so doch als hauptsächliche Kandidatur für das Amt des end⸗
zültigen Prägßidenten von Mexiko seine eigene Kandida—
ur aufstellt. England hat schon zu erkennen gegeben, daß,
alls die Wahl auf Huerta fällt, die Anerkennung Englands
hm sicher sei. Es kann sich dabei stützen auf den nicht zu über⸗
ehenden Umstand, daß alle fremden Kolonien in Mexiko Sulerta
üur den geeignelen Mann halten, um Ruhe und Ordnung her⸗
uftellen, und daß die gleiche Auffassung sogar in manchen
amerikanischen Kreisen besteht. Deutschland hat eben—
alls ein Interefse daran, die Präsidentschaftsfrage in
Mexiko durch die Uebertragung des höchsten Amtes auf eine
energische Persönlichkeit gelöst zu sehen. Nach den Proben, die
zuerta bisher in der Behandlung innerpolitischer Schwierig keiten
jegeben hat, scheint man ihm das Zeugnis nicht versagen zu
zunen, daß er die unter den gegenwärtigen Verhältnissen für
inen Präsidenten Mexikos erforderlichen Eigenschaften mit—
zringt. Die Regierung der Vereinigten Staaten ist ve—
anntlich einer endgültigen Präsidentschaft Huertas abgeneigt,
hat aber bisher keine Vorschläge zu einer anderen Lösung der
Präsidentschaftssrage gemacht.“ — Wie hierzu perlautet, hat
wischen der englischen und der deutschen Regierung
ein Meinungsaustausch über die wünschenswerte Neu⸗
»rdnung der Dinge stattgefunden. Man ist der Ansicht, daß
hie Dinge in Mexiko so nicht weiter gehen können, da bei der
Fortdauer des jetzigen Zustandes das Leben vieler Europäer
ruuf dem Spiele steht, und die beiden Mächte sind sich darin
einig, daß ein energischer Mann, der mit eisernem Besen zu kehren
an der Spitze Mexikos stehen muß. um dort Ruhe zu
chaffen
W. Newyotk, 24. Okt. Eine Depesche aus Mexiko be⸗
agt, Huerta habe gestern in einer Zusammenkunft der Diplo⸗
maten positiv erklärt, daß er nicht Präsidentschafts«
kandidat sei und für den Fall, daß bei der Wohl ihm die
Majorität der Stimmen zufalle, er es für seine Pflicht halten
vürde, dem Kongresse mitzuteilen, daß diese Stimmen zu an⸗
iullieren seien.
— Wie die Newyork Tribune aus Mexiko meldet, wurde
das gesamte Personal von Felix Diaz verhaftet
und ein Haftbefehr gegen Felix Diaz erlassen, unter der An—
chusldigung, daß er für den Fall seiner Niederlage bei den
Wahlen die Revoution vorbereite.
Wolkenbruch in Südfran kreich.
PO. Paris, 24. Okt. Ein ungewöhnlich heftrger
Wolkenbruch ist gestern über Bezieres im Depactement
õobault niedergegangen. Die ganze Umgebung ist stundenweit
überschwemmt, die Chausseen sind unpassierbar und der
Verkehr kann nur mit Hilfe von Kähnen aufrecht erhalten wer—⸗
den. Die Orbe ist über die Ufer getreten und hat großen
Schaden angerichtet. In verschiedenen Dörfern sind mehrere
Hhäufser zerstört worden, deren Bewohner nur mit Mähe gerettel
verden konnten. Es besteht die Befürchtung, daß auch die
ainderen Flüsse des Gebiets über die Ufer treten werden. da
zie sämtlich um sechs Fuß gestiegen sind.
Bluttaten eines Wahnsnwigen an Bord.
BZ. London 24. Okt. Furchtbare Szenen haben sich an
Bord des österreichischen Dampfers „Dako Cap Boianowitsch“
ibgespielt, der gestern auf dem Tyne einlief. Das Schiff war
von Südrußland nach Rotterdam unterwegs und hatte drei
Lassagiere, einen Oesterreicher namens Nikolaus Muraltti,
eine Frau Isabella Glawick und deren Tochter Marie, die
zeide Verwandte des Kapitäns sind. Auf der Höhe von Kap
Trafalgar wurde Muratti, als alle drei auf der Brücke des
Kartenhauses beim Mittagessen saßen, zudringlich. Der Kapitän,
der in diesem Augenblick hinzutrat, mußte intervenieren und
machte Murarti über sein ungehöriges Benehmen Vorwürfe.
