Abg. Brütt (jk.): Wir wollen die paritätischen Arbeitsnach⸗
veise nicht, die die Sozialdemokraten nur als Agitationsmittel
Arachten. Die Rechtsauskunftsstellen sollten mit Juristen be—
etzt werden.
Abg. v. Arnim (tons.): Aus dem Fonds zur Arbeitsvermitt⸗
ung und Rechtsberatung für die minder bemittelten Bevölkerungs-
eise follien anch die Kechtsauskunfisstellen des Reichs-
erbandes unterstützt werden.
Handelsminister Sudow: Ich bin mit dem Abg. Brütt darin
inverftanden, daß die Rechtsauskunftsstellen von Juristen beraten
eraten werden. Nach einem, Ministerialerlaß von 1910 sind die
degiernngen angewiesen, Regierungsreferendare den Rechtsaus-
inftsstellen zu überweifen. Es sollen aber nur solche Vereine
ntersißt werden, die außerhalb des politischen Kampfes Jteben,
veil'es“ nur dadürch möglich wird, das Vertrauen der Arbeit-
ehmer und Arbeitgeber zu gewinnen. —
Ilbg. Leinert (Soz.): Die Arbeitsnachweise müssen unparteiisch
lehandhabt werden.“ Die vom, Stgat unterftützten Inpstitute sind
dampfinftitute gegen die spzialen Einrichtungen der Arbeiter.
LAbn. Rofenonw (Vpt.): Rechtsauskunftsstellen sollten durchaus
ijnen unpolitischen Chrakter haben.
Abg. Imbusch (Zir.): Die Arbeitsnachweise follen kein Kampf⸗
ritiel fein, sie sollen nur dem Zweck dienen, Arbeit zu vermittela.
Nach kurzen Erklaͤrungen der Abgg. Rosenow Gpt.),
zrüttEurk.) und Leinert Soz.) hittet
Abg. Karow (kons.) den Minister, die Entwicklung des kleien⸗
sewerblichen Genzofsenschaftswessens in Westpreußen
u fördern, Der Hansabund wird nicht in der Lage sein, dem
dleingewerbe zu helfen.
Der Handels-Etat ist damit erledigt. Hierauf vertagt
ich das Haus.
Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr GBauetath.
Schluß 32Uhr.
Berühmte Juwelendiebltähle.
Die Diebe, die in diesen Tagen an Bord eines deutschen
)zegndampfers die Juwelen einer amerikanischen Reisenden
tahlen, hahen verhaͤltnismäßig leichte Arbeit gehabt, da die
Amerikanerin, ihren werlvollen Schmuck offen in ihrer Kabine
jsegen ließ und nicht einmal die Tür abschloß. Es ist verhältnis⸗
— A—
elicht gemacht wird, ja in den meisten Fällen müssen die Einbrecher
nit Schwierigkeiten rechnen, die zu überwinden oft jahrelange
orgsame Vorbereitungen exfordert. Die großen Juweliere, die
aihren Geschäftsräumen oft für viele Millionen Mark Edelsteine
erwahren, pflegen ihre besonderen Vorsichtsmaßregeln gegen die
zinbrecher und Diebe mit größter Umsicht zu treffen. Der Laie
at gewühnlich keine Vorstellung von den Schätzen, die ein Ju⸗
—
uweliere, daß Diamant-Tigren sich gegenwärtig bei der elegan⸗
en Frauenwelt einer besonderen Vorliebe erfreuen. wodurch er
ezwungen sei, durchschnittlich 150 solcher kostbaren Schmuckstücke
ur Auswahl ständig im Laden zu halten. Wenn man bedenkt,
aß solche Diademe meist schon an sich ein Vermögen repräsen—
jeren und in den billigsten Fällen 10000 Mt, gewöhnlich aber
90 000 und mehr kosten, so wird man begreifen, welche magne⸗
sche Anziehungskraft die aroßen Juwelenläden immer auf die
inbrecher ausgeübt haben. Oft gehen dann den Einbrüchen
nonatelange stille Beobachtungen und Bestechungen voraus, ehe
er verwegene Gauner seinen Coup auszuführen wagt.
