Full text: Lübeckische Anzeigen 1913 (1913)

Tagesbericht. 
Lübeck, 11. Dezember. 
heranziehung hiesiger Privatarchitekten zur Mitarbeit 
an den städtischen Bauaufgaben. 
Zur Prüfung dieser Frage hatte die Buͤrgerschaft seinerzeit 
eine Kommission eingesetzt, welche jetzt Bericht erstattet hat. 
Sie beschaͤftigte sich zunächst generell mit der Frage der Heran⸗ 
ziehung von Privatarchiteken bei Staatsbauten, wobei ihr das 
Ergebnis einer seitens der Baudeputation ersolgten Umfrage 
bei 36 deutschen Stadtverwaltungen vorlag. Hiernach hatte in 
11 der befragten Städte eine Heranziehung der Privatarchitekten 
zu Staatsbauten bisher nicht stattagefunden, während in den 
sübrigen 25 Städten Privatarchitekten teils vereinzelt, teils in 
wiederholten Fällen zur Errichtung von Staatsbauten heran—⸗ 
gezogen worden waren. Die Aufträge an die Architekten ergingen 
zum Teil direkt, vorwiegend jedoch nach vorher stattgefundenem 
Wettbewerb. Den betreffenden Architekten lag außer der Pro- 
iektbearbeitung in den meisten Fällen auch die örtliche Bau- 
leitung ob, während sich das zuständige Stadtbauamt gewöhnlich 
eine gewisse Kontrolle bei der Vergebung der Arbeiten und auch 
die Oberleitung vorbehielt. Die Kommission billigt auf Grund 
eingehender Beratungen, daß die Privatarchitekten mehr als 
bisher geschehen ist. zur Mitwirkung bei öffentlichen Bauten 
herangezogen werden. Dadurch werde die Gefahr der Einseitig⸗ 
keit in der künstlerischen Gestaltung der Bauten ferngehalten. 
Das Heranziehen der Privatarchitekten für die Ausgestaltung un⸗ 
serer öffentlichen Bauten werde in Lnstlerischer Hinsicht um so 
mehr anregend wirken, als der Uebertragung im allgemeinen 
ein Wettbewerb vorangehen solle. Auch in finanzieller Beziehung 
verspricht sich die Kommission von der Heranziehung der Privat⸗ 
architekten günstige Resultate, wenn es sich nicht um Bauten 
handelt, für die bereits in der Hauptsache ein festes Schema 
vorliegt, wie z. B. bei Schulen usw. Derartige Bauten werden 
nach Ansicht der Kommission zweifellos durch das Bauamt 
billiger hergestellt werden können. Die Heranziehung von Pri— 
vatarchitelten werde hauptsächlich in Frage kommen, wenn es 
sich um neuartige Baugestaltungen handele, um Bauten, welche 
weniger in der Praxis der Baubeamten vorlommen. Für 
den Eintritt der erwarteten günstigen Wirkungen in künstlerischer 
und finanzieller Beziehung betrachtet die Mehrheit der Kom— 
mission es allerdings für grundsätzlich ersorderlich, daß der Pri— 
vatarchitekt nicht nur den Entwurf herstellt, sondern daß er auch 
die Leitung bei der Bauausführung selbst in der Hand behält, 
denn nur so könne er dafür aufkommen, daß das, was er 
geplant habe, auch in die Wirklichkeit umgesetzt werde. 
In gewissen gewerblichen Kreisen habe sich ein Widerstand 
gegen die beabsichtigte Heranziehung der Privatarchitekten aus 
der Befürchtung heraus gezeigt, daß die letzteren bei der Ver— 
gebung von Arbeiten und Lieferungen nicht so unparteiisch ver⸗ 
fahren möchten, als dies seitens des Bauamtes der Fall fei. 
