Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

Deutscher Reichstag. 
138. Sitzung.) 
Berlin, den 1. März. 
Lim Bundesratstisch: v. Heeringen, v. Linde-Suden, 
Wachßs. 
Die Spezialdiskussion des 
Militãretats 
vird, im Ordinarxium der Ausgaben fortgesetzt beim Kapitel 
Bekleidung und Ausrüstung der Truppen“. Hierzu liegen zwei 
stesolutionen des Zentrums vor. 
Abg. Irl beantragt; „den Herren Reichskanzler zu ersuchen, 
darauf hinzuwirken, daß bei Anfertigung von Bedarfsartikeln, 
tamentlich bei Anfertigung von Bekleidungsstücken für 
die Heeresverwaltung die selständigen Handwerks— 
neifster, die Handwerkergenossenschaften und Innungen be—⸗ 
onders bexrücksichtigt werden.“ J 
Abg. Wiedeberg beantragt: „den Herrn Reichskanzler zu er⸗ 
uchen, darauf hinzuwirken, daß die Heeresverwaltung, bei Ver⸗ 
jebung der Liefexungen oder Herstellung von Bedarfsartikeln, 
jamentlich von Bekleidungsstücken, soweit Heimarbeiter dabei 
zeschäftigt werden, tunlichst die Vereinigungen von 
deimarbeitern bezw. solche, gemeinnützigen Komitees, die 
iie Vermittlung von Arbeiten an Heimarbeiler sich zur Auf⸗ 
jabe stellen, bevorzugt.“ 
Abq. Pauly⸗Cochem (Zentr.) lenkt die Aufmerksamkeit der 
Militärverwaltung auf die Abnahme des Eichenschäl— 
valdes und auf die Notwendigkeit, ihn im nationalen Inter⸗ 
sse zu erhalten. Die Militärverwaltung habe daran das größte 
Interesse, weil von einer guten Lohe die Güte des für die Fuß⸗ 
ekleidung der Truppen zu verwendenden Leders abhänge. 
Abg. Albrecht (Soz.): An einer Denlkschrift im Etat über die 
Bekleidungsämter wird gesagt, daß man bei einigen Bekleidungs⸗ 
imtern einen Offizier weniger halten, also sparen wolle. Es 
vird über die viele Reglementiererei und Kommandierexei in den 
Bekleidungsämtern geklagt. Wenn wirklich, wie die Denkschrift 
agt, die Offiziere fachlich vorgebildet wären, dann könnte es 
nicht vorkommen, daß ein Hauptmann zu befehlen hat, das Ab⸗ 
all⸗Leder zu verkaufen. Es mußte dafür dann Leder gekauft 
verden und es entstand dadurch ein Schaden von 37 4 pro 100 
dilogramm. Solche Fälle sind mehrfach vorgekommen. Es 
müssen mehr Fachleute in den Betleidungsämtern 
geftellt werden; nach der Denkschrift will man aber auch an den 
Stellen der Handwerksmeister sparen. Zu einem Bekleidungs 
imt, in dem ungefähr 200 Schneider und Schneiderinnen, 80 dis 
0 Schuhmacher, 12 bis 15 Tagelöhner, 100 Heimarbeiter, ins⸗ 
esamt also etwa 350 Arbeitskräfte beschäftigt find, gehören drei 
Ztabsoffiziere, 5 Hauptleute, 1 Intendant, 8 Inspektoren, 1 Un⸗ 
erinspektor und 17 Unterbeamte sowie 17 Handwerksmeister, es 
entfallen also guf 3850 Arbeiter ca. 50 beamtete Personen (Görti 
jört! links.) Der Stabsoffizier hat eine tägliche Arbeitszeit von 
Stunden, die Hauptleute von 6 Stunden, die Inspektoren, der 
Intendant und der Unterinspektor von 7 Stunden, die Hande 
werksmeister und Arbeiter aber von 8. Stunden. Ver Apparat 
airbeitet so ungeheuer teuer, weil zu viel Aufsichispersonas da ist. 
Es könnte gespart werden, wenn man die Arbeitszeit der höheren 
Beamten erhöhen würde. Ist es überhaupt notwendig, daß an 
der Spitze eines Bekleidungsamts ein Stabsoffigzier im 
Range eines Regimentskommandeurs mit 7800 A und 2 Stabs 
Vfiziere mit 6600 A Gehalt, und Nebenbezügen siehen? 
