Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

etzung, daß die Regierung vor einer ernstsen Ausemnasibersehüng 
nit Rom zurückgeschreckt ist, ist falsch. Ich erinnere daran, daß 
ruch Fürst Bismarck im Kulturkampf seinen Frieden mit Rom 
zeschlossen hat. Alle Parteien werden dem Vaterlande keinen 
zrößeren Dienst leisten, als wenn sie bestrebt sind, alles zur 
Aufrechterhaltung des Friedens zu tun, so lange es ohne Gefähr⸗ 
zung der Interessen des Staates und seiner Wurde geschehen 
ann. (Lebhaftes Bravo.) 
Inland und Ausland. J 
Deutsches Reich. 
W. Der Kaiser traf an Bord der „Deutschland“ heute 
»ormittag 9 Uhr vor Helgoland ein. Er landete mit Ge— 
folge um 10 Uhr im neuen Marinehafen. Neben dem Bade— 
zause hatten Kompagnien der Matrosenartillerie sowie Ver⸗ 
nne zur Begrüßung Aufstellung genommen. Der Kaiser be— 
ichtigtos unter Führung des Oberbaurats Edardt die Westmole 
und die im Bau begriffense AUferschutzmauer, worüber Re— 
gierungsbaumiester Verlohr einen Vortrag abstattete. Um 
II Uhr erfolgte die Absahrt nach Brenerhaven. 
W. VParlameniatischer Abend bim Reichskanzler. Berlin, 
. März. Der gestrige parlamentarische Abend versammelte etwa 
30 Gäste bei dem Reichskanzlerpaare. Als einer der ersten war 
»er frühere Justizminister von Schönstedt zugegen. Von den 
Staatssekretären bemerkts man Dr. Delbrück, Krätke, Dr. 
ꝛisco, v. Kiderlen-Wächter, von den preußischen Ministern 
»en Kriegsminister v. Heeringen, den Minister des Innern 
von Dallwitz, den Minister der öffentlichen Arbeiten von 
Breitenbach, den Handelsminister Sydow und den Finanz— 
minister Dr. Lenßze. Von Reichstagsabgeordneten waren u. a. 
erschienen Bizepräsident Schultz, die konservativen Reichstags- 
abgeordneten von Heydebrand, von Byern, Pauli, Dr. Wag⸗ 
ner; von der Reichspartei: Fürst Hatzfeldt, Freiherr von 
amp, d. Dirksen, Dr. Kolbe; vom Zentrum: Fehrenbach, Irl, 
Professor Spahn, von den Nationalliberalen: Prinz zu Schön⸗ 
rich Carolath, Wölzl; von der fortschrittlichen Volkspartei: 
Dove, Dr. Heckscher, Dr. Pachnide. Ferner waren anwesend 
Direktor Dr. von Körner vom Auswärtigen Amt, Wirklicher 
Geheimer Legationsrat Hamann, vom Reichsamt des Innern 
die Diirektoren von Jonguieres und Dr. Lewald, des wei— 
leren der Präsident des Reichsversicheruugsamts Dr. Kauf— 
nann, der Präsident des Reichspatentamts Hauß, der Vize⸗ 
räsident des Reichsbankdirektoriums Dr. v. Glasenapp, Geh. 
Kommerzienrat Jacob, Kommerzienrat v. Borsig, Professor 
Bier, Prosessor Schiemann, Dr. Jänide, der Verleger des 
hannoverschen Couriers, Runge, der Chefredakteur der Nord— 
deutschen Allgemeinen Zeitung, Stolz, der Chefredakteur der 
Augsburger Abendzeitung, die Redakteure Dr. Eisele, Jimmer⸗ 
nann, und Winterberg u. a. m. Unterstützt von dem Staats—⸗ 
ekretär von Wahnschaffe, dem Geheimen Regierungsrat von 
Ippen, dem Grasen von Bassewitz und dem Grafen von Hohen⸗ 
chal, empfingen der Reichskanzler und Gemahlin die Gäste. 
Es entwickelte sich alsbasd das von früheren Abenden her 
zekannte Bild. 
W. Das Kronprinzenpaar veriritt das Kaiserpaar bei 
den englücdhen Krönungsseierlichteiten. Berlin, 7. März. 
