Full text: Lübeckische Anzeigen 1913 (1913)

Ankunft in der algerischen Hafenstadt Oran, dem Sitze des 
durch seine grausamen Urteile berüchtigten Kriegsgecichts, geht 
es in das Innere Nordafrikas, nach den größten Granifun⸗ 
orten Sidi bel Abbés oder Saĩda oder einem anderen. Die 
dortigen Kasernen machen äußerlich keinen unangenehmen Ein⸗ 
rner sie sind eine wahre Brutstätte von, Tod, und 
Hollenaualen, Tausende der Insassen sind von Verʒweiflung 
id Lebenenberdruß erfulit. Die Fremdenlegion besteut au⸗ 
2Regimentern mit 26 Kompagnien. Der Bestand Ichwank! 
wifchen eiwa 812 000 Mann. Im französischen Militär— 
lat sindet sig sich nicht, sie untersteht dem Kolonialministetium 
Ind die AuFaben werden vollkommen verschleiert bestritten, 
ein Frantreich seiner Legion sich selber schüme. Undb 
Asen Grunde han es dazu. Tausende von Männer werden 
dort in Fefseln des Zwangs gehalten, in dem Sõöldnerheer, 
das sich nur dem Namen nach von Sklaverei unterscheidet, das 
einen bedenttichen Rückschlag in alte Barbarei bedeutet. Wohl 
schätzt Franlreich die guten und billigen Soldaten der Fremden 
legion, die die Schöpferin ihres gesamten Kolonialbesitzes isl 
und deren Eingehen einen schweren Verlust für Frankreich 
bringen würde. Darum geht es sogar mit dem Gedanten 
um, die beiden Regimenter noch um ein weiteres zu ver— 
mehren. Der Redner zeigte in Lichtbildern die Ecerzier plaãtze 
der Legion und den kleinen Friedhof dieser Heimatlosen, auf 
dem Tausende einfacher, schwarzer Grabkreuze stehen. Tausende 
andere aber liegen auch in den Sumpfen und Gräben, im 
heißen afrikanischen Sande gebettet. Der Vortragende ging 
bann auf die Marokkowirren ein, schilderte, wie Frankreich 
die Fremdenlegion benutzt, um fein angebliches Protektocal 
über Marokko durch eine gewaltsame Eroberung dieses Landes 
zu ersetzen. Fur die fortgesetzten Kämpfe mit den istigen, ver⸗ 
schlagenen, gransamen Eingeborenen sind ihm jeine eigenen 
französischen Truppen zu wertvoll. Die Fremdenlegion wurde im 
Jahre 1831 errichte.. Hunderttaufende haben seit dieser Zeiit 
ihr Blut sür Frantreichs Ruhm vergossen, Tausende haben Hand 
an sich gelegt, Tausende sind den Strapazen zum Oufer ge⸗ 
fallen. Von 4500 Legionären, die gegen die Spanier lämpften 
kehrten nur 500 zurück. Nach einer französischen Stautil 
betragen die Verluste der Legion 80 90. Von 100 Mäͤnnern, 
die hinausgehen, ehen nur 20 ihre Seimat wieder, 16 daoon 
jind körperlich und seelisch zum Krüppel geworden. Denn die 
Fremdenlegionäre beweisen im Kriege stets Heldenmut und 
find immer das Kanonenfutter für Frankreich gewesen. Auf 
den kolossalen Marschleistungen, die keine Nation der Erde 
hren Soldaten zumuten dürfte, beruhen die Erfolge der 
Fremdenlegion, und ganz grenzenlos brutal ist die Ausb 
nutzung der Nervenkraft eines jeden einzelnen im heihßen Sande 
der Wüste. „Marschier oder verreck“, das ist die Losung für 
den Legionär. Bliebt er auch nur einen halben Kilometer zu— 
rück, ist ihm der Tod durch Ermattung, Durst und Hungetr, 
durch Hgänen oder Bestien in Menschengestalt, durch Araber 
oder Araberwelber, die ihn entsetzlich verstümmeln, gewiß. 