Eins der kühnsten Stücke dieser Art versetzte in den siebziger
zahren ganz London in Aufregung: der große, Safe in dem
zuwelierladen von Williams and Sons wurde geöffnet, und die
inbrecher verschwanden mit einer Beute, deren Wert weit über
ine halbe Million hinausging. Die Tat wurde zwischen Sonn⸗
bend und Montag ausgeführt, und die Untersuchungen ergaben
oäter, daß es den Einbrechern gelungen war, sich auf rätselhafte
irt Gipsabdrücke von den Staölschrankschlüfsseln zu verschaffen,
it denen sie dann verhältnismäßig mühelos ihren Zweck er⸗
ichten. Ein anderer berühmter Einbruch, von dem eine englische
zochenschrift erzählt, exeignete sich in dem Hatton Garden⸗
ostamt im Jahre 1881. Es handelte sich dabei um einen beson⸗
ers raffiniert durchgeführten Vostdiebstahl. An einem November⸗
vend — es war schon dunkel —, waren die Beamten am Werk,
n Expeditionssaal die Einschreibsendungen zu kontrollieren und
a versiegelte Säcke zu packen. Plötzlich erlosch das Licht, und in
er nun herrschenden Verwirrung drangen die Diebe unbemerkt
in, gingen direkt auf die zum Versand bereithängenden Säcke zu,
ackten die Beute und verschwanden. Vor der Tür hielt ein leich—
s Gefährt, das die Beute aufnahm und eiligst davon fuhr. Die
intersuchungen ergaben, daß an jenem Tage außer den Geld—
endungen ein ganzer Vorrat geschliffener und ungeschliffener
diamanten eingeschrieben aufgegeben worden war; allein die
ntwendeten Edelsteine repräsentierten einen Wert von mehr als
00 000 M. Kein Mensch hatte das Gefährt vor dem Postamt ge⸗
ehen. Die internationale Polizei wurde alarmiert; es kam auch
u verschiedenen Verhaftungen, aber die wirklichen Täter sind nie
ntdeckt worden. Ein anderer aufregender Fall, bei dem es zu
Zewalttaten kam, ereignete sich im Jahre 1883. Diesmal war der
dieb in das Privatkontor des Juweliers Alexander in London
ingedrungen, packte einen Sack mit Diamanten, und als der Be⸗
itzer sich ihm entgegenstellen wollte, schoß der Verbrecher dem
uwelier eine Kugel in die rechte Hand. Dann sprang bder Dieb
us dem Laden in eine bereitstehende Droschke und verschwand,
he man an seine Verfolgung denken konnte. Nicht viel besser ging
s einem anderen Londoner Diamantenhändler, der ein Jahr
päter von zwei fremden Besuchern seines Geschaͤfts plötzlich an⸗
efallen und überwältiat wurde: die Gauner verschwanden mit
eicher Beute.
Aber die Juwelendiebe verlassen sich nicht immer auf die
draft ihrer Fäuste; in der englischen Hauptstadt erregte es nicht
denig Aufsehen, als vor etwa 18 Jahren ein bekannter holländi⸗
cher Juwelier im Hatton Garden-Distrikt, wo sich die meisten
eser Juwelenräubereien abspielen, von zwei Männern plötzlich
purch Chloroform betäubt wurde. Die Diebe verschwanden mii
eicher Beute, und erst später konnte man feststellen, daß die
zeiden Komplizen sich schon Monate vorher in der Nachbarfchaft
es Juweliers ein Geschäftslokal gemietet hatten, um zwanglos
nit ihrem „Kollegen“ Fühlung zu nehmen und ibn dann im ge—
daneten Augenblick au überwältigen.
Kentern eines Dampfers bei Gelegenheit
les Abslipens als Verschulden der Gerft.