Wie die B. 3. hört, wird sich das Kaiserpaar bei den 
inglischen Krönungsfeierlichkeiten durch das Kronprin— 
zenpaar vertreten lassen. Das Kronprinzenpaar ver— 
ebt das Ostersest bei den kaiserlichen Eltern in Korfu. Von 
dort wird sich das Kronprinzenpaar am 18. April nach Rom 
hegeben, um dem italienischen Königspaar die Glückwünsche 
des Kaiserhauses anläßlich des 50jährigen Bestehens 
»es Königreichs Italien zum Ausdruck zu bringen. Von Rom 
verden sich Kronprinz und Kronprinzessin nach Wiesbaden 
ind von dort nach Danzig begeben, wo, wie gemeldet, der 
Kronprinz das Kommando der Schwarzen Husaren übernehmen 
wird. Im Juni fährt das Paar nach London. Ungefähr 
im 16. Mai wird der Kaiser an der Enthüllung des König in— 
Viftoria-Monuments in London teilnehmen. 
Frankreich. 
W. Die französißhe auswärtige Politit. Paris, 7. März. 
Der Minister des Aeußern, Cruppi, hat Anstalten getroffen, 
im sich im Laufe dier nächsten Woche mit den französischen 
Kotschaftern in Berlin, London, Rom, Wien, St. Petersburg 
und Konstantinopel persönlich auszusprechen. Die erste dieser 
Unterredungen wird mit dem Botschafter Bompard stiattfinden, 
der noch in dieser Woche aus Konstantinopel nach Paris kommt. 
Man weiß, daß es sich in diesem Falle um finanzpolitische 
Angelegenheiten handelt. Cruppi will genau darüber unter— 
ichtet sein, welche Verhandlungen die Türkei, sei es direkt oder 
ndirekt, mit französischen Geldinstituten, insbesondere mit der 
Rouvier-Bank führt, ferner, welche Versprechungen Bompard be— 
züglich der von französischen Interessenten angestrebten Eisen— 
bahn⸗ und anderen Konzessionen erlangt hat oder zu erlangen 
hofft. Cruppi wird erst kurz vor den Osterfeiern Ge— 
egenheit nehmen, vor der Kammer über die AUuswärtige 
Politik Aufklärung zu geben. 
Go56 eitannien. 
W. England und die Bagdadbahn. London, 7. März. 
In Erwiderung auf den Artikel der Rordd. Allg. Ztg. über die 
Bagdad⸗Bahn schreibt die Westminster Gazette: Was 
die von der Nordd. Allg. Ztg. zwischen den Rechten und Wünschen 
gemachte Unterscheidung betrifft, so braucht die englische Regie— 
rung keine Mahnung, aber es ist Sache des Herkommens und der 
Tourtoisie, über die Interessen ebenso wie über die Rechte und 
Wünsche zu verhandeln. England hat sicher Interessen, die viel⸗ 
eicht nicht so wichtig sind, wie einige übertriebene Behauptungen 
»oraussetzen lassen, aber doch wesentliche Interessen, die; soweit 
is kann, es zu schützen verpflichtet iit. Wir stimmen durchaus 
)amit überein, daß die Angelegenheit geeignet ist für eine Ver⸗ 
zandlung auf der Grundlage des „Do ut des“ und hoffen, daß 
vie Grundlagen gefunden werden für die Art des Geschäfts, das 
Deutschland zu wünschen scheint. Aber in Anbetracht der 
Stellung, sdiie wir im persischen Golf einnehmen, müßte die 
rürkische wie die deutsche Regierung unsere Zustimmung zu der 
Vereinbarung für den Bau der Endteilstrecke als wünschenswerte 
Bedingung betrachten. Wir sreuen uns, daß der Großwesir 
gestern seine Zuversicht bezüglich der Regelung der Frage ausge⸗ 
prochen hat. Wenn die deutsche Regierung lieber sieht, daß 
die Verhandlungen mit der Türkei nattfinden, haben wir keinen 
—A — 
Amerila. 
