Full text: Lübeckische Anzeigen 1913 (1913)

Erstes Blatt. Hierzu 2. u. 3. Blatt 
sowie „Vaterstädt jsæe Rlätter“ Nr. 49. 
ö 
Umẽ ang der heutigen Nummet 1 14 Seiten. 
Nichtamtlicher Teil. 
Politische wochenfchau. 
Als letzter aller verantwortlichen Staatsmänner ist vor we— 
rigen Tagen auch der deutsche Reichskanzler in die Sommerfrische 
gegangen, später sogar, als die Minister der Balkanstaaten, die 
sich jetzt in Marienbad und anderen Orten von den Aufregungen 
des verflossenen Jahres erholsen. Auf dem Gebiete der Politik 
herrscht sommerliche Stille. Nur zwischen Bulgarien und der 
Türkei wirde zurzeit noch verhandett über das Schichsal 
Adrianopels. Die Welt aber nimmt daran kaum mehr An⸗ 
—— 
am Verbleibe Adrianopels nrit allen Künsten seiner halb orienta 
lischen Tiplomatie nichts wird ändern können. Andere VBalkan⸗ 
geschehnisse schrumpfen neben diesen nicht mehr weltbewegenden 
Verhandlungen noch mehr zusammen, so das europäische Man— 
dat, das sich Griechenland zur Besetzung von Dedeagatsch und 
anderen Orten erteilen lassen will, und die althergebrachten 
ehrmürdigen Balkangewohnheiten, nachbarliche Ueberfälle und 
Hammelstehlereien, die eine Zeitlang die Welt über Gebühr aufs 
geregt hatten. Da die viel erörterten Balkangreuel von jedem 
der Balkanstaaten stets dem anderen, besonders den Türken, 
in die Schuhe geschoben wurden, hat man bekanntlich inter- 
mationale Komitees nach dem Balkan eingeladen, um an Ort 
und Stelle die Haltlosigkeit dieser ehrrührerischen Ausstreuengen 
feststellen zu lassen. Nachdem jedoch verschiedene Delegierte bald 
von der einen, bald von der anderen beteiligten Seite abge— 
lehnt sind, weil man ihnen die nötige Stärke im Glauben 
dessen, was man ihnen dort vorführen möchte, nicht zutraut, 
scheint sich die ganze internationale Balkangreueluntersuchungs- 
Kommission, die ohnedies die bedauernswerten Opfer alter Bar— 
barei nicht wieder zum Leben erweckt hätte, in Wohlgefallen, 
oder besser gesagt, in Nichts auflösen zu wollen. 
In China gewinnt die Regierungsgewalt gegenüber der 
revolufionãären Bewegung in Süden andauernd an Boden, und 
der Fall von Nanking, der jetzt bestäctigt wird, nachdem er 
bereits früher fälschlicherweise gemeldet worden war, gestaltet 
die Sache der Rebellen erst recht hoffnungslos. Im Stillen 
geht daneben der Streit um die Mongolei, wo lich sehr ver— 
Giedene Kräfte bemerkbar machen, weiter, ohne daß bisher 
dreifbare Ergebnisse zutage getreten wären. 
In den Vereinigten Staaten von Amerika hat 
man zurzeit zwei große Sorgen: die Ranamaausstetltung 
in San Franzisko und die mexikanische Frage. 
Alle beide sind sehr unerfreulicher Art. Was Mexiko den Ver⸗ 
einigten Staaten zu bieten wagt, ist ihm von den kraftlosen 
Staaten des fateinischen Amerikas, mit denen die Vereinigten 
Staaten sehr kurzen Prozeh zu machen beliebten, seit langem 
nicht geboten worden. Gern würde man auch in ähnlicher 
Weise mit Mexiko verfahren, wenn man nur könnte, und wenn 
die 100 000 Mann Miitär der Vere'nigten Staaten für einen 
Krieg mit Mexiko auch nur einigermaßen ausreichten. Da sich 
trotz der Monroe⸗Doktrin in absehbarer Zeit für den amerika⸗ 
mischen Kontinent eine allgemeine Abkehr vom Militarismus 
kaum vollziehen dürfte, wird den Vereinigten Staaten, wenn 
sie ihre bisherige Führerrokle weiterspielen wollen, nichts an 
deres übrig bleiben, als sich ebenfalls so ganz sachte etwas 
zum Militarismus zu bekehren. Noch unangenehmer ijt fürr die 
Vereinigten Staaten die Michtbeteiligung Deutsch— 
lands und Englands an der Panamgausstellung 
die unwiderruflich sein dürfte, abwohl man in Amerika alle 
Hebel in Bewegung setzt, um diesen Entschluß wieder umzustoßen. 
