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Beilagen: Vaterstädtische Blätter. — Der Familienfreund.
Amtsblatt der freien und Hansestadt Lübeck 61. Jahraan Rachrichten für das Hherzogtum Lauenburg. die
Beiblatt: Gesetz und Verordnungsblatt ctxt ——— — n hZůrstentũmer Ratzeburg, Lubec und das angren⸗
—EXXX — —E— zende medlenburgische und holsteinische Gebiet.
Drucd und Verlag: Gebrüder Borchers G.m. b. BS. in Lübes. — Geschäftsstelle Abret bans (Koniastr. as. Fernivrecher 2000 u. 9001
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Ausgab⸗
GGroße Ansgabe) Mittwoch, den 8. März 190.
Morgen⸗Blatt Nr. 122.
— —rrr
Lehrer dürfen nicht unterrichten, was sie wollen; sie unterliegen
der staatlichen Kontrolle.
Die Eidesformel könnte die Gegensätze der Kenfessionen neu
beleben. Das Recht, sie zu erlassen, hat die Kurie. Kein
Preuße wird in seinen Rechten dadurch beschränkt. Wer Geist⸗
licher wird, begibt sich dieser Rechte, doch hat die Kurie es nicht
für nötig gehalten, sich mit uns ins Benehmen zu sezen. Der
Brief an Kardinal Fischer ist leider geeignet,
die bestehende Erregung zu steigern. Wenn die Auf—⸗
fassung der Kurie, daß die Erregung bald gelsöscht werden
könnte, sich bewahrheiten sollte, so bin ich der erjste, der sich
darüber freut. Was den Antimodernisteneid betrifft, so stelle
ich sest, daß der Briefdes Kardinal-Staatssekretärs
an den Kardinal Voß infsolge der Vorstellungen
geschrieben ist, die wir am 8. Februar gemacht
aben. (GGört! Hört!) Es ist nun gefordert worden, der
Staat müsse die Maßnahmen der Kurie mit scharfen Gegenmaß—
egeln beantworten, mit der Aufhebung der Fakultäten, mit
der Aufhebung des weltlichen Unterrichts der katholischen Ober⸗
ehrer, mit der Aufhebung der Gesandtschaft beim Vatikan.
sNiemand will aber von uns den Kulturkampf. Dieser Volks—
timmung hat die Regierung bei ihrer Stellungnahme Rechnung
Jetragen. Wir wünschen aber nicht, daß uns von
rußen Steine in den Garten geworfen werden.
Bravo!)
Ich kann nicht finden, daß alle Maßnahmen der Kurie
diejenigen Rücksichten auf preußische und deutsche Verhältnisse
genommen hätten, die unentbehrlich ind, um den befriedigenden
Zustand, unter dem wir leben, zu erhalten. Der Vapst hat
uns wiederholt versichert, daß ihm die Aufrechterhaltung des
friedlichen Verhältnisses zwischen Staat und Kirche am Herzen
liegt. Müßte ich überzeugt sein, daß die vom Vapste gewollte
Kirchenpolitik darauf hinaus geht, unsere staatlichen Interessen
zu übergehen, dann hieße es „Kampf gegen Kampf“. Diese
Voraussetzung trifft aber nicht zu. Zur Beseitigung der katholi—
chen Fakultäten sehe ich keine Veranlassung. Der weltliche Un—
erricht der katholischen Oberlehrer kann nicht mit einem Schlage
veseitigt werden. Wir müssen auf beiden Seiten bestrebt sein,
vie Reibungsflächen zu vermindern. Der Staat wird sich
gezwungensehen, auf Geistliche, welche den Mo—
»dernisteneid geleistet haben, bei Reuaufstel—
jung zu verzichten, dagegen die bereits angestellten in
ihrer Stellung zu belassen. Die Gesandtschaft beim Vatikan
hat uns wiederholt gute Dienste geleistet. Ihre Aufhhebung würde
auch die Interessen der katholischen Bevölkerung, die ihre Auf—
rechterhaltung wünschen, unberüchsichtigt lassen. Allerdings kommt
den Gegnern der Gesandtschaft zugute, daß von der Ge—
andtschaft für die Aufrechterhaltung der guten
Beziehungen so wenig Gebrauch gemacht wird,
wie es in letzter Zeit vom Vatikan der Fa'l war. Die Noraus—
———
eines Herzogss — eines goldechten, keines Thea'secherzougs
— zu werden; die junge Gräfin Douglas Scott
Montague, älteste Tochter des Lord Montague Breaulieu,
hat jetzt den entgegengesetzten Schritt getan und die
Gräfinnenkrone aufgegeben, um zur Bühme zu gehen. Sie
hat schon vor zwei Wochen mit der Ausführung ihres
Planes begonnen, ohne daß — mit Ausnahme des Im—
presarioss — irgend jemand etwas davon wußle. Zuerst
schloß sie sich der Truppe des Sir Herbert Tree an,
und mit dieser als Shakespearedarstellerin nach der Provinz
zu gehen. Nach wenigen Tagen wurde ihr jedoch klar,
dah ihr der hohe Kothurn nicht passe: rasch entschlossen,
dersuchte sie es daher mit der Operette. Gegenwärtig
tritt die junge Gräfin mit der heiteren Choristinnenschar
des Vaudeville-Theaters auf; sie zeigt sich dem Volk
von England in einer englischen Bearbeitung der Operette
„Die geschiedene Frau“. Donnerstag brachten die
Blätter zum ersten Male diese sensationelle Nachricht, und
»ie Zahl der Gaffer, die sich infolge jener wichtigen
Mitteilung am Abend vor den Pforten des Theaters
taute, war so groß, daß die Polizei, die seit der grandiosen
Anarchistenschlacht überall Unheil wittert, einen besonderen
Ordnungsdienst einrichten mußte.
