Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

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ausgabe A. 
Abend⸗Blatt UAr. 12. 
Aus den Nachbargebieten. 
Hanjestãdte. 
Samburg, 7. Jan. Für die geplanten umfang⸗ 
eichen Hafenbauten usw. in diesem Jahre wird Ham— 
uürg, wie der Berl. 310. erführt, eine Anleihe von 75. bis 
o do0 doo Meaufnehmen. Zunaichst sollen davon jedoch nur 
irta 50 000 ooo e auf dem Anleihewege aufgenommen werden. 
Man xechnet damit, dahh in den nächsten Tagen die Auf—- 
srderungen zur Einreichung der Offerten an die Banken er— 
sehen werden. Die Begebung der Munleihe dürfte also 
Mslicherweise noch Mitte dieses Monats geschehen. 
Schleswig⸗Holstein. 
Altona, T7. Jan. Die Margarine-Unter⸗ 
uchungen durch das städtische chemische Untersuchungsamt 
owie die physiologischen Untersuchungen, die von dem bakterio⸗ 
ogischen Institut des Krankenhauses vorgenommen wurden, sind 
unmehr abgeschlossen. Das Ergebnis dedt sich im wesent⸗ 
sichen mit dem der Hamburger Institute. Die Gutachten der 
Behörden sind der Staatsanwaltschaft uüberwiesen worden. Von 
den Aerzten und Chemikern sollen inzwischen noch weitere 
hersuche mit dem zur Herstellung der beanstandeten Margarine 
enutzten Marattifett angestellt werden, ob es nicht doch mög⸗ 
sch ist, etwaige neue Pflanzengifte, die bisher unbekannt 
ind. zu entdecken und auszuscheiden 
vie sie trotz Telephon und Automobilen erst nach zwei Tagen 
Magnesiumfackeln beschafft hat. Wo war die Polizei, als 
as Warenhaus ausgeräumt wurde? Sie saß bei Kupfer 
nd dachte üUuber Zuständigkeitsfragen nach weil viele 
zälle auf Charlottenburger Gebiet passiert waren. Die Polizet 
ing Aberhaupt mit einer merkwürdigen Strategie in Moabit 
or. Ein Zeuge hat ein Gespräch des Leutnants Folte gehört, 
ndem dieser gesagt hat, er wolle nicht nach einer bestimmtenl 
zegend gehen, weil dort Massen wären. Wenn dieses Ge— 
p»räch wirklich so stattgefunden hat, dann beweist es auf 
eiten der Polizei eine gewisse Kopflosigkeit. Vom 27. Sept. 
nittags ab wurden in der Presse die Ausschreitungen des Janha⸗ 
sels umgewandelt in einesozialdemokratischeRevolu⸗— 
ion, und es wurden auch gleich die politischen Folgerungen 
ausgezogen: Ausnahmegesetze gegen die Sozialdemokratie und 
ie Gewerkschaftsbewegung. Nach den Dienstvorschriften waren 
ie Schutzleute gar nicht berechtigt, die Säbel zu benutzen, 
AAbst wenn hundertmal „Bluthunde“ gerufen worden wäre. 
