Ankunft in der algerischen Hafenstadt Oran, dem Sitze des
durch seine grausamen Urteile berüchtigten Kriegsgecichts, geht
es in das Innere Nordafrikas, nach den größten Granifun⸗
orten Sidi bel Abbés oder Saĩda oder einem anderen. Die
dortigen Kasernen machen äußerlich keinen unangenehmen Ein⸗
rner sie sind eine wahre Brutstätte von, Tod, und
Hollenaualen, Tausende der Insassen sind von Verʒweiflung
id Lebenenberdruß erfulit. Die Fremdenlegion besteut au⸗
2Regimentern mit 26 Kompagnien. Der Bestand Ichwank!
wifchen eiwa 812 000 Mann. Im französischen Militär—
lat sindet sig sich nicht, sie untersteht dem Kolonialministetium
Ind die AuFaben werden vollkommen verschleiert bestritten,
ein Frantreich seiner Legion sich selber schüme. Undb
Asen Grunde han es dazu. Tausende von Männer werden
dort in Fefseln des Zwangs gehalten, in dem Sõöldnerheer,
das sich nur dem Namen nach von Sklaverei unterscheidet, das
einen bedenttichen Rückschlag in alte Barbarei bedeutet. Wohl
schätzt Franlreich die guten und billigen Soldaten der Fremden
legion, die die Schöpferin ihres gesamten Kolonialbesitzes isl
und deren Eingehen einen schweren Verlust für Frankreich
bringen würde. Darum geht es sogar mit dem Gedanten
um, die beiden Regimenter noch um ein weiteres zu ver—
mehren. Der Redner zeigte in Lichtbildern die Ecerzier plaãtze
der Legion und den kleinen Friedhof dieser Heimatlosen, auf
dem Tausende einfacher, schwarzer Grabkreuze stehen. Tausende
andere aber liegen auch in den Sumpfen und Gräben, im
heißen afrikanischen Sande gebettet. Der Vortragende ging
bann auf die Marokkowirren ein, schilderte, wie Frankreich
die Fremdenlegion benutzt, um fein angebliches Protektocal
über Marokko durch eine gewaltsame Eroberung dieses Landes
zu ersetzen. Fur die fortgesetzten Kämpfe mit den istigen, ver⸗
schlagenen, gransamen Eingeborenen sind ihm jeine eigenen
französischen Truppen zu wertvoll. Die Fremdenlegion wurde im
Jahre 1831 errichte.. Hunderttaufende haben seit dieser Zeiit
ihr Blut sür Frantreichs Ruhm vergossen, Tausende haben Hand
an sich gelegt, Tausende sind den Strapazen zum Oufer ge⸗
fallen. Von 4500 Legionären, die gegen die Spanier lämpften
kehrten nur 500 zurück. Nach einer französischen Stautil
betragen die Verluste der Legion 80 90. Von 100 Mäͤnnern,
die hinausgehen, ehen nur 20 ihre Seimat wieder, 16 daoon
jind körperlich und seelisch zum Krüppel geworden. Denn die
Fremdenlegionäre beweisen im Kriege stets Heldenmut und
find immer das Kanonenfutter für Frankreich gewesen. Auf
den kolossalen Marschleistungen, die keine Nation der Erde
hren Soldaten zumuten dürfte, beruhen die Erfolge der
Fremdenlegion, und ganz grenzenlos brutal ist die Ausb
nutzung der Nervenkraft eines jeden einzelnen im heihßen Sande
der Wüste. „Marschier oder verreck“, das ist die Losung für
den Legionär. Bliebt er auch nur einen halben Kilometer zu—
rück, ist ihm der Tod durch Ermattung, Durst und Hungetr,
durch Hgänen oder Bestien in Menschengestalt, durch Araber
oder Araberwelber, die ihn entsetzlich verstümmeln, gewiß.
