Full text: Lübeckische Anzeigen 1913 (1913)

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Wöchentlich 13mal (Wochentags morgens und 
abends, Sonntags morgens) erscheinend. Bezugs⸗ 
preis für das Vierteljahr 3,80 Mark einschließlich 
Bringgeld in Lübeck. Durch die Post bezogen vhne 
Bestellgeld 8,30 Mark. Einzelnummern 10 Pifg. 
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45 Pfg., sür Auswärtige 30 Pig., f. Geschäftl. Mit⸗ 
teilungen 1Mk. d. Zeile. Tabellen⸗ u. schwieriger 
Satz den Anforderungen entsprechend höher. o 0 
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Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familienfreund. 
Umitsblatt der freien und Hansestadt Lübeetct 63. Jahrgang Nachrichten für das Herzogtum Lauenburg, die 
beiblatt: Gesetz und Verordnungsblatt e rrz eeeaenr Fürstentümer Ratzeburg, Lũbeck und das angren 
— E,,— —,,,,,,,,,—⏑—⏑——————— αι, zeende medlenburgische und holsteinische Gebiet. 
Drud und Verlag: Gebrüuder Borchers G. m. b. S. m Lübeck. — Geschäftsstelle Adreßdaus (Ködnigstr. 46). Fernspre cher 9000 u. 9001. 
Sonnabend, den 27. September 1913. Abend⸗Blatt Ur. 490. 
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Erstes Blatt. hierzu 2. Blatt. 
Umfang der heutigen Nummer 6 Seiten. 
heurtetttnct OνÂαNRνàαοααιαιαιαòασαX X) ” RORàòIòαααααααα σ σ ‘ ‘((α(ααααααXXαÔXäÔιαααα 
Nichtamtlicher Teil. — 
* * 
Schutz gegen irre Verbrecher! 
Der Prozeß gegen den Knabenmörder Ritter hat die 
Frage des Schutzes der Menschen vor solchen Geisteskranken, 
die wegen ihrer Geisteskrankheit auhßer Verfolgung geblieben 
oder freigesprochen worden sind, wieder aktuell werden lassen. 
Oder richtiger gesagt: die Frage ist eigentlich stets aktuell 
gewesen, denn die Bluttaten irrer Verbrecher bilden in der Presse 
eine fast ständige Rubrik. Wiederholt ist von national⸗ 
liberaler Seite ein gesetzgeberisches Vorgehen auf diesem 
Gebiet gefordert worden, seitens der Regierung ist aber leider 
immer wieder auf die allgemeine Reform des Strafgesetz 
buches vertröstet worden. Erst in der letzten Tagung des 
Reichstages gab der Reichs- und Landtagsabgeordnete 
Schiffer in Form einer Anfrage wieder die Anregung, 
diese Frage gleich manchen anderen noch vor der allgemeinen 
Reform des Strafrechts zu regeln. Staatssekretär Dr. Lis co 
aber lehnte das ab und äußerte sich zu der Materie folgender⸗ 
nahen: 
In dem Vorentwurf zu einem neuen Strafgeseßbuch und 
benso in den Beschlüssen erster Lesung der Strafrechis- 
ommission sind neben den eigentlichen Kriminalstrafen ver— 
edne sogenannte sichernde Maßnahmen zum Schutze 
r Gesellschaft gegen verbrecherische Personen vor— 
gesehen. dᷓu diesen Maßnahmen gehört die Verwahrugg 
perbrecherischer Irrer, die wegen ihres Geisteszusfandes 
freigesprochen vder außer Verfolgung geseßzi sind in bffente 
lichen HSeil-oder Pflegeanstalten. Die Verwahrung 
wird von dem Strafrichter angeordnet. wenn die öffentliche 
Sicherheit die Maßregel, erfordert. Bei, dem vorgeschlagenen 
System von sichernden Maßnahmen handelt es sich um eine 
rrundfätzliche und einschneidende Neuerung gegenüber dem 
geltenden Strafgesetzbuch. Die dabei entstandenen Fragen 
können nur im usammenhang, nicht aber für eine 
einzelne sichernde Maßnahme gesondert eröriett und ensschieden 
werden. Deshalb ist nicht beabsichtigt, die bestehenden 
landesrechtlichen Vorschriften wegen Unterbringung gemein⸗ 
e gejsteskranker Personen noch vor der, allgemeinen 
epision des Etrafrechts durch reichsgesetzliche WMaßnahmen zum 
Zwecke eines vrksamen Schutzes gegen verbrecherifche Jiren 
nu ergänzen.“ 
Nun ist in dem erwähnten Knabenmordpro?eß in der Be— 
zründung des Urteils gesagt: 
Der Angeklagte ist krank. aber nicht so krank. daß er 
nicht perantwortlich wäre. Er ist zwar schuldig. aber doch 
gicht so schuldig, daß ihm nicht mildernde Momente zur Seite 
