Full text: Lübeckische Anzeigen 1913 (1913)

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Wöoͤchentlich 13mal ( Wochentags morgens und 
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Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familienfreund. 
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lubed 163. Jahrgang Nachrichten für das herzogtum Lauenburg, die 
heiblatt: Gesetz⸗ und Verordnungsblatt Bꝛe ecedee Zürstentümer Ratzeburg, Lübecl und das angren⸗ 
0000 e —383 —EVE XX mecklenburgische und holsteinische Gebiet. 
Drud und Verlag: Gebrüder Borchers G. m. b. S. m Lubed. —BGelcaftsstelle AdreaAs (Ksonigstr. 46). Fernsprecher 9000 u. 9001. 
Mittwoch, den 10. Dezember 1915. Abend⸗Blatt Ur. 625. 
Aus qab⸗ 
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⸗eiten. 
ssdRMιιNαXιιι αασᷓᷓᷓσααααααααα.: ÛuιαιÛαRä Xuuαιαα:. 
Kanzler und Reichstag. 
Von unserem r⸗Mitarbeiter im Parlament.) 
Die gestrige Etatsrede des Sozialdemolraten Scheidemann 
ind die AÄbwehrantwort, die der Reichskanzler sofort erteilte, 
zaben den Abgeordneten aller Parteien zunächst mehr Anlaß zu 
zersoönlicher Aussprache, als die wichtigen Ausführungen üher die 
uswärtige Politik, mit denen die Sitzung begann. Natür— 
ich! Rachdem, die sozialdemokratischen und demoktatisch-radi⸗ 
alen Bläiter seit dem Mißbilligungsbeschluß des Reichstags 
n 4. Dezember fortgesetzt, Konsequenzen“ verlangt und der 
Vertreter der Sozialdemokralice Scheidemann, dieser Forde— 
ung schärferen Ausdruck gegcen hätte, war für die Ahge⸗ 
»rdneten diese Angelegenheit gewissermaßen zu einer persön⸗ 
ichen geworden. Um so mehr, als Herr Scheidemann nicht 
rur dem Kanzler, sondern auch dem Reichsstag die Sorge um 
eine Würde hatte abnehmen wollen. 
So weit wir feststellen konnten, begegnete dieser Versuch 
iber in allen Parteien lebhaftem Widerspruch. Selbst die 
ürgerliche Linke, die Fortschrittspartei, hielt die Folgerungen, 
zie Herr, Scheidemann unter dem Beifall seiner Genossen aus 
dem Mißtrauensvpotum des Reichstags für den Kanzler ge— 
ogen wifsen wollte, für gänzlich verfehlt. Die Rede des sozial— 
emokratischen Führers wurde allseitig als matt in der Form 
ind ungeschictt im Inhalt beurteilt. 
Auch im politischen Kampfe, und gerade in ihm, gilt das 
Wort, „allzus scharf macht schartig“.“ Dadurch. daß, Herr 
Scheidemann in seiner parteipolitsschen Einseitigkeit bis zur 
Berkennung der verfafsungsmäßigen Möglichkeiten ühers Ziel 
inausschoß, beraubte er sich nicht nur jeder tieferen rednerischen 
Kraftwirkung, sondern er verhalf auch dem Reichskanzler zu 
einenm recht guten Abgang. Herr v. Bethmann⸗-Hollweg konnte 
n der Rolle des Hüters der Verfassung glänzen. Und weil er 
dabei das geschriebene Recht auf seiner Seite hatte und dazu 
noch rednerisch geschickt die Parteigenossen Scheidemanns, Dr. 
Dabid und, Ledebour, als Zeugen gegen dessen perfassungs- 
vidrige Folgerungen qufrufen konnte, war der, Eindruck der 
weiten Kanzlerrede bei allen bürgerlichen Parteien ein guter. 
Auch die Verteidigung des Kaisers durch den Reichskanzler 
vurde mit besonderem Beifall begleitet, weniger, weil sie vom 
danzler, glänzend begründet war, als weil die hämische Polemil 
des sozialdemokratischen Führers gegen „die oberste Stelle“ 
ielfach verletzte. Der Sitzungssagl des deutschen Reichstags, 
zanz besonders nach den unerfreulichen Vorfällen der letzten 
Wochen, ist wohl ein geeigneter Oxt zu ernster Kritik an 
aiserlichen Reden und Handlsungen. Dafür ist der Beweis oft 
genug erbracht worden,, Aber die spitzige, verstedte, witzige 
Form der Polemik, wie sie Herr Scheidemann gestern anwandte, 
cief auch bei denen Widerspruch wroge die vielleicht eine ernste 
ritische Würdigung der Rolle, die der Kaiser in der ganzen 
Affäre gespielt hat, nicht für überflüssig hielten. 