Dieser zog einen Revolver und feuerte blindlings auf den
Kapitän los, ohne jedoch zu treffen. Der Kapitän eilte ins
Kartenhaus, um seine Browningpistole zu holen, während Frau
Hlawick und ihre Tochter verfuchten, die Brücke zu verlassen.
Plötzlich krachlen wieder zwei Schüsse. Als der Kapitän jetzt
hinzutrat, fand er seinen ersten Offizier mit einer Schuß—
wunde im Unterleib und das junge Mädchen mit einer
Schußwunde in der Hüfte auf der Brücke liegen. Das Mädchen
chleppte sich trotz der schweren Verletzung in den Salon hinunter.
Muratti folgte ihr dahin nach. Als der Kapitän ebenfalls den
Salon betrat, feuerte der anscheinend wahnsinnige Murattt
zwetweitere Schüsse ab, von denen einer das Ohc des
Karitäns streiste. Der Kapitän schoß auf Muratti der sich in
eine Kajütte einschloß. Kurz darauf erschohßer sich selbst.
Der Kapitänsserbat durch Signale ärztliche Hilfe, die auch bald
don dem britischen Schlachtschiff „Dartmouth“ eintraf. Die
unge Dame wurde in Gibraltar an Land gebracht. wo Muratti
zeigesekt wurde.
Vom Grubenunglück in Dawlon.
W. Dawten (Neu-Mexiko), 24. Okt. Bis Mitternacht
varen aus deer Hirschschluchtgrube 283 Bergleute lebend
und 38 als Leichen zu Tage gefördert worden.
Mman befürchtet. daß die übrigen 261 tot sind
—
Die Shakespearebühne.
Lübeck, 23. Oktober.
Vorbemerkungen zur demnächstigen Aufführung
des „Hamlet“im Stadttheater.
Als gegen Ausgang des sechzehnten Jahrhunderts englische
Schauspieltruppen nach Deutschland herüberkamen und neben
inderen zeitgenössischen Autoren Shakespeare mitbrahten, fan—⸗
den sie hier noch keinerlei Heimstätte, wo man ihre Kunst
berufsgemäß gepflegt hätte, und sie zimmerten sich darum
iüberall ein Schaugerüst nach dem Muster ihrer Londoner
Theater zurecht. Diese altenglische Vührne fußl!e auf dem Grund⸗
atz, daß im gesprochenen Drama dem Wort das Hauptinteresse
zebührt. Die Bühne gibt nur den neutralen Spielraum für
den Darsteller ab; sie erscheint in keiner Weise örtlich ausgestaltet.
Sie in den jeweils gedachten Schauplatz der Handlung umzu⸗
»enken, bleibt allein der von des Dichters Kraft überzeugten
Phantasie des Zuschauers überlassen. Es wurde ein rechteckiges
Podium freistehend erbaut, an drei Seiten von Zuschauern
Angeben, die sogenannte Vorderbühne. Nur an einer Seite
des Rechtecks gliederte sich ein von Wandtapeten umkleideter
Innenraum an, gegen die Vorderbühne durch eine Gardine
ͤbschließbar: die Hinterbühne. In ihr wickelten sich gemeinhin
die im geschlossenen Raum gedachten Szenen ab, auf der
Vorderbühne die im Freien spielenden. Dekorationen gab es
nidht. Ein Thronsessel, ein Bumstumpf, eine Mauerzinne deu—
teten den Ort der Handlung an.
Diese im Wesen germaniiche Bühne wäre die Heimat des
deutschen Schauspieles geblieben, wenn nicht der dreißigiährige
Krieg die Kunstfahrten der Engländer unterbundm und mittler—
veile ein Wettbewerber sich breit gemacht hätte, das italienische
Der neue Krupp⸗Prozeß.
Berlin, 24. Oktober.
(Zweiter Tag.)