Der plötzlich starke Temperaturwechsel während der Nacht, 
die furchibaren Strapazen und Entbehrungen, die Sehnducht 
nach der Heimat verursachen bei den meisten Legionären einen 
Zustand liefster feelischer Depression, der zu Selbstyecstümme- 
lungen, Fhichtversuchen und Gewalttaten in einem Anfall von 
Tropenloller sührt. Das Irrenhaus, das Zuchthaus oder 
der Tod ist in den meisten Fällen die traurige Folge. Die 
Fremdenlegion stellt eine wahre Musterkarte der verschieden⸗ 
jsten Nationen dar, doch fast 60 660 aller Legionäre 
sind Deutsche. 2000 bis 3000 Deuische gehen alljähr 
lich zur Fremdenlegion, 150 000 Deutfsche sind ihr 
m Lause der Jahre zum Opfer gefallen. Das letzte Jahr⸗ 
ehnt hat in der Fremdenlegion mehr Opfer als der Krieg 
don 1870/71 gesordert. Leider gehen so viele Deutsche hin, um 
sich dem deutschen Heeresdienst zu entziehen. Sie alle wissen 
richt, daß sie vom Regen in die Traufe kommen, daß der deutsche 
zeeresdienst ein Kinderspiel ist gegen die Fremdenlegion. Neben 
en vielen Tüchtigen und Vornehmen findet man gemeine Ver⸗ 
orecher aller Länder, Mörder und Räuber, Gauner und Schurken, 
Unerkannt leben sie nebeneinander, teilen miteinander aͤlle Laster, 
Leiden und Greuel der Legion. Weit im Süden, in den nörd⸗ 
cichen Teilen der Sahara, liegen die vorgeschobensten Posten 
der franzofischen Kolonialmacht. Fern von aller Kultur, 
chmachten hier Hunderte von Deutschen in den Straflompagnien 
der Legion. In gar keinem Verhältnis zu dem Vergehen sind 
die grausamen Strafen der Legion. In unmenschlicher Sklaven⸗ 
arbeit werden sie hier dazu verwandt, der franzöfischen Republik 
inmer weitere Gebiete zu erschließen. Alle verhängten Strafen 
müssen überdies nachgedient werden, und so weiß Frankreich die 
sjährige Dienstzeit künstlich oft um mehrere Jahre zu verlängern. 
Bei einem Tagessold von 4 Pfg. muß der Legionssoldat von 
früh bis spät den denkbar angestrengtesten Dienst verrichten, 
und ist dabei einer eisernen Dihsfziplin unterworfen. Nur wer 
15 Jahre Dienst getan hat, hat Anspruch auf eine jährliche 
Pension von 400 M, die ihm Frankreich auch noch möoglichst 
zu entziehen versucht. Dabei ist der ausgediente Fremdenlegionär 
n Ftankreich verachtet; auch des dienenden Soldaten gesell⸗ 
chaftlicher Verkehr beschränkt sich auf die Spelunken in den be— 
rũchtigsten Stadtvierteln. So beherrscht bald alle, denen jahre— 
ang nichts Schneres als die Fremdenlegion vorgeschwebt, allmäh—⸗ 
fich nur noch der Gedanke an Flucht. Kein Tag vergeht, 
an dem nicht ein Fluchtversuch unternommen wird, fast keinen 
Fremdenlegionãr gibt es, der nicht einen vdolchen vollführt hat. 