Man ürchte, daß der Privatarchitekt nur zu leicht geneigt sein 
werde, diejenigen Gewerbetreibenden zu Arbeiten und Liefe— 
rungen heranzuziehen, mit denen er durch dangjährige Praxis 
zu arbeiten gewöhnt sei. Diesem Bedenken glaubt die Kom— 
mission in weitestem Umfange gerecht geworden zu sein, indem 
sie dem von der Behörde aufgestellten 5. Leitsatze folgende 
Fassung gibt: 
„Die Arbeiten und Lieferungen werden von der Baudeputation 
nach dem bei ihr üblichen Verfahren vergeben. Jedoch kann der 
Architekt selbst die Vergebung vornehmen, wenn 
a) der Wert der einzelnen Arbeit und Lieferung den Betrag 
hon 300 Miänicht üubersteigt; 
b) die für die einzelnen Arbeiten und Lieferungen veran- 
ichlagten Summen durch die Vergebung nicht überschritten werden; 
c) die einzelne Arbeit oder Lieferung sich lediglich als eine 
Ergänzung bereits vergebener Arbeiten oder Lieferungen dar— 
tellt. Hierbei empfiehlt es sich, daß in dringenden Fällen der 
Architekt, auch wenn diese Voraussetzung nicht vorliegt, die Ver—⸗ 
gebung vornehmen kann. 
Bei der Vergebung hat der Architekt nach den von der Bau⸗ 
»eputation beobachteten Grundsätzen zu verfahren.“ 
Die Mehrheit der Kommission (Schöss, Blunck, Dr. Wittern, 
Tuwie, Möller, Schwabroch) hält es nicht für angezeigt, in den 
Leitsätzen die Art und den Umfang des Wettbewerbes im einzelnen 
festzulegen. In der Hauptsache werde es sich um den Wettbewerb 
hiesiger Architekten handeln. Es könne aber auch ein beschränkter 
Wettbewerb stattfinden, weiter müsse die Möglichkeit offen ge— 
halten werden, daß ohne jeglichen Wettbewerb für einen bestimmten 
Bau ein ganz besonders geeigneter Architekt herangezogen werde. 
Im einzelnen müsse die Bestimmung hierüber der Baudeputation 
überlassen werden. Deshalb soll in der Regel der Uebertragung 
ein Wettbewerb vorangehen. 
Die Minderheit der Kommission (Böbs) bezeichnet als 
ßründe zu der Uebertragung von Staatsarbeiten an Privat⸗ 
architekten nur zwei Gesichtspunkte: 
1. Die Chance, zu einem künstlerisch höher stehenden Ergeb⸗ 
ns zu kommen, als der Baubeamte es zu leiften vermag. 
2. Die soziale Rücksicht auf die Hebung des Standes, dem 
nan Beschäftigung zuführt. 
Diese Grundsätze werden dem Senat zur Berüchsichtigung emp⸗ 
ohlen und die Bürgerschaft erfucht, solgendes Ersuchen an den 
Senat zu richten: 
Die Bürgerschaft ersucht den Senat, vor jeder Auf—⸗ 
tragserteilung eines Staatsbaues an Privatarchitekten bei der 
Bürgerschaft um ihre Einwilligung einzukommen und die Leit⸗ 
ãtze eventuell dann mit obigen Aenderungen anzuwenden. * 
Det Vaterstãdtifche Verein ũber das Ergebnis der letzien 
Bürgerschaftswahlen. In der am Mittwoch abend in den Zenttal— 
jallen abgehaltenen Versammlung des Vaterstädtischen Vereins 
wurde das Ergebnis der letzten Bürgerschaftswahl einer Be— 
prechung unterzogen. Der Vorsitzende, Herr Erster Staats— 
anwalt Dr. Benda, inge einleitend aus, daß es dem Vor⸗ 
tand und Jentralwahl omitee ein Bedürfnis gewesen sei, mög⸗ 
ichst bald den Mitgliedern eine rüdhaltlose und offene AÄus- 
prache ũber die letzte Burgerschaftswahl zu ermöglichen. Wenn 
yr Verein das Ergebnis in feinen einzelnen Resultaten über— 
haue, so habe er alse Ürsache, damit zufrieden zu sein. Mit 
lusnahine eines einzigen habe er seine sammichen gandidalen 
urchgebracht. Diese“eine Ausnahme eir anf lokale Rück 
ichten zurüͤczuführen, auch in feuheren Jahren sei es wieder— 
holt vorgekommen dah von den Randivaten des VBereine dar 
eine oder andere mit einer mehr oder weniger großen Stimmen-— 
