Senator Or. Stoofs: Wenn der Senat mit dieser
gorlage hatte warten Jollen, bis der Kommissionsbzricht üͤber
die Zeranziehung von Vrivatarchitekten zu Staatsgebäuoen er—⸗
ienen sei, hätle der Senat wohl noch recht, lange warten
en, denn ein Veschluß der Kommission ei wobl, in —
sehbarer Zeit nicht zu erwarten. In der Bürgersshafu dei
Fiederholt erwogen worden, od man nicht Privatarchitetten zur
Ausführung von Staatsgebäuden heranziehen solle. Der Seriat
abe sich zu einem, dergrtigen Versuch entschlossen, und nun
wolle mau wieder das Gegenteil. Sodaun müsse er hervor⸗
be, daß das Konversalionshaus nicht für nach Travemünde
sde Lubeden und sonftige Tagesgäste, sondech in gller⸗
user Linse für die Kurgäste errichtet werden holle. Eehr
richtig!)
B.“M. Gastwirt Ehlers sprach sich gegen die Senats⸗
oorlage aus weit das Konversalionshaus vornehmtih für die
Kurgäste (Juruf: Sehr, richtig!). also für die eichen Leute
Ind nicht für den Mittelstand erbaut werden solle.
B.⸗M. Kaufmann R. Köhn: Den Brief des Hercn Brüg—
mann an Herrn Henk habe dieser der Bürgerschaft bekannt ge—
geben, als es noch nicht Zeit dafür gewesen sei. Heren Brüg—
manns Meinung, sei gewesen, Herr Henk sollte der Bürgerichaft
den Brief mitteilen, wenn die Senafsvorlage abgelehnt worden
jei. damit dem Musikverein keine Schwierigketten entständen.
Sin solches Verhalten, des Herrn Brügmann üfse er als
ochherzig bezeihnen. (Zuruf? Rein) VNuqh er bedaure, daß
derr Senator Dr. Stooßs erklärt habe, daß das Konoerations⸗
aus in ollererster Linie für die Kurgäste sein sole. Nur
wenn ein Maff nerkehr herangezogen werde, werde das Kon—
verfationshaus bestehen können.
Nunmehr folote, die Abstimmung, in welcher der Antrag
A. Pape auf Verweisung der Senatsvorlage an eine Kommission
Waeleßnt wunde und die Senatzvporlage in nament—⸗
scher 83 mit 54 gegen 38 Stimmen angenommen
Erlaß eines Gesetzes betr. die Gesindes
krankenkasse.
Nach 8 440 der Reichsversicherungsordnung lann die Lan⸗
—DD diesem Gefetz
versicherungsfrei sind, wenn für sie bei dessen Verkündung landes—
rechtliche Fürsorge im Krankheitsfalle getroffen ist. Der Senat
beabsichtigt, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen, da die
Beibehaltung der seit nahezu 25 Jahren bestehenden Son⸗
oerversicherung der Dienstboten wegen der niedrigen Beitrãge
und der ihren besonderen Verhältnissen angepaßten Leistungen
m Interesse der Dienstboten liegt. Die den Dienstboten behufe
oer Versicherungsfreiheit zu gewährende Fürsorge muß nach Um—
fang und Dauer mindestens den Regelleistungen der Kranken⸗
kasse gleichwertig sein. Letzteres wird nicht nur durch den Senats⸗
antrag bewirkt, sondern Leistungen vorgesehen, die weit ũber
die Reegelleistungen einer Krankenkasse hinausgehen. Es sollen
eine Krankenunterstützung bis zu 39 Wochen (gesetzlich 26
Wochen), eine Wöchnerinnenunterstützung, ein Stillgeld, statt
dieses auf Antrag des Jugendamtes im Interesse der Säuglings
fürsorge auch Milch usw., ein Hausgeld und ein Sterbegeld
gewährt werden. Der Kassenbeitrag der Dienstboten wird von
4 auf 9 M ääährlich erhöht, bleibt aber trotzdem noch bedeutend
hinter dem zurück, falls die Dienstboten einer Landkranken—
lasse angehören müßten.