So hat durch reichliches Verschulden des rednerischen Un— 
gjeschiks Scheidemönne das Nöarhältnis des Reichstags zum 
- 
tanzler eher eine Besserung als eine Verschlechterung erfahren. 
die Erklärung, er wolle die Bedeutung des, Mißbilligungs- 
ntrags nach Interpellationen nicht einschränlen, ebensowenig 
ber nuch überfreiben lafsen, mußte nach der exaltierten Rede 
cheidemanns als berechtigt anerkannt werden. Herr von Be th⸗ 
iann-Hollweg wird nach diesem ersten, mißalückten Vorstoß 
er Soziaidemokratie kaum noch scharfe Mißtrauens kundgebungen 
er bürgerlichen Parteien wegen der Affäre von Zahern zu 
rwarten haben, und auch Herr Scheidemann wird mit seinen 
sfreunden die hochgepriesene Rolle des Nicht-mehr-Verhandelns 
uiit dem Reichskanzler kaum spielen können. 
Das alles wird natürlich nicht so auszulegen sein. als sei 
ie Mehrheit von 293 Stimmen, die des Kanzlers Verhalten 
tißbilligt hat, jetzt in Atome zerfallen. Hier war zweifellos 
»err Bassermann der Sprecher der gesamten Opposition, als 
gerade aus den letzten Vorgängen die Rechtfertigung der Miß— 
auenskundgebung als Folgerung zog. — Soweit unser r-Mit— 
ebeiter. Wir lassen die Rede Bassermanns, die gleichzeitig eine 
ritik der auswärtigen Politik enthält, hier nochmals ausführ— 
bex r̃olꝛen 
Abg. Bassermann Math.). Wir erkennen mit dem 
deichskanzler an, daß während der Balkanwirren 
er Dreibund seine Probe bestanden hat. Osterreich 
nd, Italien insbesondere sind einander wesentlich genähert 
urch das gemeinsam erreichte Ziel eines selbständigen Alba— 
iens. Die österreichischen Interessen stehen im Vorder— 
rund, die Deutschlands erst in zweiter Linie. Die sozial— 
emokratische Ansicht von der Eroberungspolitik Hsterreichs, 
ie die ganze Balkankrise hervorgerufen habe, ist nach der 
dede des Grafen Berchtold nicht mehr aufrechtzuerhalten. 
dicht den Weg nach Saloniki wollte Osterreich sich offen 
alten, sondern seine Adria-Politik verfolgen und ein selb⸗ 
ändiges Albanien schasffen. Wir freuen uns, daß die Miß- 
immung aus den BukaresterFriedensverhand- 
ungen behoben worden sind und erkennen gern an, daß 
it der Potsdamer Zusammenkunft, wo Deutschland be— 
zndere Konzessibnen in Persien machte, unser 
zerhältnis zu Rußland sich wesentlich gebessert hat. 
Nit Rußland wünschen wir immer gute Beziehungen zu 
aben, wenn wir auch namentlich mitRuückficht auf Rußlands 
Vlandundbolitit recht vorsichtig sein müssen. Bezüglich 
1n— 
— 
Rerhalten Osterreichs leicht zu weiten RKonse⸗ 
juenzen geführt hätte. (Sehr guts)) Von Imperia- 
ismus ist bei uns nicht viel zu merken. Wir 
vollen nichts als die Sicherung unserer Volkswirtschaft, ge⸗ 
au wie es andere Völker tun. Wir treiben unsere Kolonial⸗, 
Sozial und Interessensphärenpolitik genau so wie andere 
zZölker. Hinsichtlich der asiatischen Türkei müssen. 
dir, nachdem große Konzessionen von uns gemacht worden) 
ind, verlangen, daß unsere Politik fest bleibe. Gegen die 
mmer mehr in Neu⸗Kamerun um sich greifende Schlaf⸗ 
rankheit müssen energische Schritte unternommen 
erden. Daß für das diplomatische Korps größere 
Nittel eingestellt find, begrüßen wir mit Befriedigung.) 
