Erstes Blatt. Hierzu 2. u. 3. Blatt
sowie „Vaterstädt jsæe Rlätter“ Nr. 49.
ö
Umẽ ang der heutigen Nummet 1 14 Seiten.
Nichtamtlicher Teil.
Politische wochenfchau.
Als letzter aller verantwortlichen Staatsmänner ist vor we—
rigen Tagen auch der deutsche Reichskanzler in die Sommerfrische
gegangen, später sogar, als die Minister der Balkanstaaten, die
sich jetzt in Marienbad und anderen Orten von den Aufregungen
des verflossenen Jahres erholsen. Auf dem Gebiete der Politik
herrscht sommerliche Stille. Nur zwischen Bulgarien und der
Türkei wirde zurzeit noch verhandett über das Schichsal
Adrianopels. Die Welt aber nimmt daran kaum mehr An⸗
——
am Verbleibe Adrianopels nrit allen Künsten seiner halb orienta
lischen Tiplomatie nichts wird ändern können. Andere VBalkan⸗
geschehnisse schrumpfen neben diesen nicht mehr weltbewegenden
Verhandlungen noch mehr zusammen, so das europäische Man—
dat, das sich Griechenland zur Besetzung von Dedeagatsch und
anderen Orten erteilen lassen will, und die althergebrachten
ehrmürdigen Balkangewohnheiten, nachbarliche Ueberfälle und
Hammelstehlereien, die eine Zeitlang die Welt über Gebühr aufs
geregt hatten. Da die viel erörterten Balkangreuel von jedem
der Balkanstaaten stets dem anderen, besonders den Türken,
in die Schuhe geschoben wurden, hat man bekanntlich inter-
mationale Komitees nach dem Balkan eingeladen, um an Ort
und Stelle die Haltlosigkeit dieser ehrrührerischen Ausstreuengen
feststellen zu lassen. Nachdem jedoch verschiedene Delegierte bald
von der einen, bald von der anderen beteiligten Seite abge—
lehnt sind, weil man ihnen die nötige Stärke im Glauben
dessen, was man ihnen dort vorführen möchte, nicht zutraut,
scheint sich die ganze internationale Balkangreueluntersuchungs-
Kommission, die ohnedies die bedauernswerten Opfer alter Bar—
barei nicht wieder zum Leben erweckt hätte, in Wohlgefallen,
oder besser gesagt, in Nichts auflösen zu wollen.
In China gewinnt die Regierungsgewalt gegenüber der
revolufionãären Bewegung in Süden andauernd an Boden, und
der Fall von Nanking, der jetzt bestäctigt wird, nachdem er
bereits früher fälschlicherweise gemeldet worden war, gestaltet
die Sache der Rebellen erst recht hoffnungslos. Im Stillen
geht daneben der Streit um die Mongolei, wo lich sehr ver—
Giedene Kräfte bemerkbar machen, weiter, ohne daß bisher
dreifbare Ergebnisse zutage getreten wären.
In den Vereinigten Staaten von Amerika hat
man zurzeit zwei große Sorgen: die Ranamaausstetltung
in San Franzisko und die mexikanische Frage.
Alle beide sind sehr unerfreulicher Art. Was Mexiko den Ver⸗
einigten Staaten zu bieten wagt, ist ihm von den kraftlosen
Staaten des fateinischen Amerikas, mit denen die Vereinigten
Staaten sehr kurzen Prozeh zu machen beliebten, seit langem
nicht geboten worden. Gern würde man auch in ähnlicher
Weise mit Mexiko verfahren, wenn man nur könnte, und wenn
die 100 000 Mann Miitär der Vere'nigten Staaten für einen
Krieg mit Mexiko auch nur einigermaßen ausreichten. Da sich
trotz der Monroe⸗Doktrin in absehbarer Zeit für den amerika⸗
mischen Kontinent eine allgemeine Abkehr vom Militarismus
kaum vollziehen dürfte, wird den Vereinigten Staaten, wenn
sie ihre bisherige Führerrokle weiterspielen wollen, nichts an
deres übrig bleiben, als sich ebenfalls so ganz sachte etwas
zum Militarismus zu bekehren. Noch unangenehmer ijt fürr die
Vereinigten Staaten die Michtbeteiligung Deutsch—
lands und Englands an der Panamgausstellung
die unwiderruflich sein dürfte, abwohl man in Amerika alle
Hebel in Bewegung setzt, um diesen Entschluß wieder umzustoßen.