Der plötzlich starke Temperaturwechsel während der Nacht,
die furchibaren Strapazen und Entbehrungen, die Sehnducht
nach der Heimat verursachen bei den meisten Legionären einen
Zustand liefster feelischer Depression, der zu Selbstyecstümme-
lungen, Fhichtversuchen und Gewalttaten in einem Anfall von
Tropenloller sührt. Das Irrenhaus, das Zuchthaus oder
der Tod ist in den meisten Fällen die traurige Folge. Die
Fremdenlegion stellt eine wahre Musterkarte der verschieden⸗
jsten Nationen dar, doch fast 60 660 aller Legionäre
sind Deutsche. 2000 bis 3000 Deuische gehen alljähr
lich zur Fremdenlegion, 150 000 Deutfsche sind ihr
m Lause der Jahre zum Opfer gefallen. Das letzte Jahr⸗
ehnt hat in der Fremdenlegion mehr Opfer als der Krieg
don 1870/71 gesordert. Leider gehen so viele Deutsche hin, um
sich dem deutschen Heeresdienst zu entziehen. Sie alle wissen
richt, daß sie vom Regen in die Traufe kommen, daß der deutsche
zeeresdienst ein Kinderspiel ist gegen die Fremdenlegion. Neben
en vielen Tüchtigen und Vornehmen findet man gemeine Ver⸗
orecher aller Länder, Mörder und Räuber, Gauner und Schurken,
Unerkannt leben sie nebeneinander, teilen miteinander aͤlle Laster,
Leiden und Greuel der Legion. Weit im Süden, in den nörd⸗
cichen Teilen der Sahara, liegen die vorgeschobensten Posten
der franzofischen Kolonialmacht. Fern von aller Kultur,
chmachten hier Hunderte von Deutschen in den Straflompagnien
der Legion. In gar keinem Verhältnis zu dem Vergehen sind
die grausamen Strafen der Legion. In unmenschlicher Sklaven⸗
arbeit werden sie hier dazu verwandt, der franzöfischen Republik
inmer weitere Gebiete zu erschließen. Alle verhängten Strafen
müssen überdies nachgedient werden, und so weiß Frankreich die
sjährige Dienstzeit künstlich oft um mehrere Jahre zu verlängern.
Bei einem Tagessold von 4 Pfg. muß der Legionssoldat von
früh bis spät den denkbar angestrengtesten Dienst verrichten,
und ist dabei einer eisernen Dihsfziplin unterworfen. Nur wer
15 Jahre Dienst getan hat, hat Anspruch auf eine jährliche
Pension von 400 M, die ihm Frankreich auch noch möoglichst
zu entziehen versucht. Dabei ist der ausgediente Fremdenlegionär
n Ftankreich verachtet; auch des dienenden Soldaten gesell⸗
chaftlicher Verkehr beschränkt sich auf die Spelunken in den be—
rũchtigsten Stadtvierteln. So beherrscht bald alle, denen jahre—
ang nichts Schneres als die Fremdenlegion vorgeschwebt, allmäh—⸗
fich nur noch der Gedanke an Flucht. Kein Tag vergeht,
an dem nicht ein Fluchtversuch unternommen wird, fast keinen
Fremdenlegionãr gibt es, der nicht einen vdolchen vollführt hat.
Und doch gelingt von hundert Fluchtversuchen immer nur einer.
dat furchtbare Schichsal der unglücklichen Opfer der Legion
kleldete der Vortragende zum Schluß in die ergreifenden Dichter⸗
worte: „Auf Algiers glühendem Sande liegt sterbend ein Sol⸗
dat. — Der denkt der deutschen Heimat und seiner Vaterstadt. —
Er denkt der Kinderzeiten, der Brüder übermm Meer, Wie
er an Mutters Seiten so gern begraben wär. — Er benkt, wie
er so ferne, so glũckeslos verdirbt, — Er denkt, wie er so gerne
noch leben blieb — nmd suirbtDer Riebner sorderte
zierauf alle nationalen Verbände und Vereine auf, mit aller
Tatkraft den Kampf gegen die Fremdenlegion aufzunehmen
da der schlechteste Deutsche noch viel zu gut für die —
n ird verlieren wir unendlich viel blühende Volkskraft,
ꝓp de eredeceie und Soldaten an die Fremdenlegion. Auch
—5 I möge das ihre dazu beitragen, daß ihre Söhne
dane oyn eines fremden Landes werden, daß der
5 gestärkt und das Vaterland geschwächt wird, sondern
sches Blut dem deutschen V
aterlande geweiht werde. Starker
anganhaltender Beifall folgte diesen AusführungenHert
Direltor Prof. Dr. Reuter gab der Hoffnung Ausdruch, daß
die Worte des Redners in aller Herzen einen dauemnven Wid
»all finden möchten und jeder einzelne dazu bei —
— eitragen möge, den
Kampf gegen die Fremdenlegion wirksam zu gestalten. Mi
»em Gesange „Deutschland, Deutschland über alles“ der don
dielen Hunderten gesungen, machtvoll den Saal —E
jand die interessante Veranstaltung ihren Abschluß.