Und doch gelingt von hundert Fluchtversuchen immer nur einer. 
dat furchtbare Schichsal der unglücklichen Opfer der Legion 
kleldete der Vortragende zum Schluß in die ergreifenden Dichter⸗ 
worte: „Auf Algiers glühendem Sande liegt sterbend ein Sol⸗ 
dat. — Der denkt der deutschen Heimat und seiner Vaterstadt. — 
Er denkt der Kinderzeiten, der Brüder übermm Meer, Wie 
er an Mutters Seiten so gern begraben wär. — Er benkt, wie 
er so ferne, so glũckeslos verdirbt, — Er denkt, wie er so gerne 
noch leben blieb — nmd suirbtDer Riebner sorderte 
zierauf alle nationalen Verbände und Vereine auf, mit aller 
Tatkraft den Kampf gegen die Fremdenlegion aufzunehmen 
da der schlechteste Deutsche noch viel zu gut für die — 
n ird verlieren wir unendlich viel blühende Volkskraft, 
ꝓp de eredeceie und Soldaten an die Fremdenlegion. Auch 
—5 I möge das ihre dazu beitragen, daß ihre Söhne 
dane oyn eines fremden Landes werden, daß der 
5 gestärkt und das Vaterland geschwächt wird, sondern 
sches Blut dem deutschen V 
aterlande geweiht werde. Starker 
anganhaltender Beifall folgte diesen AusführungenHert 
Direltor Prof. Dr. Reuter gab der Hoffnung Ausdruch, daß 
die Worte des Redners in aller Herzen einen dauemnven Wid 
»all finden möchten und jeder einzelne dazu bei — 
— eitragen möge, den 
Kampf gegen die Fremdenlegion wirksam zu gestalten. Mi 
»em Gesange „Deutschland, Deutschland über alles“ der don 
dielen Hunderten gesungen, machtvoll den Saal —E 
jand die interessante Veranstaltung ihren Abschluß. 
Tagesbericht. 
—E Lubed, 29. Oltober. 
der dänische Verkehrsminister Hassing⸗-Jörgensen 
für die Fehmarnroute. 
Nachdem hereits kürzlich der bisherige dänische Veclehrs 
ninister und jetzige Reichstagsabgeordnete Larsen im Ver— 
in mit einer ganzen Reihe von anderen dänischen Ahgeordneten 
ich im Reichslage mit Entschiedenheit für die Fehmacntoute 
usgefprochen hatte, hat nun auch der jetzige dänische Ver⸗ 
ehrsnünister mit erfreulicher Teutlichkeit Stellung zu dieser 
Frage genommen. Nach einer Witteilung des Fehmarnbahn- 
bomitees führte der Minister zu diefer Frage laut offisiellem 
neichstagsprotokoll wörtlich das folgende aus: 
Die darlegungen, die der geehrte Abgeordnete Mielsen) 
ber die Rodbi —Fehinarnlinie gemacht hat, liefern den Be— 
veis, daß der Abgeordnete die Dinge wirklich großzügig be— 
tachtet. In der Kie —Korssßrroute können wir, wohl 
uͤle, abgeschen von dem Abgeordneten für Slagelse, keine 
rauchbate Sinie für unsere Berbinduung mit 
Westdeutchland erbliden. Wenn ich, deren Aufhebung 
m jetzigen Zeitpuntt noch nicht zustimmen kann, so riegt dies 
dram daß wir aus postalischen oder Verkehrsrüdsichten die 
Anie solange nicht entbehren können, als wir die Rödbo—e 
Fie banarnbinge nicht. durchgefübrt haben. Bezüglich dieser 
Linie stehles fest. daß sie nicht nur in Deutschland und —R 
nark sendern auch in Norwegen und Schweden miner mehr 
Unhänger gewinnn. Wenn die dänische Regierung bisher, nicht 
n der Vage war, zu dieser Frage offiziell Stellung zu nehmen, 
und wenn der Finanzminister in, seiner Finanzgesetztede sogot 
eine gewisse Zurückhalfung in dieser Frage, als erfocdectih be⸗ 
eichnet hal, in dies begreiflich. Es hat seinen Grund darin, 
aß die Regierunghes nicht für nötig ansehen kann, bei den 
Inhangern dieser Route andere Soffnungen zu erweden, als 
diche, die sie jederzeit zu erfüllen imstande wäre. Dem stehen 
bet noch urzeit wesentliche Schwiexrirgkeiten entgegen, 
kinmal ist die Sache von, deutscher Seile noch lange nicht 
pruchreif. Trotz großer und bedeutungsvoller Anhängerichaft 
ildel zurzeit die von der deutschen Eisenbahnoerwal— 
ung vertretene Auffaffung ein Hindernis, das von dänischer 
eite refpeltiert werden muß. Erst, wenn es den Freunden 
»er Linie in Deutschland gelungen sein wird, bei den ver— 
intworfüchen deutschen Behörden Verständnis für den Plan 
u gewinnen, wird für uns die Zeit da sein, Klarheit darüber 
u schaffen, ob wir in der Lage sind, die Mitarbeit zu leisten. 
