Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

Wünschen und Interessen der übrigen ini Hansabund vertre⸗ 
enen gewerblichen Mitglieder in Einklang zu bringen. Dies 
ind die Grundzüge des zwischen dem Handelstag und dem 
Zansabund abgeschlossenen Abkommens, welches dadurch er⸗ 
Jänzt wird, daß zwischen dem Hansabund und dem Deut— 
schen Handelstag ein Austausch der Drucksachen 
tattfindet, und daß in geeigneten Fällen eine be— 
ondere Berständigung Aber die Behandlung 
vichtiger Angelegenbeiten vorbehalten bleibt. 
Aus Bassermanns Rede in Saarbrucken. 
Aus der Rede, die der nationalliberale Führer am 
Zonntag in Saarbrücen gehalten hat, sei einiges mitgeteilt. 
zerr Bassermann ging u. a. auf den ihm von gegnerischer 
Seite gemachten Vorwurf ein, als sei er der Vater des Groß⸗ 
Blocks, in dem Sinne, daß er die Vartei aus ihren Bahnen 
zelenkt habe. Das sei nicht wahr. Er stehe auf dem 
ztandpunkt, daß die Politik im allgemeinen sich 
»ewegen müsse auf der vielverhöhnten mittleren Linie, 
ie doch allein einen stetigen Forischritt gewähre, der in Wirk— 
ichkeit die dauernde Grundlage für unsere Partei sei. Von 
diesen Grundsätzen sei er weder nach rechts noch nach links abge⸗ 
vichen. Man habe ihm auch vorgeworfen, daß unter 
seiner Führung die nationalliberale Partei zu— 
rücgegangen sei. Das sei ebenfalls nicht zudreffeind, 1808 
habe die nationalliberale Partei bei der Wahl eine Million 
Zztimmen erhalten, 1903 waren es 1333 000 und 1907 
743 000, und er sei überzeugt, daß bei den neuen Wah⸗ 
len wieder eine starke Zunahme erfolge. Er— 
ei gleich weit von der Reaktion wie vom Radikalismus ent⸗ 
ernt, selbstverständlich sei es auch, daß wir nicht in der Lage 
eien, eine Sammlungspolitik mit dem Zentrum und jenen 
klementen mitzumachen, die wir für reaktionär halten. Es 
gelte bei der kommenden Wahl die Frage, ob der Liberalis⸗ 
nus bei uns im Reiche den Einfluß erlangen solle, der ihm 
sebühre und den er haben müsse, um einen Schutzwall 
u bilden gegen Sozialdemokratie und Reaktion. 
Inland und Ausland. 
Dentjches Reich. 
Das Ausland und die Kanzlerrede. Im Vatikan hat 
die Rede des deutschen Reichskanzlers einen sehr ernsten Ein⸗ 
»ruck gemacht. Bevor man ein abschließendes Urteil abgibt, 
vill man jedoch den autkhentischen Bericht über die Sitzung 
»es preußischen Landtages abwarten. 
In der Besprechung der Rede des Reichskanzlers v. Beth⸗ 
nann-Hollweg weisen die Wiener liberalen Blätter mit Be— 
riedigung darauf hin, daß die preuhbische Regierung keinen 
sulturkampf wolle, aber entschlossen sei, keinen Einbruch in 
die Staatsrechte zu dulden. Das Baterland schreibt: 
Merkwürdigerweise wird von den klerikalen Blättern die hoch— 
zedeutsame Rede des Reichskanzlers so gedreht. als ob sie 
irekt gegen den Papst und die katholische Kirche gerichtet 
väre. Diese Auffassung können wir absolut nicht teilen. Wir 
seben ganz besonders den ruhigen, vornehmen Ton und die 
roße Sachlichkeit der Rede hervor. 
