interesse wirken, bis der Abgeordnete Hans Peter Hansen, 
»er Gründer des dänischen Wählervereins, auch dieses Be— 
renlen überwand und trotzdem er erklärt hatte: Keine Maßregel 
der deutschen Regierung auf Einführung dänischer Sprache in 
Kirche, Schule und vor Behörden würde mir Genüge sein und 
nich von der Agitation abhalten. Die dauernde Trennung 
sordschleswigs von Deutschland ist das Ziel meiner Wünsche, 
and er den Mut, den feierlichen Eid zu leisten, daß er Seiner 
Majestät. dem Könige von Preußen treu und gehorsam sein 
volie. Wer so kämpft, führt vergiftete Waffen, die am Ende 
hn selbst treffen müssen. 
Dabei wäre es damals ein leichtes gewesen, das Land in 
kuhe zu erhalten und die Agitation zu uünterdrücken. Demn es 
ebten zahllose Familien in Nordichleswig, welche die vreußische 
Staatsangehörigkeit nicht besaßen, die man auf Grund des 
hausrechts ohne große Mühe hätte nötigen können, sich der 
Hausordnung zu fügen. Statt dessen ließ man sie gewähren, 
rlaubte ihnen z. B. die Teilnahme an den kirchlichen Wahlen, 
o daß sie sich auf diese Weise der Einführung deutscher Gottes⸗ 
ienste midersetzen konnten, wo solche zugunsten deutscher, Min der⸗ 
jeiten gewünscht wurden. Trotzdem wurden zu Caprivis Zeiten 
— es war die Aexag Koszielskti — an 1500 Optanten aufge— 
iommen, mit den Angehörigen an 7000 Menschen, freilich unter 
ner Bedingung, daß sie sich politisch neutral halten sollten. Dies 
Versprechen ist nicht gehalten. 
Da die Regierung, schon um die deutschredende Bevölkerung 
vor der Dänisserung zu schützen, deutschen Schulunterricht ein⸗ 
ühren mußte, wurde dagegen i, J. 1892 der dänische Schul⸗ 
nerein gegründet, der die der Schule entwachsenen, jiungen Nord⸗ 
chleswiger beiderlei Geschlechts auf die Volfshochschulen jenseits 
der Grenze schikte. Von dort kehrten sie dann volitisch vergiftet 
u die Heimat zurüch. „Durch die dänische Vo tshochschule steht 
die männliche Jugend, gerüstet da, wenn sie in die preukische 
Militäruniform soll“, sagt der Almanach des dänischen Sprach— 
ʒereins. 
Unter solchen Wühlereien wurde die Lage der Deutschen 
mmer schlimmer. 
Eine erfreuliche Aenderung brachte endlich das Vorgehen des 
berpräsidenten von, Köller, der zahlreiche Ausweisungen vor—⸗ 
iahm und dadurch die dänischen Agitatgren zur Vorsicht und 
»ald auch zur Ruhe brachte. Wohl trafen diese Ausweisungen 
nanchmal Un'chuldige und großes Geschrei erhob sich in einem 
Teil, der deutschen, Preise. die dadurch am besten zeigte, wie 
chlecht man im übrigen Deutichland unterrichtet war, wie politisch 
tnreif nian vielfach noch war, daß man um gewisser Partei— 
Grundsätze willen lieber die Deutschen im Norden, zugrunde 
zehen oder zu Dänen werden lassen, als fremden Ruhestörern 
in Haar gekrümmt wissen wollte. Wie richtig das Verfahren 
var. kann aus dem Geständnis dänischer Agitatoren gefolgert 
verden, daß es mit ihrer Tätigkeit vorbeigewesen wäre, wenn 
nan die eingeschlagene Richtung nur noch drei Zahre länger be— 
olgt hätte. 
Aber man hörte leider auf, ehe die drei Jahre um waren. 
MWMie man nach dem günstigen Ausfall einer Reichsstagswahl im 
Elsaß den heilsamen Paßzwang aufhob und so ein wichtige 
Mittel zur Abwehr aus der Hand gab, so glaubte man den 
chwergeprüften Norden, eine Maßregel zumuten zu dürfen, wei 
die Agitatoren vorsichtiger wurden und die dänischen Stimmen 
ibnahmen. Es gab wohl auch in Deutschland manche, auf welche 
die Freunde der südjütischen“ Bewegung in Dänemark mit ihren 
Zlagen über die angebliche Tyrannei Köllers Eindruck machten. 
