Full text: Lübeckische Anzeigen 1913 (1913)

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Wochentlich 13mal (Wochentags morgens und 
aAbenos, Sonntags morgens) erscheinend. Bezugs⸗ 
reis sũr das Vierteljahr 3,30 Marl ein schließlich 
zringgeld in Lübeck. Durch die Post bezogen ohne 
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— 
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3 Pfg. iũr Auswãrtige 30 Pfg. s. Geschaftl. Mi⸗ 
Unugen 1M. d. Zeile. Tabellen⸗ u. schwieriger 
Zat den Anforderungen entsprechend höher. o o 
Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familienfreuno. 
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübed 
geiblatt: Gesetz⸗ und Verordnungsblatt eRe 
20—— —EEEERE 
163. Jahrgang 
3 
————— 
Drud und Verlag: Gebrüder Borchers G. m. b. S. mcher 9000 u. 9001. 
—XXV 
Nachrichten für das herzogtum Tauenburg, die 
gürstentümer Ratz eburg, Lübeck und das angren⸗ 
jende medlenburgische und holsteinische Gebiet. 
Labed. — Geschäftsstelle Abcenn Gonigstt. 46). Fernspre 
Abend⸗Blatt Nr. 627. 
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IXVXXX 
Erstes Blatt. hHierzu 2. Blatt. 
—— ————t —— — —iis — ⸗ 
Umfang der heutigen Nemmer 6 Seiten. — 
Nichtamtlicher TelI. 
der Kanzler und die Parteien. 
(Von uneresm r⸗Mitarbeiter im Parlament.) 
Nun haben alle Parteiführer im Reichstag gesprochen. Was 
don der ersten Lesung des Etats noch aussteht, sind die 
darteipolitischen Auseinandersetzungen, die herkömmlich den 
Rednern der zweiten und dritten „Garnitur“ vorbehalten 
Aleiben. Im Interesse eines frühen Beginns der Weihnachts⸗ 
erien soll aber die dritte Rednergarnitur, soweit die bürger⸗ 
ichen Parteien in Frage kommen, zurüdgezogen werden, so 
»aßß man schon morgen, Freitag, abend fertig zu werden 
vofft. Jedenfalls ist nach den gestern beendigten ersten Er⸗ 
lärungen der Fraktionsführer die gegenwärtige Stellung der 
Parteien zum Kanzler klar erkennbar geworden. 
Soweit die äußere Politik der Reichsleitung in Frage 
pommt, bat sich Herr v. Bethmann-Hollweg zweifellos einer 
im ganzen günstigen Aufnahme seiner Darlegungen zu erfreuen 
gehabt. Daß wir aus den mancherlei Fährlichkeiten der Balkan⸗ 
politit nicht nur mit heiler Haut, sondern mit einer Festigung 
des Dreibundes, einer Wahrung des Freundschaftsverhältnisses 
zu Oesterreich-Ungarn und einer wesentlichen Besserung unserer 
Beziehungen zu England hervorgegangen sind, wurde allseitig 
zankbar anerkannt. Wenn dabei die Form der Zufriedenheit 
n verschiedenen Wärmegraden zum Ausdruck gebracht wurde, 
venn die einen noch mehr nationale Energie, die anderen 
bereitwilligeres Entgegenkommen den Wünschen der europäischen 
Sroßmächte gegenüber forderten, so entsprechen solche Ab⸗ 
weichungen nur den Parteiunterschieden, die sich auch in der 
Beurteilung der auswärtigen Politik Geltung verschaffen. 
