Full text: Lübeckische Anzeigen 1913 (1913)

Senator Or. Stoofs: Wenn der Senat mit dieser 
gorlage hatte warten Jollen, bis der Kommissionsbzricht üͤber 
die Zeranziehung von Vrivatarchitekten zu Staatsgebäuoen er—⸗ 
ienen sei, hätle der Senat wohl noch recht, lange warten 
en, denn ein Veschluß der Kommission ei wobl, in — 
sehbarer Zeit nicht zu erwarten. In der Bürgersshafu dei 
Fiederholt erwogen worden, od man nicht Privatarchitetten zur 
Ausführung von Staatsgebäuden heranziehen solle. Der Seriat 
abe sich zu einem, dergrtigen Versuch entschlossen, und nun 
wolle mau wieder das Gegenteil. Sodaun müsse er hervor⸗ 
be, daß das Konversalionshaus nicht für nach Travemünde 
sde Lubeden und sonftige Tagesgäste, sondech in gller⸗ 
user Linse für die Kurgäste errichtet werden holle. Eehr 
richtig!) 
B.“M. Gastwirt Ehlers sprach sich gegen die Senats⸗ 
oorlage aus weit das Konversalionshaus vornehmtih für die 
Kurgäste (Juruf: Sehr, richtig!). also für die eichen Leute 
Ind nicht für den Mittelstand erbaut werden solle. 
B.⸗M. Kaufmann R. Köhn: Den Brief des Hercn Brüg— 
mann an Herrn Henk habe dieser der Bürgerschaft bekannt ge— 
geben, als es noch nicht Zeit dafür gewesen sei. Heren Brüg— 
manns Meinung, sei gewesen, Herr Henk sollte der Bürgerichaft 
den Brief mitteilen, wenn die Senafsvorlage abgelehnt worden 
jei. damit dem Musikverein keine Schwierigketten entständen. 
Sin solches Verhalten, des Herrn Brügmann üfse er als 
ochherzig bezeihnen. (Zuruf? Rein) VNuqh er bedaure, daß 
derr Senator Dr. Stooßs erklärt habe, daß das Konoerations⸗ 
aus in ollererster Linie für die Kurgäste sein sole. Nur 
wenn ein Maff nerkehr herangezogen werde, werde das Kon— 
verfationshaus bestehen können. 
Nunmehr folote, die Abstimmung, in welcher der Antrag 
A. Pape auf Verweisung der Senatsvorlage an eine Kommission 
Waeleßnt wunde und die Senatzvporlage in nament—⸗ 
scher 83 mit 54 gegen 38 Stimmen angenommen 
Erlaß eines Gesetzes betr. die Gesindes 
krankenkasse. 
Nach 8 440 der Reichsversicherungsordnung lann die Lan⸗ 
—DD diesem Gefetz 
versicherungsfrei sind, wenn für sie bei dessen Verkündung landes— 
rechtliche Fürsorge im Krankheitsfalle getroffen ist. Der Senat 
beabsichtigt, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen, da die 
Beibehaltung der seit nahezu 25 Jahren bestehenden Son⸗ 
oerversicherung der Dienstboten wegen der niedrigen Beitrãge 
und der ihren besonderen Verhältnissen angepaßten Leistungen 
m Interesse der Dienstboten liegt. Die den Dienstboten behufe 
oer Versicherungsfreiheit zu gewährende Fürsorge muß nach Um— 
fang und Dauer mindestens den Regelleistungen der Kranken⸗ 
kasse gleichwertig sein. Letzteres wird nicht nur durch den Senats⸗ 
antrag bewirkt, sondern Leistungen vorgesehen, die weit ũber 
die Reegelleistungen einer Krankenkasse hinausgehen. Es sollen 
eine Krankenunterstützung bis zu 39 Wochen (gesetzlich 26 
Wochen), eine Wöchnerinnenunterstützung, ein Stillgeld, statt 
dieses auf Antrag des Jugendamtes im Interesse der Säuglings 
fürsorge auch Milch usw., ein Hausgeld und ein Sterbegeld 
gewährt werden. Der Kassenbeitrag der Dienstboten wird von 
4 auf 9 M ääährlich erhöht, bleibt aber trotzdem noch bedeutend 
hinter dem zurück, falls die Dienstboten einer Landkranken— 
lasse angehören müßten. 