zie durften nur einschlagen, wenn tätlicher Widerstand vor—⸗ 
ag. Es ist der sozialdemokratischen Disziplin 
u danken, wenn die Moabiter Bevölkerung diese Bru—⸗ 
alitäten der Polizei nicht beantwortet hat mit einer 
—X 
»en müssen. Wenn die Absicht bestanden hat, die Moabiter 
zevölkerung zu reizen und zu einer Massenerhebung zu brin⸗ 
jen, so hätte das nicht besser gemacht werden können, als 
s geschehen ist. Das alles ind nicht beklagenswerte Miß— 
zrriffe einzelner Beamten, sondern für diese Mißgriffe ist 
as ganze System verantwortlich. Es kaun auch nicht zweifel⸗ 
aft sein, daß agents provocateurs tätig waren. Die Polize 
ann die Verantwortung für die „beklagenswerten Miß— 
riffe“ nicht auf die Untergebenen abschieben. Diese Ding 
iußten erörkert werden, um zu prüfen, ob Aufruhr vor— 
g und mit Rücksicht auf das Strafmaß. Schuldige 
ind unter den Angeklagten und unter der Masse, 
ber die Schuld, daß die Dinge diesen Umfang annahnen, 
egt bei der Polizei. Daher sollte man vermeiden, über 
je gesetzlichen Mindeststrafen hinauszugehen. — Vors. Land— 
erichtsdirektor Lieber: Sie haben in einer Reihe von 
fällen gegen Polizeibeamte scharfe Ausdrüde gebraucht. Ich 
ehme an, daß sich diese Ausdrücke nur beziehen auf Fälle, 
ie hier zur Sprache gekommen sind. — Vert. R.-A. Heine: 
zelbstverständlich war von mir dieser Vorbehalt gemacht 
»orden. — Vors.: Sie haben weiter gesagt: Wenn bei 
en Behörden die Absicht bestanden hätte, die Moabiter 
zevölkerung zu reizen und zu einer Massenerhebung zu bringen., 
o hälte es nicht besser gemacht werden können, als es 
urch die agents provocateurs geschehen ist. Ich nehme an. 
atß Sie das nur konditionell gesagt haben. — Vert. R.»A. 
zeine: Selbstverständlich; ich habe doch den Satz be—⸗ 
sonnen mit: wenn... hätte. 
Erster Staatsanwalt Steinbrecht: Rechtsan⸗ 
valt Heine hat so schwere Vorwürfe gegen die 
zolizeibehörde, die Shutzmannschaft und den 
zolizeipräsidenten gerichtet, daß ich genötigt hin, so⸗ 
»rt zu antworten. Er hat zuerst gesagt, die Verteidigung 
»äre der Staatsanwaltschaft dankbar dafür, daß lie aus 
olitischen Gründen eine Verbindung der verschiedenen Sachen 
erbeigeführt hat. Die Verbindung ist aber nicht aus politi— 
hen Gründen erfolgt, sondern sie geschah in Uebereinstim⸗ 
rung mit der Auffassung des Gerichts. Wenn hinterher 
ie Verteidigung sich diese Verbindung zunutze gemaächt hat, 
m HSunderte von Zeugen vorzuführen, so hat sie das nicht 
etan, um der Sache zu nützzen, sondern um der Poli— 
ei eins aufzuhängen. (GVert. R.A. Dr. Heinemann 
unterbrechendd: Sollen wir uns das gefallen lassen? Diese 
Vorte enthalten einen so schweren Vorwurf gegen die Ner— 
eidigung, daß ich sie beanstaude.) 
Steinbrecht fortfahrend: Ich begründe meine Aus— 
ührungen damit, daß Rechtzanwalt Heine in 5 Stunden 
ast nur von Verfehlungen der Polizei gespro— 
hen hat, auf die Sache selbst aber gar nicht ein4 
legangen ist. Der Verteidiger hat weiter angedeutet, 
er Behörde ware es ganz angenehm gewesen, wenn eine 
devolution entstanden wäre, dann hätte man diese Revo— 
ution im Blute ersticken und daraus Kapital schlagen können. 
Nit demselben Recht, mit dem die Verteidigung diesen 
Forwurf gegen die Behörden erhoben hat, und zwar 
Im Anfang dieses Prozesses an bis zum he— 
e„gen Tage und nur, um gegen die Polizei auf— 
—treten habe ich sagen können. doeßk o5 de 4 
— 
-eidigung nicht darauf ankam, die Sache wirk- 
ich zu fördern, wie es die Angeklagten verlangten. 