adurch wird ermöglicht, daß diese Laufbahn weiteren tüch⸗ 
jgen Kreisen eröffnet wird. Zur Beteiligung des Reichs, 
m der Weltausstellung in San Francisco be⸗ 
intragen wir die Einsetzung von zwei Millionen Mark in 
»en Etat. Dies ist nötig, um der deutschen Kunst, dem 
handwerk und der Industrie eine würdige Vertretung zu 
ichern. Die Hamburger Bürgerschaft verlangt fast einmütig 
die Beteiligung des Reichs an dieser Ausstellung. Auch 
vwürde uns eine Nichtbeteiligung England gegenüber erheb⸗ 
ich ins Hintertreffen bringen. — Nun zut 
inneren Politik: 
In Sachen der Jesuiten ist uns eine Verschleppung der 
Frage auch nicht erwünscht. Uns wäre das Liebste ein 
hnelles Nein. (Heiterkeit.) Wir freuen uns, daß die 
Fraunschweigische Frage endlich gelöst ist, und 
offen, daß Braunschweig sich die hannoverisch-welfische Aai- 
atien vom Leibe halten wird. Die Garantie, die durch den 
ersönlichen Verzicht gegeben sein soll, genügt uns aber nicht. 
)aß endlich die Bezüge der Altpensionäre ge— 
ꝛzůch erhöht werden sollen, wird allgemein freudig empfun⸗ 
en. Die Reichsbankpolitik begrüßen wir, Präsi— 
ent Havenstein hat manche auf den ganzen Weltmarkt vor⸗ 
üglich wirkende Maßnahmen getroffen. Wenn ein weiterer 
lüsbau des Arbeitswilligenschutzes gewünscht 
vird, so sind wir zu Verhandlungen bereit, wir wollen aber 
eine Einschränkung der Koalitionsfreiheit und keine Aus— 
rahmegesetze. Was die Zaberner Angelegenheit 
angeht, so schließe ich mich der Theorie des Abg. Scheide— 
nann über den Charakter und die Wirkung des Mißtrauens- 
dotums nicht an. (GGört! hört! bei den Sozialdemokraten; 
Bravo! bei der Mehrheit. Nachdem genügende Remedur 
zeschaffen und nachdem darin eine Rechtfertigung unseres 
Votums gegeben worden ist, bedauern wir nur, daß die Ein— 
zelheiten der Bestrafung und der Remedur nicht in scharfer 
ind präziser Form hier vorgetragen worden ist.' 
der Schaden, der im Elsaß angerichtet worden ist, ist zweifel⸗ 
'os groß, und bei der Interpellationsverhandlung habe ich 
ziele ehrlich bewegte Parlamentarier über die verfehlte Be— 
handlung der Sache gesehen. Jetzt ist die Hoffnung berech⸗ 
tigt, daß nun der Friedeim Grenzlande wieder ein— 
tritt. (Lebhafter Veifall bei d. Natl.) 
Was der leitende Staatsmann in seiner kurzen, zwanzig 
Minuten währenden Rede sagte, überraschte nicht durch die 
deuheit der mitgeteilten Tatsachen und Urteile, entbehrt jedoch 
rotzdent nicht der Bedeutung. weil es, Bekanntes bestätigend 
int untoerstreichend. einiges Licht auf den Gang der großen 
7 EIC.XEEEXEEA 
Der nächste Zug träat den Fürsten hin nach dem Spielser- 
Eldorado. 
Heller Sonnenschein liegt auf der weiten, vom blauen Meer 
imsäumten Kasinoterrasse. In kurzen Abständen tönen Schüsse 
»om Taubenschießplatz heraui. wo mitleidslose Menschenbestien 
um Vergnügen, und um ihre erschlafften Nerven aufzukitzeln, 
nschuldige Tiere grausam hinmorden. 
Das Geflatter der armen Vögel, die sich, von der mörde— 
ischen Kugel zu Tode getroffen, mit letzter Kraft noch einmal 
ufischwingen, um dann herabzufallen und in Schmerzen so 
ange herumzutaumeln. bis die Hunde sie ins Maul nehmen 
ind apportieren, tut seiner sadistisch angekränkelten Natur wohl. 