BeM. Sloff führt aus, daß dieses Gesetz nur die Ab— 
schrift eines schlechten Hamburger Gesetzes darstesle. Die Vor⸗ 
lage Jei viel zu späf an den Bürgerausschuß gelangt und 
sei daher ein ordnungsmähiges Abwidein der Geschäfte big 
zum J1. Januar unmöglich. Das sei bezeichnend dafür, mit 
velcher Gleichgültigkeit soiche Gesetze seitens des Senates be⸗ 
handelt würden. Man hältte erwarten soflen, daß die Re— 
gierung soviel soziglpolitisches Empfinden bewiesen hätte umd 
oͤberhaupi keinen Antrag auf Gründung einer Gesindekranfen 
sasse gestellt hätte, end alles Gesinde der Ortskranken 
kasse üherwiesen hätte. Aber der Senat habe bei Nichtan— 
nahme der Vorlage mit Gründung einer Landkrankenkasse ge- 
droht. Die Leistungen des Gesetzes seien bei der ersten Vor— 
lgge des Senates durchaus ungenügend gewesen. Auch eip 
Teil der —ãA— der Kowmsssion, sei leider vom Büͤrger⸗ 
zusschuß abgelehnt worden. So der Antrag, daß dem Gesinde 
in gewissen, vereinzelt vorkommenden, Fälien ein Recht auf 
Zranlengeld zustehe. Dem städtischen Gesinde, wolle man dies 
zicht gewähren, während das ländliche Gesinde durch seine 
Zugehorigkeit —* Ortskrankenkasse ein Recht auf Gewährung 
—A—— 
äxztiiche Verein davon abgeraten habe, dem erkrantten Gesinde 
in Recht, auf Gewährung von Krankengeid zu verleihen. 
Dieser Standpunkt des, arztlichen Vereins fei ihm ganz un 
versiändlich. Dieser stelle zurzeit selbstbei der Ortskranken 
asse weitergehende Forderungen und durfte vielleicht aus diefem 
Srunde die Gewährung von Krankengeld an das Gesinde ab⸗ 
lehnen, weil in anderem Falle für die Erfuüllung sciner egenen 
Forderungen kein Geld mehr übrig bleibe Er bitte die Bür 
erschaft, a bweichend vom Senatsantrag zu beschließen, daß die 
vesindekrantentase von einem Vorstand verwaltet werde, daß 
n ganz bestimmten Fällen dem Gesinde ein Krankengeld zu 
ewähren ist und daß, wenn ein Dienstbote nach auswärts zu 
gehen gezwungen ist, auch dann die Leñtungen der Kanse he— 
tehen bleiben. 
Ser cator, Dr. Neumann: Eine Reihe der Ausführungen 
es Herrn Vorredners sei bereits vom Bürgerausschuß in Be— 
Acksichtigung gezogen worden. Lediglich der einen Bestimmung 
jahe der Senat nicht heitreten fkönnen. Die sehr scharfe 
Zritik des Herrn Hoff erkläre sich wohl aus seiner prinzipietick 
Abneigung gegen eine Gesindekrankenkaffe als solche. Die 
Gründe dasür könnten ja sehr verschiedener Art sein und wolle 
er hierguf, nicht näher eingehen. Für die Behörde und den 
Senat, sei bei der Ausarbeitung der Vorlage der Eesicht punn 
maßgebend gewelen. eine mödlichst genaue Anlehnung an das 
A7 
Maximilian ließ sich hier ein Gartenhaus einrichten und in 
dem etwa eine Stunde entfernten Indianerdorf Acapantzingo 
eine kleine Villa bauen. Sie wurde nie vnslendet und liegt 
tetzt verlossen 
Mexiko, 2. September 1870. 
