Full text: Lübeckische Anzeigen 1913 (1913)

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Tagesbericht. 
Lübeck, 27. September. 
S Die Schlußprafung an der Realschule zum Dom haben 
bestanden: Wilhelm Blunck, Robert Boorz, Waldemar Bratt⸗ 
ström, Heinrich Dittmer, Walter Egge, Fritz-Helmuth Grote, 
Walter Heinsen, Otto Hoffmann, Karl Jacobsen, Friedrich 
Jensen, Hans Jürß, Hermann Schmidt. Von der mündlichen 
Prüfung wurden befreit: Grote, Jürß und Schmidt. 
WZur Frage der Vergrößerung der Viehmarkthalle für 
Inlands-Vieh teilt uns ein am Viehhandel Beteiligter in Ver— 
folg der heute in den Lübeckischen Anzeigen veröffentlichten 
Notiz mit, daß nach seiner Ansicht die Halle gegenüber dem zeit⸗ 
weise schon in den ietzten Jahren sehr starken Verkehr von An— 
fang recht klein bemessen sei. Die Oeffentlichkeit beginnt erst 
jetzt auf die Bedeutung unseres Viehmarktes aufmerksam zu 
werden, aber Auftriebsziffern wie jetzt sind — natürlich an Aus—⸗ 
nahmetagen — auch schon früher auf der Viehrampe beobachtet. 
Eine schleunige Inangriffnahme der Vergrößerung der Halle 
ind zwar mindestens auf das Doppelte der ietzigch 
Hrundfläche erscheint in den beteiligten Kreisen durchaus ge— 
boten. Wer einmal an Markttagen die Ausfechtung der Mei— 
nungsverschiedenheiten angehört hat, wenn ein Viehhändiler 
einen gewohnten Stand schon belegt findet, oder gar, wenn 
sein Vieh an eine andere Stelle geführt ist, der wird wünschen, 
daß bald Abhilfe geschaffen wird. Hat sich die Verwaltungs⸗ 
zehörde dieses Zweiges unseres Erwerbslebens dankenswerter⸗ 
weise angenommen, so muß sie jetzt auch ganze Arbeit schaffen, 
und die ist nur getan, wenn eine Raumverdoppelung der Halle 
vor Eintritt der strengen Winterkälte erfolgt und — eine Ver- 
befserung des Auftriebes über die St. Vorenzbrücke 
erfolgt. Bei den Beratungen des die Viehmarkthalle betreffen⸗ 
den Senatsantrages in der Bürgerschaft war in Aussicht ge⸗ 
stellt, daß eine Längsaufreilung der St. Lorenzbrücke durch ein 
Gitter erfolgen solle, um das Treiben des Viehes von der 
Viehrampe nach der Markthalle zu ermöglichen. Davon ist bis 
jetzt nichts in Angriff genommen, das Vieh muß geführt 
werden, was bei den großen Massen der ankommenden Häupter 
natürlich mit bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft ist, ↄder es 
werden, wenn das Treiben erfolgt, die Pafsanten in nicht ge⸗ 
ringe Gefahr gebracht. — Unser Gewährsmann hat uns ge— 
beten, doch öffentlich für schleunige Abhilfe bei der ja bisher 
immer hilfsbereiten Verwaltungsbehörde einzutreten. 