Der Nordische Bergungs-Verein in Hamburg hatte den ihr
echörigen Dampfer „Möve“ bei H. C. Stulcken K Sohn in Stein⸗
värder reparieren lassen; der Dampfer war bei Norderney ge⸗—
randet und hatte hierbei Beschädigungen erlitten. Die Werft
atte die Reparatur zum Taxwerte von 31360 M übernommen.
Die „Möve“ wurde zuerst ins Dock genommen und kam dann
nifs Slip; bevor die Reparatur beendet war, wurde die „Möve“
ibgeslipt, weil die Werft das Slip anderweitig benutzen wollte.
Zei diesem Abslipen ist die „Möve“ gekentert und vol gelaufen,
adurch sind erhebliche Schäden entstanden. Die Werft hat diese
znäden beseitigt und fordert in einer Klage Ersatz ihrer Arbeiten
n Höhe von 11338 M. Der Nordische Bergungs-Verein weigert
zahlung, weil Klägerin das Kentern verschüldet habe. Vom
O. L. G. J wurde durch Urteil vom 5. Oktober 190 die Klage
Wgewiesen.
— Gruünde: Das Gericht lJäßt die Frage der Beweislast
ahingestellt, da es nach dem Gesamtergebnis der Beweisauf⸗
iahme zu dem Ergebnis gelangt, daß das Keutern der „Möve“
uf Fahrlässigleit der Klägerin beruht. Das Gericht erachtet zu⸗
nächst als tfatfächlich erwiesen auf Grund der sorgfältigen Gut⸗
hten von Jones und Ullrich, daß die „Möve“ infolge zu geringer
Ztabilität gelentert ist und verweist auf die Ausführungen der
gutachten, die es sich zu eigen macht. Es mag in der Regel nicht
rforderlich sein, daß eine Werft vor dem Abflipen eines Schiffes
engue Berechnungen der Stabilität ausführt, dieselben sind zeit⸗
aubend und schwierig. Vorliegend lommen aber eine ganze
deihe von Momenten hinzu, die die Klägerin hätte veranlassen
nüsfen, vorsichtiger zu fein. Nach den mündlich erstatteten Gut⸗
ichten der Sachverständigen ist es eine allgemein bekannte Tat⸗
ache, daß bei kleinen Schiffen, und die „Möve“ hat etwa die
röße eines Schleppers, schon geringe Gewichtsverschiebungen
sie Stabilität erheblich beinflussen. Die Wersft hatte den Hinter⸗
even, das Ruder, Sternrohr, Schraubenwelle, Druckwelle,
Wadrant, Schraube und Zementballast entfernt; das ist un—
treitig. lle diese Teile sind schwer und liegen tief; daß dadurch
ie Stabilität der „Möve“ ungünstig beeinflußt wurde, mußte der
Aägerin auch ohne statische Berechnungen bekannt sein und das
zehlen dieser Gewichte häite sie zur Vorsicht veranlassen müssen.