Von den dänisch-gesinnten Nordschleswigern hatten vach den 
drieg 1864, wie schon erwähnt, viele für Dänemark optiert, 
varen dann aber zurückgekehrt. Ihre Kinder besaßen weder das 
dänische noch das vreußische Staatsbürgerrecht, sie waren heimat— 
os, selbst wenn sie im preußischen Heer gedient hatten. Ihre 
2age war sehr bedauernswert, aber nicht von Preußen ver⸗ 
chuldet. Man kam ihnen entgegen durch den sogenannten 
Inhntewerirag durch den allen die nach dem 16. Rovember 
1871 und vor dem 19. März 1898 geboren waren, das vreu— 
zische Staatsbürgerrecht verliehen werden konnte. In dielem 
Rptantenvertrag exkannte Dänemark noch einmal ausdrücklich 
un, daß es leine Ansprüche auf den vielgenannten 8 5 abe. 
Dieser Vertrag bedeutet ein weites Entgegenkommen gegen Dän⸗— 
mark, denn der preußzische Staat nahm eine großze Anzahl 
notorisch dänisch gesinnter Einwohner. die wohl geeignet, und, 
wie sich nachher gezeigt hat. auch geneiat waren, die Ruhe im 
deutschen Lande zu stören, zu Staatsbürgern an und verzichtete 
damit auf das Recht, sie ausweisen zu können. Dänemark hat 
dieses Entgegenkommen schlecht gelohnt, denn wenn es ihm darum 
u tun gewesen wäre, die Anerkennung des bestehenden Zustandes 
su die Tat umamsetzen, so hätte es munmehr daran gehen müssen. 
in den Herzogtümern dänische Konsulate einzurichten — aber auf 
die dänischen Konsulate warten wir immer noch. 
Wieder einmal, war deutsches Entgegenkommen, auch vom 
offiziellen Dänemark mit Undank belohnt, und mit Recht waren 
die Deutschen in unsrer Nordmark für die Zukunft besorgt. 
Denn es äußerte sich alsbald im täglichen Leben ein für alle 
Deutschen unerträglicher Uebermut, und die dänische Agitation 
setzte mit erneuter Schärfe ein. Jetzt fürchtete man nichts mehr: 
pan beschränkte sich nicht mehr auf die Verteidiqung, sondern 
geng nunmehr zum Angriff über. Das kat der Abgeordnete 
Rien im Jahre 1907 offen ausgesprochen: „Es kan vieles 
Wer, die Bewegung der letzten Zeit gesagt werden“, erk'ärte er 
in einer Wählerversammlung in Schotthurg; „es dann Zrich, ge— 
sagt werden, daß jetzt — d. h. doch dank der dänischen Vereins— 
ätigleit — eine, wache Bevsskerung dasteht. dazu, bereit, gegen 
den Feind zu drängen, und ich glaube, auch bereit dazu, naech 
Süden zu drängen. Das ist es, was wir wollen. Wir 
nüssen die Schwächen der Gegner ausnutzen und angrifrs— 
eise vorgehen!“ So sprach der Abgeordnete Nissen. Da— 
egen schreibt Flensborg Abis am 9. Dezember: „Unsere Mutter—⸗ 
»rache ist überall mit Gewalt vertrieben. Gleidwohl be— 
aupten die Einberufer der Flensburger Versammlung, daß die 
ãnische Agllation stets augrifsweise vorgegangen sei Wie ge— 
echt denlende Wenschen dies haben unterzeichnen können, ist uns 
nerfindlich. Es liegt ja auf der Hand, daß die Behauptung 
nicht wahr sein tann. Wahr ist gerade das Gegenteil usw.“ JZa, 
netne Herren, was wahr ist, das haben Sie selbst gehört, und 
vollen, Sie einzelne Tatsachen, so fragen Si⸗ die Deuischen in 
Nordschleswig. 