, Cines“⸗Hansa⸗Theater. Das neue Programm im 
„Cines“⸗Hansa⸗Theater weist wieder einige hervorragende Er— 
scheinungen auf. Sehenswerte Tricks zeigen „The Codalls“ in 
einem Trampoline-Akt, wenn es der Künstler auch gestern 
höchstens bei der Hälfte der angekündigten 70 Saltomortale 
in einem Schwung sein Bewenden ließ. Bewunderungswürdig 
ist die Komik des zweiten Künstlers. Während man im letzten 
Programm die beweglichen gelenkigen Puppen des Marionetten— 
theaters bewundern konnte, gab es gestern abend eine lebende 
Dame als Puppe zu sehen, die in der Tat alles puppig zu 
machen wußte. Die Starrheit ihres Gesichtsausdrucks und 
ihrer Glieder, die wie automatisch ausgeführten Bewegungen 
täuschten eine wirkliche Puppe vor, selbst dann noch, als sie, 
vom Clown ins Parkett hinabgeführt, einem Besucher des— 
selben um den Hals fiel, um ihn sehr beharrlich umschlungen zu 
halten. Als komische Jongleure traten Francis und Alfred 
auf. Der eine von ihnen ist ein tüchtiger Speialist auf diesem 
Gebiete, seine Manipulationen mit schweren Kugeln sind bril— 
lant. Der andere weiß durch eine glänzende Komik belustigend 
zu wirken. Außerdem wies das Programm noch acht Nummern 
auf, die sämtlich durch Lichtspiele, allerdings sehr hübscher, 
meistens humoristischer Art, ihre Erledigung fanden. Der 
Besuch ließ leider wieder manches zu wünschen übrig. Wenn 
im „Cines“Hansa⸗Theater auch Varieté und Lichtspiele vereinigt 
dargeboten werden sollen, so dürfte das Varietsprogramm doch 
nicht derartig in den Hintergrund treten, wie dies gestern 
(Freitagh der Fall war. Während bisher noch 5 oder 6 
Nummern des Programms durch Spezialitäten bestritten wur— 
den, waren diese in der gestrigen Vorstellung — infolge Aus— 
bleibens einer Nummer — leider schon auf drei reduziert. Das 
Hansa⸗Theater ist stets ein Varieté gewesen, Varieusé 
heiht auf deutsche„Verschiedenes“ und das Publikum wünscht 
im Hansa⸗Theater daher auch in erster Linie Spezialitäten 
aus den verschiedensten Gebieten des Varietés zu sehen und zu 
hören. Wenn auch hin und wieder ein Lichtspiel eingeschaltet 
werden kann, so sind an einem Abend 8 Darbietungen auf dem 
Film des Guten wirklich zuviel und der Besuch muß notwen— 
dig darunter leiden. Wenn das Publikum fast ausschließlich 
finematographische Tarbietungen sehen will, braucht es ja mur 
eines der Lichtspieltheater aufzusuchen, an denen hier in Lubeck 
vekanntlich kein Mangel ist. 
V Zur widerrufenen Wasserlandung der „Hansa“ in Mien⸗ 
dorf schreibt uns unser Niendorfer Berichterstatter: Die Bitte 
der Wasserlandung war der „Delag“ am Montag mittag in 
Hamburg von eminer Villeninhaberin aus Niendorf zugegangen, 
und zwar bat diese, gelegentlich der zwei Fahrten am Sonn— 
tag, 28. September, wenn Wind und Wetter es erlaubten, eine 
Wasserlandung auch einmal vor Niendorf vorzunehmen. Um⸗ 
gehend kam die nachstehende Antwort der Delag zurück: „Wir 
besitzen Ihr geschätztes Schreiben vom 21. d. M. und sind 
gern bereit, wenn es die Umstände erlauben, eine Wasserlandung 
bei Niendorf vorzunehmen. Eine bestimmte Zusage in dieser 
Richtung können wir aber nicht geben. gez. Dörr.“ Nach 
Empfang d'eses Schreibens hing die Empfängerin dieses Sckrei— 
ben zur öffentlichen Kenntnisnahme int Laden des Kauf— 
manns Drevsen in Niendorf aus. Es wurde mit Freuden be— 
grüßt. Es ist aus dem Wortlaut allgemein angenommen, daß 
es sich der Bitte entsprechend, um Sonntag handelt. Das 
Wort „Gelegentlich“ steht überhaupt in der Ant— 
wort der „Delag“ nicht. Wer Annonce und die 
Tagesberichtsnotiz im Lübecker General⸗Anzeiger aufgegeben, 
weiß die Villenbesitzerin nicht, sie selbst versichert, dieser Ver⸗ 
öffentlichung fernzustehen. — (In der Tat standen für die 
Lübeder Landung und die an der geschäftlichen Erledigung 
der Anspruche der Luftschiff-Gesellschaft Beteiligten recht erheb⸗ 
liche Interessen auf dem Spiel. Die Gesellschaft verlangt nicht 
nur die Garantie einer vollen Passagierzahl für Seide Fahrten, 
sondern auch noch einen recht erheblichen Teil von den Einkritts— 
zeldern. Wenn daher an einem dem Landungsplatz nahe be⸗ 
legenen Ort bei derelben Fahrt eine Woasserlandeung 
ohne Erhebung von Eintrittsgeld vorgenommen würde, wer 
ollte dem auf dem Landungsplatz in Lübed das Eintrittsgeld 
erlegen, das für die Erhaltung der wiederholten Besuche des 
Lduftschiffes in Lübeck von so wesentlicher Bedeutung ist? D. Red.) 