Ein Major a. D. würde als Leiter eines Bekleidungsamts voü⸗ 
kommen genügen. Die Denkschrift fagt, es könnie billiger ge⸗ 
arbeitet werden, wenn die Verwaltung, nicht aepunaen wãäre, 
instelle der Oekonomie-⸗Handwerker Zivilhandwerker zu beschäfti 
jen. Das jetzige System der erweilerten Bekleidungsämter mit 
Zivilhandwerkern ist aber das beste, das exiftiert. In Straßbürg 
st durch Erlaß des Kriegsministers ein Frin der Arbeiter des 
Bekleidungsamts entlassen worden, weil angeblich die Budgei— 
vommifsion verlangt habe, daß die Tuchhosen in Strafanstalten 
semacht würden. Eiti ziger Beschluß ist nicht gefaßt worden, 
uux ein Zentrumsmitglied hat den Wunsch geäußert. Die Hand— 
verkervereinigungen haben beschlossen, die entlassenen Arbeiter 
nicht einzustellen, die letztexen bitlen in einer Pefitivn um Furück- 
zahme der Kündigung. Es ist nicht wahr, daß dem Schneider⸗ 
handwerk die besten Kräfte genommen werden; außerbalb der 
Saison gibt es Arbeitskräfte genug. Diese Bemerkung ist also 
nur eine Ausrede. In der Denkschrift selbst wird ja ferner dar— 
gelegt, daß hei Ansertigung sämtlicher Bekleidungsstücke durch 
Zivilhandwerker, — von dem Schuhzeng, die Kosten auf 
650 000 A sich belgufen würden, bei Anfertigung durch Be⸗ 
leidungsämter mit Oekonomiehandwerkern auf 47 Reillionen, bei 
Anfertigung durch Festungsgefängnisse und Strafanstalten auf 
3,1 Willionen, durch Kleingewerbe und Heimarbeit aber auf 
78 Millionen Mark. Also ist die Herstellung durch das Klein— 
lewerbe und die Heimarbeit teurer als die durch Zivilhandwerker. 
Daß die Arbeit in den Bekleidungsämtern 7 und exakt ge⸗ 
iefert wird, davon haben sich eine Anzahl Reichstagsmitglieder. 
)enen ich mich angeschlossen hatte, durch einen Befuch des Be— 
leidungsgmtes des Gardekorps felbit Derrnge Das Klein⸗ 
kann das nicht leisten, weil es die dazu nötigen guten 
räfte nicht bekommt, weil es zu schlecht Es kann auch 
ein Menschenfreund gewesen sein, der den Rat erteilt hat, mehr 
Arbeit in den Strafanstalten leisten zu lassen. 3 über 20 Straf⸗ 
anstalten und Festungsgefängnissen wird schon jetzt für 
die Militärverwaltung gearbeitet. Beschäftigt sollen 
die Insassen der Strafanstalten auch nach unferer 
Meinung werden, aber nicht in dieser Weise. 
Die beiden Zentrumstesolutionen find gänglich überflüssig, wenn Sie 
insere Resolution hinsichtlich der Arbeüsbedingungen und der Tarif- 
berträge annehmen, die wir schon beim Marineetät durchgesetzt, und 
die wir zu den militärischen Instituten eingebracht haben. Die 
deeresperwaltung zahlt auch keine guten Löhne in ver Heimarbeit; 
on diesen Löhnen kann sich kein Arbeiter ernähren. Veim Marine— 
xkleidungsamt und den militärischen Bekleidimgsaämern machen die 
andwerker und Arbeiter in ihren Freistunden auch 329 den freien 
Irbeitern und Handwerkern Konkurrenz; das müßle abgeftelit werden. 