Wie die Dptantenaufnahme gewirkt hat, das sieht man ohne 
veiteres aus dem Ergebnis der Reichsstägswahlen.“ Das Jahr 
912 brachte den Dänen einen Zuwachs von fast 1400 Stimmen, 
nährend die Zahl, der deutschen Stimmen laum zugenommen 
atte. Inzwischen ist die Lage immer schlimmer geworden. Da— 
ur sorgt das immer dichter werdende veh von danischen Ver— 
inen diesseits und jenseits der Grenze, die alie dasselbe Jiel 
jaben. Diese Vereine umfassen alimaählich das gesamte gesellige 
ind wirischaftliche Leben der dänisch gesfinnten Bewohner, sondern 
ie ah von ihren deutschgesinnten Tandetleuten und retzen sie 
‚um Kampfe in allen Formen des läglichen Vebens. Zu dem 
chon erwähnten Verein zur Erhaltung der dänischen Sprache 
ind zu dem 1358 gegründeten Wählerverein kam 1882 der nord, 
chleswigsche Schulperein, der bis jetzt über 4000 junge Leute 
auf die Vollshochschulen geschickt hat. Zu den Vortragsbereinen 
ind Sportvereine, Turnvereine und seit 1909 zahlreiche Jugend 
ereine (im Kreise Sonderburg z. B. allein mil weit über 1000 
itgliedern) getreten. Dazu kommen zahlreiche geselsige Vereine 
änische Krantkenpflegevereine, Enthaltfamtestsvereine — diese 
nit eigenen Vereinshäusern, in denen unter den verschiedensten 
Formen, wie Näh-, Gesang- usw. Vereinen, eine immer heftigere 
ügitgtion betrieben wird, in denen namentlich Agitatoren, die 
us Dänemark kommen, ihr verderbliches Wesen trejiben. Wenun 
in in diesen Tagen ausgewiesener reichsdänischer Hochschuspor— 
teher ohne Erlaubnis zehn Versammlungen in Nordschieswig 
ibgehalten hat und noch fünf wenere abzuhalten beabsichtigte, 
o legt es doch die Frage nahe, wie ofi Hohl von Ausländern 
n dieser Weise gegen die bestehende Ordnung gewühit wird, 
ind ob es nicht notwendig wird, diese Vereinshäuser unter strenge 
Polizeiaufsicht zu stellen und den Pahwang einzuführen. 
Nun kommen zu den erwähnten Vereinen noch zaählreiche 
indere hinzu, landwirtschaftliche Vereine, Meiereivereine, Bieh— 
uchl⸗, Feuerversicherungs⸗, Viehversicherungsvereine; ihre Tätig— 
eit erweitert durch dänische Spar- und Darlehnskassen. danische 
treditinstitute, durch die Dänen und Nichtdänen finanziell und 
amit auch politisch abhängig gemacht werden. Dazu ist jehßt 
och ein Landschußzverein — sodeben gegründe! — gekommen, der 
en Uebergang des Bodens an Deuůtsche verhindern soli. Die 
eitung aller dieser Vereine läuft in wenigen Händen zusammen; 
ie Hauptversammlungen, werden gemeinsam abgehallen, damii 
hre Politil einheitlich gestaltet werden kann. 
VUeber fünfzig Vereinshäuser bestehen bereits auf verhält— 
iismähzig kleinem Raum und dienen, wie man selbst agt, „als 
‚Heimstätten Dänemarks“. 
Im engsten Zusammenhang mit diesen Mittelpunkten für 
ie dänische Agitation im Lande selbst stehen nun die Orgami— 
ationen in Danemark, mit dem wir doch in Frieden leben, 
as auf dem Wege des Güteraustausches jährlich Millivnen von 
Deutschland verdient. 
Da find zunächst zu nennen die südjütischen Vereine, die 
vohl ursprünglich von Nordschleswigern, die in Dänzmart lebten, 
zegründet wurden, jetzt aber als eine Kampforgamsation über 
janz Dänemark von der deutschen Grenze bis Bornholm sich er⸗ 
iteden; ihre Zahl beträgt gegen 60 und ihnen gehören zahlreiche 
änische Offiziere und Beamte an. Nie hat die dänische Regie- 
ung versucht, ihnen entgegenzuwirken. 