Er denkt dabei an Irene, wie auch sie, durch ihn im Herzen 
u Tode verwundet, im Staube sich winden wird. Und sein 
nteressantes Gesicet veraieht sich au einem mephistophelsschen 
sßrinsen. 
Rasch tritt er ein in den Roulettesaal. 
Sein scharfer Blick braucht nicht lange zu suchen. Zwischen 
inent langen, blasierten Engländer, dessen große Hefte mit 
en endlosen Zahlenreihen und den nur ihm verständlichen Hiero⸗ 
syphen ihn als einen „Systemspieler“ kennzeichnen, und einer 
ufgedonnerten, strohblonden Dame der Halbwelt, die ein Riesen⸗ 
ermögen an Perlen und Diamanten zur Schau trägt, dabei 
iber vorsichtig mit Zwanzigmarkstücken operiert, sieht er Ma— 
ame Lolos vor Erregung tief gerötetes Gesicht. 
Er nähert sich ihr und legt die Hand auf ihre Schulter, gerade 
us der Croupier ihren letzten Hundertfrancsschein einzieht. 
Sie fährt herum. 
„Lassen Sie doas Roulette! Ich habe mit Ihnen zu 
yrechen.“ 
Unmutig zuckt sie mit den Schultern. Wie alle Gewohn— 
eitsspieler leidet sie an dem Wahn, ihre ganzen Verluste 
veder zurüdzugewinnen, wenn man sie ungestört ließe. 
„Kommen Sie!“ wiederholt er kurz und schiebt bereits ihren 
ztuhl zurück. 
Sie wagt nicht, zu widersprechen. Willenlos, stumpf folg! 
ie ihin hinaus in die verschlungenen Wege des Parks. 
Seine kalte, herrische Miene bedrückt sie. Doch hält sir 
noch immer das stereotype Lächeln auf ihren Lippen feilt 
Fortsesune folaft 
Rüstungsabkommens mit England 
Auß man der französischen Presse zustimmen, die der Ansicht 
st, daß die Propagierung des Rüsiungsfeierjahres nicht dem 
crrieden dienlich ist. Andererseits ist die Tonart in der eng— 
schen Presse unserem Flottenausbau gegenüber wesentlich 
reundlicher geworden. Die Lage Englands hat sich durch 
ie Veränderungen am Mittelmeer Tripolis und An— 
anien, wesentlich verändert, auch durch die Machtver⸗ 
nderungen Rußlands in Ostasien. Dort ist Rußland in der 
age, eine Eisenbahnpolitik zu treiben, die immer mehr noch 
ndien heranführt. Wir haäben das Vertrauen zu unseren 
taatsmännern, daß sie den festen Willen haben, die Periode 
nergischer Reformen, in der Türkeid einzu— 
eiten. Der Reichskanzler hat schon darauf hingewiesen, daß 
ie Bewilligung der größten deutschen Wehrvorl'a ge 
eschehen sei, um das Volk für alle Fährlichkeilen zu rüften. 
Diese. Notwendigkeit hat fich angefichts des“ ser. 
ilch⸗bulaariichen Gebeimvbertrages bewährt. do da⸗ 
Irrlichter des Glücks. 
Fin Gesellschaftsromansvon der Riviera. 
Von Erich Friesen. 
137. Fortsetzung.) (MNachdruck verboten.) 
Nach wenigen Jahren freilich kam Boris“ brutale Natur 
um Vorschein. Er quälte und mißhandelte seine Frau auf jede 
fur erdenkliche Weise. Sie jedoch ertrug alle Qualen ge— 
uldig: denn sie liebte ihren Mann — liebte ihn mit jener hün— 
zischen Unterwürfigkeit, jener unwandelbaren Treue. die manchen 
lawischen Frauen eigen ist — — 
Da war eines Tages Boris verschwunden. Maruschka 
veinte, schrie, gebärdete sich wie toll. Fuürst Wladimir ließ 
sie zu sich rufen und teilte ihr mit, ihr Mann habe sich seit 
iniger Zeit an politischen Umtrieben beteiligt und sei nach 
Sibirien verbannt worden. Er, der Fürst, hoffe jedoch, durch 
einen Einfluß, früher oder später. Boris aus der Nerbannung 
efreien zu können — — 
Von nun an hatte Fürst Orloff in Maruschka eine Sklavin 
gewonnen, die ihr Leben fur ihn gelassen hätte. Sie gehörte zu 
einem vertrauten Hofstaat, den er auch bei seinen verschie— 
densten Reisen stets mit sich führte. Er wußte, ihr konnke er 
dertrauen; mit diplomatischem Geschick führte sie all seine 
Befehlc aus — auch, wenn sie delikatester Natur waren. Sie 
schloß Augen und Ohren vor manchem, was fsie anwiderte — 
nit der blendenden Fata Morgana der endlichen Wiedervereini— 
zung mit dem heißgeliebten Gatten vor Augen — — 
Mit derselben Unterwürfigkeit befolgte sie auch den Befehl 
hres Gebieters, die junge Hellseherin Mirjam aus dem Zirkus 
in sich zu loden. Sie war ja derartige Aufträge gewöhnt. 