In Newyork lebte ich in den aufgeregten Tagen vom 
20. Juli bis 1. August immer auf der Straße und mit den 
Landsleuten; es litt niemanden zu Hause. Unter den Deutschen 
ind ganz famose Kerls. Alles gͤht von Patriotismus: mitten 
mn vollsten Nordamerika war es eine großartige deutsche Be⸗ 
vegung. Viermal täglich wurden die Telegramme ausgegeben. 
ie frisch von Europa herüberkamen. Was morgens am Rhein 
Moselh) vorging, wutzten wir schon am Nachmittag. Am 
. August schiffte ich mich ein, kam am 7. abends nach Habana, 
po ich sofort die Weißenburger Siege erfuhr. Am folgenden 
Tage kam die Nachricht von Wörth! Dan— ging es wieder 
in See; Am 13. Ankunft in Veracruz. Am 17. in Mexito. 
Auch hier gewaltiger Enthusiapmus der DTeuischen Unfere 
olonie, fast 200 Köpfe stark, schickt heute 25 000 Vesos an 
en Invalidenfonds nach Berlin. 
Aber hier — fehlen jetzt die Nachrichten. Zweimal im 
Maönat! Das ist in einem folchen Momen furchtbar. 
Und nun niuß meine gute, teure Mutter in ihrem hohen 
Alter noch einmal einen Krieg Deutschlands mit einem 
Bonaparte erleben. Da sich hoffentlich niemand in unsere 
Sache mischt, so werden wir sie wohl bald fiegcidh zu Ende 
ühren! 
Nach der bewegten Reise bin ich hier nun wieder ãußer⸗ 
ich ruhig eingerichtet. Am 26. d. M. habe ich mit * 
u finden, was sich bisher gut bewährt habe. Ein veunes Gesetz 
zabe geschaffen werden müssen, um den Anforderungen der 
keichsversicherurgsordnung zu entsprechen. 
B.M. Du. Meyer: Wenn Herr Boff erklärt habe, daß 
ie Aerzte das erwöhnte Gutachten abgegeben hätten, wei sie 
adurch ihr Honorar zu verbessern gedächten, so irre er sehr. 
die Aerzte hätten lediglich ihre in der Praxis gesammezien Er— 
ahrungen der Kommission mitgeteilt, dahingehend, daß die 
Hefahr bestehe, daß mit der Gewährung von Kraakenzelb an 
das Gefinde Misbrauch getrieben werden könne. 
B.⸗M. Hoff 6Gu 8 1). stellt solgenden Antraga; Die Ver— 
waltung der Kasse, wird einem aus vier Dienstherrschaften unð 
vier Dienstboten bestehenden Vorstand unter Leitung des Stadt— 
und Landamtes „übertragen. Der Vorstgnd wird, nach einer 
vom Stadt⸗ und Landamte zu erlassenden Wahlordnung gewählt. 
Senator Dr. Neumann: Eine besondere Vertretung für die 
Besindekrankenkasse sei durchaus nicht notwendig und zwechmäßig, 
veil es an den Funktionen, wie z. B. beim Vorstand der Orts- 
krankenkasse, feblen würde. Auch das hamburgüsche Gesetz kenne 
ꝛinen solchen Zustand nicht. Die Aufnahme dieser Bestimmung 
n das Gesetz würde es dem Senat unmöglich machen, den Be— 
chlüssen der, Bürgerschaft beizutreten. 
Wortführer, Dr. Görtz verliest hierauf eine vom arzt 
ichen Verein in Lübeck eingegangene Eingabe. in der dieser 
dem Senat empfiehlt, daß die Gesindekrankenkasse als beson— 
dere Krankenkasse bestehen bleibt. daß ein Krankengeld an das 
Hesinde grundsätzlich nicht gewährt wird. sondern dies stets 
inem besonderen Beschlusse vorbehalten bleibt und daß eine 
reiwillige Mitgliedschaft nach dem Scheiden aus dem Dienst- 
erhältnis nicht eingeführt wird. J 
B. M. Ho FF, führt. qus, daß die vom Senat angeführten 
Gründe die Ablehnung seines gestellten Antrages nicht recht⸗ 
ferligen könnten. 