stünden. Das wird manche nicht befriedigen, nament- 
ich vom Gesichtsvunkt des Schußes der Arlgemeinheit 
rus. Der Schus derrrgemeinheitydr Geiste«s 
tranken ist beute noch nicht genügend vor, 
handen, wie Geh. Medizingalrat Dr. Leppman kürzlich erst 
n einer Versammlung von Berufsgenossen unter Aufstellung 
on Reformvorschlägen ausgeführt hat. Wenn es darin besse 
verden foll. so kann es nicht durch die Justiz geschehen, da 
—28 zu urteilen hat vom Standpunkt der subiektiven 
Geschieht also nicht bald etwas, dann wird Ritter nach 
Verbühnumg seiner fünf Jahre Gefängnis abermals auf 
die Menschheit losgelassen werden! Und weil er 
krank ist, weil bei ihm im Affekt nach den Feststellungen der 
Sachverstãndigen die Hemmungen fehlen, die den normalen 
Menschen von der Begehung von Verbrechen abhalten, deshalb 
vird er dann eine neue Gefahr für die Menschheit 
bilden. Einen ähnlichen Fall betrifft eine an ein Limburger 
Blatt gerichtete Zuschrift eines Mannes, dessen Sohn vor 
inem Jahre ermordet wurde. Darin erklärt der Mann auf 
sßrund des Urteils: 
„Als der Tat ioe der mit dem Verstorbenen 
besreundet gewesene Joseph Müller, genannt Seppel, inhaftiert, 
edoch zur Prüfung seines Geisteszustandes quf sechs Wochen 
rach der Irrenanstalt Adernach verbracht, deren Aerzte in 
wem Gutachten darlegten, daß der Täter zur Zeit der Tat in 
inem die freie Willensbestinmmung ausschließenden Zustande 
ranthafter, Geistessst rung, ( 51 des Etr.G.) ve 
handelt habe, Infolgedessen wurde Seppel freigesprochen 
us der Untersuchungshaft entlassen und ist wieder 31 
n se. Tie grauenhafte Tat bleibt ungesühnt. Die Frage in 
wnhl nerechtfertigt: Warum läßt man solche gemeingefähr“ 
ihe Menschen frei umherlaufen? Warum bringt 
nen sie nicht in eine Anstalt unter Aufsicht, damit sie im 
zaurie aehalten werden a er ereg Unglüd ver⸗ 
ütet werde? Man will jedenfalls abwärten. bis wieder eine 
vlche traurige Tat begangen wird. Wenn freilich das Kind 
n den Brunnen gefallen ist, dedt man ihn zui Wen trisft 
ie Schuld bei einer erneuten Tat?“ 
Angesichts der Häufung der Taten solcher geisteskranker 
bersonen muß die Forderung erneut erhoben werden, daß 
die im neuen Strafgesetz vorgesehenen Sicherungsmaß— 
rahmen sofort eingesührt werden. Die Cinrede des Staats 
ekretärs des Reichsjustiramtes, daß das nur im Zulammenhang 
nit dem Strafgesetzbuch selbst geschehen könne, ist näicht 
tichhaltig. Wir brauchen bloß darauf zu verweisen, daß die 
seuregelung des Verfahrens gegen Jugendliche, die augen— 
zlicklich den Reichstag beschäftigt, mit der allgemeinen Straf— 
rozebreform zum mindesten ebenso eng verwachsen ist, und 
och ist es gegangen, diese Materie im Wege einer Novelle 
»orwegzunehmen. Derselbe Weg ist mit Erfolg auch bei der 
sewährung von Diäten an Schöffen und Geschworene, sowie bei 
»er sog. kleinen Strafgesetznovelle beschritten worden. Warum 
ollte er bei einer so wichtigen Frage, wie der des Schutzes der 
ßesellschaft gegen irre Verbrecher nicht gangbar seia? „Wir 
nüfsen“, so schrieb der Abg. Schiffer im Oktober v. J. in den 
statl. Blättern, „zu der Frage verlangen, daß Leben und 
Hesundheit, Ehre und Vermögen der Staatsbürger gegenüber 
oerversen Trieben und Lüsten nicht webrlos und ichuksos bsleiben 
ö 
So wie es jetzt geht, geht es wirklich nicht weiter. Die 
Psychiatrie darf doch schliehßlich nicht bloß ihren Objekten zugutt 
kommen und der gesamten übrigen Menschheit zum Uebel 
zereichen. Wir wollen nach wie vor den Geisteskranken allen 
Schutz gewähren, dessen sie gegenüber den Gesunden bedürfen, 
aber wir müssen mindestens denselben Schutz für die 
Gesunden gegen die Geisteskranken bean'pruchen 
und dürfen angesichts der Erfahrungen der letzten Zeit nichßt 
länger zaudern, diesen Anspruch durch eine gese tz⸗ 
geberische Tat zu erfüllen.“ Die neuen Bluttaten machen 
diese Forderung geradezu drumglich. 
