Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

in Deutschland, stets abgelehnt haben und uns vewußt waren, 
onsz wenigstens im Norden Deutschlands derartige Strömungen 
keinen Boden haben. Die von dem Helligen Stuhl ergriffenen 
jscharfen Maßregeln kennzeichnen die Größe der Gefahr, den Ernst 
her Situation. Dieser, Eid forder zweserleà. Einmal 
die Verpflichtung zu gewissen, dogmatischen Lehren, die der Mo— 
dernismus angegriffen hat, dann die, Zustimmung zu gewissen 
disziplinaren Maßregeln. Der erste, Teil enthält absolut nichts 
Neues. Er ist lediglich eine Einschärfung einer alten katholischen 
Auffassung. Jeder Katholik kann den ersten Teil des Eides leisten, 
aber auch der zweite Teil ist unbedenklich. Die päpstlichen Er⸗ 
lasse sind nur deshalb angegriffen worden, weil sie angeblich in 
das staatliche Gebiet eingreifen und in den Wiheesen 
Betrieb der Unversitäten, in das staatliche Gebiet inso— 
tern, „als viele katholische Geistliche auch Staatsbeamte sind. 
Die Kurie hat, aber damit, daß sie die Prosessoren, die keine 
cen Funktionen, ausüben, hon dem Eide entbunden hat, zur 
Evidenz bewiesen, daß sie Konflikte mit dem Staate vermeiden 
wollte Bezüglich der später anzustellenden Professoren bestehen 
auch keine Schwierigkeiten, weil der Antimodernisteneid nichts ent⸗ 
hält was nicht schon, bisher alle Katholiken verteidigt haben. Das 
habey auch die theologischen Professoren in ihren Erklärungen 
ausdrücklich betont. Durch den Eid wird die freie Forschung und 
der wissenschaftliche Beixieb der Universitäten nicht gefährdet. Der 
Minister hat eine Umfrage gehalten, und ein hervorragender 
evangelischer Kirchenrechtslehrer und ein evaängeli— 
cher Professor der Philologie haben die Frage, ob der 
Fideden Professoren neue Bindungen auferlegt, 
einfach verneint. Der Minister selbst hat jsich 
ines Urteiles enthalten, er hat hervorgehoben, daß die 
atholischen Fakultäten weniger Stätten der Forschung wären, als 
zie Aufgabe hätten, die katholischen Geistlichen anszubilden. Dar— 
rus hat nun die Presse zum Teil gefolgert, daß der Minister den 
nicht wissenschaftlichen Charakter der katholisch-heologischen Fakul- 
ktäten zugegeben habe. Ich alaube, mit Unrecht. Es wäre sehr 
wertvoll, wenn er die Gewogenheit hätte, dieses zu bestätigen, weil 
seine Aeußerungen in Professorenkreisen eine gewisse Beunruhigutig 
hervorgerusen haben. Träse die Auffassung eines Teiles der 
Presse zu, dann wären die Worte des Ministers eine Herabsetzung 
der Bedeutung der Professoren. Die Universitäten haben neben 
der Unterweisung der Jugend auch die Aufgabe wissenschaftlicher 
Forschung. Auf dieser Grundlage sind auch die katholischen Fakul— 
täten Preußens aufgebaut. In den neuen Statuten der Universi— 
ät, Münster ist allerdinas die Fortführung der, wissenschaftlichen 
Arbeit nicht stärker hervorgehoben. Vielleicht hat der Minister 
daran gedacht. Was nun die sogenannte freie Forschung betrifft, 
so will ich zunächst konstatieren, daß das Gerede von der abso— 
luten Vorausseßungslosigteit im wissenschaftlichen 
Betriebe längst verschwunnden ist. Jedes Wissensgebiet hat 
seine Voraussetzungen, natürlich auch das theologische, auch das 
evaugelisch⸗theologische, soweit es aunf dem Boden des positiven 
Christentums steht. Jedenfalls sind die evangelischen Theologen 
an den Inhalt der Heiligen Schrift gebunden. Ebenso unberech- 
tiat ist der Vorwurf, gegen die Methode der katholischen Fakul— 
täten. Dellinger und Janzen sind der Reformation gerecht gewor— 
den, und ich muß anerkennen, daß auchLeute, wieHarnack in das innere 
Leben des Katholizismus einzudringen sich eifrig bemüht haben. 