Der Vorsitzende erorfnet kurz nach 9 Uhr die Verhand⸗
ung und teilt mit, daß er voraussichtlich morgen mit der
zeugenvernehmung beginnen werde. Zunächst sollen die Direb
oren der Firma Krupp vernommen werden. Dann gibt Rechts
inwalt Dr. Löwenstein eine Aufstellung der Jahresaus-
raben des Angeklagten Brandt. Danach habe ihm
ur den Verkehr mit ehemaligen Kameraden nur eine Summe
on 400 Mi zur Verfügung gestanden. Der Oberstaats—
nwolt weist darauf hin, daß es nicht Sache der Staatsam
zaltschaft sei, sich in den Haushalt des Herrn Brandt einzu—
nischen; es frage sich nur, ob die Repräfentationsgelder dazu
ewährt worden sind, daß Brandt einen angenehmen Hausstand
aähren konnte, oder ob sie ihm den Verkehr mit Kameraden er⸗
öglichen sollten. Rechtsanwalt Dr. Löwenstein: Für' die
Zerteibigung ist es aber von Wert, festgestellt zu haben, was
uf den Verkehr mit Kameraden entfallen könnte. Dann möchte
ch. daß Brandt sich noch darüber äuhert, ob das Nachrichten-
ammeln seine alleinige Beschäftigung gewesen ist. Der Ange—
lagte Brandt gibt darauf ein Bild seiner Tätigkeit. Er
rklärt. daß er in der Hauptsache Bureauvorsteher gewesen ist,
ie Verteilung der Eingänge zu besorgen hatte und zum Teil
zesuche empfing. Alles andere habe von ihm außerhalb der
Ddiensistunden besorgt werden müssen. Dann wird in die
Vernehmung des Angeklagten Direktor Eccius
ingetreten. Dieser erklärt: Ich habe selbstverständlich meiner
Firma gegenüber die volle Verantwortung für
as, was geschehen ist, übernommen. Bald, nachdem
e Angelegenheit in Fluß kam, habe ich bei dem Aufsichtsrat der
zirma Krupp mein Demissionsgesuch eingereicht. Dieses wurde
ber abgelehnt, worauf ich meinen Dienst in der bis herigen
Veise weiter versehen habe. Ich trat bei Krupp 18097 ein,
zurde schließlich in das Direktorium berufen und erhielt unter
iderem das Dezernat für die Preisfestsetzungs-Bureaus und
ur das in⸗ und ausländische Kriegsmaterial. Wegen des großen
Imsanges des Geschäftes mußte ich vieles meinen Mitarbeitern
berlassen, namentlich auch während größerer Auslandreisen. Das
ezernat über das Berliner Bureau wurde mir ubertragen,
is ich mich nach längerer und schwerer Krankheit im Süden
efand. Da meine Hauptaufgabe das ausländische Kriegsmaterial
etraf, so konnte ich mich um das inländische Geschäft so gut wie
ar nicht bekümmern. Das Berliner Bureau sollte ferner mit
en Abnehmern vorsichtig Fühlung nehmen und Informationen
ber die die Firma interessierenden Dinge besorgen. Der Leiter
„er Vertretung hat besondere Direktiven nicht erhalten. Selbst⸗
zerständlich war es uns interessant, die Preise der Konkurrenz
ind die ausstehenden Aufträge zu erfahren. Zu dem offiziellen
zericht des Herrn v. Schütz kamen später die Geheim be⸗
richte des Herrn Brandt. Darüber, daß diese nicht un⸗
erschrieben waren, habe ich mir Gedanken nicht gemacht, ebenso
denig über die Art, wie sich Brandt diese Informationen ver—
chaffte. Der Verkehr mit alten Kameraden hat keinen Anstoß
cregt. Von den Unkosten Brandis ist viel gesprochen worden,
on unlauteren Machenschaften nicht. Der in dem neuen Ab⸗
ommen mit Brandt ihm zugestandene Mehrbetrag war nicht
uffällig. Auch Herr v. Metzen erhielt eine Zulage von 10 000
Mark. Herr v. Metzen ist niemals an mich mit dem Bedenken
erangetreten, daß Brandt vielleicht eine strafbare Handlung
eging. Es ist niemals der Verdacht ausgesprochen worden
aß eine Bestechung vorliegt.