Vorklänge zur völkerschlachtfeier. 
Wir gehen dem Gipfelpunkte der Jahrhundert-Erinnerungen 
entgegen. In den Tagen vom 16. bis 19. Okt. 1813 ist die 
Entscheidung des Freiheitslrieges gefallen, wie sie nach den 
neumwöchentlichen Vorbereitungen durch den österreichifsch-preu— 
zisch⸗russischen Feldzug gegen den in Sachsen eingekreisten Fron⸗ 
zosenkaiser fallen mußte. Am 18. Okt. selbst war ein anderer 
Ausgang- so ausgeschlossen, wie am 1. Sept. 1870 eine Nieder⸗ 
age des deutschen Heeres auf dem Schlachtfelde des rings um— 
tellten Sedans. Aber die Völker feiern die Augenblicke der 
krfüllung, nicht die der Geschichte bedeutsamere Epoche der 
werdenden Tat. Der 18. Okt. 1863 war für ganz Deutschland 
ein Festtag der nationalen Begeisterung. Der 18. Oklt. 1918 
soll es wiederum werden. 
Wir Deutischen haben auch alle Ursache, des weltgeschichtlichen 
Ereignisses mit dankbarem Gefühle gegen den zu gedenken, „der 
unserer Feinde Trotz zerblitzet, der unssere Kraft uns schön er⸗ 
neut“. Und ob die Folgejahre eine gleiche Gunst der Lage 
wieder geschaffen hätten, wie sie sich im Augusit 18313 nach dem 
Uebertritte ODesterreichs zu den Verbimdeten darbot, ist 
starl die Frage. Grobß⸗Görschen und Bautzen hatten 
bewiesen, daß mit den Kräften des Frühjahrs 1813 der Sieg 
nich zu erreichen war. 
Diefem Verhältnisse entsprechend, wird auch diesmal die 
Teilnahme Oesterreichs an der Leipziger Feier, welche 
in der Enthüllung des Riesendenkmals der gewaltigen Schlacht 
ihren Mittelpunkt ˖sindet, von besonderer Bedeutung sein. Für 
das Kaiserreich des Doppeladlers mischt sich ja freilich ein Troͤpf⸗ 
hen Wehmut in den Kelch der Freude. 1863 war es ihm noch 
pergönnt, an der Spitze der deutschen Bundesstaaten dem Tage 
seine Weihe zu geben. Heute ist, der damals der erste war 
im deutschen HSause, nur als Gast den Gedenktag mitzufeiern 
berechtigt. Aber jedenfalls als des deutschen Volkes willklommen⸗ 
ster und geehrtester Gast wird der Vertreter Oesterreichs in der 
ordersten Reihe der Teilnehmer seinen Platz finden. Dem 
taiser selbst, der vor 50 Jahren an den nationalen Aufschwung 
des Gedächtnisjahres, in das auch sein Frankfurter Fürstentag 
fiel, die Hoffnung knüpfen durfte, auch des alten Reiches Krone 
wieder aus dem Kleinodiengemßlho seiner Hofbura hervor—⸗ 
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Kopf, aber er halte voller Interesse dem zugehört, was Larun 
da entwidelte. Der Direktor des Berliner Palast-Theaters war 
ein gerissener Fachmann. Dafür war er im Bau bekannt. 
