u der wir Herrn v. Belhmann-Hollweg und Sit Edward Grey
herzlich gratulieren, ist um so befriedigender, als sie nicht nur
eine Lösung von Schwierigkeiten darbietet, sondern auch das
Ergebnis einer bei weitem günstigen Atmosphäre gegenseitigen
Vertrauens ist. Ohne solches Vertrauen müssen alle diplomati—
chen Geschäfte einen ephemeren und sterilen Charakter haben.
Die Herstellung dieke erfreulichen Beziehungen ist das Haupt⸗
element in der neuen Entente, die nicht nur die reibungslose
Wirlsamkeit des neuen Abkommens garantiert, sondern auch
die automatische Lösung der anderen, tiefer greifenden Rivali—
tät, die die Diplomaten im Gegensatz zu einem gewissen, viel⸗
geschäftigan Seelord weise unberührt gelassen haben.“
Die Daily News schreiben: „Die gestrige Erklärung
des Reichskanzlers über die deutschenglischen Beziehungen ist
eine wilslkommene Anerkennung der Veränderung. die in so
urzer Zeit über die europäische Politik gekommen ist. Es be—
leht Grund zur Hoffnung. daß sie nicht nur vorübergehend
st. Die Bestrebungen des Reichskanzlers werden von der großen
Masse der öffentlichen Meinung auf beiden Seiten der Nordsee
serzlich unkterstützt werden.“
Franzõ fische Preßstimmen.
W. Paris, 10. Dez. Die Morgenblätter beschäftigen sich
ait den gestrigen Erklärungen des Reichskanzlers zur
ruswärtigen Politik. Der Petit Parisien hebt den
kfriedlichen Charakter der Rede hervor. Das Echo de
Baris schreibt: „Die korrekten und festen Erklärungen des
Reichskanzlers enthalten für Frankreich eine doppelte Lehre: Zu—
ächst bietet die Rede des Reichskanzlers nach der durch die
Zaberner Zwischenfälle hervorgerufenen Krise den Beweis für
zie Festigkeit der deutschen Regierung und die Kontinuität
hrer Politik. Die zweite Lektion für uns ist die Art und
Weise, wie der Reichskanzler über die deutsch-englischen
Bbeziehungen gesprochen hat. Müssen wir nicht einsehen,
Jaß eine englisch-deutsche Anndherung, so wenig dauerhaft sie
uuch sein möge, von uns militärische und diplomatische An—⸗
trengungen erheischt? Halten wir uns die Entschiedenheit des
teichskanzlers vor Augen, die zu der Zerfahrenheit unseres par⸗
amentarischen Lebens in grellem Gegensatz steht.“
Der Excelsior schreibt: „Die Worte des Reichskanzlers
verden im Auslande gewiß eine günstige Aufnahme finden; denn
diese Erklärung trägt das Gepräge eines friedfertigen
Freimutes, der den besten Eindrud hervorruft. Wenn
zer Reichskanzler bezüglich der Frage der deutschen Militär⸗
mifsion auch nicht die begreifliche Neugierde des Publikums
hefriedigt hat, so hat er doch zum mindesten wiederholt von
den deutsch-französischen Beziehungen in Ausdrücken gesprochen,
ie, um seine eigenen Worte zu gebrauchen, von erfreulicher
Korrettheit erfüllt sind“
Beförderungen in der Marine.
V. Berlin, 10. Nov. Der Konteradmiral Trummloör
ommandiert zur Dienstleistung bei der Inspektion der Küsten—
rtillerie und des Minenwesens ist zum Inspekteur dieser In—
pektion und gleichzeitig zum Kommandanmten der Befestiaungen
ꝛer Elbemündung ernannt.
W. Berlin, 10. Dez. Es sind befördert zum Vizeadmiral
er Konteradmiral Scheel, beauftragt mit der Führung des
weiten Geschwaders unter Ernennung zum Chef dieses Ge—
chwaders, zum Konteradmiral der Kapitän zur See Maaß
Lebrecht). beauftragt mit der Wahrnehmung der Geschäfte des
dritten Admirals der Aufklärungsschiffe unter Ernennung zum
»ritten Admiral der Aufklärungsfschiffe. Auf sein Gesuch ist
mit der gesetzlichen Pension zur Disposition gestellt der Vize⸗
idmiral Schack, Infpekteur der Küstenartillerie und des Minen—
pesens, zualeich Kommandant der Befestigungen von Cuxhaven.
Graf Max JIrenfing *.