Zu diesen südjutischen Vereinen kommen seit 1909 zahlreiche 
hereine für die dänische Jugend, die schon den Kinderseelen 
en Haß gegen alles Deutsche einimpfen sollen. Die dritte 
zruppe wird endlich von den schon erwähnten Vollshochschulen 
ebildet. Sie sind Internate, in denen die jungen Leuie vot 
hrem Eintritt in das Heer zu fangtischen Dänen gemacht werden;: 
n einem dichten, Kranz liegen sie meist unweit der deutschen 
ßrenze, so daß sie bei späteren Zusammenkünften immer 
eicht erreicht werden können. Mit welchen Wiitteln hierfür ge— 
irbeitet wird, mögen Sie daraus ersehen, daß im Jahre 1910 
llein pom Nordschleswigschen Frauenverein 419 Personen, mit 
inem Aufwand von fast 34 000 Mark auf diese Volkshoch 
chulen geschidt sind, Und diese Veranstaltungen, „von denen der 
„änische Wind nach Nordschleswig herüberweht, der bei Nacht 
erstyrt, was die Deutschen bei Tage aufbauten', wie es in einer 
änischen Zeitschrift heißt, sie werden vom dänischen Staat 
eit 1908 (das war ein Jahr nach dem Optantenvertrage) mit 
iner jährlichen Beihilfe von 150 (00 Kronen unterstützt. Der 
änische Staat unterstützt also mit großen Summen solche An— 
elen die deutsche Untertanen mit deutichfeindlicher Gesinnung 
rfüllen. 
Rechnen Sie nun zu alledem noch die geistige Entfremdung 
auf kirchlichem Gebiet, die vom Grundtvigianismus ausgeht, 
»essen Grundanschauung dahingeht, daß es zwei Arten von 
ühristentum gibt, dänisches und deutsches, von denen das eine 
as wahre, das andere das falsche ist. — 
Vom sogenannten Friedensverein habe ich bisher mit Ab— 
icht gar nicht gesprochen; wir wollen ihm die Rüdsicht erweisen, 
ruch ferner von ihm zu schweigen. Aber es sollle seine Mitglieder 
och nachdentlich m men wenn Johannes Tiedie im September 
2. J. in der Koͤnigsberger Hartungschen Zeitung von einer 
schechischedänischen Verbrüderung schreibt: Solange die Dänen 
elber nicht so viel internationalen Takt aufbringen, sich, nicht 
nit dem infernalischen Gegner des Deutschtums einzulassen, 
önnen wir ihre Phrasen von dem „Hochsinn und Rechtssiun“, 
der uns in Sachen Nordschleswigs leiten solle, nur ironissch 
iehmen. Solange ist „etwas faul im Staate Dänemark“. Sie 
ehen, Tiedje hat etwas gelernt, aber wie viel Verwirrung hat 
r vorher angerichtet! 