Tichudis Münchener Stellung erschürtert? Die Stellung
des Direktors der bayerischen Staatsgalerien Geh. Rates
Prof. Dr. Hugo v. Tschudi ist, wie der Kunstchronik
gemeldet wird, insofern erschüttert, als die gegen ihn ge—
richteten Angriffe und Treibereien in letzter Zeit sich be⸗
sonders zugespitzt haben. Es ist bekannt, daß gerade
Tschudis hervorragendste Münchener Tat, die Neuordnung
der Alten Pinakothel, in konservativen Künstlerkreisen leb—
haften Widerspruch fand, während die wissenschaftlichen Be—
urteiler und die Sprecher der modernen Künstlerschaft die
Amgestaltung freudig begrüßten. Doch ist zu hoffen, daß die
Absicht der Widersacher Tschudis noch einmal mißlingt.
Das Deutsche Zentralkomitee zur Bekaämpfung der Tuberku⸗
ose hält seine Generalversammlung am 10. Juni im Reichs-
agshause ab. Die Tuberkuloseärzteversammlung wird in
ziesem Jahre mit Rüchsicht auf die Internationale Hygiene—
russtellung am 12. und 13. Juni nach Dresden ein—
erufen werden.
—13
Erstes Blatt. hierzu 2. Blaft.
Umfang der heuticen Nreeiteꝝ.
Nichtamtlicher Teil.
Bereinigende und trennende Faktoren
im Liberalismus.
O Lübeck, 8. März.
o2 liberale Doppelkandidaturen, so lautete die Ueberschrift
unseres vorgestrigen Leitartikels: Wir wiesen darin nach, daß
man trotz der Einsicht von der Notwendigkeit eines Zusammen—⸗
gehens des Nationalliberalen mit den Fortschrittlern bis jetzt
noch weit entfernt ist, die einheitliche liberale Kampfesfront
für die nächsten Reichstagswahlen zu bilden. Unsere Erwä—
gungen über die Vorteile und Nachteile dieser Doppelkandida—
furen mußten auch naturgemäß zu ihrer Verurteilung führen.
Hleichzeitig empsahlen wir für die Lokalführer beider Parteien
eine größere Unterordnung unter die Zentralleitungen und für
die Zentralinstanzen eine stärkere Einmischung in wichtige Kan—
didatenfragen.
In einem gestrigen Artikel, betitelt „ßZur liberalen Wahl—
kaktik“ geht nun die Magdeburgische Zeitung noch einen Schritt
veiter. Sie schneidet nämlich die Frage der Bildung eines
Einigungsausschusses an, der von Bassermann
bis Naumann die Wahltaktik in den einzelnen Wahlkreisen
regeln müsse. Das Ergebnis, das ein solches Einigungsamt für
die Nationalliberalen bringen müßte, wird darin allerdings
nicht besonders günstig eingeschätzt, und das mit Recht.