BZ. München, 10. Dez. Heute vormittag ist auf seinem
-zchlosse Moos in Niederbayern der bekaunte bayerische Reichs—
rat Graf Maximikian v. Preysing gestorben. Preysing ge—
hörte, obwohl er selbst Mitglied der Zentrumspartei
var, zu den offenen Frondeuren gegen die augenblich
iche Politit des Zentrums. Auch in der bayerischen Königs⸗
rage führte Graf Preysing den kleinen Flügel an, der ent⸗
zegen dem Antrag der Zentrumspartei sich gegen eine Ab⸗
inderung der Verfassung in scharfen Worten aussprach. Graf
Max v. Preysing war vor kurzer Zeit plötzlich an einem schwe⸗
ren Herzleiden erkrankt und hat nur ein Alter von 34 Jahren
erreicht. Seit 1905 war er mit Ernestina Freiin von Fran—
kensdorf verheiratet. Er hinterläkt feine Kinder.
Der Nobel-Friedenspreis.
Christiania, 10. Dez. Das Nobellomitee hat heute den
sobel Frie denspreis zur Verteilung gebracht. Da im vergan⸗
enen Jahre niemand des Preises für würdig befunden wurde,
burden diesmal zwei Preise verteilt, und zwar an den ame—
itanischen Senator und früheren Unterstaatssekretär Root
ind au den belgischen Senator und Präsidenten des in ternatio⸗
ijalen permanenten Friedensbureaus Henri Lefontaine.
Die deutsche Militärmission für Sonntaa in Konstantinovel
ermartet.
PC. London, 10. Dez. Die Times melden aus Kon⸗
tantinopel, daß man den General Liman von Sanders mit 5
ider 6 deutschen Offizieren der Militärmission für Sonntag
n Konstantinopel erwartet. Die Unzufriedenheit, welche die
ckrnennung des Generals von Sanders zum Kommandanten des
.Armeekorps in Frankreich und Rußland hervorgerufen hat,
iberrascht die türkischen Politiker auf das äußerste. In offi⸗
ellen Kreisen erklärt man fortgesetzt, daß man die Bedeutung
der ganzen Angelegenheit sehr übertreiht.
Zenaior Humbert für neue Armeeforderungen in Frankreich.
PC. Paris, 10. Dez. Der Senator Bumbert beschäftigt
ich heute in einem Artikel mit den zukünftigen Aufgaben des
Kriegsministers und erklärt, daß 1200 Millionen zur Wieder⸗
zerstellung des Gleichgewichts zwischen der Deutschen und fran⸗
zfischen Armee notwendig sind außer den 700 Millionen, die
die erste Anwendung der dreijährigen Dienstzeit erfordern. Hum⸗
zert fordert den Kriegsminister auf, diese Summe vom Par—⸗
ament au verlangen: die Bewilliqung unterläge deinem Zmeifel.
Die bulgarischen Wahlen.
Sofia, 10. Dez. Durch die weiter belannt gewordenen
krgebnisse ist selbst eine einfache Mehrheit der Regierungs-
artei fraglich geworden, zumal da an den noch ausstehenden
krgebnissen auch die Agrarier und Sozialdemokraten beteiligt
ein werden, die schon jetzt gegen 80 Sitze erobert haben. Da⸗
urch wird ein Komyromihß der Regierung mit den Demokraten
Agrariern sowien die Umbildung des Kabinetts wahr—
Roinli
W. Berlin, 10. Dez. Die Wahlprüfungskommission des
Reichstages beschäftigte sih mit der Prüfung der Wahl des
Abga. don Liebert (Reichspartei), Sachsen 14, Borna, und
heschloß. die Wahl für ungültig au erklären.
W. Berlin 10. Dez. Der Gouverneur von Ka⸗
nerung Dr. Ebermaier, ist auf seinem Heimaturlaub in Berlin
inggn of Zumern 10. Dez. Bei der E fatzwahl Haus⸗
W. .10. Dez. Bei der Ersatzwa m Hause
der Abgeordneten im Wahlkreise Koblenz n der
ßHutsbesitzer Karl Andres-Kreuznach (natlib.) mit allen
don 260 Stimmen gewählt worden.
e
*
W. Cuxhaven, 10. Dez. Der deutsche D—
Elisabeth Riamers“treiblinder 82igo 2 —DS
ahnt drei Schraubenflügel verloren. Schlepphampfer sind uut
Mihene seewärts gegangen.