Ist es denn so bodenlos unwissenschaftlich wenn der Antimoder—⸗ 
nisten-Eid fordert, man solle die Forschung nicht ohne Rüchksicht auf 
)as katholische Glaubensbekenntnis betreiben? Es wird nur ver⸗ 
voten, daß die Forschung ohne jede Rüchsicht auf die religiösen 
Dinge vorgeht. Der Antimodernisten-Eid hat durchaus nichts mit 
der Geschichte, mit der Literatur zu tun, sodaß also auch der 
Beistliche durch nichts behindert ist, diese Gebieke nach der ihm 
eigenen Methode zu behandeln. Das erste Gesetz der Geschicht⸗ 
schreibung ist, daß sie nichts Falsches zu sagen wagt und nichts 
Wahres zu sagen sich scheut, hat Leo XIII. gesagt; er ver⸗— 
bangt also volle und ganze Objektivität; und lange 
vor ihm dekretierte das Vatikanische Konzil, daß die Kirche keines⸗ 
wegs Einspruch dagegen erhebe, daß die weltlichen Wissenschaften, 
jede auf, ihrem Gebiet, ihre eigenen Grundsätze und Methoden 
haben; die Wissenschaft sei nicht verpflichtet, von außen, also 
auch nicht von der Offenbarung der Kirche, etwas aufzunehmen, 
wozu sie nicht durch Befolgung ihrer eigenen Regeln gelange. 
Blauben, Sie denn wirklich, daß VPius X., der überall in den 
Spuren seines Vorgängers wandelt, sich mit ihm und dem Vati— 
anischen Konzil in Widerspruch setzen würde? Zu meinem Be⸗— 
dauern hat der Ministerpräsident gewisse Möglichkeiten ange⸗ 
deutet, die hinsichtlich der katholischen Fakultäten aus Anlaß der 
Antimodernisten⸗-Enzyklika sich ergeben könnten. Wir sind, der 
Meinung, daß es jeder Kirche überlassen bleiben muß, die Maß—⸗ 
nahmen zu treffen, die sie zur Erhaltung ihrer Lehre für nötig 
hült. Aber gerade aus diesem Anlaß begegnet man uns draußen 
im Lande, und zum Teil auch hier im Hause mit tiefem Wiß-⸗ 
trauen. Ueberwinden Sie dieses Mißtrauen; fassen Sie 
Vertrauen zu, uns.. Sie sind da und wir sind auch da 
Heiterkeit), deshalb müssen wir uns gegenseitig achten und unsere 
Neberzeugung respektieren. Geifall'im Zentrum) 
Abg., Dr. v. Campe (natlib.): Ich werde dem Kollegen Ditt⸗ 
rich nicht in allen Einzelheiten folgen, weil ich mich nicht dem 
Vorwurf aussetzen will, mich auf innerkirchliches Gebiet der ka⸗ 
holischen Kirche zu hegeben. Ich möchte der Freude meiner poli⸗ 
tischen Freunde darüher Ausdruck geben, daß der Minister⸗ 
präsident und Minister des Aeußern doch in viel⸗ 
facher Hinsicht eine Stellungnahme in dieser schwierigen Materie 
gefunden hat, die uns durchaus befriedüigt. Dahin gehört 
seine strikte Erklärung, daß die Regierung sich entschlossen habe, 
pro suturo diejenigen, die den Modernifieneid geleistet hätten, 
zum Unterricht in Deutsch und Geschichte nicht mehr zuzulassen. 