leber die Petilionen der Arbeiter der Bekleidungsämter in Breslau 
mud Leipzig um Verhütung von Arbeiterentlaffuüngen ist die Kom— 
nission in aͤhrer Arbeiterfreimdlichleit zur Tagessorbnimg übergegan— 
en; wir beantragen Ueberweisung zur Berücksichtiging. Noch ein 
Port über die ,er und die Arbeiterdus— 
chüsse in den Bekleibungsamtern. Die Zivpilarbeiter 
verden wie Rekruten oder Soldaten in den Arbeitsordnungen be— 
andelt. In der Arbeitsordnung von Ludwigsburg wird gesagt, es 
elen Arbe iter ausgeschlossen, die Sozialdemokralen seien. Was sollen 
olche Kindereien? Die Verwaltung hat nicht danach zu fragen, ob 
die Arbeiter soßialdemokratischen oder sonstigen staatsseindlichen Be— 
trebungen“ pitigen Sind unter den letzteren etwa die Gewerkschaf⸗ 
en gemeint? (Zuruf vechts: Sozialdemokratische Gewerkschaften!) 
uch was, damit Jocken Sie leinen Hund hinter dem Oefn hervor. In 
inem anderen Paragraphen heißt es, die Arbeller seien verpflichtet, 
ich von e— Besttebungen und Vereinen fernzuhalten. 
Was ist denn or numngsfeindlich? Wir haben doch erst Oroͤnung in die 
anze Geschichte hineingebracht. (Heiterkein) di Soglaldemokra⸗ 
len gäbe es e Worte Bismarcks überhaupt keine Sozial- 
reform. Ferner izt es eine Aenderung in der Geschaäftsführung set 
nuch zulässig, wenn die Arbeiter dadurch eine Einbuße erleiden. Das 
widerspricht der Gewerbeordnung. die Arbener müssen Garn, 
Vachs usw. vom Belkeidungsamt kaufen. Ich nicht, ob die 
Preise — sind als sonst. Von den Arbeiterausschüssen wird gesagt, 
daß die itglieder verpflichtet find, von der Sitzung dem Beklei— 
Vmasvorstand Mitteilung zu machen und ihm das Protokoll der 
Sitzung vorzulegen. Der Vorstand hat das Recht, jeder Sitzung bei⸗ 
umohnen. Das ist keine Ausschußsitzung, sondern eine Zuchthaus⸗ 
usschußfi humg Ich ersuche die Heeresverwaltung, die angerealen 
Dißstãnde 8 beseitigen. GBeifall 6. d. Soz) 
Abg. Vogel (nl.); Die Bekleidungsamter kaufen ihr Le⸗ 
exrentweder im freien Verkehr oder von Vereinigungen. 
Früher wurde das Leder durch den Großhandel epen Da⸗ 
urch wurde die Vahaflung des Leders tener und es wurde 
iber die Qualität geklagt. Ber Abg. Wehl hat noch im vorigen 
zahre beunruhigende Ausführungen ßeag denen ich doch 
een muß. Der freihändige Einkauf des Leders ge— 
chieht nicht durch einen unkundigen Offizier, sondern durch den 
achverständigen Vorstand. Es sst unmöqlich, von dem altge⸗ 
erbten Leder abzugehen. Mit dem schnelu hegerbten Leder hat 
Nan in Frankreich sebhr imnsecbte Ersohrunken vdemacbte ein 
reder, das für den Fall der Mobilmachung nicht hält, können 
vir für unsere Armek nicht verwenden. 