zie Deutschland zur, Bedingung machen fönnte. Was die zwerre 
efentiiche Schwierigkeit, nämlich die Lösung der sin anzielren 
frage betrifft. so habe ich mich gerade deshalb der Ausfülp 
ungen des geehrten Abgeordneten für den Landkreis Horsens 
Nielsen) über die Rödby—Fehmarnlinie gefreut, weil ich in 
iesen Ansführungen die heste Vorbedingung für, eine Ver- 
tändigung über die Aufstellung eines zweckmäßigen Fi— 
ianzplanes für die Gestaltung unseres Tisenbahnwesens 
rblide. Ar Hand eines solchen Finanzplanes werden wir in 
ie Lage kommen, uns die Mittel, zu verschaffen, die für die 
Awciserung und Verbesserung unserer in⸗ und auständischen 
Hauptlinien sfür erforderlich anzusehen sind und war in der 
neihenfolge, in der wir über die zweckmäßige und wictschaft— 
iche Notwendigkeit zu einer Verständigung gelangen können.“ 
Gegenuũber einer fso klaren Stellungnahme des dänischen 
Lerkehrsministers zur Frage der Fehmarnroute, die sich mit 
»er Stimmung der Mehrheit im Reichstage und »n den wirt— 
hastlichen Korporationen des Landes durchaus dedt, wäre es 
ringent, wünschenswert, wenn der preußische Eisenb ahnminister 
einen bisherigen, stark fiskalisch, bedingten Standpunkt recht 
id, verlassen wollte. Die Hansestädte und die westdeutschen 
andelskammern wissen die enormen, wirtschaftlichen Vorteile 
hreweh! zu würdigen, die eine Abkürzung des deutigen 
eistioeges Hamburg Kopenhagen von 912 auf 8 Skunden 
rür den Reiseverkehr des Westens mit den drei ATandinavischen 
Ländern zur Folge haben muß. 
Masnedfundbrücke und Fehmarnroute. 
Das dänische Grosserer-Societets Komite (d. i. die Kopen⸗ 
zagener Korporation der Kaufmannschaft) hat zur Masned- 
undbrücke und Fehmarnroute laut Mitteilung der Zeitung Börsen 
im 23. d. M. folgende sehr bedeutsame Resolution mit Ein— 
timmigleit beschlossen, die inzwischen der dänischen Regierung 
ind dem dänischen Reichstage zugestellt worden ist: 
„Schon im Jahre 1905 hat die Kaufmannschaft im Verein 
nit der Industrie und dem Handwerk in einer eindringlichen 
kingabe an die gesetzgebenden Gewalten den alsbaldigen Bai 
iner Eisenbahnbrücke von Masnedö nach Orehoved gefordert 
diese Eingabe hat im Jahre 1906 die volle Billigung der 
Ȋnischen Staatsbahnverwaltung gesunden. Im Jahre 1906 
st alsdann diese Forderung im Verein mit der Kaufmann— 
chaft Jütlands und Fünens mit verstärktem Nachdruck wiederhol: 
vorden. Diese Vorgänge lassen es ohne weiteres nur als na— 
rlich erscheinen, daß das Komitee jetzt Gelegenheit nimmt, 
»en gesetzgebenden Gewalten dringlichst ans Herz zu legen, 
velche wichtigen Verkehrsinteressen dafür sprechen, daß jetzt 
ndlich in der laufenden Reichstagssession eine feste Brüden— 
»erbindung zwischen Masnedö und Falster geschaffen wird. Hier— 
urch wird diese Route einmal die Bestimmung erfüllen, die 
hr als der natürlichen Verkehrslinie des Landes mit dem Sũden 
bliegen. Zu gleicher Zeit wird aber auch dadurch ein wich— 
iger Schritt getan werden zur Vorbereitung der für unseren 
sesamten Handel mit Westeuropa so bedeutungsvollen und not 
dendigen RödbyFehmarn-Route. Wenn man an ihrer Stelle 
nit peluniären Opfern die teure und umständliche Fährenfahr! 