Und so sagte denn Keßler nun: 
„Verrüdt, aber ganz amüsant, was Sie sich da alles zu⸗ 
lammenphantafieren, lieber Larun. DToch wozu das alles? 
Denn wie ich Sie kenne, hat Sre nicht etwa bloß Ihr Kunst⸗ 
enthufiasmus hergetrieben. um mir was von mir vworzu— 
dellomierennnccc. 
SHer; Keßler — Se sind a Menschenkenner! Also komm'n 
mer zur Sache!“ Und er rückte vertraulich seinen Stuhl heran. 
„Se hab'n gewiß gehört, daß, se mer nebbich den Dängs weg⸗ 
geschnappt hab'n — den Lattinger — in Wien?“ 
Ketler nickte. Es hatte ja in allen Zeitungen gestanden, 
daß das Palast⸗Theater seinen Hauptstar verlieren würde, den 
Kolf Lattinger, den Liebling der Berliner, der zusammen mit der 
Miezi Molnar der Hauptträger der großen Revuen gewesen warj 
die das dauernde Repertoirestüch dieses Theaters bildeten. Eines 
Mitteldings zwischen den großen ernsthaften Bühnen und dem 
Variets, mit seinem besonderen Genre. dem hkumoristisch-satiri 
chen Ausstattungsstuch. 
„Also, den Lattinger hab'n se mir wegankaschiert. Haaßt 
a Gemainheit! Nu such' ich also nach 'nem Ersatz. Schon seit 
Wochen. Aber denken Se. daß das etwa-⸗ so leicht is2 Zu⸗ 
tand! Haben konnt' ich natürlich genug. Was glaub'n Se, 
wer sich nich alles shhon bei mir gemeldet hat? Hoffchauspieler, 
erste Namen, allererste lennt' ich Ihnen nennen! Was soll ich 
Ihnen sagen? Hofburg! — Aber was hab' ich schon von an'ni 
aroßen Namen, wenn de VLait' das nich an sich hab'n, was 
ich grad brauch'? Na, um die Sache also kurz zu machen 
da hat mich der Zufall also nach Frankfurt gefiehrt, zu 
Ihnen, ich hab' Ihren Baron Egon geseh'n, und was sol' 
ich Ihnen lano' reden? Sise sind mein Mann!“ 
Und er schlug seinem Gegenüber klatschend auf das Knie. 
Seinz Keßler rüdte unwilllürlich mit seinem Sefsel ein wenig 
winn urnd in seinen Mienen stand das Staunen. 
„Nu ja, Sie! Sind Se nich beliebt beim Publikum hier 
in Berlin? De Geschichte mit dem Riemer hat Se erst recht 
vopulär gemacht. MBombenrellame! Sie — de Platze wird 
Offizierstöchter. 
Roman von PausGeebein. 
(39. Fortsetzung.) (Nachdrud verboten.) 
Aber, wie dem auch war, die Intelligenz und den Erfola 
lonnte Moritz Larun keiner bestreinen. Er hatte das anfäng⸗ 
lich jämmerlich verkrachte Palasttheater Unter den Linden hoch⸗ 
gebracht. Jetzt war dort Abend für Abend ein ausderkauftes 
SHaus. Wochenlang vorher mußte man sich womoöͤglich die 
Billette bestellen. Den Fremden, der nach Berlin kam, führte 
oleich sein erster Ausgang unfehlbar ins Palaft. Kurzum 
— er war schon ein Kerl. der fleine Moris Larun, der mußte. 
was er wollte. 
Das witßte er auch jetzt, ais er mit seinem qutmütialten 
Lächeln nun dem Hausherrn die Rechte hinstreckte. 
„Vor allem — erst mal mein'n Glichwünsch, Verehrtelter. 
Das war ja neulich in Frankfurt an Erfolg! Was haaßt Erfolg ? 