Die Korrespondenz des Bundes der Landwirte leistet dem 
preußischen Handelsminister Abbitte. Die Korrespondenz des 
bundes der Landwirte sieht sich gezwungen, an der Spitze 
hres Blattes „zur Richtigstellung“ folgende Abbitte zu ver—⸗ 
ffentlichen: Gegenüber den von freisinniger Seite beliebten 
Mißdeutungen an unserem Artilel: „Ein Minister für den 
Zansabund“, heben wir hervor, daß es uns selbstver— 
tändlich durchaus ferngelegen hat, dem Herrn Hanu— 
delsminister vorwerfen zu wollen, er habe aus eigensüch-— 
rigem, pekuniärem Interesse den Hansabund verteidigt, 
wie die Freis. Ztg. uns imputiert. Der Herr Minister ist dabei 
sicher nur von seiner Ueberzeugunggeleitet wor— 
»en. Nicht im entferntesten als die Abstcht, sondern 
iur als die natürliche SToTaeerscherrung des warmen FWintretens 
—— J 
Ferien! Wie ein erfrischender Luftzug weht es über dich 
zer. Tu brriauchst nicht in die Schule, kannst den lieben, langen 
Tag treiben, was dir gefällt, tanwsh gehen und lommen, 
wusruhen und lesen, ganz nach Belieben und morgen wieder 
ind übermorgen und noch viele Tage mehr. Ja, wer erinnerte 
sich nicht mit Entzücken der wonnigen Ferienzeit! 
Und welch ein Genuß, wenn dir eine Ferienreise winkt, 
venn du neue Gegenden, neue Verhältnisse und neue Menschen 
ennen lernen sollst, oder wem du gar heimwärts ziehst, den 
Ranzen auf dem Rücken, heimwärts ins liebe Vaterhaus, wo 
zie Mutter deine Lieblingsgerichte kocht, wo zu der Freude 
iber die mehrwöchige Freiheit noch der Genuß des Wieder⸗ 
sehens, des Erzählens alles Erlebten und des Waählenlassens 
ommt. 
So dachten und empfanden die zwei jugendlichen Wanderer, 
die auf der Landstraße vorwärts schritten, hinter sich den alten 
Schulftaub und die heiße, wenn auch freundliche Residenz, 
im in dem fruchtbaren, weiden- und wasserreichen Stedinger⸗ 
ande, der Heimat des einen von ihnen, hinter den grünen 
Deichen oder auf dem frischen Weserstrome ihre Sommer— 
exen zu verleben. 
Der andere hatte zwar als gewissenhafter Primaner sich 
zie schöne, sonnige Ferienzeit hindurch in seinen vier Wänden 
inschließen wollen, um schon im voraus für das zu Ostern 
bevorstehende Abiturium zu arbeiten. Doch sein Freund hatte 
nicht zugegeben. Er hatte nicht nachgelassen mit Vorstel⸗ 
Angen und Bitten, hatte alle Bedenken des ängstlichen Exa⸗ 
menskandidaten niederzuschlagen gewußt und führte ihn nun 
im Triumph der Heimat entgegen, von der er dem Freunde 
el und oft erzählt hatte, ohne in den drei Jahren ihrer 
Aameradschaft Gelegenheit gehabt zu haben, ihn persönlich mit 
derselben bekannt zu machen. 
(Fortsetzung folat.) 
Cheater. Kunst und Wissenschaft. 
Aus dem Reich des Todes. Der italienische Dichter Antonio 
Jogazzaro; neben Gabriele d'Annunzio der größte Ver— 
treter der italienischen Literatur der Gegenwart, ist, wie 
chon telegraphisch gemeldet, 69 Jahre alt in Vicenza 
aestorben. Fogazzaro erregte 1874 mit seinem ersten Werk, 
der Versbdichtunge,„ Miranda“, grobes Aufsehen, trat abet 
später mehr als Prosaschriftsteller wis als Versdichter her⸗ 
por. Jeder neue Roman Fogazzaros wurde in Italien 
mit größtem Interesse aufgenommen, und auch in Deutschland 
chenkte man dem ausgezeichneten Romanschriftsteller, dessen 
eräftige, von feinem Humor begleitete Charakterisierungs— 
gabe ihm den Namen des italienischen Dickens einbrachte, 
viel Beachtung. 