ahl unterlegen sei Ailen Mitgliedern des Vereins, die daran 
nitgearbeitet haben, die Kandidatenliste des Vereins zum Siege 
ju führen. danke er im Namen des Vontandes und des Zeg— 
tralwahlkomitees. Trotz gliedem aba habe der Verein alle 
Ussache. mit sehr ernsten Gedanten duf das dies jährige Wahl 
tefultat zurüdzublicken. Es habe sich herausgeftellt. was der 
Vaterst. Verein gleich ausgesprochen habe, daß es auf die 
Dauer unmöglich sei, dah wei Vereine velche keine vartei— 
dereine sind, und keine sachliche Gegenfätze vertreten, neben⸗ 
inander bestehen können det Bürgerschaftswahlnerein von 
1911 wolle jg genau dasfelbe wag der Vaterst. Verein seit 
unmehr 30 Jahren gewolit und mit Erfoig durchgeführt hat, 
nämlich ein durchaus“ unparteiischet Regulctor sein, der allen 
Ztänden des Bürgertums die Möglichkeit gebe, ihre Interessen 
nnerhalb des Vereins zur Geltung zu bringen. Wenn zwei 
olche Vereine in einer Stadt wie Lübed nebeneinander beständen 
ind sich gegenseitig bekämpften, so könne es nur ein Kampf 
ein. der nicht dem Bürgertum, sondern dem gemeinsamen 
ñegner. der Sozialdemokratie, zugute komme. Schon diesmal 
sabe sich gezeigt, wie unangenehm und unerquiclich ein solcher 
Wahllampf sei. Deshalb sei es eine ernste Frage, wer die Schuld 
aran trage, daß es so gekommen sei. Der Vaterst. Verein 
önne mit gutem Gewissen sagen, daß er das gehalten habe, 
bas er vor zwei Jahren versprach, als die unerfreuliche Spal⸗ 
ung in das Bürgertum hineingetragen wurde. Die Revifion 
— 
reter des Bürgertums zu Worte lommen und auch denienigen 
ihgegrenzten Einfluß auf die Aufstellung der Kandidatenliste 
abe der ihnen genüge und keinen anderen schädige. Es sei 
uchts ungerechter und nichts unbegründeter, als wenn die⸗ 
enigen, die sich nicht gerührt und ihre Interessen wahrgenommen 
saben, die zu Hause geblieben sind, wo es galt, am Platze zu 
ein, die sich grollend außerhalb des Vereins gestellt und nichts 
avon hören wollten, innerhalb des Vereins ihre Interessen 
u vpertreten, jetzt dem Vaterst. Verein einen Vorwurf machen 
boliten. Der Berein habe Garantien dafür geschaffen gehabt, 
ah alle Stände im Zentralwahlkomitee, alle Interessengruppen 
leichmähig vertreten find, und es könne gar nicht mehr vor⸗ 
ommen, daß eine einzelne Gruppe im Zentralwahlkomitee 
pminiere. Auch in diesem Jahre seien alle Interessen ver— 
reten gewesen, und wenn einige bewährte Mitglieder der 
zurgerschaft nicht wiedergewählt worden seien, so sei das eben 
usschließlich ihre Schuld. Warum sind die Herren ausgetreten, 
varum sind sie, nachdem Remedur geschaffen war, nicht wieder⸗ 
sekommen? Nur ein einziger großer Verein dürfe das gesamte 
zürgertum umfassen. Wohin solle es führen, wenn man in 
en naächsten Jahren noch weiter guseinanderstrebe? Dann 
verde es unmöglich sein, daß das Bürgertum bei der Reichs⸗ 
agswahl noch weiter geschlossen für einen Kandidaten eintreten 
oͤnne. Gegenfeitige Verbitlerung werde, in die Reihen des 
zürgertums getragen, wo es dem gemeinsamen Gegner gegen⸗ 
ber absolut notwendig sei, daß Einigkeit herrsche. Die Revision 
er Satzungen habe sich voll bewährt, man könne an ihr fest- 
alten und in, Einzelheiten, die noch einer Verbesserung be 
ürftig Jind, eine Aenderung herbeiführen. Der Vorstand, sei 
er Hoffnung, daß ihm die Versammlung mit vollem Ver— 
rauen das Zeugnis gebe, daß der Verein seine Pflicht getan 
abe, daß die Mitglieder geschlossen hinter Vorstand und Zen⸗ 
calwahlkomitee stehen und der Vateist. Verein auch nach wie 
sor als die Vertretung des gesamten Bürgertums anzusehen sei. 