. Cuxhaven, 10. Dez. Der Dampfer „Elifab i
ners treibt westsüdwest von Helgoland. — —— —6*
and“ und „Enak“ halten sich in der Nühe des Schiffes auf
Deutscher Reichstag.
8 7—
Sitzung vom 10. Dezember 1913.
. Präfident Dr. Kaempf eröffnet die Sitzung nach
1214 Uhr.
AMuf der Tagesordnung steht zunächst F
der Bericht der Wahlprüfungskommissiou
ber die Frage, ob die in die Wählerliste eingetragenen
Lähler bei einer Nachwahl zur Ausübung des Wahlrechtes
uch dann berechtigt sind, wenn sie ihren Wohnsitz inzwischen
erlegt haben. Die Kommission hat diese Frage bejaht und
chlägt vor, diesen Beschluß dem Reichskanzier zur Kenntnis-
ahme mitzuteilen.
Absg. Dr. Arendt (Reichspt.): Hier handelt es sich um
ine Interpretation eines bestehenden Gesetzes, dessen Sinn
eändert werden soll. Prinzipiell mag man zugeben, daß es
ine Härte ist, zwischen Haupt- und Nachwahl fortgezogenen
vahlern nicht das Wahlrecht in dem betreffenden Kreise zu
eben. Diese prinzipiellen Bedenken dürfen aber nicht zu
iner Anderung einer gesetzlichen Vorschrift führen. Ich
eantrage, diesen Bericht zu einer gründlichen Durchbe⸗
atung einer Kommission von 14 Mitgliedern zu uͤberweisen.
Abg. Dr. v. Veit (Kons.): Die Minderheit in der Kom·
nission hat sich auf den sundamentalen Grundsatz des Ge⸗“
etzes gestellt, daß jemand, der zur Zeit der Wahl, das heißt
n dem Augenblick, wo er seine Stimme abzugeben hat,
einen festen Wohnsitz hat, nicht zur Wahl zugelassen werden
arf. Diesen Grundsatz will die Kommissionsmehrheit um⸗
toßen. Einer Kommissionsberatung stimmen wir zu.
Direktor im Reichssamt des Innern Dr. Lewald: Da es
ich im vorliegenden Falle nicht um eine einzelne Wahl⸗
rüfung, sondern um die Ausführung eines Ge
etzes handelt, hat auch ein Kommissar des Reichskanzlers
in den Verhandlungen der Kommission teilgenommen. Die
Ansicht der Verbündeten Regierungen ist, daß die Frage, ob
ie in die Waͤhlerliste eingetragenen Wähler bei einer inner⸗
jalb Jahresfrist nach der letzten allgemeinen Wahl statt⸗
findenden Ersatzwahl zur Ausübung des Wahlrechtes auch
dann berechtigt sind, wenn sie inzwischen ihren Wohnsitz aus
dem betreffenden Wahlkreis verlegt haben, zu verneinen ist.
Dieser Ansicht ist der Reichskanzler heute noch
Abg. Dr. Paasche Matl.): Zwischen der Etatsberatung
ist eigentlich keine Zeit für die Besprechung derartiger
Fragen, zumal die hier angeschnittene Frage in den nächsten
drei Jahren keine praktische Bedeutung hat. Es handelt sich
um Klärung einer grundsätzlichen Frage, und die geschieht
enan der Kommission als im Plenum zwischen Tür und
Ange
Damit schloß die Debatte. — — —
Die Uberweisung an eine Kommission von 14 Mitgliedern
vurde aboelehnt und der An irag der Kommtision
tngenommen. —
die erste Beratung einer Internationalen Übereinkunft
betr. Maßregeln gegen Pest, Cholera und Gelbfieber
vurde ohne Debatte in erster Lesung erledigt und in der so—
ort vorgenommenen zweiten Lesfung angenom—
nen. a
Es fsolgte die erste Beratung des Initiativgesetzes
zafsermann betr. Bewilligung von 50 000 Mark als
erste Rate für 4
Beteiligung an der Weltausstellung in San Francisco.
*Abg. Dr. Arendt (Reichspt.) Die Weltausstellungen
aben sich überlebt, sie sind zu Jahrmärkten und Rummel-
lätzen geworden, den
Fachausstellungen gehört die Zukunft.
die hauptsächlich in Frage kommenden deutschen Industrie⸗
weige, so die Großindustrie und die chemische, haben eine
zeteiligung in San Francisco abgelehnt. — 757
Geheimrat Goldberger
in hervorragender Kenner des Ausstellungwesens und auch
smerikas hat sich gegen die deutsche Beteiligung ausge-
prochen. Außerdem droht uns die Gefahr des mangelhaften
merikanischen Urheberschutzgesetzes. Ich bitte um Ab⸗
ehnung des Gesetzes.