Wenn wir das alles zusammenfassen, so haben wir ein 
hwaches Abbild von der Tütigkeit der dänischen Agitation, 
enn es fehlt, um es anschaulich zu machen, alles das, was 
nsere deutschen Landsleute in der Nordmark an Kränkungen 
ind Schädigungen täglich empfinden. Sie haben einen schweren 
-ztand und oft mögen sie nach Süden die Augen gerichtet hahen 
nit der bangen Frage, weshalb Deutschland, das sich für 
remdes Leid so gern begeistert, das in Norwegen Aalesund 
elfen konnte und den Italienern für Messina Millionen ge— 
chentt hat, so wenig Verständnis für seine treuen Söhne in 
er NRordmark hat. Hier, tut Hilfe not: wenn sie nicht bald 
ommt, wenn man auch die letzte Waffe, die uns die Staaten- 
osenfrage noch bietet, aus der Hand gibt, dann ist es zu spät 
nd wir haben mitten im Frieden eine halbe Provinz verloren, 
ud das zu einer Zeit, in der wir uns unserer Macht und Größe 
äglich erfreuen. Ihr zahlreiches Erscheinen wird ihnen heute 
agetn, daß wenigstens nördlich der Elbe volles Verständnis für 
ie Lage unserer Landsleute herrscht, wird sie stärken in ihrem 
dampfe für deutsche Art und deutsche Sprache: gilt doch von 
jnen mehr denn je der alte Ruf: Schleswig-Holstein meer— 
michlungen, deutscher Sitte hohe Macht, wahre treu, was 
chwer errungen, bis ein schönrer Morgen tagt., Helfen Sie, 
aß dieser schönre Morgen nicht mehr fern sei. daß er anbreche, 
He es zu shät ist 
Ergänzend sei noch berichtet, daß zuletzt Graf Rantzau⸗— 
Raßdorf in ungemein scharfer Weise gegen das Dänentum 
and die Regierung sprach und auf die Versammlung einen tief— 
nehenden nachhaltigen Eindruck machte, als er in den Saal 
hineinrief: „Wir erheben Protest gegen die Pro— 
»agandasder Dänen! Die Dären sollen das deutscche 
zausrecht respektieren, der Friedensverein ist ein Un— 
riedensverein, der den schwer kämpfenden Deutschen in der 
derdmart in den Rücken fällt und sich dadurch zum Verbündeten 
»er Dänen macht. Wir verurteilen den Optantenver— 
rag als einen schweren, politischen Fehler, der 
degierung. Ich warne die Staatsregierung, möge sie sich 
ütein. weiter das Vertrauen der Heimdeutichen der Nordmark 
täuschen. Wir verlangen ein Besitzhefestigungsgesetz, ein 
darzellierungsgesetz, statt der sogenannten Vogelflugbahnen im 
dorden ein über das ganze Land ausgehreitetes, an unsern 
Staatsbahnen richtig angeschlossenes Eisenbahnnetz und fordern 
/on der Regierung uünd dem Neich, daß dafür genügende Mittel 
ucr Verfügung gestellt werden. In der Nordmartfk sollte es 
igentlich nur zwei Parteien geben, auf der einen Seite 
die Dänen und Sozialdemokraten, die wir gern den 
andern üherlgssen wollen, auf der anderen Seite die Beunt 
chen, die sich alle unter dem Ichleswig-hossteimschen Baͤnner 
lau⸗weissrot zusammenfinden follten. Eine überwältigende Be— 
eisterung ergriff die Versammlung nach diefer Rede und spntan 
erscholl darauf mächtig und taufsendstimmig das vaterländische 
Lied: „Schleswig-Holstein meerumschlungen“, das stehend und 
nit nachfolgendem brausenden Beifall gesungen wurde. Von 
uürhesck waren 7 Nertrefor in ver ee nmefend 
* OS0 
Neueke Nachrichten und Telegramme 
der vb⸗ A.“ Aand a Z. 
5. * 
Zum Schloßbrand in 5chwerin. 
8t. Echwerin. 15. Dez. Privattelegramm der 
Lübeischern Anzeigen In einer Unterredung, die un— 
er, Mitarbeitet ain Monftag müttag mit enen 
Z.hbheren Beamten im Schlofsse hatte, tonute dicser 
die, hielen. umlaufenden Geruchte auf das richtige Maß zu— 
rüclführen. Danach sind alle Erzählungen über die Entstehungs— 
ursache des Schloßbrandes Kombingtionen Am wahrschimicß 
ien bleibt. daß Kurzschluß die Urfache gewesen ist. Die Zinuner 
varen noch mit alten Oefen versehen, wurden aber nicht benutzt. 
Bezeichnend ist, daß sogar, der Lübedker Branbostifter 
zuch dieses, Unglück auf sein Konto bekommen soltte.“ Leider 
st aber die bisherige Shätzung des Schadens. die sich auf 
-2 Millionen Mark beläuft, viel zu niedrig angegeben. Zei 
ßebäudeschaden betrage allein Mill. Mart. Völlig ver⸗ 
raunt ist die Westseite des Schlosses die im Jahre 1831 bis 
857 nach dem Vorbilde des Schlosses von Khambord er— 
ichtet wurde, ebenso die Suüdfeite und der grose runde Ed— 
urm. Die Ehlsabethzimmer, in denen, der Biand auskam, 
icnten als Logierzimmer für auswärtige Fünteiten und 
varen entsprechend kostbar eingerichtet. Es bonnte hier nie3 
zerettet werden. Leider wurden auch die herrlichen Gobelius 
n dem anliegenden Gobelinzimmer ein Raub der Flammen. 