Abg. Vogt⸗Hall Wirn Vag.): Meine Partei ist stets 
ir die Interessen der, Eichenschaͤlwaldbesitzer eingetreten. Der 
zorredner hat eine andere Hallung eingenommen, als sein 
yraktionsgenosse im vorigen —3 Die Nationalliberalen 
aben aber doch selbst die Herabsetzung des Quebrachozolles be⸗ 
ntragt. Heuté ist man infolge mangelnden Shuwzes nichẽ in 
er Lage, die Lohe in dem Maße zu erhalten, wie es exwünscht 
st. Wir meencn den Antrag Irl. Die Handwerksmeister 
ie früher für die ren arbeiteten, haben sich aui 
auernde Arbeit eingerichtet, Maschinen aufaeltett und auch 
grundstücke gekauft, und nun wird ihnen diese Arbeit fortge— 
ommen. Der Handwerksmeister auf dem Lande, der nicht nur 
nf sein Handwert angewiesen ist, sondern guch Landwirtschaft 
reibt, kann fich noch helfen, aber nicht der Handwerksmeister in 
er Stadt. Die Heeresverwaltung hat allerdings die Beklei⸗ 
ungsamter auf Wunsch des Reichstages eingerichtet, aber sie 
zätte doch nicht einen so großen Sprung mit eineinmal machen, 
ondern langsamer mit der Einstellung der Zivilhandwerker 
vorgehen Jönnen, damit die Handwerksmeister wenigstens noch 
ine Zeit lang ihre Aufträge behielten. Der jetzige Betrieb der 
heklesdungsamter ist viel beurer, als früher von den Hand— 
verksmeiftern geliesert werden konnte. Man hätte sich damit 
egnügen sollen, mit dem Institut der Oekonomiehandwerker zu 
rechen, aber nicht in so weitem Maße Zivilhandwerker ein⸗ 
lelen holen. Vie neue Heeresvermehrung bedeutet neue Arbeit, 
ind ich vbitte, mit dieser neuen Arbeit hauptsächlich die alten 
hHandwerksmeister zu betrauen. Der Antrag Irl ist geeianet, 
erschiedene Härten gauszugleichen. 4 
Abg. Wehl inl: Im Eiat sollte eine bestwwie en gee die 
ee e von Leder eingerichtet werden, damit ersichtlich ist, was 
ür bas Leder ausgegeben wird. Meine vorjährigen erenaen 
nd von dem Vorstbenden derx Gerbervereinigung und den Ge 
ern derselben einer Kritik unterzogen worden, die viele 
ntstellungen enthalt. Die Gerbervereinigung ist an sich eine nütz⸗ 
che Einrichtung, Aber sie hat in den eren Staͤdten einen 
eschäftsführer, der alles Leder sur die Militärverwaltung zruft 
nd die Vermiitlung mit dieser besorgt; dasür bekommt dieser Kom⸗ 
issionär — das s die richtige Bezeichnung — füx alle Sorten 
eder, die teen werden, 3 pBt. in Berlin 4 pBt. und so ist 
ie Eiellung ieses Geschäftssührers eine Sinekure, wie sie im gan⸗ 
en Deutschen Reich Ine Dihee er der Militärberwaltung 
ergeben werden könfte. Diese Kommissionäre, haben Einkommen, 
n denen sich viele laben würden. Wenn im Bekleidungsamt jemand 
iit dieser Tätigkeit beauftragt würde, könnten viele Hunderttausende 
vspart werden. Auf die Ausführungen des verehrten Herrn Kol⸗ 
gen Vogel brauche ich nicht näher einzugehen, da sie nur ein Ex 
rakt der Zuschriften der Gerbervereinigung an die Heeresverwal—- 
ing geboten haben. Ich halte meine Ansicht vom porigen Jahre 
p und ganz aufrecht.In, einem, sechsmonatigen Kursus können 
ch die Disfiziere nicht die nötigen fachlichen Kenntnilsse verschaffen. 
zs wird das beste Leder an die esegerwauung geliefert, das man 
ben ktann. Nur vollständige Unkenntnis von der Herstellung des 
»ders kann zu anderen Behauptungen Veranlassung Veen haben. 
enn etwas Ici weiß, * er lieber den Mund halten 
as wäre nicht so blamabel, als Behauptungen 3 — die in 
eder Beziehung falsch sind. Es kommt haupisächlich darauf an, den 
Zerbeprozeß in dem richtigen Moment zu ee eine goße Ge⸗ 
ahr liegt in dem sogenannten Neberschwellen. ochem und Siegen 
ind die Stänen der alten Lohgerberei, und die Abag. Pauly und 
Hogel sind verpflichtet, dafür einzutreten. Aber geßen die Verhält⸗ 
risse, wie sie einmal liegen, ist nichts zu machen. Die Heeresper wal⸗ 
ung muß mit den Neuerungen Schritt halten. Ich kenne die Ver⸗ 
ältnisse im Siegener, Lande genau, aber das 3 Dasein wurde 
nders, als die amerikanische Lederindustrie ihr Leder gbrahie 
enn damals die Vertreter der deutschen de ehe ich aufge⸗ 
afft und Kosten aufgewendet hätten, um eine Methode zu finden 
eren een dem alten lohgegerbten Leder gleich kam, dann 
äre dieses Erzeugnis sicher von der Fanrhndniten bevoxzugt wor⸗ 
en, Der Handel im Ledergeschäft umfaßt heute nicht mehr das mit 
tichenrinde gegerbte Leder, weil die Industrie Fe geschaffen hat. 