Uebrigens muh man zugestehen. daß die Amerikaner sich mit 
dieser Ablehnung im allgemeinen gut abgefunden haben, so 
unmangenehm sie ihnen auch ist, und darin ebensowenig eine 
Unfreundlichkeit erblichen, wie man etwa bei uns die amerika⸗ 
nische Nichtbeteiligung an der inte nationalen Baufachausstellung 
in Leipzig und der großen Hygienegusstellumg in Tresden als 
eine solche betrachtet hatte. 
Wie auf dem Ballan der Friede von London und der Friede 
von Bukarest die Bewegung noch nicht völlig abgeschlossen hat, 
so grollt es auch in der katholischen Welt noch weiter, trotz 
des Friedens von Metz, und zwar will besonders die Ber— 
liner Richsung den Befehl des Vapstes, die Gewerkschaftsfrage 
ruhen zu lassen, nicht befolgen, obwohl der heilige Vater 
den gläubigen Katholiken doch flat auseinandergesetzt hat, daß 
die gläubigen Katholiken etwaige Gewissenszweifel nicht durch 
eigenes Nachdenken zu lösen versuchen sollten, sondern sie im 
Vertrauen den Bischöfen unterbreiten sollen. Das auf Grund 
der inzwischen angenommenen NovpellezumMilitärstraf— 
gesetzbuch gefällte Urteil der Revisionsinstanz im Erfurter 
Aufruhrprozeb ist fast durchgehends von der Presse sehr günstig 
beurteilt worden, und selbst der Vorwärts kann nicht umhin, 
zuzugeben, dah die diesmal verhängten Strafen einigermaßen 
zutreffend seien. Daß er dabei gegen die militärifsche Disziplin 
und die Sonderverhältnisse des Militärstrafgesetzbuches polemi⸗ 
siert, wird man, wenn auch von seinem Standpunkte aus be— 
rreiflich, so doch ohne Bedeutung finden. bpt. 
Neueste Nachrichten und Telegramme 
der —5— A. und 3 Z.ẽ, 
Der König von GSriechenland in Berlin. 
W. Berlin, 6. Sept. Der Känmig und der Kronprinz 
von Griechen land sind, wie schon kurz gemeldet, heute 
morgen 8 Uhr 28 Min. auf dem Anhalter Bahnhof eingetroffen 
und vom Kaiser und den Prinzen Eitel Friedrich, Augusi 
Wilhelm und Oskar empfangen worden. Die Herrschaften be— 
gaben sich im Automobil nach dem Neuen Palais in Potsdam. 
Bei der Ankunft auf dem Anhalter Vahnhof trug der König 
der Heilenen die Uniform des zweiten Garderegiments zu 
Fuß mit dem Bande des Schwarzen Adlerordens. Der Kron—⸗ 
prinz von Griechenland, Herzog ven Sparta, trug die Uniform 
des ersten Garderegiments zu Fuh. Der Bahnhof war mit 
Blumen und Blattpflanzen und Fahnen in den deutschen und 
griechischen Farben geschmückt. Bereits geraume Zeit vor dem 
Eintreffen des Münchener Zuges erschien der Kaiser in der 
Uniform des zweiten Garderegiments zu Fuß mit dem hell⸗ 
blauen Bande des griechischen Erlöserordens, dann folgten seine 
Söhne, die Prinzen Eitel Friedrich und Oskar. Auch Prinz 
August Wilhelm, der erst wenige Minuten vorher von den 
Hochzeitsfeierlichkeiten in Sigmaringen ankam, sand sich zur Be— 
urüßung ein. Ferner erschienen zahlreiche Herren der griechischen 
Gesandtschaft und der hiesigen griechischen Kolonie, der Chef 
des kaiserlichen Hauptquartiers Generaloberst von Plessen, der 
Chef des königlichen Milttärkabinetts Freiherr v. Lyncker, Ge 
neral der Infanterie Freiherr von Plettenberg, der Präsidem 
ver Generalordens sommission General v. Jacobi, General der 
Infanterie v. Moltke, der Kommandant von Berlin, General 
». Bonin, Oberstallmeister Freiherr v. Reischach, der der Per⸗ 