D Sitaflammer J. Sitzung vom 26. Sept. Wegen Be⸗— 
ruges wurden der Arbeiter Alfred Scho. und dessen Ehe— 
rau am 10. Juli 1913 vom hiesigen Schöffengerichte zu je 
10, Tagen Gefängnis verurteilt. Sie hatten am 25. April im 
Amaumschen Ahzablungsaeschäfte hierselbst einen Anzuo zu 
i5 Magekauft gegen eine Anzahlung von nur 10 Muund der 
zerpflichtung, alle 1I4 Tage 10 Miabzubezahlen. Zum Ab— 
hluß des Geschäftes und namentlich auch zur Hergabe des An— 
ages gegen solch geringe Anzahlung wurde der Ittmannsche 
zeschäftsführer dadurch bestimmt, daß die Angeklagten be— 
aupteten, der Mann stehe in dauernder Stellung auf dem 
zochofenwerke er werde in seiner Stellung noch aufrüccen 
ind würden sie dann größere Ratenzahlungen leisten. Diese 
lIngaben waren unwahr. Am 24. April hat der Ehemann Scho. 
uletzt auf dem Sochosenwerke gearbeitet, und schon am 26. April 
ind die Eheleute nach Schlesien verzogen. Abzahlungen haben 
ie nicht geleistet. — Trotz dieses Tatbestandes haben die An⸗ 
ieklagten Berufung eingelegt, die aber verworfen wird. — 
Begen Entwendung bezw. wegen Hehlerei wird 
egen den Schlosser Eduard Sch. und den Arbeiter Paul Ol. 
erhandelt. Ant 29. Juli d. J. stellte das Schöffengericht 
egen die Angeklagten folgendes fest: Am Vormittage des2. Mai 
ingen die Angetagten, die derzeit stellungslos waren, 
uf den Sportplatz des Lübecker Ballspielklubs. Hier nahm 
sch. einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete damit die mitt⸗ 
re Tür der Wärterhalle. Beide betraten dann den Wärter⸗ 
rum. Auf einem Tische stand dort ein Glasschrank des Hallen⸗ 
ärters Horstmann. Den Schrank öffnete Sch. und entnahm 
emselben mindestens vier Schachteln mit Zigaretten zu je 
0 Stück. Von diesen Schachteln gab er später an Ol. zwei 
chachteln und dieser nahm die Zigaretten an, obwohl er die 
erkunft der Zigaretten kannte. Das Schöffengericht erkannte 
egen den bereits vorbestraften Sch. auf 4 Wochen Haft, gegen 
J. auf 5 Tage Gefängnis. Gegen dieses Urteil haben die 
ngeklagten Berufung erhoben, aber auch die Stgatsanwalt- 
haft. Der Erfolg ist, daß die Strafe gegen Sch. auf 6 Wochen 
aft erhöht wird und bezüglich Ol. es bei dem schöffengericht— 
chen Urteile bleibt. — Wegen Körperverletzung wird 
egen den Hofpächter St. verhandelt. Am 24. Juni hielt ein 
ienstmädchen sich ohne Berechtigung in der Kätnerwohnung des 
ngeklagten auf. Da der Angeklagte sie dort nicht haben 
ollte, forderten er sowohl wie auch eine in der Kätnerwohnung 
ohnende Frau M. das Mädchen cuuf, die Wohnung zu verlassen. 