die, Behauptungen in den zwei, Zuschriften des Vorsigenden der 
erbervereinigung, daß das p gegerbte Leder den Nachteil eines 
dossal großen e habe, ist FeF richtig, ebensowenig wie die 
zehauptung, daß die Gerberei mit Eichenlohe hiliger sei. Bei rich⸗ 
ger Anwendung der Ziusgertugtte die wir in reichem Maße 
aben, erreichen wir genau denselben Zweck wie mit der Eichenloße 
ud sogar billiger. 
Departementsdirektor Generalmajor Staabs: Wir stehen auf 
em Standpunkt, daß wir nur das widerstandsfähigste Leder ge⸗ 
rauchen. Nach unseren Erfahrungen haben wir keine Ursache, 
as mit Lohe gegerbte Leder abzuschaffen. Es müßte 
ins denn durch einwandfreie Versuche nachgewiesen werden, daß 
oir anders wirtschaftlicher und besser fortkämen. Unsere Ver— 
uche waren aber recht gründlich und gehen bis 1904 zurück, wir 
erfolgen überhaupt pflichtgemäß alle neuen Erscheinungen. Die 
zrovisionen der Kommissionäre berühren uns nicht, wir kaufen 
a, wo uns am billigsten und besten geliefert wird. Die Zahl der 
lrbeitsträfte in den Bekleidungsämtern iist 
einesfalls zu hoch, ebenso steht es mit der Beamtenzahl. Die 
Irbeiterentlassung in Straßburg war bedingt durch die vorange⸗ 
angene, Arbeitssteigerung bei Anfertigung der seldarauen Uni— 
orm. Indessen ist die setzt mewendit gewordene Kündigung 
mmerhin mäßig, und dann dürfen nur ledige Arbeiter und zwar 
nit Zotägiger Kündigungsfrist entlassen werden. Alle mögliche 
tzücksicht wird also genommen. Die Jnanspruchnahme der 
ztrafanstalten ist geboten, namentlich auch in Rücksicht auf 
en Kriegsfall. Der Forderung, das Handwerk zu berücksichtigen, 
nerden wir insofern entsprechen, als wir die seit Jahren für uns 
itigen Handwerker auch künftig vorzugsweise berücksichtigen. 
den freien Arbeitern die Nebenbeschäftiaung au untersagen, steht 
ins nicht zu. 
Dunrnheer Bevollmächtigter General v. Dorrer: 
die Arbeitsbedingungen in Ludwigsburg weichen 
on den allgemein üblichen Vorschriften nicht ab. Der Staat 
nuß natürlich das Recht haben, staatsfeindliche Elemente aus 
einen Betrieben fernzuhalten. Die Arbeiter sind bei uns durch⸗ 
us mit den bestehenden Zuständen zufrieden. 
Aba. Gans Edler Herr zu Putlis (kons.): Nach unsern Er⸗ 
ahrungen haben sich die Bekleidungsämter glänzend de⸗ 
vährt, die Umwandlung ist seinerzeit allerdings außerordentlich 
ostswielig gewesen. Zweifellos übertreffen die jetzigen Bedarfs⸗ 
xtikel die früher hergestellten bei weitem. Das Personal in den 
zekleidungsämtern ist eher reichlich, als zu wenig beschäftigt. 
das kleine Handwerk sollte möglichst berücksichtigt werden, vor⸗ 
usgesetzt, daß keine neuen Ausgaben dadurch bedingt werden. 
Abg. SZommer sFortschr. Wir begrüßen die Organisa— 
ion der Bekleidungsämter mit Genngtuung, wenn auch die Veiter 
nrehr kaufmännisch ausgebildet werden müßten. Da— 
urch wäre eine zweckmähigere, Arbeitsteilung möglich, und bdie 
Zurchstechereien würden unmöglich werden. 