Tagesbericht.
—E Lubed, 29. Oltober.
der dänische Verkehrsminister Hassing⸗-Jörgensen
für die Fehmarnroute.
Nachdem hereits kürzlich der bisherige dänische Veclehrs
ninister und jetzige Reichstagsabgeordnete Larsen im Ver—
in mit einer ganzen Reihe von anderen dänischen Ahgeordneten
ich im Reichslage mit Entschiedenheit für die Fehmacntoute
usgefprochen hatte, hat nun auch der jetzige dänische Ver⸗
ehrsnünister mit erfreulicher Teutlichkeit Stellung zu dieser
Frage genommen. Nach einer Witteilung des Fehmarnbahn-
bomitees führte der Minister zu diefer Frage laut offisiellem
neichstagsprotokoll wörtlich das folgende aus:
Die darlegungen, die der geehrte Abgeordnete Mielsen)
ber die Rodbi —Fehinarnlinie gemacht hat, liefern den Be—
veis, daß der Abgeordnete die Dinge wirklich großzügig be—
tachtet. In der Kie —Korssßrroute können wir, wohl
uͤle, abgeschen von dem Abgeordneten für Slagelse, keine
rauchbate Sinie für unsere Berbinduung mit
Westdeutchland erbliden. Wenn ich, deren Aufhebung
m jetzigen Zeitpuntt noch nicht zustimmen kann, so riegt dies
dram daß wir aus postalischen oder Verkehrsrüdsichten die
Anie solange nicht entbehren können, als wir die Rödbo—e
Fie banarnbinge nicht. durchgefübrt haben. Bezüglich dieser
Linie stehles fest. daß sie nicht nur in Deutschland und —R
nark sendern auch in Norwegen und Schweden miner mehr
Unhänger gewinnn. Wenn die dänische Regierung bisher, nicht
n der Vage war, zu dieser Frage offiziell Stellung zu nehmen,
und wenn der Finanzminister in, seiner Finanzgesetztede sogot
eine gewisse Zurückhalfung in dieser Frage, als erfocdectih be⸗
eichnet hal, in dies begreiflich. Es hat seinen Grund darin,
aß die Regierunghes nicht für nötig ansehen kann, bei den
Inhangern dieser Route andere Soffnungen zu erweden, als
diche, die sie jederzeit zu erfüllen imstande wäre. Dem stehen
bet noch urzeit wesentliche Schwiexrirgkeiten entgegen,
kinmal ist die Sache von, deutscher Seile noch lange nicht
pruchreif. Trotz großer und bedeutungsvoller Anhängerichaft
ildel zurzeit die von der deutschen Eisenbahnoerwal—
ung vertretene Auffaffung ein Hindernis, das von dänischer
eite refpeltiert werden muß. Erst, wenn es den Freunden
»er Linie in Deutschland gelungen sein wird, bei den ver—
intworfüchen deutschen Behörden Verständnis für den Plan
u gewinnen, wird für uns die Zeit da sein, Klarheit darüber
u schaffen, ob wir in der Lage sind, die Mitarbeit zu leisten.
zie Deutschland zur, Bedingung machen fönnte. Was die zwerre
efentiiche Schwierigkeit, nämlich die Lösung der sin anzielren
frage betrifft. so habe ich mich gerade deshalb der Ausfülp
ungen des geehrten Abgeordneten für den Landkreis Horsens
Nielsen) über die Rödby—Fehmarnlinie gefreut, weil ich in
iesen Ansführungen die heste Vorbedingung für, eine Ver-
tändigung über die Aufstellung eines zweckmäßigen Fi—
ianzplanes für die Gestaltung unseres Tisenbahnwesens
rblide. Ar Hand eines solchen Finanzplanes werden wir in
ie Lage kommen, uns die Mittel, zu verschaffen, die für die
Awciserung und Verbesserung unserer in⸗ und auständischen
Hauptlinien sfür erforderlich anzusehen sind und war in der
neihenfolge, in der wir über die zweckmäßige und wictschaft—
iche Notwendigkeit zu einer Verständigung gelangen können.“
Gegenuũber einer fso klaren Stellungnahme des dänischen
Lerkehrsministers zur Frage der Fehmarnroute, die sich mit
»er Stimmung der Mehrheit im Reichstage und »n den wirt—
hastlichen Korporationen des Landes durchaus dedt, wäre es
ringent, wünschenswert, wenn der preußische Eisenb ahnminister
einen bisherigen, stark fiskalisch, bedingten Standpunkt recht
id, verlassen wollte. Die Hansestädte und die westdeutschen
andelskammern wissen die enormen, wirtschaftlichen Vorteile
hreweh! zu würdigen, die eine Abkürzung des deutigen
eistioeges Hamburg Kopenhagen von 912 auf 8 Skunden
rür den Reiseverkehr des Westens mit den drei ATandinavischen
Ländern zur Folge haben muß.