W. Eine RPetition gegen die Mode. Newyork:. 7. März. 
Tem Senat von Karolina liegt eine mit zahlreichen Unter⸗ 
chriften versehene Petition von Bürgern des Staates vor, durch 
die der Staat aufgefordert wird, endlich den Ausschreitungen 
oer Mode ein Ende zu machen und auf gesetzlichem Wege die 
Form und den Séhmnitt der Kleidungsstüche für Männer. Frauen 
— einfache 
Ueidung für alle Einwohner vorzuschreiben, ohne Rüchicht auf 
as Vermsgen des einzelnen. Die Tamilienväter erklären, dahß 
ie jetzt herrschende, oft wechselnda Mode sie ruiniere. 
Neuefte Nachrichten und Telegramme. 
W. Berlin. T7. März. Zum Landesdirektor der 
Provinz Brandenburg wurde der Oberpräsident v. Winter« 
1e lIdt gewählt, 
WM. Bremen, 7. WMärz. Prinz Beinrich ist heute 
norgen hier eingetroffen und hat in Hillmanns Hotel Woh— 
iung genommen. 
We. Bremerhaven, 7. März. Das Linienschiff „Deutsch— 
and“, mit dem Kaiser an Bord, traf heute nachmittag punkt⸗ 
ich um 6 Uhr auf der hiesigen Reede ein und ging gegenüber 
er Einfahrt zum neuen Kaiserhafen vor Anker. Etwas weiter 
romaufwärts ankerten die Begleitschiffe, der kleine Kreuzer 
SHela“ und die drei Torpedoboote, die die Fahrt mitgemacht 
zaben. Die Weserforts feuerten diesmal keinen Salut. 
W. Köln, 7. März. Wie die Kölnische Volkszeitung er— 
ährt, ist es der Wille des Kaisers, daß die laiserlichen 
Prinzen ihre militärische Ausbildung nicht ausschließlich in 
Berlin und Potsdam bei den Garde-Regimentern erhalten. Er 
egt Gewicht darauf, daß sie auch bei den Provinzregimentern 
ängere Zeit ein Kommando bekleiden. 
W. Dwesden. 7. März. Nach den hier eingegangenen 
Nachrichten ist der König von Sachsen mit seinem Ge— 
rolge wohlbehalten in Melut eingetroffen. 
W. München, 7. März. Der Prinzregent überwies der 
Stadtgemeinde 10 000 Muzur Verteilung an besonders not— 
ȟrftige Arme an seinem Geburtstage. 
Wit. Immenstadt, 7. Vlärz. Bei der heutigen Reichs⸗ 
agsstichwahl erhielt Dr. Thoma (lib.) 14 286, Emmingen 
Z3tr.) 12774 Stimmen. Dr. Thoma ist somit gewählt. 
W. Lissabon, 7. März. Die Regierung ordnete an, daß 
ie Namen fämtlicher Reisenden, die aus Brasilien oder dem 
rördlichen Europa kommen, der Polizei übermittelt werden. 
Sie erhielt nämlich eingehende Nachrichten über eine Ver— 
chwörung in Rio de Janeiro, von der in Lissabon 
Verzweigungen entdecht wurden. Der Ministerrat soll be— 
chlossen haben, die Einkünfte des Bischofs von Oporto zu 
perren und ihn aufzufordern, sein Bistum zu verlassen, weil 
r trotz des Verbotes der Regierung den Priestern besohlen 
zabe, den Hirtenbrief zu verlesen. 
W. Oporto, 7. März. Die Priester; welche wegen 
Vorlesung des Hirtenbriefes verhaftet wurden, wur— 
den vor den Staatsanwalt geführt und einem Ver—⸗ 
interzogen. Der Gouverneur stellte an die Regierung das 
Ersuchen, den Bischoß von Oporto auszuweisen, da er die 
Priester zum Ungehorsam und zur Aufreizung des Volkes 
HAeranlasse. 
W. Petersburg. 7. März. Aus Charbin wird gemeldet: 
Das offizielle Organ des Generalgouverneurs, die Mandschu— 
ische Zeitung, bringt solgende Veröffentlichung: Chinefsi— 
che Studenten, die sich in Japan aufhalten, haben 
Zriefe an die Landschaften der chinesischen Provinzen gesandt, 
n denen sie auf die bevorstehende Okkupation chinesischen Terri— 
ortums durch Rußland hinweisen; England solle das bereits 
durch sein Militär besetzte Gebiet in Anspruch nehmen. Die 
Aufteilung Chinas beginne, auf die chinesische Regierung sei 
nicht zu rechnen. Die chinesischen Studenten in Japan haben 
0 000 VYen, etwa 20 000 M, aufgebracht zur Gründung einer 
Hesellschaft für die Rettung des Vaterlandes. 