Abg. Duffner (Ztr.); Das Wohlwollen der Sozialdemokraten 
ür das kleine Handwerk ist billig. Die Bezirkskommandos sollten 
en Reserve- und Landwehroffigieren, die im Privatberuf Fach- 
eute sind, nahelegen, ihre Uebungen bei den Bekleidungsämtern 
u machen. Ich selber bhabe verschiedene Uebungen in den Aemtern 
emacht. Mit der A von, Arbeiterinnen muß man 
echt vorsichtig vorgehen. s Schmiergelderunwesen ist 
ank dem guten, Geist, der guch in diesen Teil unseres Heeres 
errscht, ganz perschwunden. Im Interesse unserer Schälwaldungen 
oll man es, vhne daß darin ein Gegensat zur Industrie au liegen 
raucht, bei der jeßigen Praxis laisen. Das würde dem ganzen 
nnde zu gute kommen. 
Abg. Böhle (Soz.): Die Militärverwaltung begünstigt die 
deimarbeit und damit die, Lohndrücker. Dir Bestimmungen 
»er Bekleidungsämter gelten allerdingas nicht bloß für Württem- 
erg, sondern für das ganze Reich. Damit sind die Arbeiter aber 
icht zufrieden und es bleibt dabei. dan sie nach wie vor aur 
znrꝛialdemohratie gehören. 
NKriegsminister v. Heeringen: Der Besuch der Beklei⸗ 
ungsämter, durch Abgeordnete hat nach dem Gehörten aünstig 
ewirkt, hoffentlich besuchen sie öster unsere Anstalten. Die Be— 
eidungsämter müssen durch Offiziere verwaltet werden, Jeistungs- 
hige Kauflente bekommen wir für ihr Gehalt nicht. Aber diese 
ffiziere müssen Aussicht auf Avancement haben, sie müssen bier 
ine Lebensstellung sinden können. Die Entlassungeen in 
Atr,aß burg wurden schonend vorgenommen. Arbeiter, die sich 
zialdemokratisich betätigen, können wir in unseren Werkstätten 
dbht delden. Die im vorigen Vabhre⸗ erhobene Beschuldiauna. in 
ztraßburg seien kranke Arbeiter in Strafabtenungen aci::at 
„orden. ist nach sorgfältigen Erhebungen nicht richtig. 
Abg. Wiedeberg (Ztr.) begründet feine Resolution, bei den 
Armeelieferungen Heimarbeiter, zu beschäftigen. Diese sind 
elfach auf solchen Verdienst angewiesen. Für ihre Fer nen be⸗ 
villigen die Sozialdemokraten niemals die ei 
c3 Schlußantrag wird angenommen. Das apitel wird be— 
villigt. die dazu vorliegenden Zentrumsresolutionen werden ange- 
rommen. 
Bei dem Kapitel Garnisonsverwaltungs-und Ser4- 
i8wesen bemerkt 
Abg. Koelle (Wirtsch. V.): Die Einwohner des Oberharzes 
vünschen eine Garnison, viele kleine Garnisonen sind ganz allgemein 
bünschenswert. Diefer billige Wunsch von Clausthal und Zellerfeld 
önnte wohl erfüllt werden. 
Abg. Werner (Ref.“P.): Rleine Garnisonen sind tat⸗ 
achlich sehr erwuͤnscht, auch in meinem Wahltreise hat man solche 
dunsche, so in Rotenburg und Hersseld. Die Maschinisten der 
deeresverwaltung könnten wohl besser gestellt werden. 
Abqg. Dr. Will-Straßburg (Zitr.): Die Arbeit der Maschinisten 
st schwer imd verantwortlich, sie sollten ebenso gestellt werden wie die 
der Marine. 
Abg. Irl (Zir.): Die Garnisonbauten und dergl, werden 
hne Zuziehung von Sachverständigen vergeben, das führt zu schweren 
Anzusraglichteilen, denen die Verwaliung abhelsen sollte. 
Abge Dr. Weber (natl.): Die Kantinenaufden Schiez 
lLätzen werden nicht immer in der richtigen Welse vergeben, es soll 
ort Jeine Monopolsiellung für einen Beteiligten geschaffen werden. 
Zu den Lieferungen für Kantinen sollte man auch die näühere Um 
ebung heranziehen. 
Abqg. Dr. Wagner-Sachsen (kons.): Auf dem ESchießplatz von 
dönigsbrück ein Kavallerist durch Granatsplitber schwer ver⸗ 
d Noshen Für Hilfeleistung war nicht in der richtigen Weise 
esorgt. 