Masnedfundbrücke und Fehmarnroute.
Das dänische Grosserer-Societets Komite (d. i. die Kopen⸗
zagener Korporation der Kaufmannschaft) hat zur Masned-
undbrücke und Fehmarnroute laut Mitteilung der Zeitung Börsen
im 23. d. M. folgende sehr bedeutsame Resolution mit Ein—
timmigleit beschlossen, die inzwischen der dänischen Regierung
ind dem dänischen Reichstage zugestellt worden ist:
„Schon im Jahre 1905 hat die Kaufmannschaft im Verein
nit der Industrie und dem Handwerk in einer eindringlichen
kingabe an die gesetzgebenden Gewalten den alsbaldigen Bai
iner Eisenbahnbrücke von Masnedö nach Orehoved gefordert
diese Eingabe hat im Jahre 1906 die volle Billigung der
Ȋnischen Staatsbahnverwaltung gesunden. Im Jahre 1906
st alsdann diese Forderung im Verein mit der Kaufmann—
chaft Jütlands und Fünens mit verstärktem Nachdruck wiederhol:
vorden. Diese Vorgänge lassen es ohne weiteres nur als na—
rlich erscheinen, daß das Komitee jetzt Gelegenheit nimmt,
»en gesetzgebenden Gewalten dringlichst ans Herz zu legen,
velche wichtigen Verkehrsinteressen dafür sprechen, daß jetzt
ndlich in der laufenden Reichstagssession eine feste Brüden—
»erbindung zwischen Masnedö und Falster geschaffen wird. Hier—
urch wird diese Route einmal die Bestimmung erfüllen, die
hr als der natürlichen Verkehrslinie des Landes mit dem Sũden
bliegen. Zu gleicher Zeit wird aber auch dadurch ein wich—
iger Schritt getan werden zur Vorbereitung der für unseren
sesamten Handel mit Westeuropa so bedeutungsvollen und not
dendigen RödbyFehmarn-Route. Wenn man an ihrer Stelle
nit peluniären Opfern die teure und umständliche Fährenfahr!
wischen Masnedö und Orehoved fortsetzen und erweitern wollte,
so würde das Land Gefahr laufen, daß der Weltverkehr au?
vie konkurrierenden Routen um Dänemark herum geleitet werde.“
Diese khare Stellungnahme des Kopenhagener Großhandele
ugunsten der Erbauung der Masnedsundbrücde — zugleich als
ines wichtigen Gliedes der künftigen Fehmarnlinie — dedt sich
vurchaus mit der Stellungnahme der amtlichen Handelsver—
tretungen des deutschen Westens, von denen heute schon 27
Handelskammern dem deutschen Fehmarnbahnkomitee angehören.
Der Burgerausschußß lehnte in seiner heutigen Sitzung
den Ankauf des Grundstückes Neustraße 3 und Kurcrgarten—
traße 124 in Travemünde, das zur Aufnahme der Geschäfts⸗
äume der Behörde für Travemünde dienen sollte, ab; er
mpfahl den Senatsantrag auf Herstellung einer hesseren Fähc—
erbindung nach dem Priwall zur Mitgenehmigung der Bürger
chaft und genehmigte die Verwendung der bereits in das
Zudget eingesteilten 80000 Meufür die Herstellung des elektri—
chen Betriebes für die Herrenbrücke. An Kommissionen ver—⸗
viesen wurden die Senatsanträge betr. Genehmigung eines
gertrages mit der Lübed-Büchener Eisenbahngesellschaft über
»en zweigleisigen Ausbau der Travemünder Eisenbahn, die Be—⸗
neitstellung won Mitteln für die Erhaltung von Alleebäumen
ind Versetzung der Stellen der technischen Sekretäre der Bau⸗
deputation in die Klasse X des Beamtenbesoldungsetats.