wischen Masnedö und Orehoved fortsetzen und erweitern wollte, 
so würde das Land Gefahr laufen, daß der Weltverkehr au? 
vie konkurrierenden Routen um Dänemark herum geleitet werde.“ 
Diese khare Stellungnahme des Kopenhagener Großhandele 
ugunsten der Erbauung der Masnedsundbrücde — zugleich als 
ines wichtigen Gliedes der künftigen Fehmarnlinie — dedt sich 
vurchaus mit der Stellungnahme der amtlichen Handelsver— 
tretungen des deutschen Westens, von denen heute schon 27 
Handelskammern dem deutschen Fehmarnbahnkomitee angehören. 
Der Burgerausschußß lehnte in seiner heutigen Sitzung 
den Ankauf des Grundstückes Neustraße 3 und Kurcrgarten— 
traße 124 in Travemünde, das zur Aufnahme der Geschäfts⸗ 
äume der Behörde für Travemünde dienen sollte, ab; er 
mpfahl den Senatsantrag auf Herstellung einer hesseren Fähc— 
erbindung nach dem Priwall zur Mitgenehmigung der Bürger 
chaft und genehmigte die Verwendung der bereits in das 
Zudget eingesteilten 80000 Meufür die Herstellung des elektri— 
chen Betriebes für die Herrenbrücke. An Kommissionen ver—⸗ 
viesen wurden die Senatsanträge betr. Genehmigung eines 
gertrages mit der Lübed-Büchener Eisenbahngesellschaft über 
»en zweigleisigen Ausbau der Travemünder Eisenbahn, die Be—⸗ 
neitstellung won Mitteln für die Erhaltung von Alleebäumen 
ind Versetzung der Stellen der technischen Sekretäre der Bau⸗ 
deputation in die Klasse X des Beamtenbesoldungsetats. 
drk. Vortragsabend Robert Nhil. Am gestrigen Abend las 
»er bekannte Hamburger Kunstler, der den Lübeckern ja kein 
Fremder ist, im Logensaale (St. Amnenstraße) klassische und 
noderne Dichtungen. Es geht mit derartigen Vorträgen von 
z„chauspielern ähnlich, wie den Gesangsvorträgen der Bühnen⸗ 
änger im Konzertsaale. Sie stehen fast immer unter der 
zenrmung, daß der Vortragende die große Hälfte seiner Kunst 
»as Mimische und körperhaft Darstellerische bis auf einen 
winzigen Teil eindämmen muß und daß dadurch seine wirkende 
Kraft gelähmt wird. Abgesehen davon, daß ja jieder gute 
Bühnenkünstler sprechen können muß, benötigt der Vor⸗ 
—EV 
eiten als der Bühnenkünstler, der mehr in die Ferne wirkt und 
das gesprochene Wort durch sein Spiel unterstützt. So blieb 
ruch die Wirkungskraft Robert Nhils, des Vortrasskünstlers, 
zinter der Kraft Robert Nhils, des Darstellers und Gestal⸗ 
ers, ein gut Teil zurück. Von sehr starker Wirkung, weil 
m Material dramatisch differenzierter, waren eigentlich nur die 
Zzene der Sorge aus „Fault II“ und die „seltsame Geschichte“ 
von Bang „Du sollst dich meiner erinnern“, z. T. auch Strind⸗ 
ergs „Das wilde Tier“, namentlich in der feinpointierten 
Zprechschilderung des Claudius. Nhil arbeitet, das merkt man 
Aielfach, sehr stark mit dem Intellekt, wägt fein ab, so daß 
hm feine psychologische Charakterisierungen, wie eben die 
Zangsche Skizze, am besten gelingen. Die Geibelschen und 
zeineschen Gedichte hoben sich nicht über das Niveau eines 
lecht hübschen Vortrages, unbefriedigt ließen die Zueignung 
i,Faust“) und Schillers Ideale. Der zweite Teil der Vor⸗ 
räge war humoristischen Dingen gewidmet und wirkte wohl 
nehr durch den Inhalt als durch den Vortrag. Recht gut war 
jier nur Thomas „Begräbnis“, gänzlich im Ton vergriffen 
Meyrinks „Tausendfüßler“. Der Gesamteindruck stand jedoch 
o sehr unter der Kraft der vorhergegangenen starken Wir— 
tungen, daß man befriedigt in den lebhaften Beifall der recht 
ahlreich Erschienenen, der den Künstler zu einer Zugabe bewog, 
instimmen konnte. 