lls das Mädchen nach mehreren Stunden immer noch in der 
Bohnung sich befand und auch die wiederholten Aufforderungen, 
ich zu entfernen, nicht beachtete, faßte derAngeklagte fie an 
en Arm und brachte sie hinaus. Draußen warf das Mädchen 
ch nieder UuUnd war durch Worte nicht zu bewegen, aufzustehen 
nd fortzugehen. Nun nahm der Angeklagte seinen Handstock 
nd verabreichte dem Mädchen einen Schlag auf das Gesäß. 
as half sofort. Das Mädchen sprang auf und lief sort. Das 
chöffengericht verurteilte den Augeklagten wegen dieses Schlages, 
n Rücksicht darauf, daß der Angeklagte schwer gereizt worden 
»i, zu 3 Meevent. 1 Tag Gefängnis. Gegen dieses Urteil 
aben der Angeklagte und die Siaatsanwaltschaft Berufung 
rhoben. Letztere findet die Strafe zu gering und beantragt 
O MGeldstrafe. Der Angeklagte möchte freigesprochen werden. 
dach langer Beratung erkennt das Gericht auf Freisprechung, 
a der Angeklagte sich in Notwehr befunden und die Grenzen 
er Notwehr nicht überschritten habe. Das Mädchen habe sich 
ruf dem Grund und Boden des Angeklagten des Hausfriedens⸗ 
ruchs schuldig gemacht und zur Bewältigung des Widerstandes 
ei der Schlag verabreicht. Eine gewalisame Fortführung sei 
sür das Mädchen bei deren körperlichem Zustande vielleicht 
zejährlicher gewesen, wie der verabreichte Schlag 
0. Stadttheater. Spielplan vom Sonntag, 28. Sept., 
zis einschl. Sonnabend, 4. Okt. (Aenderungen hleiben vor— 
ehalten); Sonniag, nachm.: Geschlosssie. Souantag, 
bends: Neuheit! „Der Kuhreigen.“ Große Oper von Wilh. 
dienzl. Montag?: „Fidelio.“ Dienstag: Neueinstudiert! 
Rosmersholm.“ Miftwoch: „Ein Walzertraum.“ Dom— 
erstag: „Hoheit tanzt Walzer“ Freitag: „Faust.“ 
donnabend: „Der Kuhreigen.“ — In Vorbereitung: 
per: „Hugenotten“, „Wildschütz“, „Theodor Körner“ (Hin— 
ertiahrfeier der Vörerschlacht hbei Leipzig). Schauspiel: 
„Hamset“, „Der lebende Leichnam“ 
neueste Nachrichten und Telegramme 
der A. und . Z.““, 
Zur Abberufung des Konsuls Schleben in Belgrad. 
W. Berlin, 27. Sept. Der Lokalanzeiger stellt auf Grund 
jäherer Erkundigungen einige Punkte in der Pressepolitik auf 
ie Affäre Schlieben richtig und hebt zunächst nochmals 
ervor, daß die Behauptung, Schlieben sei auf Verlangen Oester— 
eich-Ungarns von Belgrad entfernt, völlig aus der Luft ge⸗ 
riffen ist, da die Versetzung schon im vorigen Jahre 
estbeschlossene Sache gewesen ist. Gegenüber dem 
zorwurf, daß Schlieben bei der Versetzung zum Generalkonsul 
ünfmal übersprungen wurde, um so zum Rücktritt gedrängt 
u werden, erwähnt der Lokalanzeiger, daß die Ernennung zum 
zeneralkonsul nicht nach dem Dienstalter erfolge, sondern sich 
arnach richte, ob der Betreffende für das jeweilig freiwerdende 
jeneralkonsulat die erforderlichen Eigenschaften besitze, so habe 
ichlieben im Dienstalter 20 Konsuln vor sich, die auch auf 
en Generalkonsul warten. Darüber, daß man Schlieben, einem 
erzleidenden Mann, den Posten in Quito angeboten habe, werde 
ian anders urteilen, wenn man erfahre, daß Schlieben sich 
nvorigen Herbst um den Gesandtenposten in Addis Abeba be— 
yorben hat, das noch höher liege und an die Gesundheit 
och größere Anforderungen stelle. Auch bedeute Quito keine 
ztrafversetzung. Dem Inhaber dieses selbständigen Postens 
ege die Wahrnehmung der diplomatischen Funktionen ob. 