drk. Vortragsabend Robert Nhil. Am gestrigen Abend las
»er bekannte Hamburger Kunstler, der den Lübeckern ja kein
Fremder ist, im Logensaale (St. Amnenstraße) klassische und
noderne Dichtungen. Es geht mit derartigen Vorträgen von
z„chauspielern ähnlich, wie den Gesangsvorträgen der Bühnen⸗
änger im Konzertsaale. Sie stehen fast immer unter der
zenrmung, daß der Vortragende die große Hälfte seiner Kunst
»as Mimische und körperhaft Darstellerische bis auf einen
winzigen Teil eindämmen muß und daß dadurch seine wirkende
Kraft gelähmt wird. Abgesehen davon, daß ja jieder gute
Bühnenkünstler sprechen können muß, benötigt der Vor⸗
—EV
eiten als der Bühnenkünstler, der mehr in die Ferne wirkt und
das gesprochene Wort durch sein Spiel unterstützt. So blieb
ruch die Wirkungskraft Robert Nhils, des Vortrasskünstlers,
zinter der Kraft Robert Nhils, des Darstellers und Gestal⸗
ers, ein gut Teil zurück. Von sehr starker Wirkung, weil
m Material dramatisch differenzierter, waren eigentlich nur die
Zzene der Sorge aus „Fault II“ und die „seltsame Geschichte“
von Bang „Du sollst dich meiner erinnern“, z. T. auch Strind⸗
ergs „Das wilde Tier“, namentlich in der feinpointierten
Zprechschilderung des Claudius. Nhil arbeitet, das merkt man
Aielfach, sehr stark mit dem Intellekt, wägt fein ab, so daß
hm feine psychologische Charakterisierungen, wie eben die
Zangsche Skizze, am besten gelingen. Die Geibelschen und
zeineschen Gedichte hoben sich nicht über das Niveau eines
lecht hübschen Vortrages, unbefriedigt ließen die Zueignung
i,Faust“) und Schillers Ideale. Der zweite Teil der Vor⸗
räge war humoristischen Dingen gewidmet und wirkte wohl
nehr durch den Inhalt als durch den Vortrag. Recht gut war
jier nur Thomas „Begräbnis“, gänzlich im Ton vergriffen
Meyrinks „Tausendfüßler“. Der Gesamteindruck stand jedoch
o sehr unter der Kraft der vorhergegangenen starken Wir—
tungen, daß man befriedigt in den lebhaften Beifall der recht
ahlreich Erschienenen, der den Künstler zu einer Zugabe bewog,
instimmen konnte.
Z Pferdetrausport über See. Mit dem Hamburger Dampfeit
Ludwig“, Kapt. Mißfeldt, sind 14 russische Pferde für Rechnumg
»es Herrn G. Schröder von Libau angekommen und am Schuppen
Nr. 13 gelandet worden, nachdem zuvor die tierärztliche Be
ichtigung an Bord stattgefunden hatte.
Neueste Nachrichten und Telegramme
der A. und E, I J
Aerzte unid Kraukenkassen in Berlin.
W. Berlin, 29. Okt. Während sich die deutiche Aerzteschaft
jum Kampfe gegen die Krankenkassenverbände rüstet, ist es
n der Reichshauptstadt nach langen und schwierigen Verhand-
lsungen unter ständiger Vermittelung des Oberversicherungs⸗
imtes zu einem friedlichen Vergleich zwischen den großen Berliner
trankenkassen und dem Berlier Zentralverband der Vereinig—
ten Kassenärzte gekommen. Damit ist aber der Friede durchaus
icht auf der ganzen Linie geschlossen worden. Durch einen
zestern erzielten Ausgleichsbeschluß wird der Konflikt bei der
Betriebskrankenkasse bei der Großen Berliner Straßenbahn nicht
»erührt. Auf dem Deutschen Aerztetag war den Berliner Aerzten
ingesichts der hier herrschenden trostlosen krankenkassenärztlichen
Verhältnissen von vornherein für ihr eigenes Vorgehen Ge—
neralpardon gegeben worden.
Dauͤe italienischen Wahlen.
W. Rom, 29. Okt. Bis jetzt ist das Ergebnis von 4080
Wahlkreisen bekannt. Gewählt sind: 231 Ministerielle,
50 Radikale, 17 verfassungstreue Oppositionelle, 27 Katho—
liken, 12 Republikaner, 39 Sozialisten und 18 reformistische
Sozialisten. 94 Stichwahlen sind erforderlich.