Zuruf im Zentrum; Leiderh Sie sagen leider, ich sage nicht 
leider. (Lachen im Zentrum.) Meine politischen Freunde haben 
schon in der Budgetkommission diese Forderuing gestellt. Eine 
der angesehensten datholischen Zeitungen hat damals diese Forde— 
rung mit den Worten begleitet: Naive Auffassung. Da haben 
Sie dem Ministerpräsidenten durch die katholische Presse das Urteil 
en Damals ging es gegen uns, jetzt aber gegen den 
dinister des Aeußern und den Ministerpräsidenten. Ich freue 
mich, daß die Regiexung in dieser Sache eine Stellung einnimmt, 
die weit über das hinausgeht, was der Führer der großen kon— 
servativen Partei hier stizziert hat. Denn eine derartige Forde⸗ 
rung aufzustellen, wagte er nicht. Hier ist die Regierung eher auf⸗ 
gestauden als die konservative Partei. Ich freue mich weiter, daf 
der Ministerpräfident bei der Milde, die ihm eigen ist, 
und bei aller Milde und Versöhnlichkeit, die diese Materie er⸗ 
fordert, einen Ton von Energie nicht hat vermissen lassen, 
ohne den wir immer unterliegen werden. Er hat ihn nicht ver⸗ 
missen lassen besonders nach der Richtung hin, daß er ausdrück⸗ 
lich erklärt hat, er hätte die Knrie wiffen laffen, dah dadurch, daß 
die Kurie auf diesem schwierigen Gebiet einseitig und ohne Ver⸗ 
ständigung mit der Regierung vorgegangen sei, sie allein die Ver— 
antwortung dafür trage, und daß sie allein dazu berufen sei, diese 
Gefährdung wieder aus der Well zu schaffen. Das alfo freut 
uns (Lachen im Zentrum), weiwir uns über den kon— 
efsionellen Frieden freuen. (Erneutes Lachen im 
aͤnnm) Ihr Lachen beweist nur, daß Sie nicht mit der nötigen 
bjektivität an diese Frage herantreten wollen (Lachen im Zen⸗ 
trum) — ja, das beweist das. Ich habe gleichfalls im Auftrag 
meiner Freunde zu erklären, daß wir wünschen, daß bei der Er— 
orterung dieser Frage alles usscheidet, was uns irgendwie 
in einen Kulturkampf, hineinführen könnte. (Wiederholtes 
Lachen im Ztr.) Glauben Sie es, oder glauben Sie es nicht. 
Wir stehen jedenfalls hier als ehrliche Männer und dürfen er—⸗ 
warten, daß Sie das, was wir sagen, auch glauben. Wenn wir 
zum Frieden kommen sollen, wie der Abg. Dittrich es wünscht, 
dann muß das gegenseitige Mißtrauen erst einmal aufhören. 
(Sehr richtig! links) Wenn Sie uns mit Mißtrauen sent— 
gegenkommen, und, Ihrexseits Vertrauen er⸗— 
warten, dann dürfen Sie sich tatsächlich nicht darüber wundern, 
wenn die Worte des Abg. Dittrich ungehört verhallen. Wir 
wünschen nicht in eine innerkirchliche Angelegenheit hineinzureden 
und wir wünschen auch ferner nicht, daß irgendwie mit weltlichem 
Arm in innere Angelegenheiten der latholischen Kirche hinein⸗ 
—, wird. Es heißt das aber nicht, daß wir all die 
Interessen, die auf diesem Gebiet vielleicht gefährdet er— 
scheinen, preisgeben; es heißt das nicht, daß wir uns 
ui Stillschweigen überall verurteilt sehen, wo staatliche 
Interessen und staatliche Rechte auf dem Spiele, stehen. 
Eollte ich im Laufe meiner Erörterungen vielleicht irgendwie auf 
nnexrkirchliche Angelegenheiten zu sprechen lom⸗ 
ien, so tue ich es nicht, um zu kritisieren, sondern ausschließlich 
eshalb, weil nur von einer Wertung und dem richtigen Verständ⸗— 
is der innerkirchlichen Angelegenheiten aus dasjenige, was ich 
ber Stgatsinteressen zu sagen habe, au verstehen ist. Dann 
nöchte ich noch bitten, daß der Ton dieser Verhandlung so gehalten 
ein möchte, daß wir uns immer der schweren Verantwortung, die 
vir durch diese Verhandlungen auf uns geladen haben, bewußt 
leiben, daß wir daran denken, daß das Aangze Preußen- 
and auf diese Verhandlungen blickt, und daß wir 
nit verletzenden Redensarten nicht weiter kommen. Wir sprechen 
sier nicht als Evangelische oder Katholiken, son—⸗ 