ünter diesen Umständen wäre es, Sache der Klägerin gewesen,
afür zu sorgen, daß die Deckslast tunlichst verringert und der
dessel gefüllt wurde, bevor die „Möve“ abgeslipt wurde. Nichts
väre einsacher gewesen, als die 16517 Leute, die sich auf Deck
efanden, fortzuweisen und die Sechverständigen gutachten, daß
er leitende Betriebsbingenieur die Leute sicher heruntergejagt
ãtte, wenn er sie gesehen; aber er hat sich um das Abslipen nicht
ekiimmert. Ebenso wäre nichts leichter gewesen, als den Kessel
u füllen; die Anlage dafür ist auf der Werft vorhanden; auch
tten fich mit Leichtigkeit die auf Deck liegenden vier bis fünf
kons Kohlen und eventnell weiterer Ballast nach unten schaffen
assfen und endlich hätte das Wetter gebührend in Rücksicht ge⸗—
ogen werden müssen. Man döätte berücksichtigen müssen, daß
diger WSW Wind, Stärke 3, herrschte und daß dieser recht⸗
binklig zur Slipbahn fland. Auch hätte man vorfichtiger Weise
um Abflipen Stauwaffer abwarten sollen. Nichts von alledem
fst geschehen. Klagerin hat sich weder darum bekümmert, daß der
dind fenkrecht zur Sliphahn ftand, noch daß Flut herrschte, daß
er Kefsel leer war, daß fie erhebliche Gewichte am untern Schiffs⸗
orper forlgenommen hatie, daß 16—217 Leute sich auf Deck be⸗
anden, daß vier bis fünf Tons Kohlen auf Deck lagen, daß der
zallaft ans dem Schiff genommen war. Der Betriebs⸗-Ingenieur
er Klägerin hat die Order gegeben: die Möve“r sollte abgeslipt
berden, der Slipmeister hat abgeslipt. Riemand auf der kläge—
ischen Werft hat es für nötig erachtet, irgend welche Vorsicht
vallen zu lassen; darin liegt ein Außerachtlassen der im Verkehr
sebotenen Sorgfalt; die Klägerin handelte sahrlässig und auf
efer Fahrlaffigkeit beruht der Schaden. Eine Mitschuld der Be⸗
lagten ift nicht dargelan. Die Besatzung der „Möve“ und die
zeklagte wuhten, daß der Kessel leer war; daß Beklagte davon
denninis halte, daßz die Klägerin die „Möve!“ provisorisch im In⸗
creffe des klagerischen Werftbetriebes — sie hatte die erste
deparalur zum Taxwert übernommen und der Beklagten konnte
z nleichgulug sein, ob die. Möve“ auf dem Slip stand oder zu
daffer iag — zu Wisser lassen, wollte, ist garnicht behauptet. Die
Jesahimg der, Möve“, insbesondere der Maschinist wußte es,
leichauuig ist, vie lauge vorher. Die Besatzung der „Möve“
atie aber keine Veransaffung. die Klägerin auf das Gefährliche
es Abslipens unter den konkreten Umständen aufmerksam zu
achen. Das Abslipen war Sache der Werft und wenn die Werft⸗
eikung in ihrer Handlunosweise keine Gefahr sah, durfte sich die
zefatzung der „Möve“ dabei beruhigen. Es kann daher auch
ahingeflellt bleiben, ob eventnell ein konkurrierendes Verschulden
er Besabung der Möre“ die Beklaate überbaupt rechtlich ver⸗
lichten würde.
7 *
hochzeit am Hofe des Maharadscha
von Kapurthala.
Pikta Sahib, der Erbprinz des indobritischen Vasallenstaates
dapurthala, verheirgtete ani 5. Februar mit der in Paris er⸗
ogenen inbischen Prinzesfin Brinda von Jubbal. Der Vater des
zräutigams, der wegen feines fabelhaften Reichtums bekannte Ma⸗
aradscha von Kapurthala, hatte zu der Hochzeit an fünszig seiner
Farifer und Londoner Freunde eingeladen und alle diese Gaste auf
eine Kosten nach Indien dommen lassen. Einer dieser Hochzeitsgäste,
herr Rens des CTheises, schildert nun im Parijer Journal in
esseinder Weise das Hochzeitssest und die Feite. die sum voran—
ingen und folgten.