on des Teutschen Kaisers attachierte russische General v. Ta— 
ischtschew. Staatssekretär v. Jagow, der Polizeipräsident von 
Berlin v. Jagow und andere. Als der Zug einlief, spielte die 
Musik und die Ehrenkompagnie des zweiten Garderegiments zu 
Fuh präsentierte. Nach herzlicher Begrühung der Herrscher, die 
durch inmnige verwandtschaftliche Bande sich besonders nahe— 
tehen, erfolgte Aie Vorstellung der Herren des Gefolges und 
»es Ehrendienstes. In Begleitung des Königs von Griechen⸗ 
and befanden sich die Flügeladjutanten Oberstleutnant Levidis 
ind Maijor Kalinski. Dem Ehrendienste des Königs gehören 
in der Oberbefehlshaber n den Marken, Gouverneur von 
Berlin Generaloberst v. Kessel, der erste Adjutant des Chefs 
es Generalstabes der Armee Major Tieschowitz von Tieschowa 
ind Hauptmann Stettmund von Brodorotto vom zweiten Garde— 
egiment zu Fuhh. Den Ehrendienst bei dem Kronprinzen von 
ßriechenland versieht der Major im ersten Garderegiment zu 
ruß Graf Stillfried. Nach dem Vorbeimarsch der Ehren— 
ompagnie begaben sich die Fürstlichkeiten im Automobil nach 
»ent Neuen Palais in Potsdam, wo der König und der Kron— 
zrinz in den Fürstenwohnungen Quartier nahmen. 
W. Neues Palais bei Potsdam, 6. Sept. Um 9 Uhr 
O Min. trafen der Kaiser, der König der Hellenen und der 
Ironprinz von Griechenland im Automobil ein und fuhren auf 
er Gartenseite des Neuen Palais bei der Wohnung der Kaiserin 
or. Die Kaiserin trat auf die Terrasse heraus. Ober 
ofmarschall Graf Eulenburg und Hofmarschall Graf Platen 
zallermund waren zugegen. Nach gegenseitiger Begrühßung über 
eichte der Kaiser dem König die Kette zum Schwarzen Adler 
»rden und den Feldmarschallstab und ernannte ihn zum Chei 
»es zweiten nassauischen Infanterieregiments Nr. 88. Dem Kron 
»rinzen überreichte der Kaiser das Großkreuz des Noten Adler 
ordens mit Schwertern und den Roten Adlerorden 3. Klasse 
mit Schwertern und der Königskrone. — Später frühstückten 
der Kaiser und die Kaiserin mit dem Kznig und dem Kron— 
prinzen im Teehäuschen. — Die Herren des griechischen Gefolges 
sowie Generaloberst v. Kessel und andere Herren des Ehren— 
dienstes find gleichfalls eingetroffen. 
W. Neues Palais, 6. Sept. Der Konig der Hellenen 
emsing heute vornittag den Gesandten Theotokis. Mittags fand 
Familientafel statt fur den Kalser und die Kaiferin, den Könis 
der Hellenen und den Kronprinzen von Griechenland. Für das 
Sefolge und den Ehrendienst fand Marschalltafel statt. 
Jahrhundertfeier der Schlacht bei Dennewitz. 
W. Niedergörsdorf. 6. Sept. Die Jahrhundertfeler der 
Schlacht von Tennewitz begann leute mittag mit einer Feier bei 
dem Tenkmalstüurm von Niedergörsdorf. Trotz dem trüben 
Wetter hatte sich eine große Menschenmenge in dem reichge 
schmückten Orte eingesunden. Gegen 12 Uhr langte der Fest 
zug auf dem Festplatze an. Als Vertreter des Kaisers sah 
nan den Generaladjutanten Feneral von Löwenfeld, als Ver— 
treter des Helden von Dennewitz General v. Bülow. U. a. 
waren Fürst und Fürstin Bülow erschienen. Außerdem sah man 
eine Abordnung des Infanterieregiments Graf Bülow von Denne- 
witz, 6. mestfälisches Nr. 655. 
Fürst Bülow 
hielt auf dem Festplatze eine halbstündige Rede. 