zraf Spee fühlt sich dort seit sechs Jahren durchaus wohl. 
tonsul Schlieben habe sich bis in die jüngste Zeit hinein noch 
im andere schöne Posten beworben, woraus ihm niemand 
inen Vorwurf machen werde, was aber doch geeignet sei, 
ie hohe Vorstellung von der inmnigen Verwachsenheit Schlie— 
ens mit dem Belgrader Interessenkreis einigermaßen abzu— 
chwächen. 
Deutschland in San Franzisko. 
DT. Berlin. 27. Sept. Der Propaganda für eine Beteiligung 
Deutschlands in San Franzisko widmet das Hearstsche Newyorker 
deutsche Journal eine in sehr großer Auflage hergestellte Ertra⸗ 
rummer, die heute in Deutschland verbreitet wird. Sie ent— 
jält die Ergebnisse einer Rundfrage bei führenden Versonlich⸗ 
eiten der deutschen Industrie, des deutschen Handels, bei Künst⸗ 
ern und Literaten, aus der hervorgeht, daß sich die ursprüng⸗ 
iche Ansicht, die für eine Nichtbeteiligung an der Ausstellung 
var, stark ins Gegenteil gewandelt hat. Die Nummer selbst 
ist ein getreues Abbild einer Sonntaasausgabe einer amerika— 
nischen Zeitung. 
Deuische Dynamos für fran ösische Unterseeboote. 
PC. Paris, 27. Sept. Die nationalistische Autorité“ ver⸗ 
ffentlicht eine sonderbare Geschichte über die Beschaffung deut⸗ 
cher Tynamomaschinen für franzöfische Unterseeboote. Die fran⸗ 
ösische Industrie habe die Dimanromaschinen nicht wunschgemcch 
iefern können. nfolgedessen sei einem deutschen Handelshause 
dzie Bestellung übertragen worden. Der Direktor dieses Hauses 
ei eine bekannte franzosenfeindliche Versömlichkeit, eigenartiger⸗ 
beise könne ihm jedoch aus geheimnisvollen Grunden im fran⸗ 
ösischen Ministerium nichts verweigert werden. Das Blatt for⸗ 
ert eine Aufklärung dieser merkwürdigen Beziehungen. 
das große diplomtatifchemilitärische Revirement in Frankreich 
PCG. Paris, 27, Sept. Das Echo de Paris, das manchmal 
außerordentlich gut informiert ist. meldet hi daß foawohl 
in der Franzölischen Diphomatfe wie in der 
pohen ,Eenerasität bedeutsame Veränderungen 
„eyorstehen. Zum Nachfolger Delcasses, der seinen Bot⸗ 
dafterposten in Petersburg mit Ablauf des Jahres verlossen 
pitd, oll der augenblickliche Generalgouvperneur, in Marotko, 
Heneral Lyguthen, ausersehen sein. Lyauthey selost soll 
ich um den Botschatnerposten beworben haben. da er das Klima 
in Maroklo nicht verträgt und in die Diplomatie überzugehen 
punscht. Für den Nachfolger Lyautheys in Marokko sind noch 
eine Dispositionen getroffen, doch dürfte die Wahl wohl auf 
en ftüheren, Heneralgouverneur von Indoching, den jetzigen 
Senator Paul Doum ex, fallen. Der Kommandant der Oktu— 
ationsarmee in, West-⸗Marokko, Divisionsgeneral Franchet 
Espereny, soll von seinem Posten abberufen, werden und 
zurch den Kommandanten der Truppen in Ost-Marokko, Dipi— 
ionsgeneral Alix, ersetzt werden. Auch in den Kommando— 
tellen der französischen Inlandsarmee sollen größere Verände— 
ungen bevorstehen. 