B.M. Klęein tritt für den Antrag Hoff ein. Daß die 
Arbeitgeber und auch Arbeitnehmer einen Einfluß auf die Kasse 
jesitzen, sei jetzt völlig ausgeschlossen. Es sei richtiger, wenn 
iicht die Behörden, sondern die Arbeitgeber und nehmer die 
Berantwortung für die zu gewährenden Leissungen des Gesetzes 
bernehmen. Er glaube nicht. daß der Senal deswegen den 
Beschlässen der Buͤrgerschaft nicht beitreten werde. 
Der Antrag des Herrn Hoff wurde hierauf abgelehnt. 
B.-M. Hoff beantragt, dem 3 Aps. 1. Punkt c fol- 
zende Fassung zu geben: Die Gesindekrankenkasse gewährt an 
Zrankenunterstüßung vom Beginn der Krankheit ab, wenn die 
Zienstherrschaft das Verbleiben des erkrankten Dienstboten in 
hrer Wohnung nicht gestattet, und wenn Kur und Verpflegung 
m städtischen Krankenhause oder in einem Genesungsheim vom 
zhandelnden Arzt nicht für erforderlich erachtet wird, oder ohne 
Verschulden der Kasse, und einem Versicherten nicht gewährt 
verden fann, freie ärztliche Behandlung und freie Arznei sowie 
n Antrag ein Kraänkengeld aän Höhe eines halben Oris 
ohnes. 
B.M. Hoff bittet. in den in seinem Antrag qufge— 
ührten Fällen dem Gesinde ein Recht auf Krankengeld zu— 
ugestehen, denn in der Fassung des Senates werde die Ge— 
vährunge seines solchen von dem betreffenden Beamten ab— 
hängig sein. 
Senator Dr. Neumann: Der Senat habe sich bei seiner 
Fassung auf den Standpunkt des ärztlichen Vereins gestesst 
ßon dem betreffenden Beamten hänge, es nicht ausschließlich 
ib, 26b ein Krankengeld zu gewähren sei, fondern es bleibe 
dem Erkrankten noch das Beschwerderecht an das Stadt- und 
dandamt und an den Senat. Die Rechte der Verficherten 
eien vollständig gewahrt. 
BeM. Hooff bittet nochmals, seinem Antrage zuzustimmen, 
worauf der Antrag Hoff zur Annahme gelaäangte. 
Zu 8 3 Abs. 8 hat der Bürgerausschutz einen Abanderungs⸗ 
antrag gestellt, dem der Senat nicht beigetreten ist. 
. BeM. Hoff bittet. der Faffsung des Senates die Zu— 
timmung zu geben. da fie klarer und auch für die Dienstboten 
vohl etwas günstiger sei. Er beantrage aber, im Saß 83 die 
Worte „die zur Zeit der Erkrankung auferhalb des Kossen— 
zezirks wohnen“, zu streichen. 
Senator Dr. Neumann bittet, den Antrag abzulehnen 
Venn die Dienstboten während ihrer Krankhest weder im 
sause der Dienstherrschaft noch bei den Ellern bleiben können 
o trete die Krankenhausbehandlung ein. Es könne nicht an— 
ehen. daß sie dann nach außerhalb gingen und dort der 
deistungen der Hasse teilhaftig werden. die nur für dos lübeckiche 
ztaatsgebiet bestimmt seien. 
BeM. Dr. Ziehl bittet ebenfalls, den Antrag Hoff 
————— 
efindlichen Kranken die größten Schwierigkeiten, da auch bei 
eser jegliche Kontrolle, wie Krankenbesuche uswe nicht durchzu 
ühren sei. Schon aus diesem Erunde sei der Antrag un⸗ 
mnehmbar. 
Der Antrag Hoff wurde hierauf abgelehnt und der 83 
Abs. 3 in der Fosung des Senates angenommen. 
BemM, Soff Gus 6) stelst den Antrag. den Satz voraus— 
bezahlte Beiträge werden nicht zurnderftantete zu sireichen und 
afür folgenden Satz einzuschalten: .Vorausbegahlte Beitrage 
verden freiwilligen Mitgliedern. falls sie auf Grund anderer 
ersicherungspflichtiger Beschäftigung aus der Kafse aussche ven 
anteilmãßig zurüderstattet.“ 
Dieser Antrag gelangte zur Annahme. 