Uber zum erstenmal empfand sie diesen klaren, unschuldsvollen 
Mädchenaugen gegenüber etwas wie Rene, einen Hauch von Ge— 
wissensbissen. Und sie kämpfte einen schweren Kampf mit sich, 
der an Hestigkeit zunahm, je mehr der alte halbtaube Iwan 
einen Zweifeln an der Ehrlichkeit ihres Gebieters Ausdruck gab — 
Heute nun ist der Kampf entschieden. Maruschka weiß, was 
ie zu tun hat. Nicht länger wird fie sich zu unwürdigen 
Sklavendiensten mißbrauchen lassen. Frei und offen wird sie 
dem Fürsten entgegentreten und sein Lügengewebe zerreißen — 
Vorher aber muß sie jenes junge Geschßpf in Sicherheit 
hringen, das ihr vertraut und das ihr eigenes Herz mit mütter— 
icher Liebe umfängt — dieses geknechtete, getretene, zerfleischte 
zerz, das im Leben nichts weiter erfahren bat. als Ent— 
äuschungen. — — 
Tiefje Schwermut ruht wie eine Weihe auf dem fast ruhigen 
Meer und den in Schlaf gesunkenen Ufern. Gespenstisch ragen 
ie in der Dunkelheit ungeheueclich erscheinenden Pinien und 
Iypressen zum nächtigen Himmel empor. Weitklafternd 
hwebt ein Nachtvogel mit unheinilichem Gekreisch daher. 
Da öffnet sich die Tür zu der kleinen Villa hinter der 
nosenhecke. 
Zwei dunkle Gestalten eilen durch den Vorgarten auf die 
ztraße — hinein in die schweigfame Nacht. 
kEe ilt Maruschka und in Schützling. 
15. 
Nicht im geringsten fühlt Fürst Orloff sich berührt von der 
stachricht. daß der Marquis Robert d'Esterre plötzlich schwer 
rkrankt und daß sein Leben in Gefahr sei. 
Er haßt den Namen d'Esterre und alles, was damit zu— 
aimmenhängt — seit gestern noch mehr als vordem. Denn in 
em jungen Reginald dEsterre wittert seine feine Spürnase 
inen Nebenbuhler. 
Ungezügelt in der Liebe wie im Haßhß, kennt diese wilde 
artarennatur kein anderes Lebensziel. als die Befriedigung 
er eigenen Wünsche. Die plötzlich in ihm aufgelohte Leiden— 
haft für enes junge Wesen, in dem er Irenes Tochter 
laubt gefunden zu haben, beherrscht ihn ebenso, wie der 
efe, brennende Haß gegen die Mutter, die ihn einst ver— 
hmähte. Mit der Erreichung des einen Wunsches erfüllt sich 
er andere von selbst: wenn es ihm gelingt, die Tochter 
u gewinnen, hat er sich gleichzeitig an der Mutter gerächt. 
Zufrieden mit sich selbst und seinen diabolischen Plan 
1Gedanken weiter ausspinnend, schlendert er, die Zigarette 
wischen den Lippen, das Spazierstöckchen graziös in der fein— 
ehandschuhten Rechten schwingend, die Promenade des Anglais 
ntland und biegt in das Gäßchen ein, das zum Hotel de 
Europe führt, um Madame Lolo einen Besuch zu machen. 
.Madame sind nach Monte Carlo gefabren.“ meldet der 
Rzrtier pfiffia schmumelnd
	        
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