n dem unvollendet, gebliebenen Gobelinsaale, hatte men attes 
Rebiliar und allerlei Gerümpel aufgeffapelt. das nun wie 
zunder brannte und den Flammen reiche Nahrung gah. Leider 
st auch das Prunkstück des ganzen Baͤues, der berühmte gol⸗ 
ene Saal mit der sogenangten goldenen Treppe, ein Opfer 
er Flammen, geꝛrorden. Der Saal ist völlig in sich zu— 
zmmengestürzt; in dem Eckturm wurde die Jagdmunition des 
sroßzherzogs aufbewahrt.,, Dieser Teil wurde wa, um 1 Uhr 
»on den Flammen ergriffen, Glückicherweise ist menand, ver— 
etzt, worden, nur hei den Loscharbeiten erlitten der Feuerböter 
Hoͤller und ein Fruerwehrmanne voöon der städtischen Feuer— 
wehr Rauchvergiftungen. so daß sie nach dem Kräantkenhause 
übersührt werden muüßten. Ein Rundgang durch das ESchloß 
überreugte unseren Mitarbeiter, daß kaum ein Teil des prächtigen 
Schlosses ganz versehrt geblieben ist. Noch immer rieselte das 
Wasser durch die Gänge und über die Treppen. Bei dem 
Heraustragen des kostbaren Mobiliars, antiker Gegenstände und 
Kunitwerke, was in aller Eile durch die alarmierten Soldaten 
zescheben mußte, ist auch vieles arg beschädigt worden, so daß 
der indirekte Schaden beträchtlich ist. Das ganze Schloß wird 
einer durchareifenden Revaratur bedürfen 
Das Kaiserpaur in München. 
WV. München, 15. Dez. Zum Empfange des Kaiserpaares 
hat die Hauptstadt ein prächtiges Festgewand an— 
zgelegt. Um 10 Uhr 50 Min. traf das Kaiserpaar auf dem 
Haupthahnhof ein. Veim Eintreffen des Hofzuges feuente eine 
Batterie des 1. Feldartillerieregiments auf dem VMiarsfelde 
Salut von hundert Schutz. Auf dem Bahnsteig waren er ch'e— 
ien: der König in der Uniform seines preußischen Infanterie— 
tegiments, die Königin der Kronprinz, die Prinzen des 
üöniglichen Hauses, die Herren der preußischen Gesandtschaft und 
der Ehrendienst. Auf dem Bahnsteig stand die Ehrenkompagnie 
)es Infanterie-Leibregiments mit Fahne und Musik, die un— 
nittelbaren Vorgesetzten am linken Fiüzel und die gesamte altive 
Generalität. Als der Kaiser und die Kaiserin den Salonwagen 
»erliehen. wurden sie von dem bayerischen Königspaar auf das 
erzlichste begrühßt, während die Musik die preußische Hymne 
pielte. Die Kaiserin und die Kösnigin begaben sich 
rotz des starken Schneetreibens in einem offenen, à la Dau— 
nont gefahrenen Sechsspänner nach der Residenz. Seitwärts 
itt der Stadikommandant Generalmaltor Göringer. Der Wagen 
wurde von einer Schwadron des ersten Schweren Reiterregiments 
jeleitet. Der Haiser schritt mit dem Könia inzwischen 
ie Front der Ehrenkompagnie ab und hielt großen militärischen 
fnmpfang ab, begrüßte dann die im Königssfalon versammelten 
zerren und wahm den Vorbeimarsch der Ehrenkompagnie ab. 
Der Kaiser und der König führen in einem offenen sechs— 
pännigen Wagen zur Residenz. Seitwärts ritt Oberstallmeister 
Frhr. v. Leonrod. Eine Schwadron des ersten Schweren Reiter⸗ 
tegiments bildete die Eskorte. Das Publikum begrüßte die 
Maiestäten übergll, auf das herzlichste. Der Kronprinz 
und die anderen Prinzen schlossen sich der Fahrt zum Schlosse an. 