Uebrigens muh man zugestehen. daß die Amerikaner sich mit
dieser Ablehnung im allgemeinen gut abgefunden haben, so
unmangenehm sie ihnen auch ist, und darin ebensowenig eine
Unfreundlichkeit erblichen, wie man etwa bei uns die amerika⸗
nische Nichtbeteiligung an der inte nationalen Baufachausstellung
in Leipzig und der großen Hygienegusstellumg in Tresden als
eine solche betrachtet hatte.
Wie auf dem Ballan der Friede von London und der Friede
von Bukarest die Bewegung noch nicht völlig abgeschlossen hat,
so grollt es auch in der katholischen Welt noch weiter, trotz
des Friedens von Metz, und zwar will besonders die Ber—
liner Richsung den Befehl des Vapstes, die Gewerkschaftsfrage
ruhen zu lassen, nicht befolgen, obwohl der heilige Vater
den gläubigen Katholiken doch flat auseinandergesetzt hat, daß
die gläubigen Katholiken etwaige Gewissenszweifel nicht durch
eigenes Nachdenken zu lösen versuchen sollten, sondern sie im
Vertrauen den Bischöfen unterbreiten sollen. Das auf Grund
der inzwischen angenommenen NovpellezumMilitärstraf—
gesetzbuch gefällte Urteil der Revisionsinstanz im Erfurter
Aufruhrprozeb ist fast durchgehends von der Presse sehr günstig
beurteilt worden, und selbst der Vorwärts kann nicht umhin,
zuzugeben, dah die diesmal verhängten Strafen einigermaßen
zutreffend seien. Daß er dabei gegen die militärifsche Disziplin
und die Sonderverhältnisse des Militärstrafgesetzbuches polemi⸗
siert, wird man, wenn auch von seinem Standpunkte aus be—
rreiflich, so doch ohne Bedeutung finden. bpt.
Neueste Nachrichten und Telegramme
der —5— A. und 3 Z.ẽ,
Der König von GSriechenland in Berlin.
W. Berlin, 6. Sept. Der Känmig und der Kronprinz
von Griechen land sind, wie schon kurz gemeldet, heute
morgen 8 Uhr 28 Min. auf dem Anhalter Bahnhof eingetroffen
und vom Kaiser und den Prinzen Eitel Friedrich, Augusi
Wilhelm und Oskar empfangen worden. Die Herrschaften be—
gaben sich im Automobil nach dem Neuen Palais in Potsdam.
Bei der Ankunft auf dem Anhalter Vahnhof trug der König
der Heilenen die Uniform des zweiten Garderegiments zu
Fuß mit dem Bande des Schwarzen Adlerordens. Der Kron—⸗
prinz von Griechenland, Herzog ven Sparta, trug die Uniform
des ersten Garderegiments zu Fuh. Der Bahnhof war mit
Blumen und Blattpflanzen und Fahnen in den deutschen und
griechischen Farben geschmückt. Bereits geraume Zeit vor dem
Eintreffen des Münchener Zuges erschien der Kaiser in der
Uniform des zweiten Garderegiments zu Fuß mit dem hell⸗
blauen Bande des griechischen Erlöserordens, dann folgten seine
Söhne, die Prinzen Eitel Friedrich und Oskar. Auch Prinz
August Wilhelm, der erst wenige Minuten vorher von den
Hochzeitsfeierlichkeiten in Sigmaringen ankam, sand sich zur Be—
urüßung ein. Ferner erschienen zahlreiche Herren der griechischen
Gesandtschaft und der hiesigen griechischen Kolonie, der Chef
des kaiserlichen Hauptquartiers Generaloberst von Plessen, der
Chef des königlichen Milttärkabinetts Freiherr v. Lyncker, Ge
neral der Infanterie Freiherr von Plettenberg, der Präsidem
ver Generalordens sommission General v. Jacobi, General der
Infanterie v. Moltke, der Kommandant von Berlin, General
». Bonin, Oberstallmeister Freiherr v. Reischach, der der Per⸗
on des Teutschen Kaisers attachierte russische General v. Ta—
ischtschew. Staatssekretär v. Jagow, der Polizeipräsident von
Berlin v. Jagow und andere. Als der Zug einlief, spielte die
Musik und die Ehrenkompagnie des zweiten Garderegiments zu
Fuh präsentierte. Nach herzlicher Begrühung der Herrscher, die
durch inmnige verwandtschaftliche Bande sich besonders nahe—
tehen, erfolgte Aie Vorstellung der Herren des Gefolges und
»es Ehrendienstes. In Begleitung des Königs von Griechen⸗
and befanden sich die Flügeladjutanten Oberstleutnant Levidis
ind Maijor Kalinski. Dem Ehrendienste des Königs gehören
in der Oberbefehlshaber n den Marken, Gouverneur von
Berlin Generaloberst v. Kessel, der erste Adjutant des Chefs
es Generalstabes der Armee Major Tieschowitz von Tieschowa
ind Hauptmann Stettmund von Brodorotto vom zweiten Garde—
egiment zu Fuhh. Den Ehrendienst bei dem Kronprinzen von
ßriechenland versieht der Major im ersten Garderegiment zu
ruß Graf Stillfried. Nach dem Vorbeimarsch der Ehren—
ompagnie begaben sich die Fürstlichkeiten im Automobil nach
»ent Neuen Palais in Potsdam, wo der König und der Kron—
zrinz in den Fürstenwohnungen Quartier nahmen.