ur den Hansabund stellten wir es hin, daß sich der Herr 
zandelsminister eine Anwartschaft auf unbegrenzte Dankbar— 
eit dieser so viel vermögenden Vereinigung erworben habe 
Zu den deutsch⸗schwedischen Handelsvertrags⸗Verhandlungen. 
fine Versammlung des Vereins Basalt⸗Lavawerke und des 
zentralverbandes christlicher Steinarbeiter hat in einer Ent— 
chließung ausgesprochen, daß die Einführungeines aus. 
reichenden Schutzzolles auf schwedische Werk— 
und Pflastersteine dringend geboten sei. Eine 
veitere zollfreie Masseneinfuhr müsse die schwersten Schäden 
ür die Industrie und namentlich die Arbeiter zur Folge 
haben. Schon jetzt mache sich in vielen Steinbruchgebieten eine 
tarke Abnahme der Arbeitsgelegenheit bemerkbar, die beim 
Abschluß eines neuen Handelsvertrags ohne den notwendigen 
zollschutz noch ungleich schärfer werden würde. Da in den 
neisten Steinbruchgebieten andere Arbeitsgelegenheit nicht vor— 
sanden sei, der Besitz eines kleinen landwirtschaftlichen An—⸗ 
esens aber die Abwanderung nach fremden Gegenden außer— 
rdentlich erschwere, erblickten die Steinarbeiter in dem Zoll 
ine Lebensfrage für die gesamte im Steinbruchgebiete an— 
issige Bevölkerung. Deshalb werde erwartet, daß von den 
aaßgebenden Stellen diese besondern Verhältnisse der vielen 
Tausende von Steinarbeitern beim Abschluß des neuen schwe 
ischen Handelsvertrags berücksichtigt würden. Eine Ver— 
ammlung des Verbandes der katholischen Arbeitervereine 
Zgezirk Mayen, hat eine ähnliche Entschließung angenommen. 
Dae Kompromisse in der Neschzversicherungs-Kommission. 
zu der Reichsversicherungsordnungskommission haben sich die 
ompromißparteien (ZJentrum, Konserbvative, Reichspartei, 
stationalliberale und Wirtsch. Verein.) auf verschiedene Vor— 
chläge in der Aerztefrage geeinigt, nach denen die 
zuf die Reichsversicherungsordnung zutreffenden Bestimmungen 
rovisorischer Natur sein und solange Geltung haben sollen, 
is ein besonderes Gesetz die Beziehungen zwischen Kranken 
assen und Aerzten regelt. Bis dahin werden die Be 
zehungen zwischen Kassenärzten und Kasse durch einen 
chriftlichen Vertrag geregelt. Die Bezahlung anderer Aerzt« 
ann die Kasse, von dringenden Fällen abgesehen, ablehnen 
Zoweit die Kasse dadurch nicht mehr belastet wird, kann 
ie ihren Mitgliedern die Wahl zwischen zwei Aerzten 
reilassen. Wird bei einer Kasse die ärztliche Versorgung 
»adurch ernstlich gefährdet, daß sie keinen Vertrag mit 
Aerzten abschließt, oder daß der Vertrag nicht gehalten 
oird, so ermächtigt das Oberversicherungsamt (die Be— 
chlußkammer) die Kasse auf Antrag widerruflich, die 
tädtische Krankenpflege gegen eine bare Leistung bis zu 
wei Dritteln des durchschnittlichen Betrages des gesetzlichen 
trankengeldes zu gewähren. Das Oberversicherungsamt kann 
estimmen, 1. ob der Zustand dessen, der Leistungen er— 
alten soll, anders als durch ärztliche Bescheinigung nach 
ewiesen werden darf, 2. daß die Kasse die Leistungen 
o lange einstellen kann, bis ein ausreichender Nachweis 
rbracht ist, 3. daß die Leistungspflicht erlischt, wenn nicht 
innen einem Jahre ein ausreichender Nachweis erbracht 
t. 4. daß fsie jene, denen sie ärztliche Leistungen zu 
sewähren hat, ins Krankenhaus verweisen darf. Gegen 
iie Beschlüsse des Oberversicherungsamtes steht den Kalsen 
as Beschwerderecht bei der Oberverwaltungsbehörde zu. 