Z Pferdetrausport über See. Mit dem Hamburger Dampfeit 
Ludwig“, Kapt. Mißfeldt, sind 14 russische Pferde für Rechnumg 
»es Herrn G. Schröder von Libau angekommen und am Schuppen 
Nr. 13 gelandet worden, nachdem zuvor die tierärztliche Be 
ichtigung an Bord stattgefunden hatte. 
Neueste Nachrichten und Telegramme 
der A. und E, I J 
Aerzte unid Kraukenkassen in Berlin. 
W. Berlin, 29. Okt. Während sich die deutiche Aerzteschaft 
jum Kampfe gegen die Krankenkassenverbände rüstet, ist es 
n der Reichshauptstadt nach langen und schwierigen Verhand- 
lsungen unter ständiger Vermittelung des Oberversicherungs⸗ 
imtes zu einem friedlichen Vergleich zwischen den großen Berliner 
trankenkassen und dem Berlier Zentralverband der Vereinig— 
ten Kassenärzte gekommen. Damit ist aber der Friede durchaus 
icht auf der ganzen Linie geschlossen worden. Durch einen 
zestern erzielten Ausgleichsbeschluß wird der Konflikt bei der 
Betriebskrankenkasse bei der Großen Berliner Straßenbahn nicht 
»erührt. Auf dem Deutschen Aerztetag war den Berliner Aerzten 
ingesichts der hier herrschenden trostlosen krankenkassenärztlichen 
Verhältnissen von vornherein für ihr eigenes Vorgehen Ge— 
neralpardon gegeben worden. 
Dauͤe italienischen Wahlen. 
W. Rom, 29. Okt. Bis jetzt ist das Ergebnis von 4080 
Wahlkreisen bekannt. Gewählt sind: 231 Ministerielle, 
50 Radikale, 17 verfassungstreue Oppositionelle, 27 Katho— 
liken, 12 Republikaner, 39 Sozialisten und 18 reformistische 
Sozialisten. 94 Stichwahlen sind erforderlich. 
W. Wien, 29. Okt. Graf Berchtold übermittelte 
namens der österreichisch-ungarischen Regierung dem Minister—⸗ 
präsidenten Giolitti und dem Minister des Aeußern San 
Giuliano anläßlich des glänzenden Ausfalls der ilalienischen 
Wahlen die herzlichsten Glückwäünsche 
Diaz Flucht an Bord emes amerikanischen Kriegsschiffes. 
PC. Newnoth, 29. Olt. Die Flucht des Generals Diaz aus 
Beracruz erfolgte nach Meldungen hiesiger Zeitungen untec recht 
chwierigen Umständen auf eine interessante Art und Leise. 