Hierauf wurde die Senatsvorlage mit den beschlossenen 
Abänderungen in erster Lesung endgüstig angenommen. 
(Schluß folat. 
7 2 
Aus den argebieten. 
Großherzogtum Oldenburg und Fürstentum Lübed. 
. Schwarxtau, 13. Nop. Verkaufe. gofbesitzer 
humann verkaufte seinen Hof Neu⸗Ruppersdorf an argensen. 
ßamburg. — Frau Brunn verkaufte ihre Villa— Schillerstr. 5, 
in Kaufmann Arnecke, Hamburg. — vas Wohnhaus Schmer⸗ 
trate 1 des verstorbenen Fräuleins Burchhardt würde an“86 
. Minden, Schwartau, für 16500 MN vertauf 8 
sßartenbauperein wurden 10.. Pom Verbandsvoritand 
berwiesene Obstbhäume an die Mitgüeder derloft. Sodam 
vurden verschiedene Obstbaumschädlinge gezeigtenud ihre Be— 
ämpfung erläutert. Um den besten Ungeziefervertilgern, den 
Höhblenhrüfern qausreichende Moßnnelegenheit npiee but— 
— 
die Ratisikationen ausgewechselt und von ihm protokollarisch 
die Deklarationen bekommen. die der Bundesrat des Joll— 
yereins (resp. Zollporlament) verlanagt. 
3. März 1871. 
Ich möchte den ganzen Ozean vergiften! Während in 
Europa die größten Dinge vorgehen, während Deutschland sich 
noch jahrhundertelanger Zerrissenheit zu neuem Glanz erhebt, 
itzt man hier. Allerdings haben wir schon seit 14 Tagen 
chönsten Sommer, alle Bäume sind grün. Das ist aber auch 
der einzige Trost. Dazu macht sich jetzt schon die Agitation 
ür die Präsidentenwahl bemerlbar. Das Scherzhafteste ist 
daß meine beiden Freunde Juarez und Lerdo sich dieserhalb 
zefeinden. Letzterer will seinen Meister aus dem Sattel heben; 
der denkt aber gar nicht daran, sich das gefallen zu lassen, 
und es ist nicht unmöglich, daß er den Vräsidemenstuhl zum 
itftennnl Bettäünt 
Berlin, 5. Mai 1871. 
Hier kommt mir alles wie verjüngt vor. Welch glor— 
reicher Aufstieg in der kurzen Zeit vom Juli vorigen Jahres, 
wo ich die Küste des Norddeutschen Bundes verließ, um jetzt 
ein geeintes Deutschland wiederzufinden! 
Mittwoch speiste ich bei Bismarck. Es war ein Genuß, 
einen Erzählungen und Apercus zu folgen, und als er nach 
Tisch mit mir in seinem Zimmer saß und die plitische 
Zituation stizzierte, war es wieder fabelhaft interessant, in 
iese geniale Maschine hineinzublicen. Wenn andere bei 
aiplomatischen Schachzügen die verschiedenen Möglichkeiten mit 
hren Folgen ins Auge fassen und deren ein Dattzend aus— 
lũgeln. hat seine Zerebralzentrale schon mindestens doppelt se 
niele durchflogen. 
»er Bedarf an Nistkästen festgestellt. Baumfchulenbesitzer 
Welchert, Gr.Parin, hielt einen Vortrag über Aufbewghrung 
ves Obstes. Im Dezember wird über Gemüsebau in Privat— 
usten. und im Januar über „Samen und Säen“ Vortrag ge—⸗ 
Q2Niendorf, 13. Nov. Vortrag. Vor vpöllig be— 
etztem Saale in Johannsens Hotel fand der Vortrag des 
Seneralsekretärs Läc. Bräunlich, Halle, Dienstag abend statt. 