Ohne weitere Debatte wurde darauf der Nachtragsetat
iuf Antrag des Abg. Bassermann an die Budgetkommission
erwiesen.
Darauf setzte das Haus die 4
heneraldiskussion des Reichshaushaltseiats für 1914 fort.
Abg. Graf v. Westarv (Kons.): Ohne den wirtschaftlichen
lufschwung, den Deutschland genommen hat, hätten sich die
xinanzen nicht so entwickeln können. Ohne die durchgreifende
finanzreform von 19809 wäre aber nicht ein derartiges Re—
ultat erzielt worden. Wir haben eine Reihe von überschuß⸗
ahren hinter uns; das ermöglichte die Durchführung großer,
Maßnahmen, besonders auf militärischem Gebiete und für
ie Veteranenbeihilfe. Die beiden großen Krisen. —
Marokko- und Balkan⸗Krise,
ätte in ihren wirtschaftlichen und politischen Folgen das
deutsche Reich nicht so überstehen können, wenn es nicht ge-
unde Finanzen gehabt hätte. In dem vorliegenden Etat
pielen die beiden Faktoren die Hauptrolle: der enorme Be⸗
arffürdie Wehrvorlage und die Besitzsteuer.
die Reichswertzuwachssteuer ist nur ein erster Schritt auf
„em Wege zur direkten Reichssteuer, dessen Endziel wir auf
as allerentschiedenste bekämpfen. Die als Wehrbeitrag
rhobenen Beträge dürfen nicht für andere Zwecke verwendet
erden, insbesondere dürfen auf Grund etwaiger Über⸗
hüsse nicht neue Rüstungsforderungen erhoben werden.
Nun zur Politik: Wir können uns freuen, daß während
er vergangenen Balkanwirren der Friede unter den
zroßmächten erhalten worden ist. Unsere Aufgabe bestand
arin, die Bundesverträge zu halten und eine Bedrohung
mnserer Bundesgenossen hintanzuhalten.
Österreich Ungarn hat an keine Eroberungspolitik
edacht. Ein selbständiges Albanien war auch unser Wunsch.
Zer Dreibund hat seine Festigkeit bewiesen und ist dadurch
u einem starken Instrument des Friedens geworden. Wir
pünschen, daß die Türkei ihre Selbständigkeit, besonders in
Isien, behält. Es ist zu begrüßen, daß in unserer der Türkei
jegenüber eingeschlagenen Politik
Rußland mit uns übereinstimmt.
luch für die Verhandlungen mit England und Frankreich
iber unsere wirtschaftlichen Interessen im Orient haben wir
olles Verständnis. Wenn wir auch mit den Vereinigten
Staaten im friedlichen Verkehr stehen, so braucht dies für
ins doch kein Anlaß zu sein, uns an der Welt-Ausstellung
n San Francisco zu beteiligen. Was die
innerpolitischen Verhältnisse
inbelanat, so ist es nicht richtia, daß das ganze Volk hinter
dem Votum des Reichstages in der Zaberner Ange—
egenheit steht. Sehr gut!) Sehr weite und wert⸗
holle Volkskreise sind unserer Ansicht. (Sehr richtig! rechts.)
Das Militär, das in Zabern beleidigt wurde, war nicht nur
zerechtigt, sondern ernstlich verpflichtet, einzuschreiten. Wir
vissen dein Kriegsminister Dank, daß er diesen Standpunkt
eilt. (Lebhafter Beifall rechts. Lärm und Pfuirufe bei den
Sozialdemokraten. Vigepräsident Dr. Paasche: Puirufe
ind nicht in der Ordnung. Wenn ich wüßte, wer sie getan
hat, würde ich die Betreffenden zur Ordnung rufen.) In Be⸗
zug auf die Verlegung des Militärs von Zabern legen wir
uns vollste Zurückhaltung auf, denn es handelt sich um Maß—
rahmen des Oberbefehls. Kritisieren müssen wir aber das
dethalten der Zivilberwaltung. Das Telegramm des Staats-
ekretãrs Freiherrn Zorn von Bulach an den Lokalanzeiger.
ind noch inehr seine Besprechung mit dem Berichterstatter
der Morgenpost waren nicht gin Platze. Ernste vaterländische
dreise befürchten, daß der bisherige Weg nicht dazu führt,
zUsaß⸗Lothringen dem deutschen Vaterlande anzugliedern.
durch die Verhandlungen in der vorigen Woche hat nur das
Ansehen des Reichstages gelitten. (Lebhaftes sehr richtig!
echts, Zurufe bei den Soz.) Der Beschluß des Reichstags
at staatsrechtlich keine Bedeutung. Der Bundesrat kann
anicht zu ihm Stellung nehmen. Mit unserem Antrage
ruf Schutz der Arbeitswilligen treiben wir
Mittelstandspolitik.