Er schilderte zunächst den Versauf der Schlacht und gedachte 
dabei des Siegers, des Generals von Bülsow, wohbei er besonders 
der Meinungsverschiedenheiten mt dem Kronprinzen von 
cchweden Erwähnung tat. Im Anschluß daran würdigte Fürsfi 
Zülow die Erhebung Preußens vor hundert Jahren und fuhr 
ort: Tie Abschüttelung der Fremdherrschaft war Aberwiegend 
vas Werk von Preußen. Wir erinnern uns daran nicht aus 
Ruhmredigkeit oder Ueberhebung, sondern weil es die historisch 
Wahrheit ist. Dieses damals kleine und arme, von Napoleon 
terschlagene und ausgesogene Preußen, das kaum fünf Millionen 
Einwohner zählte, stellte 300 3900 Mann ins Feld. Es stellte 
vor allem den Geist, den Geist von Scharnhorst und Stein, 
von Blücher und VYorch, von Heinrich von Kleisft und Theodor 
aövner, von Ernst Moritz Arndt und Friedrich Ludwig Jahn, 
von Schleiermacher und Fichte, den Geist der Männer, deren 
Bilder unsere Dennewitzer Gedenkhalle schmüdden. Dieser Geist 
vwies Deutschland die Wege. Nur solange es den Hauch dieses 
Heistes verspürt, ist Deutschland auf dem rechten Wege. 
Am Tage nach der Schlacht von Dennewitz schrieb der Siegen 
weiter an seine Frau: „Es kommt nur darauf an, daß wir 
unsere Siege nutzen, und wir werden bald Herr von Deutsch 
land sein.“ Däese Hoffnung ging damals nicht in Erfüllimg. 
in halbes Johrhundert maßte vorübergehen, bis der Mann 
des Schichsals kam, der gewaltige Staatsmann, der, getragen 
oon dem Vertrauen seines königlichen Herrn, mit ihm die Kraft 
des preußischen Staates in das richtige Bett. in das Strombett 
des deutschen Einheitsgedankens le'tete und mit genialem Blid 
die rechte Stunde traf, das von König Wilhelm mit Weisheit 
und Tatkraft, mit tiefer Einsicht und in langer Treue neu— 
zeschärfte preußische Schwert in die Schale zu werfen, die Reiche 
wägt. Da kam der Tag der Erfüllung für alle Hofsnung und 
Wünsche, der volle Lohn für die Opfer und Mühen des Jahres 
1813. Und als 1870 wiederum Hriegsruf erklang, konnte der 
Prophet des nationalen Gedankens, Heinrich von Treitschke, in 
seinem Liede vom Schwarzen Adler zum preußischen Königsaar 
sprechen: 
Erfüllet sind die Zeiten, 
Wahrheit wird der Dechtung Traum. 
Deinen Fittich sollst du breiten 
Ueber Deutschlands fernstem Raum. 
Nimm der Staufer heil'ge Krone, 
Schwing den Flamberg der Ottone, 
Unseres Reiches Zier und Wehr: 
Deutschland frei vom Fels zum Meer! 
Angesichts dieser Gedenkhalle, die der Erinnerung an einen 
der schönsten Siege des preußischen Heeres geweiht ist, angesichts 
pieser märkischen Felder, wo heute vor einem Jahrhundert der 
Sieg von Dennewitz erfochten wurde, angesichts des Schlacht⸗ 
eldes, wo so viele brave Männer für König und Vaterland 
in den Tod gingen, erneuern wir an dem Tage, wo wir das 
Ddenkmal des Siegers von Dennewitz einweihen, das Gelübde, 
reu zu stehen zu unserem alten ruhmvollen Preußen, zu unserem 
zroßen und genebten deutschen Vaterland, zu dem grorreichen 
daufe der Hohenzollern, das von seinem schwäbischen Felsen— 
horst hierherkam, um von dieser Mark Brandenburg aus das 
deutsche Volk zu einigen und auf die Höhe Jeiner Geschicke 
zuu führen, erneuern wir das Gelübde der Treue und Liebe zu 
unserem Kaiserlichen Herrn. indem wir rufen: Seine Wiaiestän 
der Kaiser und König lebe hoch, und nochmals hoch, und 
immerdar hoch!“ 
Gemeinsamer Gesang und das Niederländische Dankgebet 
vorgetragen von einem Chor von 800 Sängern aus dem Un 
gebung schlofsen diesen Teil der Feier. Dann ordnete lich der 
Festzug, etwa 3000 Personen, und zog an der Dennewitz⸗ 
Gedenkhalle vorbei nach dem Hauptorte der Schlacht, dem Dorfe 
Dennewitz. 
Zwei Schreiben des Mafssenmörders. 