Seine sehr interessanten Ausführungen über die „persönlichen 
krinnerungen aus der evangelischen Bewegung in Oesterreich““ 
wurden mit großem Beifall aufgenommen. Ein sich an— 
scchließender Lichtbildervortrag über Dr. Martin Luthers Leben 
var ebenso fesselnd als lehrreich; unter Klavierbegleitung des 
Pastors Roennicke wurde von allen Anwesenden das Lutherlied 
„Ein feste Burg“ gesungen; außerdem brachte der Ratekauer 
Kirchenchor noch vier Lieder, à cappella vorgetragen, zu Gehör. 
15 Personen traten dem Evangelischen Bund noch wieder als 
Mitglieder bei. — Torpedoboote. SHell erleuchtet lagen 
oier Torpedoboote während der Nacht dicht vor Niendorf vor 
Anker. Bis spät abends ließen sie die Scheinwerfer spielen. 
— Verkauf. Villa Ozeana, bisher Pension, ging in den 
Besitz des Kirchenheims St. Johann über. 
Großkherzogtũmer Medlenbura. 
⸗Rehna, 13. Nopb. Der Bund der Sandwerker, 
Ortsgruppe Rehna, bestimmte Schmiedemeister Japp zum 
Obmann und beschloß, an dem Sonntag in Schwerin statt⸗ 
findenden mecklenburgischen Handwerkertag teilzunehmen. — 
Eine Elektrizitätsgesellschaft hat sich im Dorfe 
Gletzow gebildet. 
Aermischtes. 
Kleine Tagesereignisse. W. In einem Casé n e . - 
straße in Berlin wurde von der Schönebergen Kritinal⸗ 
polizei eine Buchmacher-Zentrale ausgehoben. Es 
vurden nicht weniger als 30 Buchmacher und Buchmacherinnen 
— 
gegenstände wurden beschlagnahmt. — LaA. Auf einem der Ge⸗ 
werlseeckt „Deutscher Kgiser“ gehörigen Schacht der Ge— 
werkichaft Rhein“ bei Duisburg wurden bei Arbzuen vor 
Irt infolge eines zu früh losgelassenen Sprengschus'es drei 
Bergleute gqguf der Stelle getötet. Zwei erlitten ens— 
gefährliche Verlezungen. — LMa. Die V ergiftungsg?f äre 
in Westenseld (Westf.) nimmt einen immer größeren Umsang 
an. Tienstag früh starb auch die Z30jährige Tochter des Ehe— 
paares Mullser, so daß drei Personen bis jetzt tot Ind. Vier 
Erkrankte liegen noch lebensgefährlich darnieder. Ob wirklich 
Schierlingverguftung vorliegt, ist jetzt zweifelhaft geworden in⸗ 
)essen ist die Untersuchung noch nicht abgeschlossen. — V7T. Vor 
etwa drei, Wochen wurde in Merzig hei Trier der Bauunder- 
tehmer Weygold tot im Bett aufgefunden. Da deine Ver— 
nögensverhällnisse sehr zerrüttet waren, nahm man, Selbst— 
nord anu. Jetzt hat man seine Frau unter dem deingenden 
Verdacht, hren Mann vergiftet zu haben, verhastet. Zu 
zleicher Zeit wurde in einem Hotel in Merzig ein Mann ver— 
jaftet, der seinerzeit viel in der Familie Weygold vweclehrte. 
— DT. In Griesheim wurde in der Nacht zum Dienstag ein 
Verbrechen verübt, bei dem durch einen glücklichen Zusall ein 
Mordeverhindert wurde. Ein Einbrecher draug nachts 
1 Uhr in die Wohnung einer Witwe, stahl aus der Nüche ein 
Jahrrad, öifnete die Gashähne und legte Feuer an. Durch 
en Gasgerud; wurden die Hausbewohner aufmerkfam, die in 
ie Wohnung drongen, die Bewohnerin wedtten und so grötzeres 
Anheil verhüteten. Das gestohlene Fahrrad, fand man, durch 
hinterlassene Spuren aufmerksam gemacht, bei dem im Neben— 
hause wohnenden Fuhrmann Federl. Er wurde verhattet. 