— Herr Mantau wär gleichfalls der Meinung, daß der Verein 
nit dem Resultat zufrieden ein dürfe. Der Bürgerschaftswahl— 
erein habe in einer Annonce erklärt, daß auch er zufrieden sei 
ind mit frischem Mut in die nächste Bürgerschaftswahl hinein⸗ 
ehen werde. Die von ihm angeführten Zahlen der erhaltenen 
timmen bewiesen ohne Berüchichtigung der näheren Umstände 
ber, oftmals nicht viel. Trotz der Zahlen, die nicht ungünstig 
prechen, sei er der Meinung, daß der, Verein schlecht ab⸗ 
eschnitten habe. Er wartete, bis der Vaterst. Verein seine 
dandidatenliste aufgestellt hatte, um dann, taktisch außerordent⸗ 
ich geschickt, schwächeren Kandidaturen stärkere gegenüber— 
ustellen. Auch er bedauere, daß dieser oder jener nicht wieder 
n die Bürgerschaft hineingekommen sei. Infolge des Umstandes, 
aß einzelne Kandidaten des Vereins in der Oeffentlichkeit noch 
veniger bekannt waren, sei es möglich gewesen, daß die Listen 
ꝛes Vaterst. Vereins nicht alle geschlossen abgegeben wurden. Es 
ei aber erforderlich, daß unter den Mitgliedern mehr Disziplin 
zehalten werde und Listen, die die Mehrheit des Vereins auf— 
jestellt habe, seitens der Mitglieder auch geschlossen abgegeben 
pürden. Infolge der größeren Mittel, über die der neue 
Berein verfüge, habe er intensiver als der Vaterst. Verein 
beiten können. Weiter seien die Mitglieder des neuen Ver—⸗ 
ins in der einen oder anderen, Beziehung außerordentlich ein⸗ 
lußreich, so daß es dem Vaterst. Verein namentlich unter den 
rwerbenden Ständen an Vertrauensmännern gefehlt habe, wei 
zie Herren wirtschaftliche Schädigungen befürchteten. Eine Reih⸗ 
herren aus dem neuen Verein hätten ihm bereits erklärt, do 
ie bei passender Gelegenheit wieder dem, Vaterst. Verein be 
reten würden. Vielen von ihnen gefalle es auch nicht. daf 
»er, Verein mit den Wählern 2. Hlasse nichts zu tun haben 
volle. In, 2, Jahren befürchte er aber, werde der Wahlkampf 
ioch weit heißer und unerfreulicher als diesmal werden. Da 
s fich nicht um sachliche Gegensätze, sondern nur um Personen-⸗ 
ragen handle, führe es zu einer Verbitterung und unüberbrück— 
aren Kluft im Bürgertum, wovon einzig, die Sozialdemokratie 
en Vorteil habe. Daher müßte eine Verschmelzung der beiden 
zereine in irgendeiner Weise angestrebt werden. — Herr Klein. 
emãngelte zunächst, daß in manchen Quartieren die Organifatioi 
es Vaterst. Vereins nicht ordentlich funktionierte. Diejenige 
es neuen, Bürgerschaftswahlvereins habe bedeutend besser 
inktioniert. Auch sei es notwendig, daß die neuen Kan— 
daten des Vereins sich vorstellen, damit die Wählerschaft einige 
ragen an sie richten könnte. Eventuell könnte auch ein kurzes 
rogramm von ihnen entrollt werden. Daher müßten die Kan— 
idaten vor allem in den Quartiersversammlungen, wo sie auf⸗ 
estellt werden follten, zur Stelle sein. Die Satzungen hätten 
ich allgemein hewährt und seien auch ungefähr diefelben wie 
m Bürgerschaftswahlverein, auch dort käme der Wahlaufsatz 
zenau so wie im Vaterst. Verein, zustande. Nicht zufrieden 
nit dem Ausfall der Wahl wäre die Beamtenschaft. Schuld 
aran sei, daß die Mitglieder des Vaterst. Vereins die Wahl— 
arole nicht so befolgt hätten, wie es nofwendig gewesen wäre. 
Penn man einer Organisation angehöre, habe man auch unter 
llen Umständen den Beschluh der Mehrheit zur Durchführung 
u bringen, Ihm sei zu Ohren gekommen, daß die Beamten— 
chaft aus dem Verein austreten wolle. Das sei aber nicht der 
Fall. Sie werde nach wie vor zu dem Vaterst. Verein in Treue 
jalten, schon aus dem Krunde, weil der andere Verein die Ein— 
ommen unter 2900 M, an, der Mitwirkung der Aufstellung 
er Kandidatenliste ausschließe. Wenn, der neue Verein den 
Wählern 2, Klasse etwas bieten wollte, so hätte er schon längst 
n den letzten 3Z Jahren mit irgendeinem Vorschlag an Senat 
ind Bürgerschaft herantreten können. Eine Maiorisierung durch 
»ie Wähler der 2. Klasse, wie der, neue Verein behauptet 
ahe, sei noch niemals eingetreten. Der Kampf wifchen den 
eiden Vereinen komme dem gemeinsamen Gegner zugute. die 
deschlosenheit des Bürgertums werde immer weiter zerstört. 