uUnter, den Franzosen, die der Einladung — geleistet hatten,
efanden sich: der Prinz Anton von Orléans-Braganza, Prinz und
zrinzessin von Broglie, Gräfin von —FRA lin beren Hause
ie — erzogen worden ist), Marquis und Marquise
son Pothuciu, General Baron von Sanch de Rolland u. a.; unter
en Engländern 97 man: Fe Bykes äls Vertreter der hritischen
degierung, General Pauwel, General Drummond, Lady Heastron,
adhy Saffoum usw.; unter den vornehmen Hindus ragten beson⸗
ers Pepoe der Baharadscha von Kaschmt einer der reichsten und
niächtigsten Fürsten ee der Maheradscha von Galawar, der
dadscha von Poonch, Aga Khan, ein Mene Nachkomme des Pro—
heten, usw. Obsleich der Maharadscha in Kapurthala sechs große
Jaläste besitzt, hafte er seine zahlreichen Gässe nicht dort unter—⸗
ringen wollen, sondern für sie eigens drei gewaltige Zeltlager
auen lassen: eins für die Europäer, das zweite für die Hindus
nd das dritte sür den Maharadscha ron Kaschmir, der mit einem
zefolge von mehr als hundert Personen eingetroffen war. Das
zuropäer⸗Lager bestand aus etwa hundert Zellen; jeder Gast hatte
n seinem Zeit einen Salon, ein Schlafzimmer, ein Ankleidezimmer
·nd ein —— alle Zimmer waren elektrisch beleuchtet. Im
zintergrunde des Lagers waren drei Riesenzelie als Speisesaal,
simpfaugssaal und Rauchzimmer eingerichtet; Aberall fiel eine reiz⸗
olle Mischung von modernstem Komfort unb orientalischem Luxus
nuf. Soll doch die Einrichiung des Europäer-Lagers allein mehr
ils eine Million gekostet haben!
Die Feste dauerten vom 2. bis zum 6. Februar. Von den
muslandischen Gasten kamen die meisten bei Nacht an; die Autos
es Maharadscha brachten sie vom Bahnhof zum Lager, während
zas Gepäck auf dem Rücken von Kamelen und Elefanten solgte;
ie Tiere waren mit Tigerfellen bekleidet und wurden von Kamel⸗
reibern und Kornaks, die eine farbenprächtige Livree trugen,
urch die Straßen geleitet. Die Gäste wurden im großen Saal
es Palastes vom Maharadscha und seiner Rani Gattin), einer
ildschönen Spanierin, aufs herzlichste begrüßt. Am Abend des
olgenden Tages fand in der Durbar Hall, einem durch seine
zrößenverhältnisse und durch den echt indischen Baustil auffallen⸗
en Saal, ein indisch-europäischer Ball statt. Der Saal ist fast
infzehn Meter hoch; ringsum läuft, etwa acht Meter vom Fuß⸗
oden entfernt, eine zierliche Galexie aus fein geschnitztem Sandel⸗
olz; auf der Galerie befinden sich vier wie Spitzen durchbrochene
ioske, von denen aus die indischen Ranis zusehen können, ohne
elbst gesehen zu werden. Der einzige europäische Schmuck des
Zaales ist ein von Chartran gemaltes Bildnis des Maharadscha.
In dem Tanz beteiligte sich mit den europäischen Damen auch die
hFattin des Fürsten, die eine ganz mit Gold bestickte dunkle Robe
ind zahllose Brillanten von geradezu unwahrscheinlicher Größe
rug. An die Märchen von „Tausend und eine Nacht“ exinnerten
uch die anderen Trachten, die man zu sehen bekam; da waren
dleider, die vollständig aus Gold und Silber gewebt und mit
zdelsteinen wie besät waren, Kaschmirstoffe, die wie ein Blend⸗
berk der Hölle aumuteten, Perlen von Nußaröße, Turbane mit
hantastischen Snaragden, Rubinen und Diamanten, von denen
er kleinste schon ein ganzes Vermögen darstellte.
Einen Tag nach dem Ball fand im großen Saal des alten
ßalastes die Vorfeier der Hochzeit statt. Vor dem Palast standen
m Halbkreis 30 wunderbar angeschirrte Elefanten; links und
echts vom Palast bildete die Infanterie von Kapurthala Spalier.