Wesentlich anders lautete das Urteil der Parteien über die 
innere Politik des Reichskanzlers. Hier stand freilich nur die 
eidige Wackes-Affäre mit ihren Begleiterscheinungen zur Dis— 
ussion. Genauer gesagt war es sogar nur das Mißtrauens votum 
zom 4. Dez. und die aus ihm gezogenen Folgerungen, was 
zesprochen wurde. Aber wer die aufregenden Erlebnisse der 
»ergangenen Wochen bewegt miterlebt hat, der weik, daß. hier 
illerdings gegenwärtig der Brennpunkt der gesamten inneren 
Politik liegt. Eben deshalb hat man es bei allen Parteien dem 
danzler verdacht, daß er zunächst keine Silbe darüber sprach, 
ondern sich erst vom Führer der Sozialdemokratie provozieren 
ielk. Gluͤdlicherweise fiel diese Provolation ja so ungeschickt 
aus, daß Herr von Bethmann⸗Hollweg noch verhältnismähßig 
rünstig abschneiden konnte. Aber noch wirkungsvoller wäre die 
Beilegung des schweren Konfliktes sicherlich gewesen, wenn der 
zanzler von sich aus gleich am Beginn der Etatsberatung in 
inigen knappen Sützen die Ergebnisse leiner Besprechung mit 
em Kaiser mitgeteilt hätte, die zerstreut und eindruckslos 
n einigen offizissen Zeitungsmeldungen bekannt gegeben worden 
nd. 
Geschehenes läßt sich indessen nicht aͤndern und Unterlas⸗ 
enes“ läßt sich schwer⸗ wieder gut machen. Das hat Herr 
„on Bethmann⸗Hollweg wiederholt im Verlauf der ganzen 
Uffäre erkennen müssen. Es ist ihm auch deutlich aus den 
zklärungen der Parteiführer entgegengetreten. Sie waren 
urchweg keine Vertrauenskundgebungen für den Kanzler. Im 
zegenteil! Die Parteien halten auch nach den Maßnahmen von 
Honaueschingen in ihrer Auffassung fest, daß das mangelnde Ver⸗ 
ändnis für modernes Volksempfinden und die mangelnde Ent⸗ 
hlossenheit gegenüber den militärischen Gesetzesũberschreitungen 
harf zu rügen war, wie das in dem Beschlusse vom. 4. Dez. 
ieses Jahres geschehen ist. Keiner, der im Namen der 293 
Zekunder des Mißfallens gestern und vorgestern sprach, hat auch 
ur einen Versuch der Abschwächung jenes Beschlusses oder gar 
es Bedauerns über ihn laut werden lassen. Nur in der Folge⸗ 
ang, die der Reichstag und der Kanzler aus dieser Mißbilli— 
ungskundgebung zu ziehen habe, herrschte zwischen Spahn 
nd Bassermann und Wiemer einerseits und Scheide⸗ 
nann andererseits begreifliche Meinungsverschiedenheit. 
Was aber die konservativen Wortführer angeht, so haben 
ne natürlich als die mit 54 Stimmen Unterlegenen und Erdrückten 
ach Möglichkeit die Zweckwidrigkeit des Mißtrauensvotums nach⸗ 
uweisen sich bemüht. Aber keineswegs etwa, um den Kanzler 
erauszuhauen! Sie haͤben ihn vielmehr scharf angegriffen, 
zeil er selbit infolge seiner angeblich verfehlten elsaß⸗lo thrin⸗ 
ischen Politik und durch seine Nachgiebigkeit gegen die demoklra⸗ 
schen Machtwunsche der Reichstagsmehrheit bei der Einführung 
er Mißbilligungsanträge in die Geschäftsordnung die peinliche 
age- vom 4. Dezember verschuldet habe. Darüber hinaus hat 
zraf Westarp noch so überschwenglich den Kriegsminister gelobt, 
en Gegensaß zwischen dessen und des Kanzlers Verhalten so 
ifrig herausgearbeitet und unterstrichen, daß die unfreundliche 
zesimung der Konservativen dem ersten Beamten des Reichs 
egenüber nur allzu deutlich in die Erscheinung trat. Nimmt 
nan noch die Anfeindung des lonservativen Führers auf die 
ingeblich ungenügende Verteidigung der kaiserlichen Machtbefug⸗ 
nisse und den lauten Ruf nach Ausnahmegesetzen gegen den 
ozialdemokratischen Staat im Staate hinzu, so wird sonnen⸗ 
lar. wohin die scheinbare Kanzlerverteidigung dielte. 