BeM. Sloff führt aus, daß dieses Gesetz nur die Ab—
schrift eines schlechten Hamburger Gesetzes darstesle. Die Vor⸗
lage Jei viel zu späf an den Bürgerausschuß gelangt und
sei daher ein ordnungsmähiges Abwidein der Geschäfte big
zum J1. Januar unmöglich. Das sei bezeichnend dafür, mit
velcher Gleichgültigkeit soiche Gesetze seitens des Senates be⸗
handelt würden. Man hältte erwarten soflen, daß die Re—
gierung soviel soziglpolitisches Empfinden bewiesen hätte umd
oͤberhaupi keinen Antrag auf Gründung einer Gesindekranfen
sasse gestellt hätte, end alles Gesinde der Ortskranken
kasse üherwiesen hätte. Aber der Senat habe bei Nichtan—
nahme der Vorlage mit Gründung einer Landkrankenkasse ge-
droht. Die Leistungen des Gesetzes seien bei der ersten Vor—
lgge des Senates durchaus ungenügend gewesen. Auch eip
Teil der —ãA— der Kowmsssion, sei leider vom Büͤrger⸗
zusschuß abgelehnt worden. So der Antrag, daß dem Gesinde
in gewissen, vereinzelt vorkommenden, Fälien ein Recht auf
Zranlengeld zustehe. Dem städtischen Gesinde, wolle man dies
zicht gewähren, während das ländliche Gesinde durch seine
Zugehorigkeit —* Ortskrankenkasse ein Recht auf Gewährung
—A——
äxztiiche Verein davon abgeraten habe, dem erkrantten Gesinde
in Recht, auf Gewährung von Krankengeid zu verleihen.
Dieser Standpunkt des, arztlichen Vereins fei ihm ganz un
versiändlich. Dieser stelle zurzeit selbstbei der Ortskranken
asse weitergehende Forderungen und durfte vielleicht aus diefem
Srunde die Gewährung von Krankengeld an das Gesinde ab⸗
lehnen, weil in anderem Falle für die Erfuüllung sciner egenen
Forderungen kein Geld mehr übrig bleibe Er bitte die Bür
erschaft, a bweichend vom Senatsantrag zu beschließen, daß die
vesindekrantentase von einem Vorstand verwaltet werde, daß
n ganz bestimmten Fällen dem Gesinde ein Krankengeld zu
ewähren ist und daß, wenn ein Dienstbote nach auswärts zu
gehen gezwungen ist, auch dann die Leñtungen der Kanse he—
tehen bleiben.
Ser cator, Dr. Neumann: Eine Reihe der Ausführungen
es Herrn Vorredners sei bereits vom Bürgerausschuß in Be—
Acksichtigung gezogen worden. Lediglich der einen Bestimmung
jahe der Senat nicht heitreten fkönnen. Die sehr scharfe
Zritik des Herrn Hoff erkläre sich wohl aus seiner prinzipietick
Abneigung gegen eine Gesindekrankenkaffe als solche. Die
Gründe dasür könnten ja sehr verschiedener Art sein und wolle
er hierguf, nicht näher eingehen. Für die Behörde und den
Senat, sei bei der Ausarbeitung der Vorlage der Eesicht punn
maßgebend gewelen. eine mödlichst genaue Anlehnung an das
A7
Maximilian ließ sich hier ein Gartenhaus einrichten und in
dem etwa eine Stunde entfernten Indianerdorf Acapantzingo
eine kleine Villa bauen. Sie wurde nie vnslendet und liegt
tetzt verlossen
Mexiko, 2. September 1870.