Sachsischer Generalmajor Frhr. v. Salza und Lichtenau: Die 
deberführung des Verlehßten nach Dresden ist auf Wunsch seiner 
zẽllern, die eine ärztliche Autortiät zur Behandlung hinzuzuziehen 
unschten, erfolgt. Von der Militärverwaltung ist alles Mögliche 
Jeschehen. 
Abgo. Schöpflin Sozdem.) fragt nach einer Verordnung, des 
igten Kriegsministeriums betreffend auf dem Marsche befind⸗ 
iche Formationen. 
Sächs. Generalmajor er v. Sa und Lichtenan: Die Ein- 
elheiten dieses Erlasses sin agen licklich nicht bekannt. 
Abg. Dr. Will⸗Straßburg (ItrJfragt an, v nicht Schieß⸗ 
ind Manbverübungen im Winter vorgenommen werden 
önnten. Die den Schießplähen benachbarten BVauern würden er— 
Jeblich in ihrer Sommerarhedt geschädigt. 
Generalmajor Stabe: Durch Ansegungeneuer Schieß-⸗ 
W e und Truppenübungspläße wird dem bisberigen Mangel ab⸗ 
Jeholfen werden. 
Ohne Debatte werden bewilligt: die Kapitel Militärbau— 
wesen, Militärmedizinwesen, Verwaltung der Traindepots, Instand— 
altung der Feldgeräte, Ersatz- und Reservenannschaften sowie Arre- 
anten auf dem Marsch. Beim Kapitel Pferdebedarf klagt 
Abg. Böhle (Soz) über die unzulässige Konkurrenz der 
Krümperfuhrwerk — die Pripatfuhrwerke. Diese Fuhr— 
perke würden vielfach auch für pensionierte Offiziere als dugst. 
vagen, Vassagierfuhrwerke, ja sogar als Hochzeitswagen benußzt. 
Generalmajor Wandel: Wir stehen auf dem Standpunkt, daß 
die Krümpersuhrwerke streng nach Vorschrift benußt werden 
müssen. Verstöße sind zu ahnden; ich bitte mir die Unterlagen 
dafür zu übergeben. 
Abg. Dr. Becker⸗Köln VInd Der Remontebedarf sollte 
möglichst mit landicen erden gedeckt werden und zwar durch 
irekten Kauf bei, den Züchtern. Die rheinischen Pferde stellen ein 
jervorragendes Material dar. 
Abg. Dr. Weber inatlib): Dem Mißbrauch der Krümper. 
uhrwerse, wie er in Darmstadt zu konstatieren war, ist mit 
knischiedenheit entgegenzutreten. 
Beim Titel; 3 der Remontepferde wird die Debatte ab- 
gebrochen und Vertagung beschlossen. 
Nächste Sitzung Donnerstag 1 Uhr: Fortsehßung der heutigen 
Beratung. 
Schluß nach 7 Ubr 
— —— — — — 
Vom Budapelter Hokball. 
na. Wien, 26. Februar. 
Die imn einigen Blättern aufgetauchte Nachricht, Kaiser Franz 
zosef sei auf dem Budapester Hofball nicht wohl gewesen, und 
as Abhalten des langandauernden Cexeles habe ihm große Ab⸗ 
panung bereitet, ist vollständig unbegründet, Das Gerücht ent⸗ 
land dadurch, daß des Kaisers Leibarzt, Hofrat Kerzl, anwesend 
var. Aber es ist eigentlich selbstverständlich, daß der Leibarzt 
en Kaiser begleitet, wenn diefer zu einem mehrwöchigen Aufent⸗ 
halt nach Budapest fsährt. Wer von Hofbeamten in der Ofener 
Buxg wohnt, macht seibstverständlich den Hofhall mit, von dem 
ꝛg seit vielen Jahren bekannt ist, daß er ein wirklich fröhliches Fest 
st, bei dem der Zwang der Etikette nur eine sehr geringe Rolle 
pielt, und das sich vom Wiener Hofball in jeder Weise vorteilhaft 
interscheidet. Man wundert sich, wenn man hört, daß er doch 
m großen und ganzen von denselben Persönlichkeiten geleitet 
wird wie in Wien. Die Herrschaften passen sich eben den Verbält⸗ 
nissen an und lassen ungarische Sitte und ungarisches Tempera⸗ 
ment auch bei Hofe walten. 