W. Neues Palais bei Potsdam, 6. Sept. Um 9 Uhr
O Min. trafen der Kaiser, der König der Hellenen und der
Ironprinz von Griechenland im Automobil ein und fuhren auf
er Gartenseite des Neuen Palais bei der Wohnung der Kaiserin
or. Die Kaiserin trat auf die Terrasse heraus. Ober
ofmarschall Graf Eulenburg und Hofmarschall Graf Platen
zallermund waren zugegen. Nach gegenseitiger Begrühßung über
eichte der Kaiser dem König die Kette zum Schwarzen Adler
»rden und den Feldmarschallstab und ernannte ihn zum Chei
»es zweiten nassauischen Infanterieregiments Nr. 88. Dem Kron
»rinzen überreichte der Kaiser das Großkreuz des Noten Adler
ordens mit Schwertern und den Roten Adlerorden 3. Klasse
mit Schwertern und der Königskrone. — Später frühstückten
der Kaiser und die Kaiserin mit dem Kznig und dem Kron—
prinzen im Teehäuschen. — Die Herren des griechischen Gefolges
sowie Generaloberst v. Kessel und andere Herren des Ehren—
dienstes find gleichfalls eingetroffen.
W. Neues Palais, 6. Sept. Der Konig der Hellenen
emsing heute vornittag den Gesandten Theotokis. Mittags fand
Familientafel statt fur den Kalser und die Kaiferin, den Könis
der Hellenen und den Kronprinzen von Griechenland. Für das
Sefolge und den Ehrendienst fand Marschalltafel statt.
Jahrhundertfeier der Schlacht bei Dennewitz.
W. Niedergörsdorf. 6. Sept. Die Jahrhundertfeler der
Schlacht von Tennewitz begann leute mittag mit einer Feier bei
dem Tenkmalstüurm von Niedergörsdorf. Trotz dem trüben
Wetter hatte sich eine große Menschenmenge in dem reichge
schmückten Orte eingesunden. Gegen 12 Uhr langte der Fest
zug auf dem Festplatze an. Als Vertreter des Kaisers sah
nan den Generaladjutanten Feneral von Löwenfeld, als Ver—
treter des Helden von Dennewitz General v. Bülow. U. a.
waren Fürst und Fürstin Bülow erschienen. Außerdem sah man
eine Abordnung des Infanterieregiments Graf Bülow von Denne-
witz, 6. mestfälisches Nr. 655.
Fürst Bülow
hielt auf dem Festplatze eine halbstündige Rede.
