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Ausgabe A.
die Befreiung von Kassel.
Wohl die glänzendste und kühnste Unternehmung. die in
den Parteigängerkaͤmpfen“ der Befreiungskriege ausgeführt
vurde ist der berwegene Ueberfall des russischen Generals
Vchernitschew auf 8 der der Herrschaft Joromes. des
Zruders Napoleous. und dem Konigreich Westfalen ein jähes
knde bereitete. Dem keden Kosakenführer hatte der ewig
zaudernde Bernadotte nach jangem Drängen die Genehmigung
zu dem, Zuge gegeben, in Anbetracht, daß das Gelingen einer
solchen Unternehmung den französischen Einfluß in Norddeutsch⸗
land sehr erschutern prüsse“, gber, unter der Bedingung. sich
dinnen zwei Wochen wieder beim Nordheere einzufinden. So
konnle Ischernitschew feine Erfolge nicht recht ausnutzen, aber
xras ihm gelang, war' von einer ganz außerordentlichen morg⸗
ischen Wirkung, Wwut 2000 Reitern und 6 Geschützen glückte
es ihm, auf fehr beschwerlichen Schlupf- und Gebirgswegen
ziemlich unbemerkt bis nach Kassel vorzudringen, Ein dichter,
ichwerer Herbsinebel, der alles in dunkle Schleier hüllte, be—
wtigee fcinen Plan und frug dazu bei. daß Jérome, als er
von dem Andringen feindlicher Reiterei Kunde erhielt. die
Streitkräfte des Gegners außerordentlich üherschätzte. Er ließ
ich von der Handvoll, Kosaken, der seine Truppen weit über
egen waren, so ins Bocshorn jagen daß er unter sicherer
Bebeckung mebrerer Batailsone und Schwadronen eilig seine
Kesidenz verließ. Tschernitschew hatte unterdessen — es war
am 28. Sept. — das Ddorf Bettenhausen vor Kassel ange—
griffen; die Reiter stürzten sich im dichten Nebel mit Wart
auf das hier stehende westfälische Bataillon und nahmen es
jefangen; dann drangen sie in Kassel ein und wurden von
en Bewohnern mit Freuden aufgenommen, so daß sie einen
Teil der Stadt behaupteten. Dem fliehenden König sandte
Tschernitschew den Obersten Benkendorf nach, der sich auf die
Rachhut warf, 10 Offiziere und 289 Mann gefangen nahm und
inen großen Teil des königlichen Gepäds eroberte. Mit Mühe
und Not retiete sich der König, dessen Devise das „Morgen
wieder lustick gewesen war, nach Marburg und kam dann in
zinem recht kläglichen Aufzug nach Koblenz. „Mein Mann“
'd schrieb die Königin klagend, „hat seinen Rüdzug mit einem
inzigen Kleid auf, dem Leibe antreten müssen; alles, was er
zesaß, ist tatsächlich in der Gewalt des Feindes. Er ist nur
don sehr, wenigen Personen begleitet.“ — Ischhernitschew hatte
einen ersten, gelungenen Äeberfall nicht ausnützen können, weil
der westfälnsche Genergl Bastineller mit einem Korps heranrücte.
In der Nacht, vom 28. zum, 29. Sept. wandte sich der russische
Reiterführer ihm entgegen, aber der westfälische Genergl wartete
»en Angriff der Kosaken nicht ab, sondern ging zurück; er war
einer Truppen nicht mehr sicher, die sich zum großen Teil
reiwillig gefangen nehmen ließen, oder zu den Russen über⸗
zingen,. Auch in Kassel selbst ergriff jedermann für die Be—
reier Partei; in durzer Zeit bildete sich aus Ueherläufern,
Studenten, und Freiwilligen ein Hilfsbataillon, das dem lang-
ährigen Widersacher Joͤromes, dem Maior p. Dörnberg, unter⸗
stellt wurde. Rur der General Alix, dem der König die Ver—
eidigung, seiner Residenz dringend ans Herz gelegt, hatte. er⸗
ichlete Varrikaden in der Stadt und, war entschlossen, sich zu
alten. — Am 30. Sept. wird die Stadt aus 18 Geschützen
zestig beschossen; das neu errichtete Fussvolk stürmt das Leipziger
or Zund dringt in Kassel ein, von, den Bürgern mit Freude
und Jubel begrüßt. Nun muß Alix kapitulieren; er läßt dem
Sieger noch 22 Kanonen, eine Kriegskasse von 79 000 Talern usw.