Der Vorsitende geht dann auf das Jahr 1912 ein. Es
vird festgestellt. daß Direktor Eccius sich bis zum' 1. Ok⸗
ober wegen Krankheit von allen Arbeiten zurückhielt. Eccius
agte dann weiter: Anfang Oktober wurde über die Affäre
Retzen⸗-Brandt nicht in einer regulären Sitzung der Direl⸗
jon, sondern zwischen dem Geheimen Rat Mühlberg, Dr. Mühlon
ind mir verhandelt. Es wurde besprochen, daß Herr v. Metzen
drohungen ausgesprochen habe und sich weigere. eine Anzahl
on Kornwalzern, die er beiseite geschafft hatte, herauszugeben.
zrandt wurde nichts Ungesetzliches zum Vorwurf gemacht. Die
Interredung Direktor Drägers mit Brandt bezog sich auf die
deubesetzung der Berliner Stellen, wofür ich Herrn v. Dewitz
ir geeignet hielt, der aber in Essen für unentbehrlich gehalten
urde. Mit Rücksicht auf Herrn v. Metzen hat Brandt dem
irektor Dräger nochmals mitgeteilt, er sei sich nicht bewußt, etwas
Unechtes getan zu haben. Direktor Dräger erklärte sich dann
ereit. die Leitung des Berliner Bureaus vorlãufig zu üũber⸗
ehmen und die Berichterstattung zu beaufsichtigen. Er entschied
etzt über die Berichte. Die Kornwalzer betrafen in der
aubtsache Submissionsresultate und Vergebung. Wir erfuhren
ie Konkurrenzpreise erst später nach Abgabe unseres Ange⸗
otes. Die Kenntnis dieser Preise hatte nur Wert *üt jpaãtere
leichartige Vergebungen und für die Prüfung unserer Kal
ulatienen. Falls bei letzteren Fehler vorgekommen waren
purden die Preise ermäßigt, bei richtiger Kalkulation wurden
eine Veränderungen vorgenommen, auch wenn die Preise dern
Fonturen, wesentlich höher waren. Ich selbst habe die Korn
Opernhaus, die Stätte der auf cußerliches Schaugepränge ab „ie⸗
enden Ausstattungsoper, mit seiner — heute noch gebrãuch⸗
ichen — gucdkastenartig vertieften, nur von vorne Einblid
ewährenden Bühne, mit den perspektivischen Dekorationen, die
en jeweiligen Spielort durch tkünstlerische Illusionsmalerei als
irklich vortäuschen. Das später neu auflebende Schauspiel
dar froh, in diesen bestehenden Opernhäusern ein Dach über dem
opf zu finden und nahm es mit in Kauf, daß Appige Dekn⸗
aͤfionen die Aufmerklamkeit vom Dichterwort ab, auf Maler⸗
unststücke hinlenkten, daß riesige Bühnenräume eine intime
Zeelenschilderung lähmten, daß umständlicher Dekorationswechse!
ftmals die Stimmung zerriß.
Spätere Autoren schrieben ihre Werke im Gedanken an dies
)pernhaus, ihm angepaßt. Jede Shakespeare-Auffühtrung aber
ebar nun natürlich unzählige Widerstände. Shakespeare hat
ir eine dekorationslose Bühne geschrieben, die sich raschem
)rtswechsel gefügig anschmiegt. Da jagen sich kurz vorüber—
iegende Bilder, kaum eine halbe Drucseite füllend. Da tritt
wischen zwei tragische Szenen, wie zum Aufatmen, eine leicht
mische, unendlich wichtig für das innere Gleichgewicht des
tückes, doch nicht sachlich bedeutsam genug, um lange Vausen
im Dekorationswechsel zu rechtfertigen. Die Dekorationsbühne
ersagte! Zusammenziehende Bearbeitungen der Stücke zersörren
meist eher deren dramatische Schlagkraft, als daß sie sie
ir die Illusionsbühne eingerenkt hätten.
Als erster wies Ludwig Tieck durch Wort und Tat nach,
ie Shakespeares Werke in ihrem ursprünglichen bunten Wechsel,
nbelastet vom Schwergewicht dekorativen Apparates, am tiefsten
irken. Auf seine Weisungen gegründet, mehrten sich die Ver⸗
uche, in eine bestehende Dekorationsbühne eine der alt—⸗
aglischen wesensverwandte Szene einzubauen, ohne damit zu
walzer nicht bearbeitet, sondern nur Einblick hineingetan.