zernals Politiker eines paritätischen Staa⸗ 
es. Die Entstehungsgeschichte des Modernisten— 
ides isst nicht uninteressant. Nach dem Wortlaut des motu 
roprio haben die Geistlichen den Eid zu leisten, nach der Infor⸗ 
nation, die uns damals der Mimister gegeben hatte, war ihm von 
autoritativer kirchlicher Seite“ mitgeteilt worden, daß die Theo⸗ 
ogie⸗Professoren und die Oberlehrer den Eid nicht zu leisten hät— 
en. Dann hieß es, nur die Professoren ohne kirchliches Amt soll⸗ 
en den Eid nicht zu leisten haben. Und dann wurden schließlich 
iejenigen, die den Eid nicht leisten wollten, als fseige, als miseri 
ekennzeichnet. Dann folate. das Schreiben an den Kardinal 
dopp: da war der moralische Druck wieder etwas aufgehoben; die— 
emngen, die den Eid nicht zu leisten brauchten, sollten nicht als 
adelinswert hingestellt werden. Darauf kam die Antwort des 
Minifters in der Kommission, und endlich schreibt das offiaöse 
raan der Kurie, daß dieser Brief nur eine Auslassung au den 
ardinal Kopp jei und keine offizielle Bedeutunn habe. Mirx 
cheint es, daß es im Interesse des Staates liegt, daß dieses 
Scha ukelsobiel, das mit dem preußischen Staat getrieben 
vird, en dlich einmal aufhört. (Lebhafte Zustimmung 
inks.) Wenn wir uns auf das, was unser Gefandter von 
iner, ich will den Ausdruck gebrauchen, fremden Racht gesagt er⸗ 
ält, nicht verlassen können, dann muß sich unser Ministerpräsident 
uf den Standhunkt stellen, daß alle Antworten schriftlich ge⸗ 
seben werden. Der Minister des Aeußeren ist es dem preußischen 
Bolke schuldig, daß wir eine Laxe Autwort bekommeen 
ind nicht eine Antwort, die nachher wieder anders interpretiert 
bird. Ist es denn wirklich sicher, daß der moralische 
Rruck jetzt fortgenommen ist? Mit Sicherheit ging 
as aus den Erklärungen des Ministerpräsidenten nicht hervor. 
ziin Punkt des Modernisteneides berührt jedenfalls nicht kirch— 
iche Dinge, nämlich die Vorschrift, daß die geschichtliche Entwick⸗ 
ung dem Glauben nicht widersprechen Lönne. Ich erinnere Sie 
in —* Prinzen Maxvon Sachsen. Herr Dittrich meint, 
zie Wissenschaft sei nach der katholischen Lehre vollkommen frei; 
rber die Päpste haben doch oft erklärt, daß die katholische Kirche 
ille Wisseuschaften zu durchdringen habe. Kann noch von einer 
reien Wissenschaft die Rede sein, wenn jemand mit derartig zer⸗ 
chlagenem Rückgrat in die Wissenschaft eintritt? Ich kann dem 
Mimnisterpräsidenten nicht darin zustimmen, daß 
aatlich⸗ rechtliche Bestimmungen nicht verletzt seien. In unserer 
erfassung steht, daß die Wussenschaft und ihre Lehren frei sein 
ollen, Sollte das nur eine Binsenwahrheit aussprechen, oder ist 
ꝛs nicht vielmehr eine praktische Forderung, die der Staat ver⸗ 
virklichen soll? Die Unterxichtsanstalten sind Staatsanstalten, 
die Lehrer haben die Pflichten staatlicher Beamten. Die 
missio canonmieca hat staatsrechtlich gar keine Bedeutung. Die 
dehrer werden vom Staate angestellt, und es bleibt ihnen dann 
iberlassen, sich die missio canonica zu verschaffen. Die Ver 
flichtungen der Professoren werden durch die Universitätsstatuten 
estgestellt, und da triift nun die ri Kirche der Vorwurf, 
ie Professoren in die Lage versetzt zu haben, daß die Grund⸗ 
age, auf der sie angestellt sind, verschoben werde durch einen ein⸗ 
eitigen, rücksichtslosen Akt der Kurie. 1870 haben auch Pro— 
essoren das Vaticanum nicht anuerkannt mit der Begründung 
dadurch ihre staatliche — verschoben würde. Ich will 
icht sagen daß die Kurie sich jetzt bewußt ist, daß sie in diestaat⸗ 
chen Rechte keingreift, aber sse hätte das Bewußtsein haben 
nüssen, daß sie, zum FJrieden, nicht beiträgt. 
der Abg. Porsch sagte in der ersten Etatsberatung, daß bereits 
399 eine Antimodernisten-Enzyklikaerlassen sei—. 