EStaatsfekretar des Reichsschatzamts Kühn: Graf Westarp
bestreitet uns das Recht, fortlaufende Ausgaben aus dem
Wehrbeitrag zu decken. Es ist schon früher wiederholt her⸗
borgehoben worden, daß eine an sich fortlaufende Ausgabe
den Charakter als solche verliert, wenn ihre Tilgung in den
nächsten Jahren vorgesehen ist. Insofern wären wir be⸗
rechtigt, solche fortlaufenden Ausgaben als einmalige anzu⸗
sehen. Wehrbeitrag und Vermögenszuwachssteuer hängen
eng mit einander zusammen. Der Wehrbeitrag hat
8 Funktionen zu erfüllen, er soll die
ittelfür die einmaligen Ausgabengeben,
dannaberauchdieersteKateder Besitzsteuer
bilden. Wir sind also materiell berechtigt, solche Aus-
gaben daraus zu decken. Der Wehrbeitrag soll keine dauernde
Einrichtuna werden. —
Abg. Dr. Wiemer (Fotscht. Vpt.): Da die Sozialdemo⸗
kratie dem Reichskanzler die Fähigkeit zum Weiterarbeiten
abfpricht, můßle sie ihrerseits die Mitarbeit einstellen. Der
Reiceaitzier bemuhte sich mit überflüssiger Schärfe die Be—
heutung des Botums herabzusetzen. Die Wirkung kann
uf die Dauer nicht unterbleiben. Wir bezwecken damit
eine Stärkung des parlamentarischen Regimes. (Aha!
rechts. Ddurch die Verlegung des Zaberner Regiments ist
die Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen worden. Mit der
Regelung der braunschweigischen Frage sind wir durchaus ein⸗
berflanden. Da sich die Hoffnung nicht erfüllte, Mecklen⸗
zurg durch eigenen Beschluß eine Verfassung zu geben, mußz
der Bundesrat die Hand dazu bieten und auf dem Weg der
Reichsgesetzgebung endlich die Verfassungsreform dort durch-⸗
fͤhren Eine internatisnale Verständigung über die Ein—
scchrünkung der Rüstungen muß herbeigeführt werden.
Kriegsminister von Falkenhann: Daß die Zufpitzung der
Verhaltmfse dem Umstand zuzuschreiben seien, daß der be—
reffende Offizier nicht schnell genug aus der Garnison ent;
lernt worden ist und mit seiner Bestrafung Geheimniskrämerei
eeen worden sei, ist, unrichtig. Der Fommandeur zog den
ffizier gleich zur Rechenschaft und leitete gleichzeitig eine
dernehmung der Rekruten ein. Vor deren Abschluß setzte
die Straßenverfolgung und, die Preßkampagne mit neuen
Unschuidigungen gegen die Offiziere ein. Dem Disziplinar-
vorgefeßten mußß die Befugnis gegeben werden, sie zur Aus⸗
bung der Dißziplinargewalt zu gebrauchen. Wenn eine
nisitarische Maßregel wie die, Verlegung des Regiments
notwendig ist, um Ruhe und Frieden zu stisten, kann man lich
uicht bedenken, ob jemand geschädigt wird.
Abg. von Morawsti (Pole): Die Klagen in Elfaß
2othringen, sind sicherlich berechtigt. Bei uns ist es ähnlich.
a noch fchlimmer. Das gegen uns angewendete System ist
mmoralisch.
Vräfident Dr. Kämpf erteilt dem Abgeordneten einen
ODrdnunosxuj.
bg, Fretherr v. Gamb (Rot.) Wir begrüßen befriedigt
die geseßliche Aufbesserung der Altpensionäre. Wir freuen
ins, daß die Ostmarkenzuldge wieder in den Etat eingestellt
dorden ist. Wir perlangen Schutz der Arbeitswilligen im
Interesse der Arbeiter. Gurufe bei den Soz.) Wenn der
Staat die Arbeitswilligen nicht schützt, protlamieren Sie
i den Soz. selbst die Notwehr. (Eürm bei den Soz. Zurufe,
Der Präsident ruft den Ahgenrdneten Körsten Soz.) zur
OAdnung.