urück und zieht mit seinen 2700 Mann ab, von den Kosaken
friedlich herausgeleitet. Ein rauschender, jauchzender Empfang
vird Ichernitschew zuteil, als er am 1. Oktober in das be—
ireite Kassel feierlich seinen Einzug hält und im Namen des
Zaren und Bernadottes die Auflösung des Königreichs Westfalen
droklamiert. In Wilhelmshöhe nimmt er von den Gemächern
des Königs Besitz, läßt aber alles unberührt, nur ein paax
Bilder und ein bronzenes Tintenfaß werden als „Andenken“
nitgenommen. Am Abend große Galavorstellung in Jéromes
doftheater. Am 3. Okltober zieht er wieder ab, reich mit
Kriegsvorräten beladen, von Hunderten von Freiwilligen ge—
'olgt, um zur rechten Zeit von seinem „Ausflug“ zum Haupt
eere zurückzukehren. Jérome konnte noch ein kurzes Gastspiel
n KHassel geben, bevor er endgültig sein Reich verließ: aber
der Eindrudk des glänzend geglückten Streiches war außerordent—
rich, so bedeutend, wie eine gewonnene Schlacht. Napoleon er—
kannte dadurch an einem besonders schlagenden Beispiel, auf
wie tönernen Füßen seine Herrschaft in Deutschland stand; er
gab zum großen Teil deswegen seine Stellung bei Dresden
ↄöllig auf. „Die Lustbarkeiten des Königreichs Westfalen“,
sagie er mit bislerem Spott. werden nun dald beendet Jein.“
Aus den Nachbargebieten.
Großherzogtum Oldenburg und Fürstentum Lübed.
OD- Ahrensbök, 30. Sept. Gartenbauausstel—
iung. Die letzte Ausstellung imerhalb des Verbandes der
Hartenbauvereine hatte Sonntag der hiesige Gartenbauverein
oeranstaltet und zwar mit einem Erfolge, der dem Verein alle
Ehre machte. Staatspreise erhielten für Aepfel: Amts—
richter Witthauer, Tischler Pohl, Landwmirt Maack-Lebatz, Lehrer
2 rons,
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Berliner Brief. l
Eigenbericht der Lübeckischen Anzeigen.) —
Berlin, 27. Sept.
Aussterbende Großstadtfiguren.
TDaͤe Lebenskraft Berlins ist so überwältigend, daß sie hier
ever täglich neu verspürt. Sie befiegt Abstumpfung. Wer
aus ruhigeren Wohngefilden, etwa ron der Wannseebahn mitten
ins Herz der Stadt geführt wird, verspürt, wenn er noch
halb verträumt den Potsdamer Platz betritt, an jedem neuen
Morgen wieder einen jähen Schrech; es ist, als träfe ihn eine
itarke plötzliche Entladung, wenn er plötzlich sich in das
tobende Chaos wie sinnlos durcheinander laufender Wagen
und Menschen versetzt sieht. Nimmt man sich Zeit, dies Ge—
wirre auf den Hauptstraßen und -plätzen ins einzelne zu beob—
achten und nach Jahren das Einst und Jetzt zu vergleichen,
dann kommt einem freilich zum Bewußtsein, wie sehr in der
Flucht der Erscheinungen auch hier das in der ganzen Natur
geltende Gesetz wirlsam ist, daß das unaufhörlich weiter bran—
dende Leben zugleich ein unausgesetztes Sterben, ein ewiger
Umformungevrozeß ist. Wer Berlin noch vor etwa 15 Jahren
näher kannte, den muten Straßenbilder, die in seiner Er—
innerung haften geblieben sind, heute schon fast wie Kleinstadt-
idylle an. Wie gemütlich lungerten damals noch an allen
Ecken Straßenhändler, Obstfrauen, Würstchenverkäufer, Hausierer,
die Andenlen an Berlin feilboten, Streichholz⸗· und Schuhbän⸗
derverkäufer und nicht zuletzt auch Krüppel und Bettler umher.