Stuttgart, 6. Seyt. Bei der Redaktion des hiesigen 
Neuen Tageblattes sind, wie schon kurz berichtet, zwei Schreiben 
des Mühlkausener Massenmörders Wagner eingetroffen. Das 
erste Fühnt den Titel „An mein Voll“ und heißt es darin 
Die Anrede, eine Jahrhundert-Erinnerung. Ich din aber lein 
König, sondern ein armer Todeskandidat. Ich will Euch nur eir 
wenig die Meinung sagen. Es ist des Voltes pviel zu viel 
Die Hälfte sollfe man gleich totschlagen, sie is 
das Futter nicht wert, weil sie schlechten Leibes ist. Von 
ien Erzeuanissen des Menschen ist der Vienlch das Schlechteste. 
Woher kommt das Unglück? Es kommt von der Reschlechtlichen 
Annatur. Die heutige Gesellschaft leidet am Geschlecht. Es 
st, eine billige Tai. mit dem Finger auf mich zu deuten. 
Ich habe viel leiden müssen, ich bin verlsumdet und gehetzt 
worden, abver es ist keine Kleinigkeit, Weibund Kind 
umzubringen. Seit sechs Jahren ist di2s mein 
steterr Gedanke. Er erwachte mit mir und legte sich 
nieder mit mir. Er störte mich bei meiner Arbeit und quälte 
mich hei meinen Träumen. Er sagt, er habe oft einen Ball mit 
ins Bett genommen. Daß ich meine Familie umbringen muß, 
ist klar, wer das, nicht versteht, ist nicht recht gescheit. Ih glaube 
an keinen Gott. Als der Wunder größtes wollte ich es an 
ehen. wenn mir in der Nacht alle diejenigen vordie 
Pistole gestellt würden, die zu hassen ich am meisten 
Graund, habe. Nicht bloß töten, martern wellt« 
ich sie Zuͤm Schluß gestatte ich es mir, meiner selbst sreundlich 
zu gedenken und folgendes Urteil über mich zu fällen: Wenn 
von allen, Menschen, die ich kenne, weitaus der Beste çewesen.“ 
ich das Geschlechtliche in meinem Leben abziehe, 9ↄ bin ich 
And dann halt der Wahnsinnige einen zweiten „Erlaß an die 
Lehrerschaft“ gerichtet. Darin heißt es: „Es hat mir 
manches an euch nicht gefallen. Ich bin ehrlicher als andereé 
Leute. Ihr aber müß forfahren, eure Dummköpfe und Rüpel 
zu schulen. Der größte. den ich euch hieterlasse, ist der Unser⸗ 
offizierschulmeister.“ Was das Familienleben Wagners betrifft 
so hört man jetzt von Bekannten der Familie, daß xes völlig, zer 
cüttet gewesen sei. Es hat oft Zwistigkeiten zwischen den Ehe 
leuten gegeben. Den Hauptteil seines Einkommens verpraßt« 
er in den schmutzigsten Spelunken, und in öffentlichen Zäusern 
feierte er wahre Orgien. Er hat es aber stets verstanden, 
vor der, Oeffentlichkeil sein Familienleben gls ein harmenisches 
Nizuslulen — den abgesandten Schriftstücken gab Waguer 
an, daß er seine Angehörigen zuerst mit einem Vulver be— 
läubf und ihnen dann die Kehle durchschnitten hat. — 
Die Beerdigung aller,Opfeéx, einschließlich der Fa— 
malie Wasners, wird vermutlich am Orte der Schereckenstat, 
in Mühlhausen an der Enz stattfinden. Sie wird lich zu einei 
allgemeinen Todesfeier gestalten. Die Schwerverlegten bogfen 
die Aerzte am SLeben zu erhalten. Es geht ihnen Amtlich hesser 
Bei der Vernehmung versuchte der Oberamtsrichter eirst 
längere Zeit vergebens, etwas aus dem Mörder herauszubringen. 
Schließlich ließ er sich zu dem Geständnis herbei, daß er die 
Motive der Tat ganz genau brieflich ausgearbeitet habe und 
daß man alles erfahre, wenn man ihn nach Vaihingen, bringe 
Seine Tat sei, als ein Racheakt gegen, die Einwohnerschaft Mübhl 
anzusehen; er habe sich schon seit 6 Jahren dami⸗ 
eschäftigt. Schließlich gestand er ein, daß er in Degerloch 
einer Frau umd seinen vier Kindern den Sals durchschnitten 
hat. Die Gerichtskommission gelangte einstimmig zu der An— 
icht, daß die Tat Wagners bei klarem Verstande 
nd, mät voller Ueberlegung, durchaus nicht, im 
VBahnsinn,ausgeführt sei. Zu dem gleichen Ergebnis 
lamen auch die beiden Aerzte, die in Mühlhausen dem Schwer 
erletzten Verbände anlegten. Zum Schutze des Mörders gegen 
—— mußten zeitweise 6 Gendarmen aufgebote⸗ 
werden. 