W. Petersburg, 7. März. Gegenüber den auswärts ver— 
zreiteten übertriebenen Gerüchten von einer Erkrankung 
»es Ministers des Auswärtigen, Ssasonow, stellt 
zie Petersburger Telegraphen-Agentur fest, daß der Minister 
in Angina erkrankt ist, sein Besinden jedoch zu durchaus 
einen Besorgnissen Anlaß gibt. 
W. Konstantinopel, 7. März. Nach einer Mitteilung des 
Bräsidiums der Kammer ist der gestrige Zwischenfall be— 
eits geregelt. Ismail Kemal erklärte dem Großwesir, daß 
er seine Worte zurücknehme, die keine Insinuation für die 
Regierung bedeuteten. Der Großwesir erklärte den Zwischen— 
all für erledigt. Der Deputierte, der Kemal die Ohrfeige 
ersetzt hat, sprach sein Bedauern aus. 
We Sosfia, 7. März. Der König üst heute früh hier— 
er zurückhgekehrt. 
Wt. Tanger, 7. März. Aus Fez wird vom 3. März 
emeldet, die Verbindungen zwischen Fez und Rabat sind an— 
cheinend unterbrochen, diejenigen zwischen Fez und Tanger 
ollen bedroht sein. Scherardareiter griffen die Abgesandten 
zIl Glauis an, Die mit den Scherarda verbündeten Benihassen 
indern die von El Glaui zu Hilfe gerufenen Truppen aus 
em Süden von Rabat nach Fez zu marschieren, da die Scheraga 
ind Uled Djama abzufallen drohen, bot der Sultan eine von 
ranzösischen Offizieren befehligte Mahalla gegen die Ab— 
rünnigen quf 
We Bremen, 7. März. Das Schulschiff des Deutschen 
Schulschiffvereins „Prinzessin Eitel Friedrich“ ist am 
J. März wohlbehalten in Plymouth angekommen und wird nach 
krledigung der Post sosort nach Hamburg weitersegeln. 
Luftschiffahrt. 
Wt. Tarmstadt, 7. März. Der cand. jur. Otto 
Reichardt flog nachmittags mit einer Eulermaschine 48 Min. 
son Griesheim nach Heidelberg, um an dem Stiftungsfest 
eines dortigen Korps teilzunehmen. 
Wt. Partis, 7. Febr. Der Flieger Renaurx ver—⸗ 
uchte etnen Flug von Paris nach dem Puy de Dome. Er verließ 
Neudon vormittags um 9 Uhr 12 Minuten mit einem Passa— 
rier und landete um 2 Uhr 20 Min. auf dem Gipfel des Puy 
„e Dome. Er gewann damit den Michelinpreis im Betrage 
on 100 000 Franes. 
Rektor Bock. 
Berlin, 7. März. Im Prozeß gegen den Rektor 
Bod ging die Beweisaufnahme heute zu Ende. Der Staats— 
inwalt beantragte mit Rücksicht auf das überaus gemein— 
efährliche Treiben zwei Jahre Zuchthaus und gegen Lehrer 
nösel ein Jahr Gefängnis. — Das Urteil gegen sden 
Rektor Bod lautet auf 1 Jahr 8 Monate Gefängnis. Der 
angellagte Lehrer Knösel wurde freigesprochen. 