ch kann mitteilen, daß schon 1885 eine solche durch 
eo XIII. in BVorbereitung warz als aber ein dentscher 
ischof eine Veröffentlichung derselben ablehnte, weil man in 
eutschland seitens der katholischen Kirche mit der weltlichen 
Pat in Frieden leben wolle, war Leo klug genug, davon wie⸗ 
er Abstand zu nehmen. Wie war es möglich, daß der Kultus⸗ 
ninister gusdrücklich erklärte, daß er von autoritativer kirchlicher 
Zeite wisse, daß von Lehrern und Professoren der Eid nicht ver⸗ 
angt werde? Dann aber ergab sich, daß diese Antwort von 
ruutoritativer kirchlicher Seite vollkommen verkehrt war. Da 
aben wir doch ein Interesse, uns mit der Sache zu beschäftigen. 
Sehr richtig! links.) Allerdings können wir uns an unsere Ge— 
andtsn halten. Aber anscheinend hat, der Stagt monatelang 
iichts getan. Wenn der Staat sofort Aufklärung 
erlangt hätte, wer den Eid zu leisten habe, und sofort er⸗ 
lärt hätte, daß er sich das nicht gefallen lasse, so wäre die Situa⸗ 
ion des Staates viel günstiger gewesen. Wenn die Regierung 
nonatelang geschwiegen hat, so hat sie ihre volle 
Lflicht dem preußischen Staat gegenüber nicht getan. 
Der Kultusminister hat, zugegeben, daß die Stellung der Profes— 
oren durch den Eid erschüttert werde und daß das Ansehen der 
Iniversitäten als Forschungsstätten in Frage gestellt werde. Man 
eruft sich auf Autoritäten, auch auf evangelischer Seite, die diese 
Frage verneint haben. Freilich kommt es dabei wesentlich auf die 
Individualität des Professors an. Die Berufung auf zwei evan⸗ 
gzelische Professoren nützt mir garnicht, denn wir kennen ihre Na⸗ 
nen nicht. Es ist angedeutet worden, daß es Kahl und Harnad 
eien, aber wir wissen das nicht. Und dann. wenn vielleicht zwei— 
undert gefragt sind, und 198 mit Ja geantwortet haben, so ver⸗ 
chwinden die zwei, die Nein gesagt haben. Ein Professor kann 
rzicht mehr subjektiv urteilen, wenn er alles, was ihm vorgeschrie⸗ 
zen wird, an Bausch, und Bogen anerkennen muß. Lessing 
agte einmal, wenn der Herrgott vor ihn träte, in der rechten 
dand die Wahrheit, in der linken das Streben nach Wahrheit, so 
vürde er sagen: Herrgott, gib mir aus der Linken, denn die 
Wahrheit ist nur für dich allein. Die Fakultäten sollen erhalten 
leiben, weil sie auch für den Staat Bedeutung Laben sollen, aber 
er, Gedanke der Kurie ist zweifellos darauf gerichtet, daß die 
jakultäten so bald wie möglich verschwinden. Wir müsfen des⸗ 
alb wissen, vbie vie Professoren denn eigentlich den Eid 
neleistet, haben. Die Kurie ist immer bestrebt gewesen, alle 
nodernen Einrichtungen in ihren Dienst zu stellen, die Autorität 
des Stagtes wird aber dadurch beeinträchtigt. Für die Lehrer 
zilt staatsrechtlich dasselbe wie für die Professoren, auch sie wer— 
den vom Staat angestellt. Auf den Universitäten sind nur einige 
venige Theologen zu erziehen, auf der Schule aber das Gros der 
zebildeten Bevölkerung;z dort ein, Unterricht von wenigen Jahren, 
hier das ganze Leben, dort nur Unterricht in der Theologie, hier 
u allen Fächern, dort nur katholische Hörer, hier auch evangelische 
Schüler. Ich unterdrücke Bemexrkungen, die ich als 
wangelischer Mann machen miißte, weil wir die ganze 
Sache nux vom Standpunkt des staatlichen Interesses betrachten 
wollen, als Politiker, die darüber wachen wollen, daß die 
aritatim Sigat gewabrt wird. Graf Krafchma hat in der 
exrsten Lesung des Etats schörie Worte gesprochen und nach einem 
interkonfessionellen Komitee verlangt. Wie wollen Sie das aber 
machen, wenn solche Posaunenstöße in die Herzen der Kinder 
dringen? Können da die Konfessionen friedlich nebeneinander 
bleiben? Wenn die Schule nicht bloß unterrichten, sondern auch 
erziehen soll, so können wir nicht Lehrer mit gebundenex Marsch⸗ 
coute und geknicktem Rückgrat brauchen, denn damit kann man 
nicht uuterrichten. Ein Lehrer hat in der Schule gesagt: „Was 
zeht über Deutschlande Die Heilige Kirche.“ (Unruhe im Zetr.) 