In Newyork lebte ich in den aufgeregten Tagen vom
20. Juli bis 1. August immer auf der Straße und mit den
Landsleuten; es litt niemanden zu Hause. Unter den Deutschen
ind ganz famose Kerls. Alles gͤht von Patriotismus: mitten
mn vollsten Nordamerika war es eine großartige deutsche Be⸗
vegung. Viermal täglich wurden die Telegramme ausgegeben.
ie frisch von Europa herüberkamen. Was morgens am Rhein
Moselh) vorging, wutzten wir schon am Nachmittag. Am
. August schiffte ich mich ein, kam am 7. abends nach Habana,
po ich sofort die Weißenburger Siege erfuhr. Am folgenden
Tage kam die Nachricht von Wörth! Dan— ging es wieder
in See; Am 13. Ankunft in Veracruz. Am 17. in Mexito.
Auch hier gewaltiger Enthusiapmus der DTeuischen Unfere
olonie, fast 200 Köpfe stark, schickt heute 25 000 Vesos an
en Invalidenfonds nach Berlin.
Aber hier — fehlen jetzt die Nachrichten. Zweimal im
Maönat! Das ist in einem folchen Momen furchtbar.
Und nun niuß meine gute, teure Mutter in ihrem hohen
Alter noch einmal einen Krieg Deutschlands mit einem
Bonaparte erleben. Da sich hoffentlich niemand in unsere
Sache mischt, so werden wir sie wohl bald fiegcidh zu Ende
ühren!
Nach der bewegten Reise bin ich hier nun wieder ãußer⸗
ich ruhig eingerichtet. Am 26. d. M. habe ich mit *
u finden, was sich bisher gut bewährt habe. Ein veunes Gesetz
zabe geschaffen werden müssen, um den Anforderungen der
keichsversicherurgsordnung zu entsprechen.
B.M. Du. Meyer: Wenn Herr Boff erklärt habe, daß
ie Aerzte das erwöhnte Gutachten abgegeben hätten, wei sie
adurch ihr Honorar zu verbessern gedächten, so irre er sehr.
die Aerzte hätten lediglich ihre in der Praxis gesammezien Er—
ahrungen der Kommission mitgeteilt, dahingehend, daß die
Hefahr bestehe, daß mit der Gewährung von Kraakenzelb an
das Gefinde Misbrauch getrieben werden könne.
B.⸗M. Hoff 6Gu 8 1). stellt solgenden Antraga; Die Ver—
waltung der Kasse, wird einem aus vier Dienstherrschaften unð
vier Dienstboten bestehenden Vorstand unter Leitung des Stadt—
und Landamtes „übertragen. Der Vorstgnd wird, nach einer
vom Stadt⸗ und Landamte zu erlassenden Wahlordnung gewählt.
Senator Dr. Neumann: Eine besondere Vertretung für die
Besindekrankenkasse sei durchaus nicht notwendig und zwechmäßig,
veil es an den Funktionen, wie z. B. beim Vorstand der Orts-
krankenkasse, feblen würde. Auch das hamburgüsche Gesetz kenne
ꝛinen solchen Zustand nicht. Die Aufnahme dieser Bestimmung
n das Gesetz würde es dem Senat unmöglich machen, den Be—
chlüssen der, Bürgerschaft beizutreten.
Wortführer, Dr. Görtz verliest hierauf eine vom arzt
ichen Verein in Lübeck eingegangene Eingabe. in der dieser
dem Senat empfiehlt, daß die Gesindekrankenkasse als beson—
dere Krankenkasse bestehen bleibt. daß ein Krankengeld an das
Hesinde grundsätzlich nicht gewährt wird. sondern dies stets
inem besonderen Beschlusse vorbehalten bleibt und daß eine
reiwillige Mitgliedschaft nach dem Scheiden aus dem Dienst-
erhältnis nicht eingeführt wird. J
B. M. Ho FF, führt. qus, daß die vom Senat angeführten
Gründe die Ablehnung seines gestellten Antrages nicht recht⸗
ferligen könnten.