Eine aufregende Verbrecherjagd. 
Berlin, 6. Sept. Drei Männer, die nachts in ein Kols— 
nialwarengeschäft in der Nähe der Hasenheide eingedrunger 
waren. wurden überrascht und flüchteten. Nach stundenlangem 
Suchen wurde der eine Einbrecher morgens auf dem Hausboden 
eitgenommen; ein zweiter Einbrecher wurde in einem Mach 
har hause ermittelt. Er schoß fiehend zweimal, ohne zutreffen 
Er bedrohte den ihm entgegentretenden Schußmann mit einer 
Pistole und einem Messer. Der Beamte verwundete ion durd 
einen Schuß in den rechten Oberschenkel. Der Einbrecher flüch 
tete trotzdem in das gegenüberliegende Haus und bedrohte de 
Schußnann neußdings. Dieser gab einen zweiten Schuß ab, 
der den Mann in der linken Fuß traf. Erst ijetzt konnte e 
sestgenommen werden. Der erste Einbrecher will aus Neuburg 
im Kreise Narchim stammen, der zweite verweigert die Aus— 
kunft übher seine Persönlichkeit, scheint aber ein Ausländer zu sein 
Der dritte Kompuce isl entkommen. 
Der scharfe Schun im Mansver. 
DT. Belgard. 6. Sept. Bei den seit einiger Deit im Ge— 
lände zwischcu Belgard, Körlig und Kolberg stättfindenden 
Truppenübungen wurde im Infanterie-Regiment Nr. 54 (Kor 
berg) ein siharfer Schuß ahbgegeben, der in der Nähbe, woe 
der Oberst Westfahl mit einigen Offizieren stand, vorbeipfiff 
Ueber die Einzelheiten der Affäre ist noch nichts genaueres in 
die Oefsentlichteit gedrungen, da die Untersuchung stren ge— 
heim geführt wird. Man hat bisher nur die Komnpagnie 
feststellen können. aus der der Schuß gefallen ist, aber noch 
nicht den TCchützen. 
* 
Deutschlands Beteiligung en der Panama-Ausstellung. 
Kölhn, 6. Sept. Zu den Zeitungsmeldungen, als ob in 
der Auffassung der amtlichen Stellen wegen der Bete'ligung 
Deutschlands an der Panama-Ausstellung sich ein Umschwung 
vorbereite, stellt ein Berliner inspiriertes Telegramm der Köl— 
nischen Zeitung fest, daß damit nicht zu rechnen sei, und man 
werde gut tun, sich in diesem Punkte vor einer Enttäuschung 
zu hüten. 
Berliu. 6. Sept. An Berliner interessierter Stelle ist ein 
Telegramm aus Newyork eingetroffen, wonach es sich bestätigt, 
daß deutsche Bücher auch weiterhin vollständig zollfrei in die 
Vereinigten Staaten eingeführt werden können. Nur auf eng— 
lische Bücher bleibt der Zoll bestehen. 
Die Union und Mexilo. 
Newnort 6. Sept. Wie der Globe aus Wash'ngton meldet, 
ist in Verbindung mit der Ankunft Zamaconas, des Spezial—⸗ 
gesandten Huertas, in der Hochfinanz eine Bewegung im Gange, 
eine Anleihe von 75 Millionen Dollars aufzubringen, durch die 
die mexikanischen Bahnen in einen guten Zustand gebracht 
werden sollen. 
W. Kaiserliche Marine. Vineta“ ist am 5. Sept. in Vorto 
Grande guf St. Vincent CCapverdische Inseln) eingetrofsen. 
„Geier“ ist am 5. Sehpt. in der Bojana-Mündung, das Torpedo— 
boot „S 90 am Bb. Sept. in Schanghai eingetroffen. Von der 
bochseeflotte sind am 4. Sept. detachiert; 1. Geschwader, 
Friedrich der Große“, „Kaiser“ und Magdeburg“ sowie die 
5 2.,. 4. und 5, Torpedobootsflottille nach Wilhelnshaven, 
2. Geschwader, „Wittelsbach“, „Arcona“, „Stuttgart“ „Mün. 
schen“.„ Danzig“ und „Hela“ sowie die 8. und 6. Torneho— 
bootsflottille nach Emden, „Albatros“ nach Brunsbüttel, die 
Unterseebootflottille nach Helgoland
	        
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