Ich weiß nicht, ob es wahr ist, aber si non e vero. e ben trovato. 
Es handelt sich um eine Frage, die in die tiefste Seele 
unseres Volkes eindringt, von der mehr abhängt, als von 
Zöllen und Steuern, es handelt sich darum, ob der vpreußische 
Ztaat noch Herr im Hause ist und in Rom als eine Macht ange⸗ 
ehen wird. Deshalb mußten wir diese Frage anschneiden. War 
zies auch opportun? Man hört oft Stimmen, daß man an die— 
en Fragen Lieber nicht rühren soll. Ich habe selbst Läugere Zeit 
auf diesen Standpuntt gefanden, ader nach den Exrfahrungen 
des vorigen Jahres mit der Borromgus-Enzyklika bin ich zu 
anderer Ansicht gekommen. Das betrübendste an diesen Erfah⸗— 
ungen war, daß selbst unsere katholischen Brüder in Deutsch— 
andes empfanden, daß uns Evangelischen schweres Unxecht ge— 
chah, daßg sie aber trotzdem nicht wie ein Mann aufstanden und 
vas bekannten. Die dee Katholiken hätten sich damit ge— 
rade um den konfessionellen Frieden verdient gemacht. Wir 48 
diese Frage auch angeschnitten, um einen App at die Re— 
zerümng zu richten. Der Kultusminister sagt, er, wolle ab⸗ 
varten, aber wenn es hart gegen hart geht, werde die Regierung 
uf ihrem Posten sein. Ich exinnere daran, wie Windthorst ein— 
mal sagte: „Der Kulturkampf ist zu Ende, Jetzt beginnt der Kanipf 
im die Schüle.“ Vielleicht kommen die Wetierwolken noch weiter 
hex. Ein württembergischer Minister hat auf die Trennung, von 
Ztaat und Kirche hingedeutet. Wir wollen keinen Krieg, 
wird uns aber,der Krieg aufgedrungen, nur 
wobl, dang muüssen wir dazu berzit sein.„Da möchte 
ich denn den Mimisterpräsidenten bitten, daß man die Augen offen 
aAnd die Faust geballt halten möchte, damit man beizeiten ein⸗ 
chreiten kann und nicht erst dann, wenn es zu spät ist. Meine 
Freunde werden nicht die Hand bieten, daß be grundlegen— 
en Ansprüche des Stgates an die Schule preisge— 
jeben werden. Mit Nachgiebigkeit gegen Rom kommen wir nicht 
veiter. Wir zerstüren daduxch nur Vertrauenswerte, vohne die 
auf die Dauer der preußzische Staat nicht existieren kann. Wir sind 
nicht immer so nachgiebig gegen solche Kundgebungen der Kurie 
Jewesen. 1870 hat Fürst Bismarck den preußischen Gesandten im 
Zatikan angewiesen, gegen eine Ausdrucksweise des Papstes 
Brotest einzulegen, weil sie eine Seeidigeng des Königs von 
Zreußen sei Vas ist jetzt anders, jetzt erleben wir alle paar Jahr 
ine solche Beleidigung. Ich möchte dem Minister des Auswärti⸗ 
den und dem Kultusminister ein paar Bismarcksche Kürassier— 
efei wünschen. Treten Sie nur einmaljest auf, wir 
haben einen zuten preußischen Boden unter uns. Dann wird der 
Sieg unser sein, das lehrt uns die Geschichte, und die wird unser 
Tehrer sein, trotz aller Enzykliken. (Lebh. Beifall links.) 
Abg. Funck (fortschr. Vp.): Die Erklärung des Minister— 
präsidenten war gußerordentlich geschickt, formu— 
hert.“ Ader ich habe große Bedenken, ob diele sehr vorsichtige und 
urückhallende Ertlarung in protestantischen Kreisen diejenige Be— 
riedigung erwecken wird, die, wir von dieser Debatte erwarten. 