Er schilderte zunächst den Versauf der Schlacht und gedachte
dabei des Siegers, des Generals von Bülsow, wohbei er besonders
der Meinungsverschiedenheiten mt dem Kronprinzen von
cchweden Erwähnung tat. Im Anschluß daran würdigte Fürsfi
Zülow die Erhebung Preußens vor hundert Jahren und fuhr
ort: Tie Abschüttelung der Fremdherrschaft war Aberwiegend
vas Werk von Preußen. Wir erinnern uns daran nicht aus
Ruhmredigkeit oder Ueberhebung, sondern weil es die historisch
Wahrheit ist. Dieses damals kleine und arme, von Napoleon
terschlagene und ausgesogene Preußen, das kaum fünf Millionen
Einwohner zählte, stellte 300 3900 Mann ins Feld. Es stellte
vor allem den Geist, den Geist von Scharnhorst und Stein,
von Blücher und VYorch, von Heinrich von Kleisft und Theodor
aövner, von Ernst Moritz Arndt und Friedrich Ludwig Jahn,
von Schleiermacher und Fichte, den Geist der Männer, deren
Bilder unsere Dennewitzer Gedenkhalle schmüdden. Dieser Geist
vwies Deutschland die Wege. Nur solange es den Hauch dieses
Heistes verspürt, ist Deutschland auf dem rechten Wege.
Am Tage nach der Schlacht von Dennewitz schrieb der Siegen
weiter an seine Frau: „Es kommt nur darauf an, daß wir
unsere Siege nutzen, und wir werden bald Herr von Deutsch
land sein.“ Däese Hoffnung ging damals nicht in Erfüllimg.
in halbes Johrhundert maßte vorübergehen, bis der Mann
des Schichsals kam, der gewaltige Staatsmann, der, getragen
oon dem Vertrauen seines königlichen Herrn, mit ihm die Kraft
des preußischen Staates in das richtige Bett. in das Strombett
des deutschen Einheitsgedankens le'tete und mit genialem Blid
die rechte Stunde traf, das von König Wilhelm mit Weisheit
und Tatkraft, mit tiefer Einsicht und in langer Treue neu—
zeschärfte preußische Schwert in die Schale zu werfen, die Reiche
wägt. Da kam der Tag der Erfüllung für alle Hofsnung und
Wünsche, der volle Lohn für die Opfer und Mühen des Jahres
1813. Und als 1870 wiederum Hriegsruf erklang, konnte der
Prophet des nationalen Gedankens, Heinrich von Treitschke, in
seinem Liede vom Schwarzen Adler zum preußischen Königsaar
sprechen:
Erfüllet sind die Zeiten,
Wahrheit wird der Dechtung Traum.
Deinen Fittich sollst du breiten
Ueber Deutschlands fernstem Raum.
Nimm der Staufer heil'ge Krone,
Schwing den Flamberg der Ottone,
Unseres Reiches Zier und Wehr:
Deutschland frei vom Fels zum Meer!
Angesichts dieser Gedenkhalle, die der Erinnerung an einen
der schönsten Siege des preußischen Heeres geweiht ist, angesichts
pieser märkischen Felder, wo heute vor einem Jahrhundert der
Sieg von Dennewitz erfochten wurde, angesichts des Schlacht⸗
eldes, wo so viele brave Männer für König und Vaterland
in den Tod gingen, erneuern wir an dem Tage, wo wir das
Ddenkmal des Siegers von Dennewitz einweihen, das Gelübde,
reu zu stehen zu unserem alten ruhmvollen Preußen, zu unserem
zroßen und genebten deutschen Vaterland, zu dem grorreichen
daufe der Hohenzollern, das von seinem schwäbischen Felsen—
horst hierherkam, um von dieser Mark Brandenburg aus das
deutsche Volk zu einigen und auf die Höhe Jeiner Geschicke
zuu führen, erneuern wir das Gelübde der Treue und Liebe zu
unserem Kaiserlichen Herrn. indem wir rufen: Seine Wiaiestän
der Kaiser und König lebe hoch, und nochmals hoch, und
immerdar hoch!“
Gemeinsamer Gesang und das Niederländische Dankgebet
vorgetragen von einem Chor von 800 Sängern aus dem Un
gebung schlofsen diesen Teil der Feier. Dann ordnete lich der
Festzug, etwa 3000 Personen, und zog an der Dennewitz⸗
Gedenkhalle vorbei nach dem Hauptorte der Schlacht, dem Dorfe
Dennewitz.
Zwei Schreiben des Mafssenmörders.