A Bombenerfolg! Vierzehn Hervorrufe bei offener Szene — 
aso was hab' ich in mein'm Leben noch nix geiehm.“ 
„So — waren Sie also auch da?“ 
„Nu na — nich werd' ich da sein, wo was los is! Spaßß 
— Aber nu mal im Ernste. Ich hatt' grad' zu tun in Frankfurt. 
in Geschäften. Und was les' ich an den Plakatsäulen? Erstes 
Debüt von Heinz Keßler im Intimen Theater, im Blauen Blut“. 
hab' ich mer doch gleich gesagt: kannst du besser unterbringen 
deinen Abend? Und hab mer an Sitz genommen in der 
Fremdenlosch!! So hab' ich Se denn geseh'n als Baron Egon. 
Also, no — was soll ich Ihnen sagen? Es hat mer nich 
gereut. Glänzend war'n Se — fabelhaft! Was haaßt fabel⸗ 
haft? Erstklassig — wie a Gott haben Se gespielt!“ 
Ketzler machte eine Bewegung der Abwehr 
„Nu, hab ich nötig, Ihnen Komplimente zu machen? Ich 
versteh! nebbich was vom Theater. Und dann — hab' ich 
doch gelesen am andern Morgen die Zaitungen; Zun Friehstid 
m Hotet Bristol!“! 
„Na ja —“ Heinz Keßhler schlug die Beine übereinander. 
„Und nun —“ 
„Und nu kommt de Hauptiache: eine Entdedung hab' ich 
democht, wie ich Se so geseh'n hab' den Abend. Wa⸗r 
iaa'“ ich: geseh'n? Studiert hab' ich Soe 
„Eine Entdedung an mir? Da bin ich neugierig!“ 
„Kunststich! Nich neugierig werd'n Se sein auf das, was 
ich Ihnen zu sagen hab'! Also passen Se auf. Wie ich S— 
so geseh'n hab' in dem neien Stick von Wried — ibrigens Stick 
mich keine schlechte Sache, das, Blaue Blut“! 'n gutes Stich 
n faines Stich 'n Kaffenstick! Also, wie ich Se so geseh'n hab 
als Baron Egon — vornehm, elegant, tipptopp vom Kopf bis 
uu de Fieß — sthon de ganze Erfscheinung, das Exteriehr — 
otschick wissen Se! — und dabei so a leisen Stich in der 
Karikatur — das war allo einfach a — a — mu, wie mecht' 
ich sagn? — a Tywus! Und da is mir auf einmal a ganze 
Gasbeleichtung aufgegangen: in dem Mann steckt noch was 
drin, wovon er vielleicht selber noch ka Idee hat! Aber 
a so an alter Praktikus wie ich hat an Blick für sowas!“ 
„Nun aber endlich man los, Direktor! Was ist es bloß ? 
„Ich sag' Ihnen“ — Larun hob bedeutsam den Zeigefinger, 
und longsam bewegte er ihn auf Keßlers Brust zu — „a Ko— 
miker stedt in Ihnen — a Charalterkomiker!“ 
„Komiker?“ Keßller erstarrte im ersten Augenblidhk fast, 
dann lachte er laut auf. „Ste sind perrückt. bester Larun — 
aber komplett verrückt!“ 
„Wußn ich, dast Se's mer würden sagen! War ich noch 
auf ganz was anderes gefatzt. Und doch sag' ich Ihnen immer 
wieder a glãnzender Komtker ··· 
Kesbler machte mir eine ironische Bewegung zur Stirn hin. 
Aber Larun lächelte ihn uberlegen nnn. 
„No, verstehn Se mich recht: natierlich da Possenreiter — 
nein. a ganz a moderner Komiker? Und an ganz aparter 
cchanre!. Verfeinert. vergeistigi raffiniert, up to date — 
vie alles heutzutage. A Klaffe! Eben met der feudalen Note 
vie Se lie neflich Ihrenn Baron Egon gegeben haben. Selbst 
erspottung bis hart an de Grenze der Karikatur und dod 
vieder imponierend — ich soll o0 leben! — wie Sess machen 
o mit einem Blick durch⸗ Monokel von oben runter! Also 
nit einem Wort: wie aus mm Simplizossimnus erausgeschnitten 
keschehr, miede von der bangen Ahnenreihe, a bisel Erzentrik 
bissel degeneriert — aber iinmer rassig, vornehm un' voll Witz 
Boll Sarkasmus und Selbstironie. Sehn Se — das war' Ihr 
cchanre!“ * 
Keßler schüttelte noch immer mit poöttüchem Lacheln vhep
	        
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