Sehr richtig! Aints.. Wir sind nie kulturkämpferisch gesinut ge⸗ 
vesen. Aber es unterliegt keinem Zweifel, daß die Er bitterung 
n' evangelischen Kreisen, über die Borrvmäns-Enzykliks 
urch den Modernisteneid noch berschärft worden ist. Bei der Er— 
zrierung der Borromäus-Enzyklika hier im Hause hat das gZeu⸗ 
rum den Samn verlaffen; es gibt aber in Ihren Reihen viele, 
die die Enzhkuks verurteiten und auch eine Anerkennung fitr die 
eformativn haben. So hat kein geringerer als Prof. Martin 
-Zpahn die sittliche Bedeutung der Reformation anerkannt. Hört! 
hoͤrt! unts Die weitere debatte ist damals durch den frühen 
-chlußantrag der koniervativen Partei abgeschnitten worden. Die 
donservatihen fragen mit ihrer Haltung indirekt eijne Schuld an 
eimn Vorgehen des Varkans. Eachen rechts. Darüber kann laum 
in Zweifel sein, daß durch die jetzige politische Konstellation, durch 
as Zusammengehen der Konserbativen und des Zentrums, die 
agressfiben Reigungen Roms verstärkt, worden ünd, 
Lebh. Widerfpruch rechts, Die heutigge Erklärung des 
inisterpräfidenten wird iveiten Kreisen der evangelischen Bevöl- 
erung nicht als eine Genugtuung fürdie Beeidie 
üng erscheinen, die ihnen zugefügt sind. Meine politischen 
Freunde sind der Ansicht,, daß der Modernistenead, „eine 
Rsernbdeemninenrte'Gefahr für unsere ganze Erziehuag 
st.“ Der Abg. Dittrich hat auf den Eid der evangelischen Theolo- 
e⸗Profesforen hingewiesen. So klar liegt diele Frage nicht. 
Aber das kann ich ertlären: wo ein derartiger Eid auf, evangeli- 
der Seite der freien Forschung hinderlich entgegenstehen sollte, 
derden wir ihm auf jeden Fall entaegentreten. Der Unterricht in 
Beschichte und Deutich kann von Herren, die den Modernisteneid 
selentet haben, unmöglich in objektiver Weise erteilt werden. Bei 
der Erzrierung der Frage, ob Konfefsions. oder Simultanschule, 
ist immer von Ihrer (zum Zentrum) Seite betont worden, daß der 
Janze Unterricht von konfessionellem Geist durchdrungen sein müsse. 
Zier sehen wir den ersten Schrift zur Konfessionalisierung, der 
ᷣberen Vehranstalien. (Sehr richtig! links. Gerade in dieser 
Frage des Unterrichts im Deutschen und in der Geschichte hätten 
vir ennchieden eiwas mehr Festigkeit vom Minister— 
»räsidenten erwartet. — 5* 
dass Ansehen der preußischen Regierung ist in die—⸗ 
er Frage durchaus nicht geiördert worden. Der 
Brief de s Papstes an den Kardiunal 
discher tlinat dirett wie eine Krieagaserklärung. 
Zelbsndie Kreuzzeitung schrieb, daß de:n Zweifel darüher bestehen 
oͤnne, daß der Papft die Absicht gehabt hat, einen Konflikt mit der 
reußischen Regierung herbelzuführen. Die Gesgn dtichaft 
zeim Vatikan ist ein —8— wunder Punkt in dieser ganzen 
Irage;, Ihre Aufrechterhaltung wird in weiten evangelischen Krei— 
en vis ein dauerades Kanossgaufgefaßt. Die Geschichte 
ehrt uns, daß keine Macht der Welt' Schwäche und Nacgiebigkeit 
weniger vertragen kann als der Vatikan. Hier im Hanse spricht man 
ich recht versöhnlich aus. Anders aber ist es, wenn man von dem 
Mas brenzlichen parlamentarischen Boden losgelöst und ganz unter 
ich ist. Das zeigen die Aeußerungen des Katholikentages, besonders 
ie Rede des Äbg. Marz mit seiner Parole; Richtung Rom! Veber— 
Al, in Jnre Spaͤnien usw. wehrt sich der Staat gegen die 
Wereree der Kirche, und zwar viel erfolgreicher als bei uns. 