Fast alle hat die immer wachsende Lebensgefahr und in den
letzten Jahren der unerbittliche Polizeibesen Jagows weggefegt.
Auch die vielen Bassermannschen Gestalten, die man sonst gerade
im Stadtinnern zu sehen gewohnt war, und die in London einem
in so erschrechender Häufigkeit begegnen, sind aus dem Weich-
birde Berlins fast ganz verscheucht worden, man sieht sie hier
aur auf verschwiegenen Gartenplätzen in stierender Trostlosigkeit
nuf den Bänken hocken oder in langer, düsterer Säule, unter
der Auff'icht von Polizisten aneinandergereiht, wernn an genau
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Renstag, den 30. September 1913.
Abend⸗Blatt Nr. 495.
Brell, Redakteur Hormann, Ratsherr Priess und Landwirt
drückhammer-Spechserholz. Birnen: Organist Jung, Amts—
ichter Witthauer, Bäcker Kiekbusch, Uhrmacher Muus, Hof—
esitzer Drückhammer und Organist Schoolmann-Gleschendorf.
Steinobst: Hofbesitzer Mentz-Hörsten. Obst- und Geie⸗
nüsekonserven: Postmeister Teut und Landwirt Maack—
debatz. Schnittblumen: Hofbesitzer Mentz-Hörsten. Ge—
nüse: Organist Schoolmann-Gleschendorf, Ratsherr Priess,
MNandatar Fidelius, Landwirt Drüdhammer-Spechserholz, Land⸗
airt Muhs-Holstendorf, Amtsrichter Witthauer, Oberbrief⸗
räger Dohm und Landwirt Babbe-Schwochel. In der Blumen—
bteilung (Topfgewächse), Blumenpflege der Schulijugend wurden
4 Preise verteilt.
O Säüsel, 30. Sept. Abgebrannt ist Sonntag
bend die Schmiede zu Gronenberg (Stubbenberg). Leider
ind zwei Schweine in den Flammen umgekommen. Als
Ursache des Brandes wird Heuentzündung angenommen.
Lauenburg.
B Lütjiensee, 30. Sept. Verkauft hat Gärtner
Matzel zwei Bauplätze an einen Herrn aus Hamburg.
BLabenz, 30. Sept. Elektrisches Licht. Der
Inschluß an die Lübecker Ueberlandzentrale ist jetzt gesichert. Die
Installation der Häuser und der Bau des Ortsnetzes ist dem
Inhaber des Eieklrizitätswerkes in Bleckede erteilt worden.
DSteinhorst, 30. Sept. Zwechs Melioration
»es Bodens ist seit einigen Tagen auf der Kreis-Domäne Päch—
er R. Jansen) ein Dampfpflug in Arbeit.
SSchiphorst, 30. Sept. Noch glücklich verpütet
vurde ein Schadenfeuer. Kleine Kinder spielten im Kuhstall
ines Landmannes mit Streichhölzern und hatten dort ꝛinen
zaufen Stroh in Brand gesteckt. Erwachsene tamen hinzu
ind konnten die Gefahr beseitigen.
SGroß-Klinkrade, 30. Sept. Verpachtet wucrde
zeim Gastwirt Grel. die diesjährige Streunutzung auf dem Klink⸗
ader und Lüchower Moor. Freitag soll die Streunutzung im
Behrensteich und die Oberteichskoppel in Parzellen in Ort und
Stelle verpachtet werden.
Großherzogtümer Medlenburg.