Stuttgart, 6. Seyt. Bei der Redaktion des hiesigen
Neuen Tageblattes sind, wie schon kurz berichtet, zwei Schreiben
des Mühlkausener Massenmörders Wagner eingetroffen. Das
erste Fühnt den Titel „An mein Voll“ und heißt es darin
Die Anrede, eine Jahrhundert-Erinnerung. Ich din aber lein
König, sondern ein armer Todeskandidat. Ich will Euch nur eir
wenig die Meinung sagen. Es ist des Voltes pviel zu viel
Die Hälfte sollfe man gleich totschlagen, sie is
das Futter nicht wert, weil sie schlechten Leibes ist. Von
ien Erzeuanissen des Menschen ist der Vienlch das Schlechteste.
Woher kommt das Unglück? Es kommt von der Reschlechtlichen
Annatur. Die heutige Gesellschaft leidet am Geschlecht. Es
st, eine billige Tai. mit dem Finger auf mich zu deuten.
Ich habe viel leiden müssen, ich bin verlsumdet und gehetzt
worden, abver es ist keine Kleinigkeit, Weibund Kind
umzubringen. Seit sechs Jahren ist di2s mein
steterr Gedanke. Er erwachte mit mir und legte sich
nieder mit mir. Er störte mich bei meiner Arbeit und quälte
mich hei meinen Träumen. Er sagt, er habe oft einen Ball mit
ins Bett genommen. Daß ich meine Familie umbringen muß,
ist klar, wer das, nicht versteht, ist nicht recht gescheit. Ih glaube
an keinen Gott. Als der Wunder größtes wollte ich es an
ehen. wenn mir in der Nacht alle diejenigen vordie
Pistole gestellt würden, die zu hassen ich am meisten
Graund, habe. Nicht bloß töten, martern wellt«
ich sie Zuͤm Schluß gestatte ich es mir, meiner selbst sreundlich
zu gedenken und folgendes Urteil über mich zu fällen: Wenn
von allen, Menschen, die ich kenne, weitaus der Beste çewesen.“
ich das Geschlechtliche in meinem Leben abziehe, 9ↄ bin ich
And dann halt der Wahnsinnige einen zweiten „Erlaß an die
Lehrerschaft“ gerichtet. Darin heißt es: „Es hat mir
manches an euch nicht gefallen. Ich bin ehrlicher als andereé
Leute. Ihr aber müß forfahren, eure Dummköpfe und Rüpel
zu schulen. Der größte. den ich euch hieterlasse, ist der Unser⸗
offizierschulmeister.“ Was das Familienleben Wagners betrifft
so hört man jetzt von Bekannten der Familie, daß xes völlig, zer
cüttet gewesen sei. Es hat oft Zwistigkeiten zwischen den Ehe
leuten gegeben. Den Hauptteil seines Einkommens verpraßt«
er in den schmutzigsten Spelunken, und in öffentlichen Zäusern
feierte er wahre Orgien. Er hat es aber stets verstanden,
vor der, Oeffentlichkeil sein Familienleben gls ein harmenisches
Nizuslulen — den abgesandten Schriftstücken gab Waguer
an, daß er seine Angehörigen zuerst mit einem Vulver be—
läubf und ihnen dann die Kehle durchschnitten hat. —
Die Beerdigung aller,Opfeéx, einschließlich der Fa—
malie Wasners, wird vermutlich am Orte der Schereckenstat,
in Mühlhausen an der Enz stattfinden. Sie wird lich zu einei
allgemeinen Todesfeier gestalten. Die Schwerverlegten bogfen
die Aerzte am SLeben zu erhalten. Es geht ihnen Amtlich hesser
Bei der Vernehmung versuchte der Oberamtsrichter eirst
längere Zeit vergebens, etwas aus dem Mörder herauszubringen.
Schließlich ließ er sich zu dem Geständnis herbei, daß er die
Motive der Tat ganz genau brieflich ausgearbeitet habe und
daß man alles erfahre, wenn man ihn nach Vaihingen, bringe
Seine Tat sei, als ein Racheakt gegen, die Einwohnerschaft Mübhl
anzusehen; er habe sich schon seit 6 Jahren dami⸗
eschäftigt. Schließlich gestand er ein, daß er in Degerloch
einer Frau umd seinen vier Kindern den Sals durchschnitten
hat. Die Gerichtskommission gelangte einstimmig zu der An—
icht, daß die Tat Wagners bei klarem Verstande
nd, mät voller Ueberlegung, durchaus nicht, im
VBahnsinn,ausgeführt sei. Zu dem gleichen Ergebnis
lamen auch die beiden Aerzte, die in Mühlhausen dem Schwer
erletzten Verbände anlegten. Zum Schutze des Mörders gegen
—— mußten zeitweise 6 Gendarmen aufgebote⸗
werden.