Deshalb mache er den Vorschlag. daß eine gemeinsame Ver— 
ammlung des gesamten Bürgertums anberaumt werde, in der 
ꝛine gemeintsame Aussprache gehalten werde. Dann köme sick 
as Bürgextum, wieder zusammenfinden. Selbstverständlich 
tänden die Mitglieder des Vereins geschlossen hinter ihrem Vor— 
hand, schon aus dem Grunde, weil er in vornehmer Art und 
Weise gegen alle Angriffe des neuen Vereins überhaupt nicht 
rwidert habe. Wenn aber der 1911er Verein nicht mit dem 
Baterst. Verein zusammengehen wolle, müsse sofort die Wer— 
ung neuer Mitglieder in die Wege geleitet werden, damit 
ich in 2, Jahren die Mitaqaliederzahl verdoppelt habe. Dem 
Zaterst, Verein gehöre guch die Jugend, die im neuen, Verein 
eine Aufnahme finden könne, und wer die Jugend habe, dem 
rehöre die Zukunft. — Herr Edholdit unterstützte die An— 
icht des Herrn, Klein, daß die Kandidaten, soweit sie ein un—⸗ 
eschriehenes Blatt sind, in Tagesfragen, die das Bürgertum 
illaemein berühren, ihre Ansichten. ohne daß sie sich auf ein 
»estimmtes. Vrogramm festlegen, entwickeln mühten. — Herr 
11bers führte aus, daß entgegen der großen Siegeszuverficht des 
euen Vereins der Erfolg doch ein recht kläglicher gewesen sei. 
Venn sich die beiden Vereine wieder zusammenfinden könnten. 
ürde er es außerordentlich bearüßen. Der Vaterstädtische 
zerein. der der Sieger war, könne wohl zuerst etwas grökeres 
ntgegenkommen als der Besiegte zeigen, der, augenblidlich 
nrersöhnlich scheine. Er, wünsche, daß eine Grundlage ge— 
unden werde. auf der sich die beiden Vereine in Zulkunft 
n frisch-fröhlicher Arbeit wieder zusammenfinden kdönnten. — 
zerr Brücker wünschte, daß die seitens des Wahlkomitees 
räsentierten Kandidaten sich nor der Wahl in einer öffent— 
ichen Versammlung, der, Wählerschaft vorstellen müßten. — 
err Bapkdirektor Rehhder wies darauf hin, daß sich der 
ezeigte Mangel an Verkrauensmännern wohl daraus erkläre, 
aß. man, die Rechte der Vertrauensmänner ganz erheblich be— 
chnitten habe. Die jetzt in den Quartiersversammlungen er— 
orderliche Zahl von 20 Herren zur Unterstützung eines Wahl— 
orschlages müsse eine Herabsetzung erfahren. — Herr Bruhn 
edauerte vom, nationalen Standyunkt, aus die Spaltung des 
Zürgertums. Aber man vwerde sich jetzt eben mit der Tat— 
ache eines Wahlkampfes abfinden müssen. Der neue Berein 
verde es als eine Schwäche ansehen. wenn man sich jetzt mit 
hin vereinigen wolle. Dieser betrachte sich besonders als 
er spezielle Vertreter der Kaufmannschaft. Gexade aber den 
Baterstadtische Verein habe immer die Sitze der Kaufmannschaft 
zewahrt, ohne daß sie mitgearbeitet habe. Er halte zwanzig 
Nitglieder für die Unterstüßung eines Wahlvorschlages in den 
diattiersversammlungen für erforderlich. — Herr Bankdirektor 
enner hält eß nicht für einen Vorzug, wenn in Zukunst 
die Kandidaten“ Rede und Antwort stehen mühßzten. In 
iner turzen Versammlung könne niemand seinen Befähigungs- 
achweis erbringen, sondern erst in langer, und intensiver 
irbeit. Auch er würde es freudig begrüßen, wenn eine 
jereinigung zustande käme, ohne daß der Vaterstädtische Verein 
ich etwas vergebe. Die Spaltung sei bedauerlich. und man 
oile die Hand hbieten, daß sie überbrückt werde. Wenn e3 
iber Tatfache sei daß bewährte Mitglieder der Bürgerschant 
ur, deswegen nicht wieder aufgestellt worden sind, weil sie 
Vtitaueder des 1911er Vereins sind. so wurde das ein Fehle 
n der Orgamnisation sein, der beseitigt werden müßte, falls 
s nicht zu einer Einigung kommen sollte. — Herr Haupt 
ehrer Reimpell —* um der politischen Lage willen 
iie Vereinigung, aber nur unter der Bedingung. daß da⸗ 
zrundprinzip des Vereins bestehen bleibt und den Wählern 
er zweiten Klasse ihre Rechte erhalten bleiben. Auch voli 
nderer Seite wurde die baldige Einberufung einer Versamm— 
ung des gesamten Burgertums befürwortet. — Serr Gold 
chmn itt⸗Trgvemunde bat, hei den folgenden Bürgerschasts— 
vahlen die Wirte mehr in Berüchsichtigung ziehen zu wollen. 