Vert. R.A. Dr. Cohn (unterbrechend)?: Ich sehe mich eben⸗ 
alls gendtigt, gegen diese Ausführungen zu protestieren. Es 
Jjeht unter keinen Umständen, dakß der Erste Staatzanwalt uns 
derartige Vorwürfe macht.) — Vors.: Wir werden beraten. 
— Vert. R.A. Dr. Curt Rosenfeld: Ich bitte vorher ums 
Wort. — Vors.: Ich kann Ihnen das Wort nicht geben. 
Nach etwa halbstündiger Beratung verkündet der Vorsitzende, 
Zandgerichtsdirektor Lieber, solgenden Beschluß des Ge— 
ichts: Ich kann den Ersten Staatsanwalt nach den gesetzlichen 
tzeslimmungen nicht zwingen, diese Ausführungen zu unter⸗ 
afsen, Ich bitte ihn aber, im einmütigen Auftrage des Ge—⸗ 
ichts, derartige Angriffe auf die Verteidigung zu vermeiden, da 
ie geeignet sind, die sachgemäße Erledigung dieses Prozesses 
u erschweren. Anderseits bitte ich gleichfalls im einmütigen 
Iuftrage des Gerichts, daß die Verteibdigung umgekehrt solche 
Angriffe gquf die Staatsanwaltschaft unterläßt, die dahin gehen, 
daßß die Verbindung der Anklagen aus Gründen geschehen ist, 
aie nicht in der Sache selbst liegen. 
Erster Staatsanwalt Steinbriecht: Ich kann er⸗ 
Jären, daß es selbstverständlich nur meine Absicht gewesen ist, 
ie schweren Angriffe auf die Staatsanwaltschaft zurũckzuweisen, 
Angritfe, die dahingehen, Vaß aus politischen Gründen, um die 
Sozialdemokratie bloßzustellen, die Verbindung erfolgt ist. Das 
leht in so krassem Widerspruch mit den Tatsachen, daß ich sagen 
onnte: Mit demselben Recht könnte ich einen Vorwurf gegen 
ie Verteidigung erheben. Der Verteidiger hat weiter schwere 
lnuariffeganz allgemeiner Natur gegen die Po— 
izei gerichtet. Mißgriffe im einzelnen mögen vorgekom— 
nen sein, aber die Schuld daran trägt die Aufreizung durch die 
Nassen. Wenu Rechtsanwalt Heine gesagt hat, die Polizei⸗ 
eamten hätten eine Lust an der Roheit gehabt, sie hätten sich 
ast wie Tiere benommen und nicht wie Menschen, so muß ich das 
nergisch zurückweisen. Die Polizeibeamten haben nach bestem 
PBillen für Ordnung gesorgt, und sie haben dazu die Mittel 
ngewendet, die sie für richtig hielten. Sollten sie sich im ein— 
elnen vergriffen haben, so kann man daraus den Polizeibe— 
imten als Menschen und Beamten keinen Vorwurf machen. Er 
zat weiter geseot, die Polizeibeamten hätten es mit der Wahr- 
eit nicht so genau genommen, sie hätten, wenn auch nicht wissent⸗ 
iich, so doch fahrlässig ihre Eidespflicht verlezt. Za, er ging 
ioch weiter, er hat indirekt den Vorwurf der Feigheit erhoben. 
gor allem richtete er sich gegen den Polizeileutnant Folte. 
der Mann ist ja hier als Zeuge aufgetreten und wir haben 
vohl alle die Ueberzeugung, daß er ein tüchtiger, glaub— 
vürdiger ·Mensch ist. Wenn er sich einmal in seiner Aussage 
Jeirrt haben sollte, so ist das eben menschlicher Irrtum. Gegen 
den Vorwurf der Feigheit braucht sich Polizeileutnant Folte 
wohl nicht zu verteidigen. Schließlich hat Rechtsanwalt Heine 
»en Vorwurf erhoben, die Behörde hätte agents provocateurs 
n den Reihen der Polizei nicht mur geduldet, sondern er hat 
ersteft angedeutet, sie hätte davon gewußt. Das wird 
ßegenstand eines besonderen Strafverfahrens gegen den Re— 
zalteur des Vorwärts sein, und ich brauche deshalb hier nicht 
harauf einzugehen. 
Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Heinemann: Von 
dem Worte Mephistos: „Du mußt es dreimal sagen“, ist 
in diesem Prozeß reichlich Gebrauch gemacht, und die Ge⸗ 
qzuld des Gerichts wiederholt auf eine harte Probe gestellt 
vorden. Aber das war notwendig, um das ganze Milieu 
u schildern. Keine Wohlgerüche Arabiens waschen die Blut—⸗ 
chuld von der Polizei ab. In all den Fällen muß auf 
Freisprechung erkannt werden, in denen die Angeklaaten das 
Wort „Bluthunde“ gerufen haben, angesichts der Mißhand⸗ 
unqg von Leuten, die sich am Bahnhof Beußelstraße Fahr⸗ 
'arten kauften, und bei dem Angeklagten, der gesehen hat, 
vie der eigene Buchhalter Kupfers ean hat. Dieser 
Prozetz hat auch hineingeleuchtet in die Werkstätte der 
igents provocateurs. — Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Heine⸗ 
nann unterbricht hier sein Plädoyer, um es am Sonnabend 
fortzusetzen. — Vert. R.A. Heine bestreitet in einer kurzen 
Erklärung, dem Polizeileutnant Folte Feigheit vorgeworfen 
zu haben. Er habe im Gegenteil an eine Feigheit Foltes 
nicht glauben wollen, sondern nur an die Kopflosigkeit seiner 
Entschliehungen. — Erster Staatsanwalt Steinvbrecht: Ich 
habe den Vorwurf der Feigheit aus den Worten des Ver— 
teidigers herausgehört, und glaube deshalb. dagegen pro— 
testieren zu mussen. 
Hierauf tritt Vertaaung der Verhandlung bis zum Sonn— 
Rend oin 
— 
— — 
Der Moabiter Krawall⸗Prozeh. 
sh. Berlin, b. Jan. 
Nach Eröffnung der heutigen Sitzung fährt Rechtsanwalt 
ze ine in seinem Plädoyer fort: Trotz aller Schwierigkeiten. 
e der Beweisaufnahme erwachsen sind, haben wir sehr viel 
ewiesen. Wir bestreiten aber nicht, daß an einigen Orten 
ind zu einigen Zeiten in Moabit die Momente des 
dandfriedensbruches vorlagen. Es ist ein sonderbarer 
Zustand in Berlin, daß nächtelang der Säbel und der Browning 
ruf den Strahen dominierten. Wer trägt die Schuld 
»aran? Der Staatsanwalt hat angedeutet. es wäre eine 
olanmaãßhige Leitung nicht erwiesen, aber wahrscheinlich. Damit 
fonnto er nur die sozialdemokratische oder gewerkschaft kiche 
deitung meinen. Deutlicher hat sich die polizeioffiziös 
nspirierte Presse ausgesprochen. Ist es da ein Wunder, wenn 
vir uns gegen eine solche Bezichtigung, die auf das Strafmaß 
on Einfluß sein könnte, mit aller Macht wehren? Wer lange 
n Moabit gelebt hat, in den Arbeitervierteln, der gewinnt 
en Eindruck: diese Bevölkerung ist himmelweit davon entfernt, 
zine Gesellschaft von Desparados zu sein. Die Moabiter 
Lrbeiter stehen viel besser da, wenigstens relativ, als große 
deile anderer Arbeiter. Es fsehlt ihnen nicht an Sinn für 
einen gewissen Komfort. Immerhin sind es Leute mit den 
Lebensbedingungen der Nichtbesizenden. Der Haß der Ar— 
beiterschaft gegen die Polizei, der in gewissem: 
Maße vorhanden ist, ist erwachsen aus dem Gefühl, daß die 