zisher schon bestehende Verträge bleiben unberührt. Die 
Aunfen tonnen mitt Aporttenvrfihern vie Sirfrrung von 
Irzneien und mit Drogisten die Lieferung von freige— 
ebenen Arzneimitteln zu Vorzugspreisen vereinbaren. Die 
dassen können die Bezahlung solcher Arzneimittel. die von 
nderer Seite geliefert wurden, von dringenden Fällen 
bgesehen, ablehnen. Zur Abstimmung kamen die neuen 
dompromißbestimmungen noch nicht, da auf Vorschlag der 
Virtschaftlichen Vereinigung die Kommissionsmitglieder sich 
exst mit ihren Fraktionen in Verbindung setzen wollen. 
Neues Mitglied der ständigen wirtschaftlichen Kommisston 
er Kolonialverwaltung. Wie mitgeteilt wird, ist zum Mit— 
‚lied der ständigen wirtschaftlichen Kommission der Kolonial— 
rwaltung Herr Kommerzienrat C. O. Langen 
M.Gladbach) als Vertreter des Zentralver— 
andes deutscher Industrieller von dem Herrn 
ztaatssekretär des Reichskolonialamts ernannt worden. 
Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Hinterbliebene wer⸗ 
ijcherung. Dem Reichstage wird demnächst ein Gesetzentwurf 
ugehen, durch den der Zeitpunkt für das Inkrafttreten 
er Sinterbliebenenversicheriung nochmals hinausge— 
choben wird. Dieser Zeitpunkt war im 8 15 des 
zolltarifgesetzes vom 25. Dezember 1902 auf den 1. Januar 
910 festgelegt, er wurde dann mit Rücksicht auf die 
zorlage der Reichsversicherungsordnung auf den 1. April 
.911 verlegt. Da keine Aussicht vorhanden ist, daß die 
zinterbliebenenversicherung, die nun einen Bestandteil der 
Reichsversicherungsordnung bildet, bis zu dem letzteren Zeit— 
punkt zustande kommt, wird über einen neuen Zeitpunkt 
durch Gesetz Bestimmung getroffen werden müssen. 
Der Zentralvorstand der nationalliberalen Partei Fält 
im 19. März in Berlin eine Sitzung ab. Wie verlautet, 
eabsichtigt der bayerische Delegierte Herr Tafsel am Tage 
»or der Zusammenkunft des Zentralvorstandes die Vor— 
itzenden sämtlicher Landesverbände zu einer Besprechung 
usammenzuberufen. 
Termin der Reichstagsersaßwahl im 4. Berliner Wahl⸗ 
reis. Der Oberpräsident hat die Ersatzwahl für den ver— 
torbenen sozialdemokratischen Reichsstagsabgeordneten Paul 
Zinger auf Montag, den 10. April; festgesetzt. 
Reichstagswahlen. Im Reichstagswahlkreise 
Reutlingen-Tübingen haben die Nationallibe— 
ralen beschlossen, die Kandidatur des Abg. v. Payer schon 
hei der Hauptwahl zu unterstützen. 
In Saarbrücken hatte ein vorbereitender Ausschuß die 
Anhänger und Freunde der Fortschrittlichen Volks— 
partei zu einer Versammlung zwecks Gründung einer Organi⸗ 
ation eingeladen. Es wurde betont, daß ein Kandidat 
isher nicht aufgestellt sei, infolgedessin die Kan— 
sidatur auch nicht zurückgezogen werden könne. Die Sache 
iege in Saarbrücken ebenso, wie überall im Rheinland, daß 
ie Fortschrittliche Vollspartei, deren Organifation sich im 
etzten halben Jahr fast verdoppelt habe, nur im Falle 
ꝛes Nichtzustandekommens einer liberalen Einigung gesondert 
orgehen werde. w ir 
In Kobura wurde Regierungasrat Dr. Quarck als 
rationalliberaler Kandidat für die nächste Reichstags⸗ 
vahl aufgestellt. 