Zeatbeitung war die Sache des Herrn Mauths und später 7
zerin v. Dewitz. Die Heeresverwaltung hat nicht nur' keim
Nachteile, sondern nur Vorteile von dem ganzen Verfahren ge
abt. Die Aufträge, bei denen Brandt eine Rolle spielte, de
ragen nur den Bruchteil eines Prozentes des Gewinnes de
Firma Krupp. Die Namen der Militärs, mit denen Brand
a Verbindung stand, sind mir erst durch die Vorunterfuchung
ekannt geworden. Ich habe an Brandt keine Anweisungen ge—
eben. Allerdinas war mir klar, daß Brandt den Militärbeamten
eine Geschenke geben durfte. Ich wußte auch, daß die Militärs
unicht über alles sprechen durften. Dagegen war mir unbekannt.
dah eine absolute Schweigepflicht bestand. Ueber eine straf
hare Verwendung der Brandt gewährten Funktionszulagen habe
ch nichts gewuht. Es ist mir auch niemals eine Andeutung
arüber gemacht worden. Im Gegenteil hat mir Direktor Dräger
viederholt erklärt, es liege nichts Strafbares vor. Die Höhe
es Gehalts und der Zulagen bei Brandt war nichts bessnderes.
Ich kann auch nichts Bedenkliches darin finden. wenn Brandi
die neuen Anschaffungen für Möbel liquidierte.
Sierauf wird in die Besprechung der Kornwalzet
eingetreten und für den Rest der heutigen Sitzung die Deffenk
lichkeit ausgeschlossen. Die nächste zffentliche Sitzung
findet Sonnabend 9 Uhr statt.
Schluß 113 Ubr
— — — — —
Vermischtes.
Fichte über das Zeitungslesen. Auf die Notwendigkeit
ja die Pflicht, an den Ereignissen der Zeit Anteil zu nehinen,
ich mit ihr in Verbindung zu halten, weist schon Fichte hin,
ind wenn wir seine Worte lefen, scheinen sie direkt auf das
zeitungslesen geprägt zu sein. Wos er von dem Leser ver⸗
angt, ist die eigene und persönliche Stellungnahme, das selbst—
andige Verarbeiten aller Anregungen. Fichte sagt: Wir
rüssen über die großen Ereiganisse unserer Tage, ihre Beziehung
uf uns und das, was wir von ihnen zu erwarten haben,
ut eigener Bewegung unserer Gedanken nachdenken und uns eine
lare und feste Ansicht von allen diefen Gegenständen und ein
nischeidendes, unwandelbares Ja oder Nein uber die hierherfallen⸗
en Fragen verschaffen; jeder, der den mindesten Anspruch auf
zildung macht, soll das. Das tierische Leben des Menschen
ãuft in allen Zeitaltern ab nach denselben Gefetzen, und hierin
st alle Zeit sich gleich. Verschiedene Zeiten sind da nur fin
en Verstand, und nur derjenige, der sie mit dem Begriff durch⸗
ringt, lebt sie mit und ist da zu diefer seiner Zeit; ein an⸗
cres Leben ist nur ein Tier- und Pflanzenleben. Alles, was da
eschieht. uwernommen an jich rorübergehen zu jassen, gegen
essen Andrang wohl gar geflissentlich Auge und Ohr zu ver—
topfen, sich dieser Gedanken osigkeit noch als großer Weisheit
u ruhmen, mag anständig sein cinem Fehen, an den die Meeres
vellen schlagen, ohme daß er es fuhlt, oder einem Baumstamm
den Stürme hin und her reihen, ohne daß er es bemerkt.
teineswegs aber einem denkenden Wesen.