Rostock, 30. Sept. Gedenkfeier. Wie 1863, so wird
uch in diesem Jahre die Wiederkehr des Schlachten⸗
ages von Leipzig durch eine große vaterländische Gedenk—
eier in der Vaterstadt Blüchers festlich begangen werden.
rür den 18. Okt. sind Festakte in sämtlichen Schulen vorgesehen,
achmittags findet ein Schau⸗ und Wetturnen der Schüler auf
em Vögenteichplatze statt, später ein Festgottesdienst in der
?t. Marienkirche. Am 19. Okt. wird die Hundertjahrfeier durch
slochengeläute und durch Böllerschüsse eingeleitet werden. In
er Mittagsstunde wird Konzert auf dem Neuen Markt statt⸗
inden; für den Nachmitkag ist ein Festzug hach den Barnstorfer
agen Abbrennen eines Holzstoßes und ein Fachelzug vor⸗
esehen
Ludwigslust, 30. Sept. Anläßlich des Geburts—
ages der Großherzogin prangte Montag die Stadt
n reichem Flaggenschmuch. Von 924 Uhr an fand Gratulations—
Tour bei der Großherzogin satt. Um 11 Uhr 24 Min. traf
ßrinz Heinrich der Niederlande hier ein. Um 1u Uhr fand Gala—
afel zu 65 Gedecken statt. Nach der Tafel begaben sich die
rürstlichkeiten nach Friedrichsmoor. Die Großherzogin spen—⸗
oete für die Armen der Stadt Ludwigslust 300 M.
Schwerin, 30. Sept. Ein schwerer Junge wurde
jierselbst in der Mecklenburgischen Bank abgefaßt, als er.
dort französisches Geld, das aus einem Diebstahl in Rostoch
jerrührte, wechseln wollte. Die Bank war von dem Diebstahl
»ereits unterrichtet. Die Kriminalpolizei fand im Koffer des
Verbrechers im Schweriner Hof verschiedene Daͤebeswerkzeuge.
Uebrigens bringt man den Verhafteten mit den kürzlich in
einigen Villen im Schloßgarten verübten Einbrüchen in Zu—
sammenhang.
Parchim, 30. Sept. Zum Einbruch und Selbit
nord des Dragoners ist noch zu berichten, daß dieser
ich wahrscheinlich mit Ueberlegung und Bewußtsein den Tod
—D
leußerungen scheint er Angst vor Bestrafung gehabt zu haben.
Die sofort eingeleitete Unftersuichune hat auch bhereifts skwoer
— —
Belastendes gegen ihn ergeben in der Weise, dah er schon
früher in Abwesenheit des Majors sich Wein und Zigarren durch
kinbruch aus dessen Vorräten verschafft und mit anderen Sola
daten verpraßt hat.
Rehna, 30. Sept. Seine Antkrittspredigt
hzielt am Sonniag Pastor Müller. — Der Männerturn—
derein unternahm am Sonntag einen Ausflug nach dem
Körnerdenkmal in den Rosenberger Tannen. Nach der Rücktehr
'and im Körnerschen Lokale ein Familienabend statt. — Ge⸗—
uft hat Graf von Bernstorff auf Bernstorff das in Losten
ei Kleinen belegene Seegrundstück von Karl Zinzow bei so—
fortiger Uebernahme. — Ein Diebstahl wurde dieser Tage
n Gr.⸗Salitz ausgeführt. Der dort in Arbeit stehende Kuh—
melker bekam Besuch von seinem Bruder und zwei Bekannten des
etzteren aus Berlin, welche dort freundlich aufgenommen und gut
»ewirtet wurden. Ste wollten nur einen Abstecher machen und
im anderen Tage nach Hamburg weiterfahren. Als der Ober—⸗
chweizer nachmittags vom Melken zurückkam, bemerkte er, daß
»er Besuch und auch der Melker verschwunden waren, gleichzeitig
ehlten auch 150 Mvon seinem Gelde. Sofort wurde die Gen—
armerie benachrichtigt, welcher es gelang, die Täter auf dem
Bahnhofe in Gadebusch zu ermitteln. Nach anfänglichem Leug⸗
ien gestand der Melier den Diebstahl ein und konnte ihm das
»ollzählige Geld so ort wieder abgenommen werden
Hermiichtes.
Das Vergnügungs-RAuto als Aderpflug.