B.M. Klęein tritt für den Antrag Hoff ein. Daß die
Arbeitgeber und auch Arbeitnehmer einen Einfluß auf die Kasse
jesitzen, sei jetzt völlig ausgeschlossen. Es sei richtiger, wenn
iicht die Behörden, sondern die Arbeitgeber und nehmer die
Berantwortung für die zu gewährenden Leissungen des Gesetzes
bernehmen. Er glaube nicht. daß der Senal deswegen den
Beschlässen der Buͤrgerschaft nicht beitreten werde.
Der Antrag des Herrn Hoff wurde hierauf abgelehnt.
B.-M. Hoff beantragt, dem 3 Aps. 1. Punkt c fol-
zende Fassung zu geben: Die Gesindekrankenkasse gewährt an
Zrankenunterstüßung vom Beginn der Krankheit ab, wenn die
Zienstherrschaft das Verbleiben des erkrankten Dienstboten in
hrer Wohnung nicht gestattet, und wenn Kur und Verpflegung
m städtischen Krankenhause oder in einem Genesungsheim vom
zhandelnden Arzt nicht für erforderlich erachtet wird, oder ohne
Verschulden der Kasse, und einem Versicherten nicht gewährt
verden fann, freie ärztliche Behandlung und freie Arznei sowie
n Antrag ein Kraänkengeld aän Höhe eines halben Oris
ohnes.
B.M. Hoff bittet. in den in seinem Antrag qufge—
ührten Fällen dem Gesinde ein Recht auf Krankengeld zu—
ugestehen, denn in der Fassung des Senates werde die Ge—
vährunge seines solchen von dem betreffenden Beamten ab—
hängig sein.
Senator Dr. Neumann: Der Senat habe sich bei seiner
Fassung auf den Standpunkt des ärztlichen Vereins gestesst
ßon dem betreffenden Beamten hänge, es nicht ausschließlich
ib, 26b ein Krankengeld zu gewähren sei, fondern es bleibe
dem Erkrankten noch das Beschwerderecht an das Stadt- und
dandamt und an den Senat. Die Rechte der Verficherten
eien vollständig gewahrt.
BeM. Hooff bittet nochmals, seinem Antrage zuzustimmen,
worauf der Antrag Hoff zur Annahme gelaäangte.
Zu 8 3 Abs. 8 hat der Bürgerausschutz einen Abanderungs⸗
antrag gestellt, dem der Senat nicht beigetreten ist.
. BeM. Hoff bittet. der Faffsung des Senates die Zu—
timmung zu geben. da fie klarer und auch für die Dienstboten
vohl etwas günstiger sei. Er beantrage aber, im Saß 83 die
Worte „die zur Zeit der Erkrankung auferhalb des Kossen—
zezirks wohnen“, zu streichen.
Senator Dr. Neumann bittet, den Antrag abzulehnen
Venn die Dienstboten während ihrer Krankhest weder im
sause der Dienstherrschaft noch bei den Ellern bleiben können
o trete die Krankenhausbehandlung ein. Es könne nicht an—
ehen. daß sie dann nach außerhalb gingen und dort der
deistungen der Hasse teilhaftig werden. die nur für dos lübeckiche
ztaatsgebiet bestimmt seien.
BeM. Dr. Ziehl bittet ebenfalls, den Antrag Hoff
—————
efindlichen Kranken die größten Schwierigkeiten, da auch bei
eser jegliche Kontrolle, wie Krankenbesuche uswe nicht durchzu
ühren sei. Schon aus diesem Erunde sei der Antrag un⸗
mnehmbar.
Der Antrag Hoff wurde hierauf abgelehnt und der 83
Abs. 3 in der Fosung des Senates angenommen.
BemM, Soff Gus 6) stelst den Antrag. den Satz voraus—
bezahlte Beiträge werden nicht zurnderftantete zu sireichen und
afür folgenden Satz einzuschalten: .Vorausbegahlte Beitrage
verden freiwilligen Mitgliedern. falls sie auf Grund anderer
ersicherungspflichtiger Beschäftigung aus der Kafse aussche ven
anteilmãßig zurüderstattet.“
Dieser Antrag gelangte zur Annahme.