. x. dDer Salsausschnitt des jungen Mannes. Sophie La
Roche, die Freundin Goethes,. die, in den strengen Zeremonien
des Rokoko aufgewachsen, sich nur langsam in den „Sturm
ind Drang“ einer neuen Zeit fügte, äußert sich einmal beson⸗
ders entsetzt über die „affreuse neue Mode“ der Herren, „die
freie Männerbrust zu zeigen.“ Und wahrlich! Es bedeutet eine
Revolution in der Serrentoilette, als die ungestümen Rousseau-
Jünger und Tyrannenfeinde die zarte Schönheit des Spitzen⸗
ragens und das feine Gefältel des Jabots rüchsichtslos her⸗
mterrissen und den bloßen Hals dem Winde darboten. Es
cheint, als wolle diese Mode der Sturm- und Drangzeit, die die
xreiheitsschwärmer des 19. Jahrhunderts nur vereinzelt nach⸗
ihmten, nunmehr wieder zu ncuem Leben erwachen. Auch wir
eben ja in einer Epoche, in der man dem Natürlichen, der
reien Körperbewegung und dem Sport huldigt. und wie die
ungen Leute den Hut als lästig empfinden, so wollen sie auch
den engen Kragen abwerfen und erklären also den „Sirls-
nsschnitt“ für die letzte Neuheit der Herrenkleidung. Ein
ranzösisches Blatt stellt fest, daß man in den Sommerfrischen
zieses Jahres gerade bei den elegantesten Jünglingen ein Auf—⸗
jeben des hohen Kragens lonstatieren konnte. Der Kragen
zer Jade war zurücgeschlagen und ließ in einem sritzen Aus⸗
chnitt ein Stück der Brust frei. Zuerst waren es hauptsächlich
Imeritaner, die so auftraten, aber sie fanden bald Nach⸗
ihmung, und nun hat sich diese Sommermode auch im Herbssl
ebensfaͤhig erhalten und findet immer mehr Verehrer.
cE. Vom lustigen John Bull. Das böse Gewilsen.
zum erstenmal ist der kieine Tommy im Schwimmbad und plät—
qhert nach Herzensiust. Aber plöbtzlich schleicht er bedrüct zu
eisem Vvaäter: O, Vapi“, flüstert er bleich. „ich habe etwas
Wasser geschludt: werden sie fsehr böse sein?“ — Der verz
anterStalp. „Tantchen“, fragte die kleine Helza, „bist
hu eine richtige Inbianerin oder haft du nur einen, Judanet
geheiratet?“ „Aher um Gotles willen, wie kommst du auf
'sese Idee?“, Ja, aber ich habe doch auf deinem Touette⸗
sch einen ganzen Haufen Skalpe gesehen. “— DerFleine
Aiunrsorfcher. Wer kann eine Raupe beschreiben ?“ „Ich,
ßerr Lehrer.“ Schön. Jimmy, was ist eine Raupe?“ JZimmny
ai. TEine Raupe ist ein aenolsterter WMurwm!“
—
primitver Derorationslosigkeit zurüczukehren, denn heutzutage
würde das Auge die liebgewordene Schau farbenfroher Dekora—
cionen schwer vermissen.
Die Neuinszenierungen von Karl Hagemann Ddamals Hof—
theater Mannheim) und des Munchener Künstlertheaters haben
idlich durch organische Verbindung beider Elemente eine ge—
ungene Lösung gefunden. Sie bauen, auf die Hinterbühne
onentriert. Dekorationen auf. die den üblichen, an malerischer
Wirhung und unmittelbarer Ueberzeugungskraft mindestens eben—
— die Szenenentwürfe
n Mannheim und München von der Hand erster Künstler. Sie
umtahmen aber das Bild durch eine architektonisch stabile
Vorderbühne, so daß die Dauer des Dekorationswechsels dod
wesentlich verringert wird.
Fast alle führenden deutschen Bülmen folgen für Shakespeare
zegenwärtig dem Vorbild der genannten zwei Theater. Das
dübecker Stadttheater wird nächster Tage mit einer Neuinsze
nierung des „Hamlet“ gleichfalls den erprobten Weg beschreiten
Modernem dramaturgischen Empfinden scheint die Shake⸗
pearebühne Direi Vorteile zu bieten: Das gesprochene Wort
erscheint als Selbstzweck, ohne dekoratives Beiwerk. Die flache,
eliefmähige Raumanordnung gewährlcistet klarste Uebersicht und
nnigen Kontakt zwischen Spieler und Zuschauer. Vor allem
ber erlaubt die Unabhängigkeit vom technischen Apparat, genau
»es Dichters Absichten zu folgen, zwar nicht in einer völlie
mgestrichenen Aufführung, da deren Länge erfahrungsgemäf
ie Aufnahmefähigkeit des Zuschauers überschritte (hier wird die
einsinnige Bearbeitung von Leverkühn zugrunde gelegt) —
aber doch weit genauer und getreuer, als dies die Dekorations
hühne bisher jemals zuließ. Dr. phil. E. Drach.