Arbeiterschaft die Polizei immer auf der Seite ihrer Gegner 
findet, namentlich auch in den wirtschaftlichen Kämpfen. Es 
ind Ausschreitungen der Streikenden vorgekommen. Hätte 
die Polizei mit Umsicht gehandelt, hätten diese eingedämmt 
verden können. Durch das rüchsichtslose Vorgehen einzelner 
Offiziere und Beamter ist auch die nicht am Streik beteiligte 
Bevölkerung aufgereizt worden. Und dann geschieht das Un— 
laubliche: die Polizei überläht für 114 Stunden die Straße 
wirklich dem Mob, und so kam es zu den bedauerlichen 
Ausschreitungen. Die weiteren Maßnahmen gingen dahin, die 
Massen anzusammeln, statt sie zu zerstreuen. Es zeigte sich 
in aibsoluter Mangel an sachgemäher Leitung. Die Polizei 
at durch ihre Operation verursacht, daß ganz Unbeteiligte 
ich in den Streik einmischten. Es war insbesondere die 
inerhörte Grausamkeit, an der sich auch ein Offizier beteiligt 
hatte, daß man nach einem Manne, der unter einen Wagen 
zekrochen war, gestochen hat, die uns immer wieder als Ur— 
ache der ungeheuren Aufregung und Erbitterung 
nufgefallen ist. Wenn sich die Leute sagten, wir wollen die 
Bolizei, die mit unseren Arbeitskollegen so umgeht, nicht in 
inserem Hause haben, so ist das kein Terrorismus, sondern 
infach Notwehr. Die Poltzei ist da, um Eigentum und Sicher- 
eit zu schützen. Sie hätte den Kupferschen Kohlenplatz 
neinetwegen in Verteidigungszustand setzen und dort ein be— 
chauliches Dasein führen lönnen. Es ist aber geradezu undbe 
reiflich. wie sie ungehindert Laternen auslöschen lietz uns 
Ordonnanzritte 187071. — 
(GFortsetzung.) 
Dinter uns, am anderen Ufer, donnerten auch heute wieder 
Hie Geschütze und zeugten von der Zähigkeit des französischen 
Widerstandes bei Beaugency. Bei uns war alles mißgestimmt 
arüber, daß wir durch den Strom von unsern schwer kämpfen⸗ 
den Landsleuten getrennt nun schon drei Tage lang nur die 
Faust in der Tasche machen durften. Wohl war uns die 
zrote Hilfe klar, die wir ihnen indirekt durch unsern unbeirrt 
ortoesetzten Vormarsch leisteten; jin der Tat kam es uns— auch 
jeute zu Ohren, daß dadurch die französische Regierung sich 
ezwungen glaubte, ihren bisherigen Sitz Tours aufzugeben 
ind sich nach Bordeaux in Sicherheit zu bringen. Nun aber 
lam es vor allem darauf an, endlich einen Uebergang über 
den breiten Strom zu gewinnen, auf dem ein mächtiger Eis— 
nang den Verkehr mit Kähnen oder Pontons sehr erschwerte, 
wenn nicht unmöglich machte. Bald hörten wir auch wieder 
ßewehrfeuer in der Front, wo die Bessen sich mit Franktireur— 
banden herumschossen. Auch in unserer rechten Flanke wurde 
Artilleriefeuer hörbar. Ein rechtes Seitendetachement unserer 
Tivision, welches auf der Chaussee am Strom marschierte, 
abeschekß mit ihrer Artillerie Gatterie Heydweiller) feindliche, 
ruf dem anderen Ufer marschierende Truppen. 