Hierauf wurde die Senatsvorlage mit den beschlossenen
Abänderungen in erster Lesung endgüstig angenommen.
(Schluß folat.
7 2
Aus den argebieten.
Großherzogtum Oldenburg und Fürstentum Lübed.
. Schwarxtau, 13. Nop. Verkaufe. gofbesitzer
humann verkaufte seinen Hof Neu⸗Ruppersdorf an argensen.
ßamburg. — Frau Brunn verkaufte ihre Villa— Schillerstr. 5,
in Kaufmann Arnecke, Hamburg. — vas Wohnhaus Schmer⸗
trate 1 des verstorbenen Fräuleins Burchhardt würde an“86
. Minden, Schwartau, für 16500 MN vertauf 8
sßartenbauperein wurden 10.. Pom Verbandsvoritand
berwiesene Obstbhäume an die Mitgüeder derloft. Sodam
vurden verschiedene Obstbaumschädlinge gezeigtenud ihre Be—
ämpfung erläutert. Um den besten Ungeziefervertilgern, den
Höhblenhrüfern qausreichende Moßnnelegenheit npiee but—
—
die Ratisikationen ausgewechselt und von ihm protokollarisch
die Deklarationen bekommen. die der Bundesrat des Joll—
yereins (resp. Zollporlament) verlanagt.
3. März 1871.
Ich möchte den ganzen Ozean vergiften! Während in
Europa die größten Dinge vorgehen, während Deutschland sich
noch jahrhundertelanger Zerrissenheit zu neuem Glanz erhebt,
itzt man hier. Allerdings haben wir schon seit 14 Tagen
chönsten Sommer, alle Bäume sind grün. Das ist aber auch
der einzige Trost. Dazu macht sich jetzt schon die Agitation
ür die Präsidentenwahl bemerlbar. Das Scherzhafteste ist
daß meine beiden Freunde Juarez und Lerdo sich dieserhalb
zefeinden. Letzterer will seinen Meister aus dem Sattel heben;
der denkt aber gar nicht daran, sich das gefallen zu lassen,
und es ist nicht unmöglich, daß er den Vräsidemenstuhl zum
itftennnl Bettäünt
Berlin, 5. Mai 1871.
Hier kommt mir alles wie verjüngt vor. Welch glor—
reicher Aufstieg in der kurzen Zeit vom Juli vorigen Jahres,
wo ich die Küste des Norddeutschen Bundes verließ, um jetzt
ein geeintes Deutschland wiederzufinden!
Mittwoch speiste ich bei Bismarck. Es war ein Genuß,
einen Erzählungen und Apercus zu folgen, und als er nach
Tisch mit mir in seinem Zimmer saß und die plitische
Zituation stizzierte, war es wieder fabelhaft interessant, in
iese geniale Maschine hineinzublicen. Wenn andere bei
aiplomatischen Schachzügen die verschiedenen Möglichkeiten mit
hren Folgen ins Auge fassen und deren ein Dattzend aus—
lũgeln. hat seine Zerebralzentrale schon mindestens doppelt se
niele durchflogen.
»er Bedarf an Nistkästen festgestellt. Baumfchulenbesitzer
Welchert, Gr.Parin, hielt einen Vortrag über Aufbewghrung
ves Obstes. Im Dezember wird über Gemüsebau in Privat—
usten. und im Januar über „Samen und Säen“ Vortrag ge—⸗
Q2Niendorf, 13. Nov. Vortrag. Vor vpöllig be—
etztem Saale in Johannsens Hotel fand der Vortrag des
Seneralsekretärs Läc. Bräunlich, Halle, Dienstag abend statt.