inter Kanonendonner erschienen in einem Viergespaunn mit
Ztaugenreitern, eskortiert von Lanzenreitern in blau⸗silberner
Iniform, der Maharadscha und der Erbprinz, beide in Gala⸗
Iniform: schwarz mit Goldstickerei. Mit demselben Zeremoniell
olgten die anderen Maharadschas und Radschas. Alle nahmen sie
Zlatz in dem weißen Marmorsaal unter einem grünsamtenen,
nit Gold bestickten und von vier massiv silbernen Säulen getrage⸗
ien Baldachin. Der Maharadscha von Kapurthala und die
Maharadschas von, Kaschmir und Galawar saßen auf goldenen,
nit Edelsteincn hesetzten Thronen; ihre Füße ruhten auf blau⸗
amtenen, in Silber gefaszten Tabourets. Während eine Baigdere
in Hochzeitslied sang, begann die Verlobungs-Zeremonie;: Man
egt dem Bräutigam eine Binde um die Augen, um anzudeuten,
aß er jetzt gehunden ist und mit geschlosseuen Augen die Frau
ehmen muß, die n Vater für ihn bestimmt hat. Die Binde
estand in diesem Fall aus zehn Reihen herrlichster Pexlen und
zus herzförmig geschnittenen Smaragden und Opalen. Es folgte
sann die Ueberreichung der von den Untertanen mid Freunden
es Maharadscha gebrachten Geschenke: Säckchen mit Rupien,
vunderhare Stoffe, Edelsteine Jagen in ganzen Hanfen da. Viele
veschenke mußten vor der Tür bleiben, unter ihnen die sechs
sosse und die Elefanten, die der Maharadscha von Kaschmir dar⸗
ebracht hatte. Mehrere Abordnungen verlasen Glückwunscy⸗
dressen, worauf der Maharadscha in einer schönen Rede eine
llaemeine Amnestie ankündigte. —
Damit seine europäischen Gäste die eigentliche Hochzeitsseier
nallen ihren Einzelheiten sehen könnten, fand die Feierlichkeit
nit Zustimmung der Priester nicht im Tempel, sondern unter
ceiem Himmel statt. Man hatte für diesen Zweck den Riesenhof
es spgenannten Schaszpalastes (Jalao Kana) hergerichtet. Der
Faharadscha und seine Hindu⸗-Gäste erschienen wieder in be—
ückend schönen Trachten. Der Vater des Bräutigams schien gan«
n Gold J zu sein; er trug einen rosenfarbenen
rurban. dessen Paradiesvogel-Aigrette von Smwmaragden
nd Diagmanten, gehalten wurde. Vervollständigt wurde
ie Tracht durch eine dreireihige Perlenhalstetie, deren
erlen von fsabelhafter Größe waren. Der Maharadscha
on Kaschmir trug über einer ganz mit Silber bestickten
obe einen Kaschmirmantel mit wunderbaren Arabesken. Der
Naharadscha von Galawar war bekleidet mit einer langen Dal⸗
iatika von saphirfarbenem Sammt, die über und über mit Gold
estickt war; sein Turban war schwefelgelb und mit Rubinen be⸗
etzt; am Hals aber trug er eine Smaragdenkette, die von all den
zchmucksachen, die man hier zu sehen bekam, die wunderbarste
»ar. Als die Mahgradschas Platz genommen hatten, gingen ach
nweiße Seide gekleidete Brahminen zum Tor der Frauenges
aächer, um die Braut au holen. Sie erschien, mit Verlen und
diamanten geschmückt, in Begleitung ihres Vaters und ihres
xäutigams und nahm, nachdem die PVriester die Ehe nach zwei
titen eingeseanet hatten, neben dem Maharadscha von Kapurthala
latz, um die Glückwünsche der Gäste entaegen zu nehmen. Die
ückkehr zum Palast mit der berühmten Elefanten-Prozession
st eine der großartigsten Zeremonien, die man sich denken kann.
inter den Klängen der kapurthalischen Nationalhymne formierte
ich der Zug zwischen den spalierbildenden Soldaten. Voran eine
chwadron Lanzenreiter; dann der Hohepriester, ein weißbärtiger
Zreis, mit dem heiligen Buch, in einer Art goldener Pagode, die
jon einem mit kostbaren Stoffen bekleideten und mit Gold und
ẽdelsteinen geschmückten Elefanten getragen wurde. Es folgte
nas junge Paar in vierspännigem Wagen; hinter ihm, aber ritt
inf gigantischen, prachtvoll aufgezäumten Elefanten die ganze
Schar der Maharadschas und Radschas. Es war unter der heißen
ndischen Sonne eine wahre Farbenorgie, ein berauschender Glanz
on funkelnden Edelsteinen und zauberisch schönen Stoffen.