Deutsches Reich. — 
Ein staatliches Vorkaufsrecht für innere Koloniat on fordert 
in nationalliberaler Antrag im Reichsstag. Er 
autet: Der Reichstag wolle beschliehen: den Oerrn Reichs- 
anzler um Vorlegung eines Gesetzentwurfes zu ersuchen, durch 
den bei Grundstücksveräuherungen ein landesrechtliches Vor⸗ 
raufs⸗ und Einspruchsrecht zu Zwedeen der inneren Kolonisation 
»ergestalt zugelassen wird, dal 1) beide Rechte kurz befristet 
verden und ber Gutsubergabeverträgen zwischen Verwandten 
wruf- und absteigender Linie nicht Platz greifen, 2) das Vorkaufs⸗ 
echt dem Staate zusteht, seine Ausübung aber von ihm anderen 
ffentlich⸗rechtlichen Verbänden und gemeimnützigen Organisa⸗ 
ionen Abertragen werden kann, 3) bei der Ausũubung des 
Rinspruchsrechts der Staat verpflichtet ist, auf Verlangen des 
eräufserers in das Veräußerungsgeschäft einzutreten und der 
zeräuserer berechtigt ist, von dem Veräußerungsgeschäft zurüd⸗ 
utreten und die Erstattung der ihm bereits entstandenen Kosten 
»om Staate zu verlangen. 
Das Konkurrenzklauselgesez Heute tritt die 12. Kommission 
ur zweiten Lesung des Regierungsentwurfs zusammen. Vor⸗ 
ussichtlich wird sie nur Kenntnis von der Tatsache nehmen, 
ah am Montag in einer Sitzung des Unterausschusses für 
Zrivatbeamte der Gesellschaft für Sozialreform alle namhaften 
zandlungsgehilfenorganisationen durch ihre Führer eine Er⸗ 
lärung zugunsten des zweiten Regierungsent⸗ 
purfs abgegeben haben, für den Fall, dan in 8 74 die Ent⸗ 
chãdigung von 3 auf erhöht und der 8 75 0 gestrichen wird. 
Ddann wird die Weiterberatung angesichts des Beginns der 
Weihnachtsferien bis nach Neujahr vertagt werden müssen. 
Eine Verurteilung in Zabern. Seinerzeit verschwand plötz- 
ich der Bursche des Obersten von Reuter, Ficht. 
die Bürgerzeitung teilt nunmehr mit, daß Ficht in Zabern abge⸗ 
rteilt wurde. Er hatte sich in einem Zaberner Geschäft über 
»en Fall Forstner ausgelassen. Ficht wurde zu fünf Wochen 
Arrest verurteilt, wovon zwei Wochen für die verbüßte Unter⸗ 
uchungshaft in Abzug gebracht wurden. 
Der zweite Vizepraͤsident des Reichstages und Syndikus 
»er Berliner Handelskammer, Geheimer Justizrat Heinrich Dove, 
rollendet heute sein 60. Lebensjahr. Dove, der Sohn des 
erühmten Berliner Phnysikers, hat an den Universitäten Berlin, 
ßhöttingen und Heidelberg studiert, begann dann die ijuristische 
daufbahn und war 14 Jahre lang Landrichter und Landgerichts⸗ 
at in Frankfurt a. M. 1888 siedelte er nach Berlin über als 
5yndikus der Aeltesten der Kaufmannschaft. 1902 wurde er 
Syndikus der Handelskammer, trat in die Stadtverordneten⸗ 
Jersammlung ein und kam im folgenden Jahre als Mitglied 
er Fortschrittlichen Volkspartei in den Reichstag, dessen zweiter 
Hizepräsident er jetzt ist. Seine wissenschaftliche Arbeit bewegte 
ich hauptsächlich auf dem Gebiet des Handelsrechts. So hat er 
»as Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich erläutert, mit 
dohler, Meyer und Trumpler die Handelsgesetzgebung des Erd⸗ 
alls bearbeitet, die vertragsmäßige Fortbildung des inter— 
zationalen Privatrechts durch die Haager Konvention 1909 be 
zandelt und im gleichen Jahre mit Rehm und anderen einen 
Kommentar zum Börsengesetz geschrieben 
Irrlichter des Glücks. 
Ein Gesellschaftsroman von der Riviera. 
Von Erich Friesen. 
(38. Forisetzung.) Machdrudk verboten.) 