Für den Wahlkreis Graudenz-Strasburg wird der 
isherige nationalliberale Abg. Rittergutsbesitzet Sieg 
vieder aufgestellt werden.“ Aus nationalen Gesichtspunkten 
haben sich, wie die Danziger Zeitung schreibt, sowohl die 
Fortschrifttlih«a Volkspartei. wie die konservative Vartei mif 
dieser Kandidatur einverstanden erklärt. Der Kampf in diesen 
Wahlkreise gilt hauptsächlich den Polen. 
In Nuürnberg haben die Sozialdemokraten als Reichs 
kagskandidaten einstimmig Dr. Südekum auftgestellt. 
Als Kandidat der Fortschrittlichen Volks— 
vartei für die bevorstehenden Reichstagswaählen ist für 
Stettin an Stelle des Abg. Dr. Dohrn Landtagsabg 
Justizrat Lippmann in Aussicht genommen. 
— — 
—XXC 
In den Lübeckischen Anzeigen vom Donners⸗ 
tag. dem 9. März 1871. sindet sich folgendes 
Letztes offizielles Telegramm: 
Ferrferes, J März. Der Kaisser nahm heute 
die Parade des 12. (Königlich Sächsischen) sowie des 
.‚Bayrischen Armeekorps und der Würtiembergischen Ic 
Felddivision auf dem Schlachtfeld bei Villiers ab und ver⸗ 
egte darauf das Hauptquartier nach Ferridres 
Berlin, 9. März. Der Reichslanzler Graf Bis⸗ 
narck ist heute, vormittag 8 Uhr, wohlbehalten vom 
Jriegsschauplhaß hierher zurückgekehrt. Die « 
Rückkehr war nicht weiter bekannt geworden. Nur die 
Gräfin Bismarck nebst Tochter sowie einige hochgestellte s 
Stagtsbeamte erwarteten die Ankunft des Zuges. Bis— 
marck begrüßte seine Gemablin und Tochter sowie die an⸗e 
wesenden Herren herzlich und bestieg dann mit der Familie 
so schnell den Wagen, daß es nicht einmal zwei kleinen 
Mädchen, die dem Reichskanzler einen Lorbeerlranz und 
ꝛin Bulett überreichen wollten, möglich war, ihre Huldi⸗ 
pungen darzubringen. Reisende, die sich gleichfalis im 
Zuge befanden, berichteten von dem enthusiastischen Empfang. 
ver dem Reichskanzler von Straßburg ab auf allen Eisen⸗ 
ahnstationen zuteil wurde Bis mar empfing im 
Zaufe des Tages die Minister, Bevollmächtiate zum 
Bundesrat und andere angelehene Personen. 
Durch Wiedergabe dieser letzten oifiziellen Nachricht 
us den Lüdedlischen Anzeigen beenden wir den Abdrud 
ͤber die Ereignuͤse des deuisch-französischen Krieges im 
Jahre 1870/71. 
Die Redaltion der Lübedischen Anzeigen. 
— — 
Caaesbericht. 
Lübeck, 9. März. 
Mit dem heutigen Tage beginut der Abdruck des Romans 
„Ob sie wohl kommen wird?“ 
von Renata Greverus. 
Die gemütvolle, reife Erzählung spielt auf einem der 
reichen Marschenhöfe und an der Anterweser. In geschicktem 
Ausbau werden psychologisch fein zergliederte Menschen in 
Beziehung zueinander gebracht und gezeigt, wie nur ernstes 
Ringen nach mancherlei Irrungen zum Ziele führft 
— — — 
D RWrautißches Stiftuugsfest in der Sahfierg.jelischaft. 