Das Berner Geltsprache Amt.
Am 14. November 1910 hatte sich in Bern, nach einem vom
Zrofessor Dr. Ostwald aus Leipzig gehaltenen Vortrag, ein Aus—
chuß zur Vorbereitung der Einrichtung eines Weltsprache-Amtes
ebildet. Die Arbeiten sind in der kurzen Zeit so gefördert wor⸗
en, daß am Montag, wie schon kurz berichtet, in der schweizeri⸗
chen Bundeshauptstadt die Konstituierung eines Verbandes für
ie Schafsung eines Weltsprache-Amts vor sich gehen konnte. Der
Korstand des Verbandes, der zugleich als Lirbeitsausschuß funk—
ioniert, besteht aus dem früheren Bundesrat Oberst Frey als
Lraͤsidenten, Prof Dr. Ostwald, Nationalrat Gobat und Fabri—
ant Waltisbühl-Zürich, als Vizepräsidenten und Pfarrer Schnee⸗
erger⸗Lüßlingen, als Sekretär. KHunsöchst will der Vorstand den
chweizerischen Bundesrat ersuchen, die Regierungen der verschie⸗
enen Länder vertraulich anzufragen, ob sie zur Beschickung einer
nformatorischen Konferenz geneigt wären; diese Konferenz würde
or allem die Bedürfnisfrage und die Verwirklichumgs-Möglich-
eit einer Welthilfsprache zu untersuchen haben. Im Bejahungs⸗
alle wäre eine internationale Arbeitskommission einzusetzen, die
en erforderlichen Staatsvertrags-Entwurf und die wissenschaft⸗
ichen, sprachtechnischen Studien und Entscheidungen (besonders
uch, welche Hilfsweltsprache als solche zu wählen wäre) vorzu—
ereiten hätte; auf Grund dieser Entscheidungen würde dann eine
inzuberufende diplomatische Konferenz über die Schaffung des
Weltsprache Amts endaültig zu entscheiden haben.
Nach der Konstituierung des Verbandes sprach Prof. Ost⸗
vald über das Thema „Verkehr und Sprache“. Er verglich —
Zzie wir einem Bericht des Berner Bund entnehmen — das gegen—
värtige Verhältnis der verschiedenen Sprachen zu einander mit
er Anlage von Eisenbahnen mit eigener Spurweite für jedes
and. Man halte sich nur die ungeheure Mehrarbeit an Wagen—
uswechselungen und Umladungen vor Augen! Der jetzige Zu⸗
tand, bei dem jedes Volk, das mit anderssprachigen Völkern ver⸗
ehrt, die Sprachen aller dieser Völker erlernen muß, erinnert auch
in ein Telephonnetz. das jeden Abonnenten mittels einer beson⸗
eren Leitung mit allen andern Abonnenten verbinden würde. Die
Lechnik hat in diesem Falle die Telephonzentrale erfunden, die
ille diese direkten Verbindungen durch eine einzige ersezt. Von
anz aleichen Voraussetzungen ausgehend und dem gleichen
Zedürfnis entsprechend, ist die Forderung nach einer Welt⸗
zilfsprache. Abgesehen davon, daß die Weltsprache gar
licht daran denkt, die nationalen Sprachen zu verdrängen, wuß
jesagt werden, daß wir die letzteren mit zuviel Mystik umgeben.