„Sie wundern sich, daß ich Sie hier in diesem berüdenden 
Zauberichloß oder in dieser internalionalen Räuberhöhle — nennen 
Sie es, wie Sie es wollen — aufsuche,“ beginnt er gleichmütig, 
ndem ser ihr die Zigarettenschachtel reicht und, da sie nervös 
iblehnt, sich selbst eine Zigarette anbrennt. „Darum zur Sache! 
Ohne lange Vorrede: Ich kenne das Geheimnis Ihrer Tochter, das 
ie vor der Welt und besonders vor ihrem Gatten zu verbergen 
ucht!“ 
Madame Lolo erbleicht. Doch hält sie das stereotype 
dächeln, das ihre Unruhe verbergen soll, noch fest. 
Wie meinen Sie? Ich verstehe Sie nicht, Durchlaucht!“ 
„Doch! Sie verstehen mich ganz genau,“ erwidert er mit 
tivolem Lachen. „Sie wissen, die Welt ist im Grunde genommen 
zur ein großes Dorf, in dem man immer wieder mit seinen allen 
Freunden zusammentrifft, und in dem kein Geheimnis fsicher 
st. Und da ich nun doch schon einmal die Hauptsache weiß, 
o mböchte KReovon Ihnen ein paar Einzelheiten erfahren.“ 
Jetzt fällt gleich einer Maske das gemachte Lächeln von 
hrem noch immer schönen, aber verlebten Gesicht ab. In 
einem Anflug von Trotz wirft sie den Kopf mit den vielen ge— 
rannten und toupierten Löckchen hintenüber, so daß die zinnober⸗ 
arbenen Riesenpleureusen verwundert nach allen Seiten hin nicken. 
„Was fällt Ihnen ein. Monsieur?“ 
Er lächelt — diesmal wieder liebenswürdig überlegen. Doch 
Alitzt es dabei in seinen tiefliegenden Augen gefahrdrohend auf. 
„Umhulllen Sie sich nicht mit der Toga des Stolzes oder 
Mar der Mutterliebe! Sie steht Ihnen schlecht, Madame Lolo!“ 
pöttelt er. „Sie wissen, Sie sind in meiner Macht. All die 
Beträge, die großen wie die kleinen, die ich Ihren zarten 
dänden anvertraute, sind forgsam gebucht und bilden zusammen 
ine ansehnliche Summe. Wenn ich davon Gebrauch mache — 
ielleicht bei dem Marquis d'Esterre —“ 
Madame Lolos Kopf sinkt quf die Brust herab. Ihre 
züge nehmen einen hilflos ängstuchen Ausdrudk an. 
„Dazu wird es nicht kommen —“ stammelt sie — „sicher 
icht. Wir verden uns einigen —“ 
„Das denke ich auch,““ erwidert er sarkastisch. „Wollen Sie 
mir kurz meine Fragen beantworten?“ 
Wi'lenlos nickt sie. Und er beginnt: 
„Wer ist es, dem vor Jahren Ihre Tochter ihr Herz 
chenkte?“ 
Sie schweigt. 
Sie wollen seinen Namen nicht nennen? Nun gut! Daun 
ur zweiten Frage! Ist er tot, der — große Unbekannte?“ 
Entrüstet fährt Madame Lolo auf. *7 
Wie hätte meine Tochter sich sonst zum zweitenmal ver⸗ 
eiraten löͤnnen?“ J 
„Richtig!“ hächelt er und fügt, direkt auf sein Ziel lossteuernd, 
rutak binzu: „Was ist aus dem Kinde geworden, das jener 
zerbindung entsprang?“ 
Madame Lolo zuckt zusammen. Krampfhaft schlingen sich 
hre Hände ineinander. 
„Ich habe mich — des Kindes — angenommen.“ murnrelt sie 
assungslos. 