Abg. Freiherr von Gamp (fortfährend): In bezug auf die
wuswartige, Politik hat unsere Diplomatie sehr gut abge—
schnitten. Der Redner bespricht darauf den Fall Zabern.
Reichskanzler von Bethmann⸗Hollweg: Der Mißbrauch
ind der Schutz des Koalitionsrechtes hat uns schon früher
eschäftigt. Gegen Auswüchse Jann nicht durch Uusnahme⸗
esetze eingeschritften werden. Gravo.) Das Koalitions⸗
besen kann nicht eingeschränkt werden, es ist bedingt durch
die Entwidlung der Zinge und notwendig für Arbeitnehmer
und Arbeitgeber. Auswüchsen müssen wir entgegentreten
ind zwar guf zivilrechtlichem Wege. Die Haftung der Koa⸗
siitionen für ihre Mitglieder muß ausgesprochen werden.
Im eerene mit dieser Frage steht die der Rechts-—
chigteit der Berufsvereine, deren Löfung schon vor, drei
Jahren versucht worden ist. Es hat sich gezeigt, daß die
Frage zur Lösung noch nicht Teif ist. Die damalige Kom—
zission war der Änsicht, daß das Selbstbestimmungsrecht des
zndividuums mit dem revidierten Strafgesetz schärfer ge—⸗
chutzt werden müsse, als bisher. Die Kommission hat da⸗
nals entsprechende Varagraphen in ihren Entwurf aufgenom⸗
nen. Wenn die tatsachliche Entwidlung zeigt, daßz der Schus
er Freiheit des Individuums jetzt in anderen Formen und
uuch von den Koalitionen selbst ausgeübt wird. so muß die
hesetzgebung dieser tatsächlichen Entwicklung Rechnung tra⸗
en. Wan täuscht sich aber, wenn man dieser Revision des
Strafgesetzbuches eine gar zu grotze Wirkung zuschreibt. Die
xrfahrungen haben gezeigt, wenn jetzt der Terrorismus nicht
iberall und nicht genügend gefaßt wird, so liegt das häufig
in dem Fehlen von Zeugen. Als wichtigster Punkt 4
inzu, gerade die empfindlichsten Formen des wirtschaftlichen
ind gesellschaftlichen Boykotts und der Boykott auf der Ar⸗
»eitsstätte drüden sich weniger in Angriffen aus, als in
Interlassungen. Die großen, Schäden, die wir tatsächlich
aben, können mit dem revidierten Strafgesetbuch nicht ge⸗
eilt werden. Im Gegenteil, die Formen des Terrorismus,
ie wir strafrechtlich nicht fassen können, werden zunehmen.
Birksame Hilfe wird nur dann geschaffen werden, wenn das
Holksempfinden den Terrorismus von sich abweist. Ohne
iefe Hilfe nützen auch neue Paragrgyhen, nicht. Ih bin
er Ansicht, daß das Volksempfinden sich bei der Ueberspan⸗
mng des Koalitionsgedankens immer eneraifcher gegen den
Boylott auflehnt. Die Regierung ist sich der Verantwortung,
ie sie gegenüber den tatlfächlichen Erscheinungen ‚und den
Stimmungen im Volke hat, voll bewußt. In dieser, unser
Bolksleben so fief berührenden Frage, hat die Regierung
ine führende Rofle zu, spielen und dem Reichstage Aktionen
vorzuschlagen, sobald sie glaubt, daß die Vorbedingungen
nierfür gegeben sind. Die Erfahrungen in dieser Frage
hier und in anderen Ländern werden jetzt zusammengestelst
ind in nicht zu ferner Zeit wird dem, Rachstage diese Arbeit
»orgelegt werden. Sie wird wertvolle Fingerzeige geben für
ie Handkabung der beitehenden Gesetze. dazu aber auch
nird sie die Grundloagen ffrr die mobara Measßnudlifug dieser
ichtigen Frage schaffen.
Was, die braunschweigische Frage betrifit, so hat der
Ibꝗq. BRassermann dem NRundesrat einen Uprfall vorgeworfen.
Dieser Vorwurf ist in keiner Moeise berechtiat. Es wird über—
ehen, daß der Bundesratsbeaschluß von 1907 so wenig ein
Definitwum hat schaffen wossen, wie der pon 18835. Beide
vollten nur ein Provisorium schaffen. Wie niemand be⸗