China und Javan. 
. London, 27. Sept. Die Morningpost meidet aus 
Zchanghai: Der japanische Konsul in Nanding forderte alle 
apaner auf, in das Konsulat zu fommen., vo, sie von 
Naschinengewehren beschützt werden. — Wie sich jetzt herqusst ilt, 
tschuldiate sich General Changsuen im Gegenfätz zu den früheren 
Meldungen bis jetzt nicht deswegen, daß seine Truppen in den 
etzten‚Gefechten drei Japaner töteten — Die Times melden 
aus Peking: Der japanische Gesandte lenkte die Aufmerk— 
amkeit der chinesischen Regierung auf die Tafsache, daß sie den 
apanischen Fordexungen betr, des Zwischenfalles in Nankins 
eine Folge gab. Der Gesandte erklärfe, daß, wenn diese Forde⸗ 
ungen nicht binnen drei Tagen befriedigt würden, Japan sich 
ür ermächtigt halten würde, alle notwendigen Maßnahmen zu 
reffen. — Zehn mit Marinesoldaten voll besetzte ja panzsche 
Friegsschiffe warten bei Nanking das Ergebnis ab. — 
Im Jangtfetal rüdctt eine sarasische Abteilung, 750 Mann stark 
regen Hankau vor. 
Der neue Monarchistenputsch in Portugal. 
.. Loudon 27. Sept. Der Daily Telegranh, meldei 
interessante Einzelheiten über die Ronarchistische Be— 
egung in PVortugal. In einer Reihe von Provinzstädten 
rahen Haussuchungen stattgefunden, die ein überraschendes Re— 
ultat ergaben. Es wurden ganze Waffenlag'er gufge— 
unden, die in Automobilen über die spanisch portugiesische 
Hrenze geschmuggelt worden waren. In einem kleinen Städtchen 
iahe der spanischen Grenze wurden bei einem Schänkwirt 200 
devoiver, 100 Gewehre und mehrere hundert Patronen gefunden 
Ferner entdeckte die Polizei eine Liste sfämtlicher 
Royalisteen der Umgebung. Aus den beschlagnahinten Pa— 
pieren geht hervor, daß zwei ehemalige Offiziere der portu— 
Resischen Armee, Marquis Pulio und Haubtmann Azeved« 
Boutinho, die royalistische Bewegunag leiten. 
Der Aufftand in Albanien. 
Siehe auuß besonseren Artikel.) 
Die serbiche Regierung beschuld'gt Agenten aus Vasona uul 
El Bassan' der Aufwiegelung der Albanesen. 
W. Belgrad, 27. Sept. Die serbische Regierung 
ichtete an ihre Vertreter im Auslande folgende Note: Da 
»ie serbische Regierung mit Vertrauen auf die Kontrolle der 
Hroßmächte bei der Neuschaffung Albaniens blickte, als eine. 
tarken Gewähr für den Frieden und die Ordnung an der serbisch- 
ubanischen Grenze, und da die Haltung der albanesischen Be— 
öikerung der serbischen Armee gegenüber während deren Auf- 
nnthaltes in Albanien durchaus äreundschaftlich war, hat die 
erbijsche Regierung, nachdem die Demobilisierung einmal beendet 
var, an der serbisch-albanesischen Grenze nur zwei Regimenter 
urücdgelassen, deren Friedenseffektivbestand ungefähr 2000 Mann 
zeträgt und die auf eine Front von über hundert Kilometern 
erteilt sind. Aufgewiegelt durch Agenten aus Valona und 
cl Bossan, griffen in den letzten Tagen 10 000 Albanesen unter 
»em Kommando eines Mitgliedes der provisorischen Regierung 
ind gewisser fremder Offiziere und Komitaischis auf serbischem 
ßebiet an, drangen in mehrere Dörfer ein, die sie in Brand 
tedten, und metzelten einen großen Teil der friedlichen Be— 
öiklerung nieder. Sodann drangen die Albanesen in die Stadt 
dibra ein, die nur von zwei Kompagnien verteidigt wurde. Der 
zinfall der Albanesen und ihr Vormarsch in serbisches Gebiet 
ourde ihnen leicht gemacht, weil die wenigen serbischen Truppen 
ruf die Aufforderung der Großmächte sich aus den strategischen 
Sztellunaen an der Grenze und auf albanesischem Gebiet, die es 
rmöglicht hätten, die albanesischen Einfälle in serbisches Gebiet 
ibzuwehren, sich zurückgezogen hatten. Die Albanesen benutzten 
»iese Gelegenheit, um in den Bezirk Dibra einzufallen, wo die 
erbischen Truppen, die sich wenig zahlreich in strategisch un— 
sünstigen Stellungen befanden, sie daran nicht hindern konnten. 