O. K. Das Schwein der Polgire. Die bekannte Tänzerin 
und Schauspielerin Polaire hat die neue West mit den Gaben 
hrer Kunst beglückt, und dabei wurde natürlich die Reklame— 
rommel kräftig gerührt. Noch auf dem Schiff, bevor man in 
Newyork landete, wollte sie ihr Manager dazu bestimmen, den 
Boden Amerikas mit ceirem juwelengeschmüften Schweinchen im 
Arm zu betreten. Diese Sensationsnachricht hatte er auch 
hereits in die Blätter gebracht. Wie, die Comödia erzählt, 
hekam denn auch die Polaire noch auf hoher See ein draht'oses 
Telegramm von einem Reporter mit der lakonischen Anfrage: 
„Wie geht es Ihrem Schwein?“ Schnell gefaßt telegraphierte 
ie zurück: „All right. Dem Schwein geht es vortrefflich.“ 
Aber einige Stunden später zog sie sich dann geschickt aus der 
Uffäre, indem sie ein neues Telegramm absandte: „Schwein 
ben ins Meer gefallen.“ So ersparte sie sich die schwere Ver— 
oflichtung, die ihr ihr Impresario auferlegt hatte. 
PO. Nachklänge zum Prozeß Beilis. Die Ver— 
teidiger des freigesprochenen Beilis haben, wie aus Kiew 
zemeldet wird, zahlreiche Glüdwunschtelegramme erhalten. Be— 
onders interessant ist das Telegramm der Englischen Kultur— 
liga in London, zu deren Mitgliedern die Hervorragendsten 
auf allen geistigen Gebieten gehören und an deren Spitze mehrere 
hohe geistliche Würdenträger stehen. In dem Telegramm wer— 
den die Verteidiger Beilis zu ihrem großen Erfolge beglüd— 
vünscht und das Verdikt der Geschworenen als ein leuchtendes 
Zeichen des hohen Gerechtigkeitssinnes des russischen Volkes 
gepriesen. Zahlreiche höhere Advokaten in Raris und London 
haben gleichfalls an ihre Kiewer Kollegen Glückwunschtelegramme 
gesandt. Beilis selbst ist von der langen Haft, die zwei Jahre 
dauerte, aufs äuherste erschöpft und muß das Bett hüten. 
Sobald es sein Zustand erlaubt, wird er mit seiner Familie 
Kiew verlassen. Die Angebote zahlreicher Impre'arii, öffent⸗ 
lich aufzutreten, hat Beilis auf das entschiedenste abgelehnt. 
ß — —— 
Abends erschien unter anderen Richard Wagner. Die 
Vielseitigkeit des großen „Otto“ zeigte sich auch bei dieser 
Gelegenheit in glänzendem Licht, denn die Unterhaltung 
zwischen den beiden so verschiedenen Heroen langte, nachdem 
sie sich anfangs nicht recht zu finden schienen, schließlich auf 
dem Punkte an. wo Bismard in einem geistreichen Vortrag 
dem Meister der Töne die eigentlichen Ziele und Wwede der 
Musik auseinandersetzte. 
Du meintest einmal, ich sei in der Bismardschen Tafel— 
runde als Causeur am Platz. Die Sache liegt doch etwas 
uinders: wenn ich bei ihm bin, knöpfe ich beide Ohren ge⸗ 
waltig auf und — höre zu! 
Gestern Diner bei Keudell mit Patow und Präsident 
Simfon. Heute 33 Uhr gostronomisches Fest bei Raczinski und 
ann zu Kronprinzens. Sonntag bei Bancroft. Morgen 
Diner mit Kapp und Baͤmberger bei Kusserow. 
Mein Nacfolger in Mexiko soll ein sechzigiähriger Graf 
Enzenberg werden. Ich bin recht zufrieden, daß ich nicht 
mehr unter den dortigen Palmen zu wandeln brauche. 
Der ebenso lustige wie gescheite Ludwig Arco wird als 
erster deutscher Reichslegationssekretär mich nach Washington be— 
Neiten, was mir große Freude macht. Und dann muß ich 
eben abwarten, ob ich dauernd in Amerika bleiben soll, oder 
ob mir eines schönen Tages wieder Europa blüht, und do— 
ducch die alte Welt für mich zu einer neuen wird 
— — —
	        
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