— Der Vorsitzende, Herr Dr. Bemda, führte in einem Schluß 
vort aus, daßz im Vaterstädtischen Verein völlige Einigkeit 
n bezug aut das zu verfolgende Ziel bestehe. Der Verein 
volle niemals auf seinen Lorheeren ausruhen. sondern sich 
mmer weiter zu verbessern suchen. Die Anregungen würden 
le aufs eingehendste beraten werden und dedten sich auch 
imtlich mit denen, die bereits im Vorstande exwogen seien. 
zesonders die wichtigste Anregung, daß den Mitgliedern des 
ürgerschafts wahlvereins von 1911 und dem gesamten Bürger 
um mehr, Klarheit über die Organisation des Vaterstädtischen 
jereins in einer denachee Versammlung gegeben werden 
olle, werde eingehend zur Sprache kommen. Vergeben werd 
ch der Vaterstädtische Verein dabei nichts. Die Stellung der 
zertrauensmänner werde zu einer besseren gemacht werden 
onnen, auch ohne daß sie eine eigene, selbständige Gruppe 
en der Ausarbeitung der Wahlvorschläge bilde. Die Wirte 
zien bei den Wahlen nicht am Platze gewesen, in der letzten 
wartiersversammlung sei nicht einmal versucht worden, einen 
jertrefer des Wirtestandes in Vorschlag zu bringen. Zur 
Interstützung eines Wahlvorschlages seien unbedingt zwanzin 
HNitalieder erforderlich. weil jonst eine unendliche Zersplitte- 
ung und eine Zufallsmaiorität eintrete. An dem Grundsatze. 
aß die Wähler der zweiten Klasse bei der Aufstellung de: 
Zandidatenliste mitarbeiten können, solle niemals gerüttelt wer⸗ 
en. — Mit Leiner Aussprache über die unhaltbaren Zustäre 
etr. Oberrealschule und die Herstellung einer Brückenverbindung 
Nit St Lorenz-NRord fand die Versammlung ihr Ende 
Gewerbegesellichaft. Im Kreise der Mitglieder der 
ßewerbegesellschaft und deren Damen hielt am Mittwoch abend 
zerr Direltor Ernst Albert im großen Saal der „Flora“ eine i 
Kortrag über seine Beobachtungen der Entstehung der Maul-— 
und Klauenseuche und deren wirksamer Bekämpfung. Der 
kKedner führte die Ursache der Entstehung der unheilvollen und 
chnell weiter verpflanzbaren Krankheit des Rindviehs auf Ueber- 
ragung durch ein Insekt, eine winzige Fliege, die nur in feucht- 
varmen Zeiten schnell in großer Zahl entsteht, zurück. Seine 
charfen Beobachtungen bei den Züchtungsversuchen des Insekts. 