Im ihr Gebiet und ihre Würde zu schützen, ordnete die königliche 
egierung die Mobilisierung eines Teiles der Armee an. Diese 
vird die Aufgabe haben, die Angreifer niederzuwerfen und an 
der Grenze den Frieden und die Ordnung dauernd sicherzustellen. 
W. Belgrad, 27. Sept. Das Preßbureau verbreitet eine 
Meldung. in, der es heißt; Solange die serbischen Truppen 
vbonische Gebiete besetzten, konnten sich die letzteren der Ord⸗ 
rung und Sicherheit rühmen; nach Zurückziehung der serbischen 
Truppen fielen die albanesischen Gebiete, in die alte Anarchie 
uxiick. Jedem wird es erinnerlich sein, daß während der serbischen 
Akupation sich die Albanesen ruhig, keilweije sogar freundich 
ind entgegenkommend verhielten, daß das jetzt nicht der Fati 
st. kann als ein Beweis angesehen werden, daß sie jetzt von 
zührern und Hintermännern gegen Serbien aus politischen 
Hründen aufgestachelt werden. Ueberdies ist unwahr. daß fivh 
ꝛie Albanesen. die auf serbischem Gebiete leben. gegen die 
erbische Herrschaft erhoben hätten. Die Albanesen verhalten 
ich auch im gegenwärtigen Augenblick völlig ruhig und ional 
msgenonmen 3 vereinzelte Fälle, in denen nachweislich 
lgitatoren gus Albanien ihre Genossen diesseits der serbischen 
renze verführten. Daß die Albanesen in den serhischen, Ge— 
ieten plündernd und mordend eingefallen sind, ist ein weiteret 
zeweis, daß ihnen die Aurfreizung in den serbischen Gebieten 
richt gelungen ist und daß die serbischen Albanesen keinerlei 
zust zeigen. für ihre Stammesgenossen jenseits der Grenze die 
zastanien aus dem Feuer zu holen. Endlich sind alle von der 
Ilbanischen Korrespondenz. in die Welt geetten Nachrichten 
Wer angebliche Iede reueltaten. wie 
Brandstiftungen, orde und Körperverstüm— 
nelungen, usw vellkommen unwahr. Wir sind er— 
nãchtigt, alle von der Albanischen Korxespondenz veröffent⸗ 
ichten Mitteilungen über Serbien als böswilligeten— 
ene dpen mit RII— 
Wien, 27. Sept. Die Neue Freie Presse meldet aus 
Belgrad, daß amtlichen Nachrichten zufolge die eingefroffenen 
—BB— unterstützt durch Artillerie, gestern die Al 
zanesen aus Mowrowo und Kifschewo zurüch 
zeworf,en haben. Die Albanesen sollen sich in eiligem Rüd— 
uge befinden. 
— Das Fremdenblatt schreibt ferner: Serbische Blätter 
e eine auch in gusländische Ziitunaen übergegangene 
Meldung, der zufolge sich in den Reihen der im Kampfe 
nit den serbischen Truppen stehenden Albanesen auch öster— 
eichischfungarische Offiziere befinden sollen. Auf 
vᷣrund von an konipetenten rgee Stellen eingeholten 
Erkundigungen sind wir in der Lage, diese Behauptungen fate 
Jorisch zu dementieren.
	        
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