Die kaiserlichen Majestäten bewohnen in der Residenz das 
Appartement des Königsbaues. In der Residenz im Brunnen—⸗ 
yofe ist eine Ehrenkompagnie des zweiten Infanterieregiments 
Kronprinz“ aufgestellt. An der ‚Schwmarzen Treppe empfing 
der königliche große Dienst die allerhöchsten Majestäten. Die 
Kaiserin und Königin begaben sich nach ihrem Eintreffen in 
»en östlichen Thronsaal durch das Spalier der Leibgarde der 
zartschiere. Hier wurden sie von den Prinze sinnen des könig— 
dauses und den Palastdamen erwartet. Der Kaiser und der 
dönig trafen um 11149 Uhr in der Relidenz ein, schritten die 
Front der Ehrenkompagnie ab und begaben sich dann gleichfalls 
ur Begrüßung der Prinzessninen. In den Straßen, der Stadt 
dildeten Veteranen und Kriegervereine Spalier. Auf dem Mas 
Josefplatz hatte sich die Studentenscha,fft in Wichs mit 
xahnen und, Bannern, qufgestellt. im Hofgarten stand die 
zugendvereinigung Wehrkraft. Vormittags machten die kaiser— 
ichen und, königlichen Majestäten einen Besuch im Wittels— 
»acher Valast. Der Kaiser besuchte unmittelhar, nachdem 
er in der Residenz angekommen war, die Theatiner-Hofkirche 
und legte dort am Grabe des verstorbenen Prinzregenten einen 
Kranz nieder. Um 1 Uhr war in den Weißzen Zimmern Fami— 
lienfrühstück und in den Steinzimmern Marcschalltafel. 
Um 3 Uhr besichtigte der Kaiser mit dem König den Neubau 
des Deutschen Museums. Um 534 Uhr fand bei dem Kron— 
prinzen zu Ehren des Kaisers und der Kaiserin Tasel statt 
Der Kronprinz. 
Berlin, 15. Dez. Wie wir von gut unterrichteter Seite er⸗ 
fahren, ist der Kronprinz nicht in den Generalstab versetzt, son— 
dern zum Großen Generalstab kommandiert. Er 
wird demnach nicht die Uniform des Großen Generalstabes, son⸗ 
dern die Uniform des Danziger Leibhugrenregiments tragen. 
Die Mil'tärmission. 
Kounsstantinopel, 16. Dez. Der türtische Ministerrat hat 
die Antwort festgesetzt. die den Botschaftern der Tripelentente 
auf die von ihnen gewünschten Informationen über die deutsche 
Militärmiffion heute vom Großwesir übergeben werden soll. 
Sie lautet: 
Der deutschen Militärmission lLiegt,teiner- 
ei politischer Zwed zugrunmde. Sie ist b.eguf— 
ragti,sich meit der, Keorganisationdermilitäri— 
schen Bildungsanstalten und,des ersten Armee, 
oros das ene ArModell-Korps werdenssoll. 
zu befassen. 48 
w'. Honstantinovel, 18. Dez, Das Kriegsministerium hat 
an alle Armeckorps ein Rundschreiben gerichtet, in dem es 
zeißt. daß General Liman von Sanders für die Dauer von 
ünf Jahren in türkische Dienste genommen worden sei, und zwar 
uUs Chef einer Resormmission. Er werde das Kommando des 
tfien Armeekorns, das in Konstantinoyel und Umgebung liegt. 
zbernetnen. Außerdem werde er Mitglied des Kriegzrases sein 
Das Rundichreiben veröffentlicht ferner das vom 27. Rovember 
afierte Irade des Sultans, welches das am 28, Oktober ab⸗ 
Jeischlossene Abkommen über die deutiche Militärmissfion 
anktioniert. 
Enrovpäer in den Händen mexikanischer Banditen. 
PC. London, 15. Dez. Die Dailn Mail meldet aus Wexrisv 
City. daß in ecnalischer“ Müneningenieur namens Louis Baird 
von meritansschen Banditen im Staat Galisco gefangen genom
	        
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