Fast täglich werden neue Versuche angestelit, das Automobil
ür neue Zwecke nutzbar zu machen. Eine sehr vraktische Ver—
vertung besteht u. a. darin, daß man es durch, Verbindung
nit einem Traltor in einen Ackerpflug umwandelt. Das dazu
rforderliche Verfahren, ist so einfach, daß auch der Ungeühteste
in wenigen Minuten die Verwandlung zur, Ausführung bringen
kann. Mit einer soschen Pflugmaschine, bei der die Hintercäder
des Autos in der Luft schweben, sind bisher Geschwindig'eiten
von 50 km in der Stunde erzielt worden. d. h. ine Arbeits-
leistung, wozu sonst zehn Pferdegespanne erforderlich wacen.
Der größte Kran der Welt. F
Auf der Werft vdon Blohm & Voß in Hamburg ist
ein Riesenkran fextiggestellt worden, der gegenwärtig an Größe
zuf der ganzen, Wer von keinem zweiten erreicht wird. Seine
Tragfähigkeit itt „nur“ 250 000 kg groß, seine Spitze raet
100 m über den, Wasserspiegel empor und sein gewaltiger
Ausleger hat eine Länge von 58 m. Das durch Elektrizität be—
riebene Riesenwerk verfügt über zwei von einander udilig un—
abhängige Hebezeuge, deren jedes durch einen einfachen Hebeldrud
in Tätigkeit gesetzt werden kann.
PC. Die Perlenha 1Sbandaffäre im Varieté.
Ddie Affäre des gestohlenen PVerlenhalsbandes ist in
Baris zu einer Marietéenummer geworden, die viel amüsanter
wusfiel. als die Veranstalter dachten. Die Folies Bergeres
atten, wie uns die Preß-Zentrale meldet, Herrn
Zuadratstein, den Zeugen aus der Halsbandgeschichte, der durch
oie Londoener Tribunabberhandlungen bekannt geworden ist, enga⸗
niert, um das Publikum dieses lustigen Hauses mit einer klieinen
Fonserence über die launige Diebstahlsgeschichte zu amüfieren.
zerr Quadratstein, der trotz seines vierecigen Namens ein ziem—
ich rundliches Aussehen hat, war kaum auf der Bühne erschienen,
As ein furchtbarer Tumult im Saale ausbrach. Das
Lublikum begrüßte den harmlosen Conferencier mit den größten
zchimpfworten und ließ ihn nicht zu Wort kommen. Und so
nußte Herr Quadratstein sich zurückziehen, bevor er seine Mätzchen
um belten geben konnte.
PO. Eintödlicher Wespenstich. Eine der bekanntesten
Damen der Londoner Gesellschaft, Lady Jane Graham
Vtolesworth, die Gattin Sir Lewis William Moleswocths, ist
Sonnabend an den Folgen eines merkwürdigen Unfalles ge—
torben. Sie besand sich in ihrem Gartensalon, als sie von einer
Rurch das offene Fenster gekommenen Wespe in den Hals ge—
tochen wurde. Der Hals schwoll sofort furchtbar an und ehe
ioch ärztliche Hilfe zur Stelle war, stürzte Lady Jane tot zu
Boden. Man nimmt an, daß das Insekt Ptomain durch Be—
ührung mit Abfällen an seinem Stachel hatte und daß der Stich
eine Arterie getroffen hat. so daß sich das Blut augenblicklich
ersetzte. Die so jä. Dahingeschiedene erfreute sich der größten
Zeliebtheit der Londoner Geselischaft. Sie stand im 38. Lebens—
ahr und war eine geborene Amorikanerin
— — v—
sirmen bei der Einkleidung ihres riesigen Verkäuferheers bei—
hehalten worden.
Jedes Kind weiß hier, daß die Tage des Droschkengauls
zezählt sind und er bald, wie das selige Tramwaypferd, den
Weg des billigsten Fleisches wandeln wird. Man hedient fich
»er Droschken nur, wenn man iit ohnmächtiger Wut 10 schon
»esetzte Automobile hat vorbeisausen lassen müssen, und was
oll der schwerfällig auf seinem Bock sitzende Droschkenkutscher
— man sieht unter dem Lackzylinder bezeichnenderweife fast
rur noch graue und weihe Köpfe — in der Hetziagdder Straßen?