„Sie — ?“ macht der Fürst erstaunt, im stillen triumphierend, 
aß seine List gelang. „Wirklich?... Und wo verbergen 
zie das Kind? ... Es ist ein Mädchen, wie ich hörte —“ 
Madame Lolo blickt voll Entsetzen auf den unerbittlichen Men 
chen, der da mit verschränkten Armen vor ihr steht — ein 
zild grausamer Härte. Und sie kommt sich vor wie eine kleine 
liege, um die eine große Spinne das Netz immer dichter webt, 
is sie sie ganz umsponnen hat, um ihr dann das Herzblut 
ropfenweise auszusaugen. J 
Wenn sie den Aufenthalt des Kindes wühte — sie würde ihn 
hrem Peiniger preisgeben und ihre Tochter verraten. Ganz 
ewißz! Aber da sie selbst in Unkenntnis darüber ist, versucht 
je sich in einer neuen Rolle: derienigen der liebenden, sorg⸗ 
ichen Mutter. 
„Wenn Sie bereits so viel wissen, wird es Ihnen nicht 
hwer sein, auch dies herauszubekommen, Durchlaucht,“ er⸗ 
bidert sie mit Würde. „Sie begreifen, daß ich mein eigen 
tleisch und Blut nicht verraten will!“ 
Mit sarkastischem Lächeln lüflet et den Hut. 
„Genug für heute, Madame! Vielleicht sind Sie morgen 
inderer Meinung. Ich werde inzwischen eine Bilanz der Summen 
iehen, die Sie mir schulden. Erwarten Sie mich morgen 
egen Mittag in Ihrem Hotel, damit wir miteinander ins reine 
mmen!“*“ 
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Und ohne noch einen Blid auf die völlig verstörte lIeine 
Dame zu werfen, entfernt er sich in nonchalanter Haltung. 
Mabame Lolo hat sich während ihres bewegten Lebens 
n manch verzwichter Lage befunden. Aber sie entfinnt sich nicht, 
e einer unangenehmeren Situation gegenüber gestanden zu haben, 
ils in diesem Augenblick. Gewissermaßen ein „weiblicher Lebe⸗ 
nanm“, empfindet sie neben der Sucht nach Vergnügungen und 
gefriedigung ihrer Eitelkeit auch ab und zu etwas wie „höhere 
degungen“. Auch war sie zuerst keine professionelle Shulden⸗ 
nacherin. Denn als „Stern am Operettenhimmel“ regneten ihr 
ie Anerbietungen der Lieferanten und Geldleute nur so ins 
haus. Und da sie den Wert des Geldes absolut nicht kannte, 
errannen ihre hohen Gagen wie Tropfen auf einem heißen 
Sctein. Sie machte Schulden und griff, zur Tilgung derselben, 
um Glücksspiel. Alles weitere ergab sich dann von selbst. 
Niemals kam dieser leichtlebigen Natur etwas n Reue 
»der Gewissensbisse. Alles arrangierte sich ja stets wieder aufs 
beste! Wie — das war ihr freilich gleichgültig. 
Heute aber weiß sie zum erstenmal wirklich nicht, wo aus noch 
in. All ihre Diplomatie laßt sie im Stich. — 
Mit dem Taschentuch dem crhitzten Gesicht Kühlung zu⸗ 
Achelnd, läßt sie sich auf eine der eleganten Bänke fallen, die 
»en Kasinopark in verschwenderischer Fülle zieren. 
Ein wildes Chaos schwirrt in ihrem Kopf herum. Kein 
larer Gedanke. Kein Wille zur Tat. Nicht einmal der Versuch, 
ich aufzuraffen. Alles wüst. Alles dunkel. 2*4 
Und wie derartige schwache Naturen gewöhnlich von einem 
ketrem ins andere fallen, erscheint es ihr plötzlich anz un⸗ 
ndglich, sich aus diesem Dilemma herauszufinden. Sie schläat 
zie Hände vors Gesicht und weint wie ein lleines Kind. 
In dieser feltsamen Situation trifft sie der junge Conte 
Marco Bertinetti, der heute ausnahmsweise Glüd beim Roulette 
atte und mit seinen gewonnenen fechstausend Francs in der 
Tasche woblagemut die Spielsäle verließ, um nach Nizza zurüdk⸗ 
ufabren. 
„Graf Marco ist kein schlechter Mensch. Nur leichlsinnig. 
Bodenlos leichtsinnig. Und als er plötzlich der in völlig 
ilflosen Schmerz verfunkenen Frau gegenübersteht, erwacht seir 
Mitleiden 
(Fortsehung folqt.
	        
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