»essen Lebensbedingungen und Fortpflanzungen wußte der Redner 
rit der ihm eigenen liebenswürdigen Art mit einem Kranz 
on Humor zu umgeben. In der zweiten Hälfte dieses Vocrtrags 
rachte Herr Albert Vorschläge zut Verhütung der Seuche selbit 
ind ihrer Weiterverbreitung. Er empfahl peinliche Sauberkeit 
n den Stallungen, gute Lüftung, Reinigung aller Fugen und 
Vinkel mit einer Holzessiglösung und Reinigung des Vieles 
tit Borsäurelösung. Gegen die Krankheit selbst sei nichts zu 
nternehmen, wenn sie einmal eingetreten sei, als zur Linderung 
ie betroffenen Körperteile der Kühe mit Borsäurelssung zu be4- 
reichen. An mehreren Orten, so in Blankensee und auf meh⸗ 
eren Gütern Mecklenburgs, sind mit dieser Art des Vorgehens 
atsächlich Erfolge erzielt. Reicher Beifall gab an Schlusse 
navon Runde, daß die in gemeinverständlicher Weise 
segebenen Ausführungen und die Art ihres Vortrages 
ie volle Zustimmung der zahlreichen Anwesenden, unter denen 
nan mehrere Landleute als Gäste bemerkte, gefunden hatte. — 
kin anderes Thema behandelte Herr Direktor Albert dann in 
darlegungen zur PilIzkunde. Hier wurden die in den lübedi— 
chen Fluren und Waldungen vorkommenden Arten der eßbaren 
Pilze und die Möglichkeit ihrer Bereitung besprochen. Die 
ingeflochtenen Erinnerungen an die erste Zeit seiner Laufbahn 
ils wandernder Schauspieler, der unter „persönlicher“ Leitung 
»er „Frau Direktor“ als Zulage zur Monatsgage Pilze suchen 
ind sie mil verzehren durfte, sind den Lesern dieses Blattes aus 
»en drolligen Sonntagsplaudereien „Vor und hinter den Ku— 
issen“ zum Teil bereits bekannt; sie fanden erneut ungebundene 
zeiterkeit, andererseits nahm das Damenpublikum auch manchen 
rützlichen Wink zur Verwendung des köstlichen Gewächses der 
hBilze, aber auch der Gefährlichkeit in verdorbenem Zustand oder 
einer giftigen Arten mit auf den Weg. Im letzten Teil des 
Abends schiiderte der Vortragende in geradezu drastischer Art das 
riebesreben der Insekten, und zwar vorwiegend an 
wei Beispielen, dem Fortpflanzungstrieb der Kreuzspinne und 
es Hirschläfers. „Ich möchte dich vor Liebe fressen“, so heiße 
s oft unter zwei Liebesleuten des Menschengeschlechts, daß aber 
n der Tat gar manches männliche Insekt ein Liebesabenteuer 
nit dem Tode bezahle, lehren die angeführten Beispiele der 
Kreuzspinne und des Hirschkäfers. Bei ersterer Art rerzehre 
»as Weibchen, das sich zuvor ein unvergleichlich schönes Netz 
nit 20 000 Knoten gesponnen habe, ihren Liebhaber mit Haut 
ind Haaren, und beim Hirschkäfer könne man Aehnliches be— 
bachten; meist gehe ein Kampf mit anderen Männchen vor— 
nus, der mit dem Tode des unterlegenen Männchens ende. 
Aber auch der Sieger, der sich dann allein des Besitzes des 
Weibchens erfreue, müsse in den Armen des geliebten Weibes 
vas Leben lassen; am nächsten Morgen finde man unter der 
kiche, auf der man in der Nacht im Mondschein die Liebenden 
eobachten könnte, die entseelten Körper mehrerer der starken 
nännlichen Käfer. — Die anziehende Art der Schilderung löste 
ruch in diesem Falsse reichen Beifall nus 
Neueste Nachrichten und Telegramme 
der il A.e und Z.“. 
Die Hamburger Bürgerschaft für eine Beteiligung an der 
Weltausstellung. 
DT. Hamburg, 11. Dez. Die Hamburger Bürgerschaft nahm 
jestern abend Stellung zu der Frage einer Beteiligung Ham— 
urger Industriekreise an der San Franziskoer Weltausstellung. 
Die Bürgerschaft beschloß, den Senat zu ersuchen, im Bundes— 
at dafür einzutreten, daß die Frage der Weltausstellung in 
SZan Franzisko endlich gefördert und Erleichterung gewährt 
verde. Eventuell solle eine Beteiligung Hamburgs an der 
Weltausstellung in San Franzisko durch Ausstellung staatlicher 
kinrichtungen in Erwägung gezogen werden. — Senator Holt-⸗ 
ufen, der Präsident der Deputation für Handel und das Schiff
	        
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