Denn in der Tat stehen die Grundanschauungen
»on Nationalliberalen und Fortschrittlern sich
chroffer gegenüber, als man auf den ersten Blick anzunehmen
zeneigt ist. Beide haben zwar die Stärkung des Liberalismus
als gemeinsames Ziel vor Augen. Beide treten auch gegen die
Konservativen auf. Aber gerade in diesem Fweiten Punkt
zehen die Meinungen besonders auseinander. Die National—
liberalen stellen vor allem den Kampf gegen die Sozial—
demokratie voran und nehmen erst in zweiter Linie den Kampf
gegen den Konservativismus auf. Bei den Fortschrittlern da—
gegen steht der Kampf gegen die Konservativen an allererster
Stelle. Aber auch in der Stellungnahme zur Sozialdemokra⸗
tie weichen die Fortschrittler erheblich von der Grundidee der
Nationalliberalden ab. Der Fortschritt behauptet,
daß der Kandidat möglichst linksstehend
sein muß, wenn man am weitesten kommen und
erreichen will, daß so viel Anhänger wie möglich
gegen den Konservativismus gesammelt werden. Die Natio—
öy
nalliberalen stehen jedoch auf dem Standpuntt, daß gerade
eßt ein gemäßigter Liberaler die besten Aussichten
ruf Erfolg hat. Ihre Ueberzeugung geht dahin, daß von links
leine Elemente gewonnen, vielleicht kaum alle gehalten werden
önnen, während von rechts gerade bei der heutigen Ueber—⸗
pannung der konservativen Leitung eine große Anzahl be—
onnener Elemente dem gemäßigten Liberalismus zuzuführen
ind. Und dieser Auffassung dürfte auch die Zukunft Recht
jeben. Den Kern hierfür würden am besten die National—
iberalen bilden. Aber sie müßten von rechts noch Zuzug
erhalten. Wenn aber der Freisinn — der noch auf den Namen
Eugen Richters schwört — seine Aufgabe jetzt richtig auffaßt,
so muß er als linkes Mitglied zu dieser Mittelpartei dazu—
toßen.
Tatsächlich hält aber der Fortschritt jetzt z. T. den Kurs
lints-⸗links. Er darf sich dann auch nicht wundern,
venn bei den Nationalliberalen dafür kein Ver—
tändnis zu erlangen ist und diese dabei nicht mitmachen. In
dieser Partei herrscht nämlich die Anschauung, daß nur dursch
nakellose Intaktheit gegenüber der Sozial-
demokratie die Zukunft gesichert werden kann. Solche
Siege, wie sie Dr. Thoma in Immenstadt-Lindau errungen hat,;
indem er sich auf bestimmte Forderungen der Sozialdemokratie
berpflichtete, sind keine Siege, sondern Niederlagen. Solch ein
Mandatszuwachs bedeutet gleichzeitig einen noch gar nicht ab—
zusehenden Verlust. Und wenn ein liberales Einigungsamt
ihnliche Forderungen stellen wollte, so würde ein Eingehen auf
dieselben zum großen Teil die Verleugnung der ganzen Ge—
schichte und des Programms der Nationalliberalen bedeuten.
l
Der Reichskanzler über den Modernifteneid.
Die für heute mit großer Spannung erwartete Erklärung
des Reichskanzlers über den Modernisteneid ist erfolgt. Erfreu—⸗
icherweise zeigt sie etwas mehr Rückgrat, als wir es bisher
eitens der preußischen Regierung gewohnt waren. Im nach—⸗
lehenden geben wir den Wortlaut wieder:
Es wird niemand bestreiten, daß die Dekrete eine tiefe Be—
vegung in Deutschland hervorgerufen haben. Die Bestimmungen
über den Modernisteneid berühren das Verhältnis des
einzelnen Katholiken zu seiner Kirche und entziehen sich damit
iner Diskussion, die das Verhältnis des Staates zur Kirche
zuum Gegenstand hat. Hält die Kirche es in ihrem Interesse für
rötig, ihre Diener unter einen Eid zu stellen, so ist das ihre
Sache, aber diese Dinge können eine Form an—
rehmen, die das friedliche Zusammenwirken der
donsessionen stören kann. Seitens der katholischen
zeistlichen hat sich kein Widerstand dagegen gezeigt. Dennoch
nüssen wir fragen, war es nötig und zwekmäßig, die
Detrete auch für Deutschsand zu erlassen? Die
Theater, Kunst und Wissenschaft.
57* Vom Kieler Stadttheater. Das Defizit für die Spiel—
jeit 1910/11 dürfte statt der veranschlagten 118 000 Mube—
deutend größer werden, da kürzlich gelegentlich der Theater—
vorlage in der Versammlung der Stadtkollegien am 17. Febr.
Stadtrat Möller bekannt gegeben hatte, daß die Einnahmen der
Spielzeit 1910/11 bis zum 15. Febr. dieses Jahres gegenüber
»em Woriahre bereits um 24000 Maäzurüdgeblieben seien.