Eine kleine Episode, die Hofrat Kerzl im Kreise seiner 
sollegen von der kaiserlichen Hofhaltung am Tage nach dem Balle 
rzählte, wird den Gesundheitszustand des Monarchen am besten 
ennzeichnen. Der Leibarzt hatte sich eine Stunde früher als der 
saiser zurückgezogen und erwartete diesen lesend im BZimmer, das 
seben dem Schlajgemach des hohen Herrn liegt. Um 11 Uhr trat 
der Kaifer, von den Fesisälen kommend, ein. Noch ehe ihn Hofrat 
serzl fragen konnte, ob er nicht sehr ermüdet sei, sagte der Kaiser 
m sebhaflesten Ton: Fesch war's! So solls sein!“ Dann vfiff 
er einige Takte des Csardas und bewegte beim Weiterschreiten die 
Füße pythmach zur Musik, die er selber machte. 
Als ber Kaiser iich wahrend des Balles beifälllg über den star⸗ 
en Besuch äußerte, der vermuten ließ, zuß allen Einladungen Folge 
eleistet worden war, meldele man ihm, daß im Burghofe 1300 Auto⸗ 
nobile und Wagen ständen. Es waren 1832 Personen zugegen, 
apvon allerdings nur 106 tanzende Paare, weil nur soviel Tänze⸗ 
innen vorhanden waren. Troß der wahrhaft ee Pracht der 
Toiletlen, von der sich die Magnatentracht der Männer Aigtig ab⸗ 
sob, war alles durcheius ungeawungen und von steiler Reserne feine 
Zpur. 
Die Musik befand sich nach ungarischer Sitte nicht auf der 
—A im Saale selbst, von den Tanzenden nur durch eine 
soidene VBalustrade mit reicher Blumendekoration getrennt. Der 
zum Hofbalmnfit⸗Direktor ernannte Zigeuner-Primas überbot sich 
in seurigem Temperament, als er seine Leute zu Sesen Walzer 
ind Polka uecy ließ. Auch die Nichttanzenden ließen sich von 
»en fröhlichen e begeistern, und zahlreiche Kavaliere griffen 
HFei den herrlichen Blumendekorationen zu brachen die er 
Blüten und pearen damit die Musiker, denen sie Beifall klatschien. 
ls der Ball zu Ende war, gab es an den Saalwänden, in den 
nischen, bei den reichbesetzten Büfetten keine Blumen mehr. Die 
derren hatten sie samt und sonders an die Damen und die Musikam 
en verteilt. Auf dem Wiener Hofball würde es niemand wagen, 
much nur eine Blume aus dem reichen Blumenflor zu pflücken, der 
den Zeremonien⸗ oder den Redoutensaal schmüchkt. 
Erzherzog Franz Ferdinand hat Wort gehalten. Weder er noch 
seine Gemahlin erschienen auf dem Budapester Hofball, und er wird 
biese Haltuig gewiß auch weiter wahren, wenn das Zeremoniell nicht 
bgeändert wird, das seine Gemahlin zwingt, als letzte Dame des 
hoses, hinter den unverheirateten Erzherzoginnen zu erscheinen. Man 
hgt, daß seine Schwester, die erste Tame bei Hof, Erzherzogin 
nnunziata, besonders schmerzlich von dem Konflikt berührt ist. Daßß 
8 sich einstweisen nur um einen Kampf ums vermeintliche Recht 
wischen der Herzogin von Hohenberg, der Gemahlin des künftigen 
daisers, und der Erzherzogin Marie Valerie, der Tochter des Kaisers 
zranz Jofebh. handeit, beweist die Tatsache, dah auch Erzherzogin 
Rorie Valerie dem Vudapester Hofball nicht beiwohnte. Ihre — 
er Elia, die den Wiener Hosball zum ersten Male besuchte, hatte sich 
vie man erzählt, ganz besonders auf die ungebundene Froͤhlichten 
ind — wein ardheie Pracht des ungarischen Hoiballes gefreut, aber 
mußkte entiaoen
	        
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