Lie nennen sie z. B. lebende Sprachen, obwohl sie in mancher
Zinsicht einer Muschelbank gleichen, deren Tiere schon längst tot
ind; wir brauchen beispielsweise noch immer den Ausdruck
Sonnenaufgang“, obwohl wir schon lange wissen, daß die
Zonne stillsteht und weder auf⸗ Id untergeht. Die Poeten, die
ich hauptsächlich gegen eine Welthilfssprache wenden, gleichen
deuten, die an einem schönen Tag durch Wald und Blumen—
viesen schlendern. Gewiß ist das herrlich und schön, und kein
Nensch möchte es missen. Hat man es aber eilig, so preist man
ie gute fahrbare Straße oder benutzt noch lieber die Eisenbahn.
R öB exakten Wissenschaften sind in ihren Grund⸗
itzen, Arbeitsmethoden und Resultaten in der ganzen Welt die
leichen. Statt daß wir uns nun diese Wissenschaften gegenseitig
irekt mitteilen können, müssen wir uns so oft mit schlechten
lebersetzungen begnügen. In den deece Mittelschulen z. B.
nuß 50 pPůt. der ünterrichtszeit auf das Sprachstudium ver⸗
vendet werden, und dabei handelt es fich bei der großen Mehr⸗
jeit keineswens darum, in den Geist der Sprachen oder der Völe
er einzudringen, sondern die Sprachen nur — oberflãchlich
ind notdürftig kennen zu lernen. Da muß der Gedanke an eine
Veltsprache mit unwiderstehlich werbender Krait sich ia förmlich
ufdrängen.
Man ist aber überzeugt, daß keine der lebenden Sprachen
nese Welthilfssprache werden Kann. Erstens steht diesem seil
angen Zeiten ersehnten Ideal schon der in solchen Dingen sehr
roße Neid der Völker im Wege. Dann aber bietet auch keine
her gesprochenen Sprachen die Einfachheit und scharfe Umgren⸗
ung der e die von einer Weltsprache verlangt werden
p, Die Welthilfssprache muß eine künstliche Sprache sein, dio
ich auf die rein logische, begriffliche Seite der Sprachentwicklung
tellen soll, wie fich diese in letzter Zeit z. B. bei der Imuen
tellung der W eeeteichen und technischen Wörterbücher als
rotwendig erwiesen hat. Das Volapük war noch eine zu will⸗
ürliche und zu komplizierte Lösung. Die Bewegung, die es
anugefacht, scheiterte aber weniger daran als an dem bart⸗
äckigen 58 des Erfinders der oroch gegen
egliche Verbesferung seiner Erfindung. Dr. amenhofs
xẽsperento nimmt schon den Wortschatz aus den geläufigsten
ztammwörtern der europäischen Sprachen und baut sich auf aul
en Grundsätzen der Einmaligkeit, und Eindeutigkeit der Worte
ind grammatikalischen Formen. Ido nun, das gegenwärtig mit
em Esperanto noch in hartem Welibewerb sich befindet, will diese
„rundsätze nur noch konsequenter durchführen und besonders dem
zrinzip der exgauifierten Weiterentwidlung die notwendige An—
rkennung verschaffen. Ido und Esperanto sind, aber einander so
nerwandt, daß die Sprechenden auf den Kongressen sich ganz aut
egenseitig verstehen konnten, und eine endaültige Einigung fteht
n Sicht. Jetzt ist es Zeit, mit der unfruchtbaren Polemik zwischen
jen beiden aufzuhören nind eine gemeinsame, neutralc Basis fir
ine offiziell anuerkannte, praktische Einfilhrung einer Weltsprache
n suchen, denr der Gedaͤnke ist zu großartig, als daß nicht alle
rräfte gesammelt werden sollten zu seiner Verwirklichung. Die
sebiete des Internationalismus mehren sich von Tag zu Tag?
wissenschaft, Handel und Judustriec, internationale Verträge,
Latente usw., warten mit größter Spannung auf den Augenbiick,
ao ihnen ein Mittel zu direkter internationgler Verständigung
egeben wird. Und dieser Augenblick wird für die Menschheits-
eichichte nicht minder bedeutungsvoll sein, als etwa die Erobe—
rung der Luit oder irgend eine andere der arößten Entdeckungas—
aten.