Eine aufregende Verbrecherjagd.
Berlin, 6. Sept. Drei Männer, die nachts in ein Kols—
nialwarengeschäft in der Nähe der Hasenheide eingedrunger
waren. wurden überrascht und flüchteten. Nach stundenlangem
Suchen wurde der eine Einbrecher morgens auf dem Hausboden
eitgenommen; ein zweiter Einbrecher wurde in einem Mach
har hause ermittelt. Er schoß fiehend zweimal, ohne zutreffen
Er bedrohte den ihm entgegentretenden Schußmann mit einer
Pistole und einem Messer. Der Beamte verwundete ion durd
einen Schuß in den rechten Oberschenkel. Der Einbrecher flüch
tete trotzdem in das gegenüberliegende Haus und bedrohte de
Schußnann neußdings. Dieser gab einen zweiten Schuß ab,
der den Mann in der linken Fuß traf. Erst ijetzt konnte e
sestgenommen werden. Der erste Einbrecher will aus Neuburg
im Kreise Narchim stammen, der zweite verweigert die Aus—
kunft übher seine Persönlichkeit, scheint aber ein Ausländer zu sein
Der dritte Kompuce isl entkommen.
Der scharfe Schun im Mansver.
DT. Belgard. 6. Sept. Bei den seit einiger Deit im Ge—
lände zwischcu Belgard, Körlig und Kolberg stättfindenden
Truppenübungen wurde im Infanterie-Regiment Nr. 54 (Kor
berg) ein siharfer Schuß ahbgegeben, der in der Nähbe, woe
der Oberst Westfahl mit einigen Offizieren stand, vorbeipfiff
Ueber die Einzelheiten der Affäre ist noch nichts genaueres in
die Oefsentlichteit gedrungen, da die Untersuchung stren ge—
heim geführt wird. Man hat bisher nur die Komnpagnie
feststellen können. aus der der Schuß gefallen ist, aber noch
nicht den TCchützen.
*
Deutschlands Beteiligung en der Panama-Ausstellung.
Kölhn, 6. Sept. Zu den Zeitungsmeldungen, als ob in
der Auffassung der amtlichen Stellen wegen der Bete'ligung
Deutschlands an der Panama-Ausstellung sich ein Umschwung
vorbereite, stellt ein Berliner inspiriertes Telegramm der Köl—
nischen Zeitung fest, daß damit nicht zu rechnen sei, und man
werde gut tun, sich in diesem Punkte vor einer Enttäuschung
zu hüten.
Berliu. 6. Sept. An Berliner interessierter Stelle ist ein
Telegramm aus Newyork eingetroffen, wonach es sich bestätigt,
daß deutsche Bücher auch weiterhin vollständig zollfrei in die
Vereinigten Staaten eingeführt werden können. Nur auf eng—
lische Bücher bleibt der Zoll bestehen.
Die Union und Mexilo.
Newnort 6. Sept. Wie der Globe aus Wash'ngton meldet,
ist in Verbindung mit der Ankunft Zamaconas, des Spezial—⸗
gesandten Huertas, in der Hochfinanz eine Bewegung im Gange,
eine Anleihe von 75 Millionen Dollars aufzubringen, durch die
die mexikanischen Bahnen in einen guten Zustand gebracht
werden sollen.
W. Kaiserliche Marine. Vineta“ ist am 5. Sept. in Vorto
Grande guf St. Vincent CCapverdische Inseln) eingetrofsen.
„Geier“ ist am 5. Sehpt. in der Bojana-Mündung, das Torpedo—
boot „S 90 am Bb. Sept. in Schanghai eingetroffen. Von der
bochseeflotte sind am 4. Sept. detachiert; 1. Geschwader,
Friedrich der Große“, „Kaiser“ und Magdeburg“ sowie die
5 2.,. 4. und 5, Torpedobootsflottille nach Wilhelnshaven,
2. Geschwader, „Wittelsbach“, „Arcona“, „Stuttgart“ „Mün.
schen“.„ Danzig“ und „Hela“ sowie die 8. und 6. Torneho—
bootsflottille nach Emden, „Albatros“ nach Brunsbüttel, die
Unterseebootflottille nach Helgoland