Seine sehr interessanten Ausführungen über die „persönlichen
krinnerungen aus der evangelischen Bewegung in Oesterreich““
wurden mit großem Beifall aufgenommen. Ein sich an—
scchließender Lichtbildervortrag über Dr. Martin Luthers Leben
var ebenso fesselnd als lehrreich; unter Klavierbegleitung des
Pastors Roennicke wurde von allen Anwesenden das Lutherlied
„Ein feste Burg“ gesungen; außerdem brachte der Ratekauer
Kirchenchor noch vier Lieder, à cappella vorgetragen, zu Gehör.
15 Personen traten dem Evangelischen Bund noch wieder als
Mitglieder bei. — Torpedoboote. SHell erleuchtet lagen
oier Torpedoboote während der Nacht dicht vor Niendorf vor
Anker. Bis spät abends ließen sie die Scheinwerfer spielen.
— Verkauf. Villa Ozeana, bisher Pension, ging in den
Besitz des Kirchenheims St. Johann über.
Großkherzogtũmer Medlenbura.
⸗Rehna, 13. Nopb. Der Bund der Sandwerker,
Ortsgruppe Rehna, bestimmte Schmiedemeister Japp zum
Obmann und beschloß, an dem Sonntag in Schwerin statt⸗
findenden mecklenburgischen Handwerkertag teilzunehmen. —
Eine Elektrizitätsgesellschaft hat sich im Dorfe
Gletzow gebildet.
Aermischtes.
Kleine Tagesereignisse. W. In einem Casé n e . -
straße in Berlin wurde von der Schönebergen Kritinal⸗
polizei eine Buchmacher-Zentrale ausgehoben. Es
vurden nicht weniger als 30 Buchmacher und Buchmacherinnen
—
gegenstände wurden beschlagnahmt. — LaA. Auf einem der Ge⸗
werlseeckt „Deutscher Kgiser“ gehörigen Schacht der Ge—
werkichaft Rhein“ bei Duisburg wurden bei Arbzuen vor
Irt infolge eines zu früh losgelassenen Sprengschus'es drei
Bergleute gqguf der Stelle getötet. Zwei erlitten ens—
gefährliche Verlezungen. — LMa. Die V ergiftungsg?f äre
in Westenseld (Westf.) nimmt einen immer größeren Umsang
an. Tienstag früh starb auch die Z30jährige Tochter des Ehe—
paares Mullser, so daß drei Personen bis jetzt tot Ind. Vier
Erkrankte liegen noch lebensgefährlich darnieder. Ob wirklich
Schierlingverguftung vorliegt, ist jetzt zweifelhaft geworden in⸗
)essen ist die Untersuchung noch nicht abgeschlossen. — V7T. Vor
etwa drei, Wochen wurde in Merzig hei Trier der Bauunder-
tehmer Weygold tot im Bett aufgefunden. Da deine Ver—
nögensverhällnisse sehr zerrüttet waren, nahm man, Selbst—
nord anu. Jetzt hat man seine Frau unter dem deingenden
Verdacht, hren Mann vergiftet zu haben, verhastet. Zu
zleicher Zeit wurde in einem Hotel in Merzig ein Mann ver—
jaftet, der seinerzeit viel in der Familie Weygold vweclehrte.
— DT. In Griesheim wurde in der Nacht zum Dienstag ein
Verbrechen verübt, bei dem durch einen glücklichen Zusall ein
Mordeverhindert wurde. Ein Einbrecher draug nachts
1 Uhr in die Wohnung einer Witwe, stahl aus der Nüche ein
Jahrrad, öifnete die Gashähne und legte Feuer an. Durch
en Gasgerud; wurden die Hausbewohner aufmerkfam, die in
ie Wohnung drongen, die Bewohnerin wedtten und so grötzeres
Anheil verhüteten. Das gestohlene Fahrrad, fand man, durch
hinterlassene Spuren aufmerksam gemacht, bei dem im Neben—
hause wohnenden Fuhrmann Federl. Er wurde verhattet.