horaz, der alte Lateiner, meint, ein dreifach erzgepanzert 
herz müsse der haben, der sein Leben der See, dem 
schawantenven Aiel anvertraut. — Ein- deuischer Schriftsteller 
rur Zeit des dreißigiährigen Krieges schreibt darüber: „Viel 
deut werden gefunden, die wohl soviel gelernet, daß sie 
im Lande bleiben und ebrlich und redlich sich dort er— 
nähren könnten. Aber sie sind nicht zufrieden mit dem, 
wvas ihnen Gott zu Lande bescheeret, lauffen derowegen 
uur See und wagen ihr Leib und Leben auf ein ge— 
ringes Holtz, bloß darumb, daß sie sich bereichern mögen!“ 
Juvenal meint nur 4, oder wenn die Planken recht dick, 
»och nur 7 Finger breit trennen den Seefahrer vom 
ichern Tode des Ertrinkens. „Zwar ist es“, sagt M. Jacobus 
Stolterfoth, um 1637 Hauptpastor zu St. Marien in 
dübed, „von jeglichem Ort bis zum Himmel gleich viel 
Weges, aber es ist doch ein recht erbärmlicher Todt, wenn 
nan des Grabes beraubet und den Fischlein im Meere solle 
ils Speyse dienen! Na mentlich könne man dazu kommen, 
wenn der Winter da ist, der Sturmwinde und allerlen 
Angelegenheiten und Fährlichkeiten mit sich zu bringen 
flegt. Werden wir dann fortschiffen, so werden wir zu 
imnserm Schaden noch Spott und Schimpf zum Lohn be— 
sommen. Dann wird ein Jeder lagen: Sind das kluge 
Schaiffsleut und nicht viel mehr rechte Narren, so im 
Wintker auffs wilde Meer sich wagen? Bey denen Alten 
var das Mieer geschlossen, mare elausum, vom 11. Nov. 
hbis Zehenden Martii, den natalem navigationis, der 
nit großer solennitet und herrlichen spoctaculn ist gefeyret 
vorden“. — Aus diesem Anlaß hat der Nautische 
Berein sein immer lo gern gesehenes Stiftungs— 
est gleich nach der Eröffnung des durch den Winter 
eschlofsenen Meeres gelegt und wird am Sonnabend abend, 
jen 11. März, in der alten Halle der Schiffergesellschaft 
diese Zusammenkunft feiern. Der Tafelplan ist beim Wirte 
uusgelegt, ein Jeder, der seine Teilnahme angemeldet, sei 
darguf hingewiesen, damit er sich rechtzeitig einen Platz 
sichert. Die beschränkte Anzahl guter Sitze in der alten 
Zalle der Schiffergesellschaft zwingt die Veranstalterin immer, 
ie Teilnahme von dem Eingange der Anmeldungen ab⸗ 
ängig zu machen. Und enge wirds jedesmal, denn der 
deilnetmer sind viele, die Berührung mit der Schiffahrt 
aben und bei dieser Gelegenheit auch mit den Schiffern 
usammen sein wollen. Dem, um mit Stolterfoth zu 
chliehßen, „von der Schiffahrth Nusbarkeit ist hier ge— 
rugsame Zeugnis abgeleget. Mit Augen zu sehen, wmit 
zänden zu greiffen ist dies in unsrer löblichen guten 
ztadt! Sie sforieret nehest Göttlicher Gnaden zunächft 
urch die Schiffahrth und hat ihren besten Safft, Krafft, 
stahrung und Nutzen davon. Daran wir bald einen sehr 
zroßen und merklichen Abbruch empfinden würden. wann 
dir dieses edlen Kleinods verlüstig werden sollten! Nicht 
iber soll man sich etwan aus Fürwitz zu Schiffe und 
uff See begeben. Denn schon die Nausea, die See⸗ 
rankheit, ist nicht gut, aber doch nützlich, den Magen 
‚on allerley zusammengezogenen cruditoten zu. säubern!“ — 
da wir aber am festen Lande davon nichts zu fuürchten 
Aaben, können wir uns am Sonnabend getrost der Schiffs- 
uche der Schiffergesellschaft anvertrauen. Um die Vorfreude 
u verlängern, darf natürlich nichts von den zu erwarten⸗ 
zen Genüssen verraten werden. Denn nach Artikel 68 der 
ilten Hausordnung von 1669 ist verordnet: „Wenn von denen 
Aeltesten denen Sämtlichen Brüdern Etwas für getragen 
vird / so verschwiegen gehalten werden muß / wird ein Jegliche 
Bruder Ersucht, solches bey sich zu behalten und Niemande 
Kundt zu thaint —
	        
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