Sehr richtig! links.) Die Schwierigkeiten der Staatsregiexung ver⸗ 
sehe ich. Wir stohen auch hier überall auf das Wahlrecht. Sehr 
ichtig! links.) Ehe wir nicht ein anderes Wahlrecht haben, wird die 
egierung auch keine anderen Stüßen finden Wir müssen in 
deutschiand den konfessionellen Frieden haben und den konfessio- 
elien Hader hergausbringen, der Dentschland Jahrhunder!e tang 
zerhängnis gebracht hat. Den Frieden werden wir aber nicht haben, 
he nicht die Kompetenzen ishen Staat und Kirche scharf abge— 
renzte sind, wie es in unserem Parteiprogramm niedergelegt ist. 
luf dem jehigen Wege geht es nicht weiser, wenn, auch die Regie- 
d den guten Willen hat mit dem Vatikan auszulommen. 28ecall 
uints. 
Abg. Stychel (Pole): Wir halten es ür richtig, daß der 
Ninisterpräsiden't die päpstlichen Frlasse als innere Ange⸗ 
egenheiten der — Kirche bezeichnete, in die die rerunß 
icht hineinzureden habe, und ebenso, daß ex erst aAbwaren will, 
b die Ablegung des Eides zu Unzuträglichkeiten führt. Wir lönnen 
him aber nicht zustimmen, wenn er bedauert, daß die Dekrete, die 
uͤr Italien und Spanien passen könnten, auch für Deutichland 
eiten sollen. Die Kurie bezeichnet den Eid als eine hochwichtige 
alholische Angelegenheit, und daher muß er für alle Katholiken 
zellen. Die katholische Kirche hat eine einheitliche Lehre und daher 
die Pflicht, diese reine katholische Lehre überall vortragen zu lassen. 
Nach 4 Uhr vertagt das Haus die weitere Bergtung des Kultus— 
ats auj Minlwoch 11 Nhr; in Verbindung damit soll auch der Etat 
der auswärtigen Ungelegenheiten beraten werden. 
Vermilchtes. 
Ein Papagei als Lebensretter. Vater, komm schnell Vaer, komm 
chnell“ gellte es um Mitternacht Fin das Haus der Familie Pett, 
Ne der inem Laden in der Church Street in London ee Frau 
Jett erwachte von dem Geschrei und gewahrte. daß dicker auch aus 
zem Laden in de oberen Raume drang. Mit Hilfe einiger Nachbarn 
eiang es, ihren hilflosen kranken Mann, ihre Kinder und, den — 
dapagei in Sicherheit zu bringen, der mit seinem Geschrei die ganze 
Familie vor dem Erstickungstode gerettet hatte. Der Laden und die 
zarüberliegenden Stockwerke wurden ein Raub der, Flammen. 
Schwerer Automobilunfall. Nus Rotterdam wird uns gemeldet 
drei Chauffeure machten mit einer gemeinschaftlichen Freundin im 
uintelnagelneuen ufomobil eines Haarlemer Heirn unerlaubter⸗ 
veise eine Vergnuqgungsfahrt. Im Wald unweit Haarlem fuhren 
e mit einer Schnelligkeit von 125 Kilometer gegen einen Vaum. 
Zwei Chauffeure wurden befinnungslos aufgefunden; einer von beie 
en, der hoffnungslos darniederliegt, hatte siebzehn Kopfwunden. Det 
dritte Chauffeur und das Maͤdchen sind vermutlich unverletzt und ga 
lüchtet. Das Automobil, für das der Besitzer in der vorigen Wocht 
20 000 .M bezahlt hatte, war ganz zertrümmert. 
Auf der Buffeliagd verunglüctt. Nach einer vom österreichischei 
donsulat in Chartum in Hronon in Böhmen eingetroffenen Depesché 
it der österreichische Sportsmann und Naturforscher Philipp v. Ober⸗ 
änder aus Hronon auf einer Büffeljagd von einem Büffel, den er 
eim Schießen fehlte, aufgespießt und getötet worden. Der Unfall 
ereignete sich in Lavallg südlich von Chartum. Die Leiche des Ver— 
unglückten wurde nach Mongang gebracht und dort bestaltet. Philipn 
d. Cberlunder war erst kürzlich vom Kaiser, von Oesterreich wegen 
elner Verdienste um die Wissenschast der Adel versichen worden.
	        
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