O. K. Das Schwein der Polgire. Die bekannte Tänzerin
und Schauspielerin Polaire hat die neue West mit den Gaben
hrer Kunst beglückt, und dabei wurde natürlich die Reklame—
rommel kräftig gerührt. Noch auf dem Schiff, bevor man in
Newyork landete, wollte sie ihr Manager dazu bestimmen, den
Boden Amerikas mit ceirem juwelengeschmüften Schweinchen im
Arm zu betreten. Diese Sensationsnachricht hatte er auch
hereits in die Blätter gebracht. Wie, die Comödia erzählt,
hekam denn auch die Polaire noch auf hoher See ein draht'oses
Telegramm von einem Reporter mit der lakonischen Anfrage:
„Wie geht es Ihrem Schwein?“ Schnell gefaßt telegraphierte
ie zurück: „All right. Dem Schwein geht es vortrefflich.“
Aber einige Stunden später zog sie sich dann geschickt aus der
Uffäre, indem sie ein neues Telegramm absandte: „Schwein
ben ins Meer gefallen.“ So ersparte sie sich die schwere Ver—
oflichtung, die ihr ihr Impresario auferlegt hatte.
PO. Nachklänge zum Prozeß Beilis. Die Ver—
teidiger des freigesprochenen Beilis haben, wie aus Kiew
zemeldet wird, zahlreiche Glüdwunschtelegramme erhalten. Be—
onders interessant ist das Telegramm der Englischen Kultur—
liga in London, zu deren Mitgliedern die Hervorragendsten
auf allen geistigen Gebieten gehören und an deren Spitze mehrere
hohe geistliche Würdenträger stehen. In dem Telegramm wer—
den die Verteidiger Beilis zu ihrem großen Erfolge beglüd—
vünscht und das Verdikt der Geschworenen als ein leuchtendes
Zeichen des hohen Gerechtigkeitssinnes des russischen Volkes
gepriesen. Zahlreiche höhere Advokaten in Raris und London
haben gleichfalls an ihre Kiewer Kollegen Glückwunschtelegramme
gesandt. Beilis selbst ist von der langen Haft, die zwei Jahre
dauerte, aufs äuherste erschöpft und muß das Bett hüten.
Sobald es sein Zustand erlaubt, wird er mit seiner Familie
Kiew verlassen. Die Angebote zahlreicher Impre'arii, öffent⸗
lich aufzutreten, hat Beilis auf das entschiedenste abgelehnt.
ß — ——
Abends erschien unter anderen Richard Wagner. Die
Vielseitigkeit des großen „Otto“ zeigte sich auch bei dieser
Gelegenheit in glänzendem Licht, denn die Unterhaltung
zwischen den beiden so verschiedenen Heroen langte, nachdem
sie sich anfangs nicht recht zu finden schienen, schließlich auf
dem Punkte an. wo Bismard in einem geistreichen Vortrag
dem Meister der Töne die eigentlichen Ziele und Wwede der
Musik auseinandersetzte.
Du meintest einmal, ich sei in der Bismardschen Tafel—
runde als Causeur am Platz. Die Sache liegt doch etwas
uinders: wenn ich bei ihm bin, knöpfe ich beide Ohren ge⸗
waltig auf und — höre zu!
Gestern Diner bei Keudell mit Patow und Präsident
Simfon. Heute 33 Uhr gostronomisches Fest bei Raczinski und
ann zu Kronprinzens. Sonntag bei Bancroft. Morgen
Diner mit Kapp und Baͤmberger bei Kusserow.
Mein Nacfolger in Mexiko soll ein sechzigiähriger Graf
Enzenberg werden. Ich bin recht zufrieden, daß ich nicht
mehr unter den dortigen Palmen zu wandeln brauche.
Der ebenso lustige wie gescheite Ludwig Arco wird als
erster deutscher Reichslegationssekretär mich nach Washington be—
Neiten, was mir große Freude macht. Und dann muß ich
eben abwarten, ob ich dauernd in Amerika bleiben soll, oder
ob mir eines schönen Tages wieder Europa blüht, und do—
ducch die alte Welt für mich zu einer neuen wird
— — —