In der Begründung des Urteils gegen den Rektor 
Bock wird ausgeführt, es sei sehr viel übertrieben. In 12 
on 15 zur Verhandlung stehenden Fällen mußte Freisprechung 
erfolgen, da in diesen Fällen eine Unzüchtigkeit bei der Be— 
rührung der Mädchen nicht mitzusprechen brauchte. In drei 
Fällen habe der Angeklagte sich strasbar gemacht. Die betroffe— 
ten Sechülerinnen seien seine Schülerinnen und noch nicht 14 
Jahre alt gewesen. Bock war stark erotisch veranlagt, führt. 
auch unzüchtige Reden, hat ebensolche Handlungen begangen 
und etnige seiner Schülerinnen Personen zugesührt, die spaͤte 
mit den Schülerinnen in unzüchtigen Verkehr getreten sind 
Da Bock degeneriert und in äußerstem Grade minderwertig 
sei, seien ihm mildernde Umstände zugebilligt. Er habe nur 
noch neun Monate zu verbühen. Daher liege Fluchtver dacht 
nicht mehr vor. Bezüglich des Lehrers Knöfel wird in der 
Urteilsbegründung hervorgehoben, daß dieser an zwei Mã dchen 
insittliche Handlungen begangen habe, er sei aber nicht ihr 
Lehrer und die Mädchen über 14 Jahre gewesen. Daher 
iege Beleidigung vor und es mangele an dem erforderliche, 
Strafantrag. 
Deutscher Reichstag 
W. Berlin, 7. März. 
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Beratung 
des Militäretats bei den Einnahmen aus dem Verkaul 
des Tempelhofer Feldes. 
Abg. Dove (Vpt.): Die Frage, ob der Verkauf des Feldes 
rechtsgültig ist, ist noch ungeklärt. Professor Laband kam zu 
dem Resultat, daß der Vertrag der Genehmigung des Reichs— 
tages bedürfe. Wir verlangen, daß bei der Veräußerung des 
Tempelhofer Feldes das öffentliche Interesse gewahrt werde. 
Die Resolution der Budgetkommission, in welcher verlangt wird, 
dan der Kaufpreis für das Tempelhofer Feld durch die Art 
der Bebauung dem Reiche nicht verkürzt werde, ist durchaus 
annehmbar. 
Abg. Wiemer (Vpt.) begründet die Resolution der Fort— 
chrittlichen Volkspartei, den Reichsklanzler zu ersuchen, im In— 
eresse einer großzügigen, den Forderungen des öffentlichen Wohls 
entsprechenden Bebauung des Tempelhofer Feldes etwaige Be— 
trebungen auf Herbeiführung einer Verständigung zwischen den 
Beteiligten und Berlin unter der Voraussetzung zu unterstützen, 
aß der Kaufpreis für das Tempelhofer Feld dem Reiche nicht 
berkürzt werde. Das öffentliche Interesse sei weder durch den 
Verkaufsvertrag, noch durch den Tempelhofer Bebauungsplan 
zenügend gewahrt. Der Redner sagt: Nur eine leistungsfähige 
ßemeinde, die nicht geschäftliche Rudsichten, sondern allein das 
zjfentliche Wohl in den Vordergrund stellt, kann einen der— 
artigen Plan durchführen. 
Abg. Erzberger (Zir.): Die Auffassung, daß der Ver— 
lkaufsvertrag erst nach der Zustimmung des Reichstages rechts⸗ 
zültig sei, ist unhaltbar. Der Reichstag hat wohl Einnahmen 
zu bewilligen, aber nicht Verkaussverträge abzuschlichen. Kein 
Geseß ist verlezt. Zukünftig wäre eine andere gesetzliche Grund— 
lage erwünscht. 
Abg. Frhr. v. Richstzofen (kons.!: Der Resdlution der 
Budgetkommission stimmen wir zu. Die in der Resolution 
der fortschrittlichen Volkspartei geforderte Revision der ab— 
Jeschlossenen Verträge ist nicht angängig. Kommt eine Ver— 
jtändigung zustande, so haben wir nichts dagegen einzuwenden. 
Abg. Fücher-Berlin (Soz.): Das Interesse Berlins ist 
vom Kriegsminister nicht gewahrt, für ihn war das Geschäft 
lediglich eine Geldfrage. Wer den Resolutionen zustimmt, er— 
ennt die Gültigkeit des Verkaufsvertrages an. Die Ent— 
chliehungen des Kriegsministers sind von Kochgestellten Ver— 
önlichkeiten. die an dem Spekulationsgeschäst interessiert sind, 
oeeinflußt. 