Dao nach dem gestrigen Abzuge der 6000 Mann starken 
Truppe des Generals Morandi von Chambord, und da die 
aanze Gegend nos von Franktireurbanden steckte ein- 333 
lästigung oder ein Angriff auf unsere linke Flanke sehr leicht 
nöglich war, wurde Aufklärungskavallerie, und da diese in 
den Weinbergen nicht recht vorwärts kam, Infanterie in das 
hzelände zur Linken entsendet mit dem Auftrage, womöglich 
zühsung mit der 6. Kavallerie-Division zu suchen, die wir 
n Anmarsch auf Blois vermuteten. Während nun die Hessen 
ach Zurückdrängung von Franktireurs und Mobilgarden sich den 
zingang nach Vienne, Blois gegenüber, erzwungen hatten, 
atten wir. die 18. Division, zu ihrer Rückendecung auf den 
Beinbergshöhen eine gegen die im Gelände der Sologne 
ermuteten feindlichen Truppen sichernde Aufstellung hinter dem 
sossonbach, der von Nordost nach Südwest fließzt und bei 
z3lois in die Loire mündet, genommen. Es war bitter lalt. 
nd bald loderten die ganze Kolonne der Division entlang 
nzählige helle, mit den eichenen Stützen der Rebstöcde ge— 
ährte Feuer, was einen lustigen Anblick gewährte. Gegen 
lbend kam von vorn die Nachricht, daß die Hessen nach 
zienne hineingekommen seien. Schwache feindliche Abteilungen 
ogen nach Süden ab in der Richtung auf Amboise, gefolgt 
en hessischen Reitern. Leider war in der Frühe des Tages 
uch hier die steinerne Loirebrücke gesprengt worden, anschei⸗ 
iend gegen den Willen der Stadibehörden. Eine etwa 60 
zuß breite Lücke klaffie zwischen zwei Bogen. Eine Tafel war 
u der Brücke eingemauert, auf der war zu lesen. daß diese 
Zrücke einmal in den Vendeerkriegen höchstt überflüssigerweise 
n die Luft gesprengt worden sei. Jetzt war ein großes 
Rlakat angeklebt, auf dem die jetzigen Behörden von Blois 
inergiauement vegen die militärcherseilse angeorbnete ZKRer— 
— — — — — — 
⁊iörung der Brücke protestierien. Leider hatte ihnen das nichts 
zenützt, das große Loch klaffte in der Brüde und wir mußten 
ins mit dem schönen Anblick der terrassenförmig auf dem 
inderen Ufer ansteigenden Stadt begnügen. Man sah drühen 
wuf dem Kai die Rothosen gehen, auch der Hof der hochgele⸗ 
jenen Kaserne war von ihnen angefüllt und es dauerte nicht 
ange. da begannen sie, die Stratzen und das Ufer von Vienne 
u beschießen. Tas Feuer wurde von den Hessen erwidert: 
endüich ließ General v. Manstein zwei Batterien am Ufer auf⸗ 
tellen und die Kaserne, sowie die Stadt beschießen. Durch Ein⸗ 
vohner von Vienne wurde drüben wissen gelassen, daß die 
Ztadt bombardiert und in Brand geschossen werden würde, 
venn die französische Infanterie das Schießen nicht einstelle. 
Das half und es bildete sich dann eine Art Waffenstillstand 
wischen hüben und drüben aus. Die Hessen blieben in Vienne 
ind den nächsten Ortschaften, während die 18. Division in dem 
Zelaͤnde jenseits des Cossonbaches quartierte. Der Stab nahm 
n dem schönen, hochvornehm eingerichteten Schlosse Croteau 
Quartier. Die Herrschaft, ein alter Marquis mit seiner be— 
tagten Gattin, empfing uns würdig. Einrichtung, Bedienung, 
Tagesordnung, alles im Schlosse trug einen altertümlichen. 
feudalen Charakter; der alte Legitimist sumpathisierte keines— 
pegs mit der neuen republikanischen Regierung, wiewohl er 
aiis Franzose das Unglück seines Vaterlandes beklagte. Er er— 
ählte, daß sein Sohn in Paris als Adjiutant beim General 
Trochu eingeschlossen sei und dah sie lange ohne Nachricht 
von dort seien 
Forfsobing falaf
	        
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