Diaz begab sich gestern gegen Mitternacht in Begleitung zweier 
seiner vertrautesten Freunde, von den anderen Gästen unbe— 
nerkt, au*s das Hoteldach, nachdem die, von den Anhäangern 
huertas postierten Posten durch eine List von andeen seiner 
Freunde weggelockt waren. Von dem Dach des Hotels ketterte 
er auf das Dach des gmerikanischen Konsulats und sieß mitien 
in der Nacht den Konsul weden und bat ihn um seinen Schutz, 
da er gehört hatte, daß man ihn am anderen Tage verhaften 
uind erschießen würde. Der Konsul hatte bereits ent'prechende 
Instrultionen aus Washington erhalten, falls Diaz nach dem 
Konfulat, flüchten würde, Er zeigte nach dem Strande, wo ein 
ahrtbereites Motorboot lag, und sagte Diaz, paß es ganz 
gut wäre, wenn er eiligst nach dem Boote liefe, das ibn mög⸗ 
icherweise an einen sicheren Ort bringen könnte. Diaz olgte 
diefem freundschaftsichen Ratschlag und erreichte, unbemecnkt von 
seinen Verfrlgern. das Motorboot, das „zufällig“ die Schaluppe 
des amexrikanischen Kanonenboots „Wheeling“ war, an dessen 
Rord sich Diaz gegenwärtiag befindeft. 
W. Petersburg, 28. Okt. Das Handelsministerium 
hat eine Gesetzes vorlage über die Bequfsichtigung 
der Truste und ee gusgearhbeitet. Zur Be— 
gründung wird erklärt. die Bildung solcher Organisationen sei 
in den an Privatkapitalien armen Ländern unvermeidlich, des— 
halb seien jene nicht zu unterdrücken, etwaigen Mißbräuchen 
nüßte jedoch vorgebeugt werden. Die Verträge der Truste und 
Syndikate müssen nach dem Entwurf der Regierung bekannt 
zegeben werden. Ihre Tätigkeit soll der Kontrolle des Staates 
unlerworfen werden. 
W. Barcelona, 29. Okt. Nach einer Blättermeldung haben 
ebhafte Straßentundgebungengegendasneuekon- 
ervatipe Ministerinm stattgefunden. Die Manifestanten 
euerten Revolvperschüsse ab. Die Polizei hat mehrere Mani— 
estanten verhaftet und zahlreiche Revolver beschlagnahmt. Die 
Hauptstratzen sind polizeilich besetzt worden. 
VWV. Newvort. 29. Olt. Bei der Ankunft des Llond⸗ 
dampfers „Kronprinzessin Cäcilie“ schnitten, wie dem Lokal— 
Anzeiger gemeldet wird, die Zollbeamten den an Land 
zehenden Frauen die Federn von den Hüten. 
Die Frauen protestierten heftig; einige vergossen bittere Tränen. 
— 
Schwere Sturmschäden in England. 
London, 29. Okt. Ein schwerer Sturm, der großen Schaden 
mrichtete, zwei Menschen tötete und viele Personen zum Teik 
ebensgefährlich verletzte, wütete gestern im ganzen Westen 
Englands und Südwales. Hunderte von Häusern wurden zer— 
tört. Bäume und Telegraphenstangen sind aus dem Boden 
gerissen und zahlreiche Läden demoliert 
434 
W. Varis, 29. Okt. Eine furchtbare Szene spieltt 
ich gestern abend in dem Schwurgerichtssaal in Bourges ab. 
Der Arbeiter Gillin erschien auf Grund einer Anzeige seiner 
beiden Söhne unter Anklage des Gattenmordes. Als 
er nach zweitägiger Verhandlung freigesprochen wurde, feuerte 
der ällere Sohn Marcellin auf den Vater eine 
Revolverkugel ab, welche die Hand durchbohrte. Mar— 
cellin wurde trotz der Bitten seines Vaters verhaftet. 
W. Itzehoe, 29. Okt. Gestern ist in den Stallungen des 
dofbesitzers Jansen in Rewitsch Feuer ausgebrochen, das die 
Stallungen und die Hintergebru de des Anwesens vollstän—
	        
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