Jetzt beantragt die Theaterkommission bei den Stadtkollegien,
Dr 6000 Mefür Mehrkosten für Musik zu bewilligen, da
durch die Verringerung des Orchesters des Vereins der Musik⸗
freunde von 55 auf 49 Musiker sechs Militärmusiker zur Aus—
hilse herangezogen werden müssen, wenn gleichzeitig im Stadt⸗
theater und kleinen Theater Oper und Operette gegeben
würden. Der Zuschuß der Stadt für das Theater dürfte sich
also für die Spielzeit 1910,/11 statt der veranschlagten 118 000
Mark — vorausgesetzt, daß die Einnahmen nicht weiter als
um 24 000 Maäzurüdbleiben — einschließlich des Mehrbedarfs
in Musik auf 148 000 Meästellen. Ferner zahlt die Stadt
dem Verein der Musikfreunde, der das Orchester dem Stadt⸗
heater sür die Musikleistungen stellt, einen Zuschuß von 30 000
Mark, so daß Kiel für Theater und Musik 178 000 Miauf—
wendet. — Bei Kiels augenbidlicher Finanzlage ein mithin
recht bedeutender Zuschuß.
O. K. Eine neue Oper von Isidore de Lara. Im Theéätre
des Arts in Rouen, das schon wiederlholt durch Uraussührungen
Emanzipationsversuche von der künstlerischen Diktatur der fran⸗
zösischen Hauptstadt u nternommen hat, hat jetzt die erste Auf⸗
jührung einer neuen Oper von Isidore de Lara stattgefunden,
die den Titel „Solea“ führt und einen ungewöhnlich guten
Erfolg errang. Der Komponist hat dos Libretto selbst ge—
jchrieben und von Jean Richepin bearbeiten lassen. Der
Schauplatz ist das von den Türken belagerte Rhodus. Im
Mittelpunkt der Handlung steht eine Zigeunerin Solea, die den
bedrängten Malteser-Rittern im Kampfe gegen die Türken
helfen will. Der Führer der Ritter, Lionoel, verliebt sich
nn das braune Mädchen, und die Tragit dieser gegenseitigen
Neigung liegt darin, daß er Christ und sie ungläubig ist. Aber
das Mädchen leiht den Rittern doch seinen Beistand, entdedt und
entlarvt zwei gesährliche Verräter, aber die Türken bleiben
doch Seger. Zum Schluß sprengt Bolea den Vulverturm
vor den vordringenden Feinden in die Luft. Lionoel
riimmt daran teil, und so erleiden die Liebenden wenigstens
emeinsam den Tod. Das Werk arbeitet mit starken The—
terwirkungen, eine komische Nebengestalt trägt eine Fülle
»on Humor in die Handlung und die Musik; der Komponist
zrhebt sich an den tragischen Stellen zu wirklicher drama—⸗
ischer Kraft, die sich von Akt zu Akt steigert und das
Publikum vollkommen gesangen nimmt.
Künsthernachrichten. Frau Deir. Bartsch-Jonas, die
eliebte jugendlichedramatische Sängerin des Lübecer
5tadttheaters, ist auf. 10 Tage nach Wien beurlaubt
»orden. — Felix Mottl ist, wie das B. T. aus
Rünchen meldet, mit einer schweren Erkältung, die er sich
ei seiner russischen Tournee in Moskau zugezogen hat,
urüchgekehrt und liegt nun an einer heftigen Influenza
»arnieder. — Als Ersatz für die plötzlich ausgeschiedene
yrau Traute Carlsen hat die Direktion des Frankfurter
domödienhauses das Mitglied des BVerliner Kleinen Thraters
MNiriam Horwitzz, die Gattin des bekannten Berliner
S—chauspielers Erich Ziegel bis zum Schluß der laufen⸗
den Spielzeit verpflichtet. — Der Herzog von Koburg⸗
Hotha hat den Leipziger Heldentenor Jacques Urlus
sum Kammersänger ernannt. — Max Reger ist
oeben vom Herzog von Koburg-Gotha zum Hofrat er—
iannt worden. Reger besitzt von allen deutschen Musikern
is meisten Titel: er ist Ehrendoktor der Philosophie,
khrendoktor der Medizin (er nennt lich selbst scherzweife
„Medizsmalrat“), Professor und jetzt auch noch Hofrat.
Was wird er noch werden?
Der „Rofenkavalier“ in Mailand. Sonntag abend fand
die zweite Aussührung des „Rosenkavaliers“ in der Scala
zu Mailand statt, nachdem im zweiten und dritten Aklte
sehr starke Striche vorgenommen worden waren, um
»en Forderungen des dortigen Publikums gerecht zu werden.
Die in dieser Weise modifizierte Oper fand sehr freund—
riche Aufnahme. Die Darsteller wurden nach jedem
Akt wiederholt gerufen.
Aus der Londoner Operettenwelt. Aus London schreibt
man: Zena Dare, die beliebte Londoner Operetten—
ängerin. hat jüngst die Bühne verlassen, um die Gattin