Kriegsminister v. Seeriugen: Wit Herrn Haberland haben 
wir niemals verhandelt, wie auch niemals hochgestellte Per— 
önlichkeiten einen Einfluß auf unsere Entschließungen gehabt 
aben. Der Verkauf des Tempelhofer Feldes erfolgte, um 
kruppenübungsplätze anlegen zu können. Einseitig den Ver— 
rag abzuändern, ist uns nicht möglich. Das wäre ein Ver— 
rauensbruch Tempelhof gegenüber. Daß eine arede Banl 
zinter einem solchen Geschäft steht, ist selbstverständlich. Die 
istliche Hälfte des Feldes ist aus militärischen Interesse nicht 
u oantbehren. Es bleiben damit immer noch 420 Heltaör frei. 
Daß den Berlinern die Lunge genommen werde, ist eine 
zrenzenlose Uebertreibung. Bei den ganzen Verhandlungen 
zjaben wir durchaus sachlich und im Interesse des Reichs 
jehandelt, ohne jede Feindseligkeit Berlin gegenüber. Wir 
zätten gern mit Berlin abgeschlossen, wenn es uns eine Mög— 
ichkeit dazu gegeben hätte. 
Abg. Weber (natlib.): Das Fehlen eines Reichseinnahme— 
zesetzes ist eine Lücke in unserer Gesetzgebung. Die Rechts—⸗ 
zültigkeit des Verkaufsvertrages ist unzweifelhaft. Unseres 
krachlens ist es noch möglich, eine Verständigung zwischen 
Tempelhof und Berlin herbeizuführen, um eine Wohnungs⸗ 
—V 
Staatssekreiär Wermuth: Daß die Verbündeten Regie⸗ 
rungen ihren etatsrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen sind, 
ist unbestritten. In welcher Weise das hier gewünschte Ge— 
etz über einen Rechnungshof Remedur in solchen Dingen 
ichasffen kann, vermag ich nicht zu sagen. Zunächst hoffe ich, 
daß die Gerichte an der bisherigen wohlbegründeten Praxis 
sesthalten werden. 
Abg. Arendt (Rpt.): Der Verständigung zwischen beiden 
Gemeinden würden wir mit Freuden zustimmen, wie es über⸗ 
haupt erwünscht wäre, zu einem Reichswohnungsgesetz zu kom⸗ 
men. Der Resolution der Kommission stimmen wir zu. 
Abg. Ledebour (Soz.): Der Rechtsstandpunkt ist keines—⸗ 
wegs geklärt. Ein äußerer zwingender Grund lag nicht vor, 
deshalb duürfte der Reichstag nicht ausgeschaltet werden. 
Abg. Wiemer: Ich bitte Sie, unsere Resolution anzu⸗ 
nehmen. Dadurch wird eine Verständigung ermöglicht. 
Damit schließt die Debatte. Die Resohution der Budget. 
kommission wird angenommen, die der fortschrittlichen Volks— 
partei abgelehnt. Die Ennahmen des Militäretats werden 
bewilligt. Damit ist der Militäretat erledigt. 
Sodann wird das Gesetz über die Friedenspräsenzstärle 
des deutschen Heeres in der dritten Lesung und der Etalt 
des Reichsmilitärgerichts in zweiter Lesung ohne Debatte an— 
genommen. 
Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. 
heer und Flotte. 
Wt. Berlit, 7. März. Der kleine Kreuzet 
„Auasburg'“ erreichte bei Erledigung seiner Probefahrten 
ine Geschwindigkeit von über 27 Seemeilen an der gemesse— 
ien Meile. Die Turbinne erzielten eine Leistung von 31 900 
Wellenpferden. 
W. Berlin, 7. März. R.P.D. „Sendlitz“ ist mit dem Ab— 
lösungstransport für Cormoran“ auf der Ausreise am 6. März 
in Suez eingetroffen und hat am selben Tage die Reise nach 
Aden fortgesetzt. „Prinz Adalbert“ und „Danzig“ sind am 
. März in Vestmanshavn (Faroer⸗Inseln) eingetroffen. Die 
echste Flottille ist am 6. März von Cuxhaven nach Wilhelms— 
zaven und das Torpedoboot „V 185* am 6. März von Neu— 
ahrwasser nach Stettin in See gegangen.
	        
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