luch diese vierschrötigen Gestalten werden bald verschwinden und
em behenden,. selbstbewußten Chauffeur das Feld räumen
rüssen. Nun dringt in die Oeffentlichleit auch die bewegliche
dUage. daß der Berliner Dienssimann abzudanken gesonnen ist.
e?ͤr kann den Wettbewerb mit den hurtigen Messenger Boys
ind den ihnen jüngst zugesellten Messenger Girls — wir haben
a für alles so schöne und bezeichnende deutsche Worte — nicht
estehen. Wo sind die Zeiten, da der Berliner Vollswitz zum
roßen Teil vom Dienstmann — Nante bestritten werden mußte
ind jedes Berliner naturalifstische Trama eine Komikerrolle für
»en Dienstmann bereit hielt, der beim Betreten der Bühne fast
mimer „Uff!“ zu sagen hatte. Seine Ehrlichkeit war ebenso
prichwörtlich, wie die des Droschkenkutschers, der ein Trink-
jesld, das 10 Pfg. überjtieg, wie geraubtes Gut von sich
ibwies. All diese biedern, schwerhufigen Trampeltiere, die oft
ie zierlichsten Brieflein zu überbringen hatten. werden heute
chon als vorsintflutlich empfunden, ihre Zeit ist um, ihre Erb-
chaft haben die quechilbrigen, schlanken und flinken Boten
der neuen Zeit angetreten, die ebenso anspruchsvoll sind wie
hre Namen, die um so vieles mehr kosten, aber auch —
und das gibt den Ausschlag — so viel mehr leisten können
ind sich den raffinierten Anforderungen eines ungeduldigen
Heschlechts um so vieles besser anzupassen verstehen.
Spektator.
bestimmten Stellen allnachmittäglich die mit Annoncen dicht
vedechten Blätter verteilt werden, diese für die Arbeitslosen
estimmten Sonderausgaben der großen Zeitungen, auf denen
ie in ihnen angekündigten offenen Stellen zusammengefaßt
ind. Hier ist alles geregelt und organisiert; geduldig wartet
eder, bis an ihn die Reihe konmt und er den Jettel in die
Sand gedrücktt erhält. den er dann sosort mit fiebernder Eile
iberfliegt.
In früheren Jahren spielte der „fliegende Buchhändler“
ine aroße Rolle. Ueberall tauchten die kleinen mit alten
ind oft überaus köstlichen Schmökern bedechten Wagen auf. „Je—
»es Buch 20 Pfennige!“, und man konnte hier für einen
Bappenstiel die schönen Erstausgaben, die herrlichsten Kupfer—
tiche und die entlegensten Seltenheiten erwerben. Der Krämer
ah geduldig zu, wenn der Kunde das Oberste zu unterst kehrte,
ind nur, wenn einer gar zu lange die anderen am Suchen hin—
erte und keinen vertrauenerwedenden Eindruck machte, erscholl
er Ruf: „Buddeln Sie nicht so mang die Bücher!“ Heute
ind auch die fliegenden Buchhändler nur an ganz bestimmte
bunkte gebannt, sie umgrenzen namentlich die Straßen in
nmittelbarer Nähe der Universität, und wer sich aus ihren
etzt wohlgeordneten Bücherreihen herrliche Ueberraschungen
erauszusischen hofft, sieht sich unfehlbar enttäuscht. Die Ein⸗
eweihten wissen, daß sogar dieser Handel mit alten Büchern
sier monopolisiert ist, daß die Verkäufer die Angestellten
ines einzigen Antiquariats sind, das die Schwarten sorgfältig
uusgemustert und die Preise ganz genau festgelegt hat. Auch
ieser Rest von Romantik, der den Bücherwurm manchmal mit
üßen Schauern erfüllte, ist aus Berlin verwiesen. Auch der
Nilch⸗ und Brotmann, der früher beflissen von Haus zu Haus
ing, ist nahezu verdrängt worden vom Bollewagen, der ein
vichtiges Glied in der erstaunlich organisierten Nahrungsmittel⸗
ersorgung der Millionenstadt geworden ist, und von den
dutomobilen der Dampfbrotbädereien. Nur die alten blauen
zitteluniformen und Schirmmützen sind von den Monopol-⸗