W. Wien, 29. Okt. Graf Berchtold übermittelte
namens der österreichisch-ungarischen Regierung dem Minister—⸗
präsidenten Giolitti und dem Minister des Aeußern San
Giuliano anläßlich des glänzenden Ausfalls der ilalienischen
Wahlen die herzlichsten Glückwäünsche
Diaz Flucht an Bord emes amerikanischen Kriegsschiffes.
PC. Newnoth, 29. Olt. Die Flucht des Generals Diaz aus
Beracruz erfolgte nach Meldungen hiesiger Zeitungen untec recht
chwierigen Umständen auf eine interessante Art und Leise.
Diaz begab sich gestern gegen Mitternacht in Begleitung zweier
seiner vertrautesten Freunde, von den anderen Gästen unbe—
nerkt, au*s das Hoteldach, nachdem die, von den Anhäangern
huertas postierten Posten durch eine List von andeen seiner
Freunde weggelockt waren. Von dem Dach des Hotels ketterte
er auf das Dach des gmerikanischen Konsulats und sieß mitien
in der Nacht den Konsul weden und bat ihn um seinen Schutz,
da er gehört hatte, daß man ihn am anderen Tage verhaften
uind erschießen würde. Der Konsul hatte bereits ent'prechende
Instrultionen aus Washington erhalten, falls Diaz nach dem
Konfulat, flüchten würde, Er zeigte nach dem Strande, wo ein
ahrtbereites Motorboot lag, und sagte Diaz, paß es ganz
gut wäre, wenn er eiligst nach dem Boote liefe, das ibn mög⸗
icherweise an einen sicheren Ort bringen könnte. Diaz olgte
diefem freundschaftsichen Ratschlag und erreichte, unbemecnkt von
seinen Verfrlgern. das Motorboot, das „zufällig“ die Schaluppe
des amexrikanischen Kanonenboots „Wheeling“ war, an dessen
Rord sich Diaz gegenwärtiag befindeft.
W. Petersburg, 28. Okt. Das Handelsministerium
hat eine Gesetzes vorlage über die Bequfsichtigung
der Truste und ee gusgearhbeitet. Zur Be—
gründung wird erklärt. die Bildung solcher Organisationen sei
in den an Privatkapitalien armen Ländern unvermeidlich, des—
halb seien jene nicht zu unterdrücken, etwaigen Mißbräuchen
nüßte jedoch vorgebeugt werden. Die Verträge der Truste und
Syndikate müssen nach dem Entwurf der Regierung bekannt
zegeben werden. Ihre Tätigkeit soll der Kontrolle des Staates
unlerworfen werden.
W. Barcelona, 29. Okt. Nach einer Blättermeldung haben
ebhafte Straßentundgebungengegendasneuekon-
ervatipe Ministerinm stattgefunden. Die Manifestanten
euerten Revolvperschüsse ab. Die Polizei hat mehrere Mani—
estanten verhaftet und zahlreiche Revolver beschlagnahmt. Die
Hauptstratzen sind polizeilich besetzt worden.
VWV. Newvort. 29. Olt. Bei der Ankunft des Llond⸗
dampfers „Kronprinzessin Cäcilie“ schnitten, wie dem Lokal—
Anzeiger gemeldet wird, die Zollbeamten den an Land
zehenden Frauen die Federn von den Hüten.
Die Frauen protestierten heftig; einige vergossen bittere Tränen.
—
Schwere Sturmschäden in England.
London, 29. Okt. Ein schwerer Sturm, der großen Schaden
mrichtete, zwei Menschen tötete und viele Personen zum Teik
ebensgefährlich verletzte, wütete gestern im ganzen Westen
Englands und Südwales. Hunderte von Häusern wurden zer—
tört. Bäume und Telegraphenstangen sind aus dem Boden
gerissen und zahlreiche Läden demoliert
434
W. Varis, 29. Okt. Eine furchtbare Szene spieltt
ich gestern abend in dem Schwurgerichtssaal in Bourges ab.
Der Arbeiter Gillin erschien auf Grund einer Anzeige seiner
beiden Söhne unter Anklage des Gattenmordes. Als
er nach zweitägiger Verhandlung freigesprochen wurde, feuerte
der ällere Sohn Marcellin auf den Vater eine
Revolverkugel ab, welche die Hand durchbohrte. Mar—
cellin wurde trotz der Bitten seines Vaters verhaftet.
W. Itzehoe, 29. Okt. Gestern ist in den Stallungen des
dofbesitzers Jansen in Rewitsch Feuer ausgebrochen, das die
Stallungen und die Hintergebru de des Anwesens vollstän—