Zentrumsabgeordneten Dr. Heim ging aber hervor, daß auch
im Schoße des bayerischen Zentrums keine besondere Neigung
zur Annahme dieser Vorlage vorhanden ist.
Wie der volksparteiliche Reichstagsabgeordnete Dr. Wiemer
bei der zweiten Lesung der Heeresvorlage auf das Problem
einer internationalen Verständigung über die
militärischen Rüstungen zu sprechen kam, so hat gleich
zeitig in der französischen Kammer eine Abrüstungsdebatte
stattgefunden. Volle 189 Stimmen wurden in Paris zugunsten
der Abrüstung abgegeben, obwohl Minister Pichon ihre Unaus—
führbarkeit nachdrücklich betont hatte. Dieses Votum dürfte
vor allem den englischen Admiral Freemantle betrüben,
der offen ausgeplaudert hat, welche große Hoffnungen er auf
das Zusammenwirken der Flotten Frankreichs und Großbritanniens
setzt. Jenseits des Kanals nimmt aber augenblicklich das
Schichsal der in erster Lesung vom Unterhause rasch ange
nommenen Vetovorlagesalle Aufmerksamkeit in Anspruch
Die konservativen Lords scheinen die Vorlage, die ihren Be—
schlüssen nur eine aufschiebende Wirkung läßt, mit neuen Vor—⸗
schlägen über die Reform des Oberhauses beantworten zu
wollen. Daß britische Truppen in Tibet eingerückt seien, war
nicht minder eine Falschmeldung, als die sonstigen Nachrichten,
die den Eindruck hervorriefen, daß Rußland und China
am Vorabend eines Krieges stünden. In Wirllichkeit ver⸗
handeln beide Mächte wegen der in Rußlands Note ange—
führten Streitpunkte, und da die diplomatische Gesamtlage für
Rußland günstig zu sein scheint, so ist es wohl nur eine Frage
kurzer Zeit, daß China nachgiht. Seine Antwort auf die
russische Note enthält freilich gewisse Vorbehalte; an dem
kndergebnis dürften diese wohl schwerlich etwas Wesentliches
ündern.
Inland und Kusland.
Deutsches Roich.
M. Der Kronprinz über seinen Ausenthalt in Jdcen.
kallutta, 25. Febr. Gesandter v. ITreutler erklärte
dem Vertreter sdies Reuter-Bureaus namens des Kron—
prinzen: Seine Kaiserliche Loheit bringe aus Indien
die inte ressantesten und ersreulichsten Eindrücke
mit. Besonders schätze er die liebenswürdige Gastfreundlichkeis
und die freundlichen Gefühle, die ihm, wo er auch reiste, privai
und öffentlich in der Presse bezeigt worden seien. Diese höchsi
angenehmen Erfahrungen werde der Kronprinz niemals ver
gessen. Indien werde in seinem Herzen einen hervorragenden
Platz behalten. Seine Reise jei durchaus erfolgreich
gewesen. Ganz besonders habe sich der Kronprinz sür die Nord-
grenze interessiert; hier namentlich sür die Gegend aͤm Khaibar⸗
pah und dafür, wie von wenigen Leuten hier im wilden Grenz⸗
lande die Ordnung aufrecht erhalten wird. Auf seinen Jagden
habe er Einblick gewonnen in das Leben der Landbewohner. Der
——
kungrege nachgegangen, habe sich mit zahlreichen Be
amten der Regierung über Fragen des Unterrichts, der Hungers—
not, der öffentlichen Einkünfte eingehend unterhalten, alle
Bauten mit historischem, architektonischem Interesse besichtigt. Er
habe das militärische System genau studiert und hege große Be—
wunderung für die glänzenden britischen Truppen in Indien.
In gesellschaftlicher Beziehung habe der Kronprinz die größten
Erfolge erzielt, alle Klassen der Bevölkerung seien erfüllt von
dem höflichen, bezaubernden, natürlichen und doch würdigen
Wesen des Kronprinzen. Auch die deutsche Reisebegleitung habe
sich sehr beliebt gemacht. Der herzliche Empfang des
Kronprinzen sowie der Besatzungen der deutschen Kriegs⸗
chiffe sei dazu angetan, die Freundschaft der Eng län—
»er und Deutschen in Kalftutta zu festigen.
Sansabund Die im großen Saale der Handwerkerkammer
in Berlin begonnene Tagung der Vorständeder Zweig—⸗
»zrganisationen des Hansabundes in allen Teilen
Deutschlands war von zahlreichen Vertretern der
srospe, Mittel-und Kleinindustrie, des Handels.
Hßandwerker-— und Mittelstandes und Angestellten
überaus zahlreich besucht. Mit einmütiger Begeiste—
nung zand unter minutenlangem Beisall wurde die Abhal⸗
tung des ersten allgemeinen deutschen Hansa-
tages auf den 12. Juni feslgesetzt. Daran schlossen
sich Besprechungen über die Organisation und sonstige Ange⸗
legenheiten dees Hansabundes. Tie Tagung wurde mit einem
brausend aufgenommenen Hoch auf den Hansabund und seine
Leitung geeschlossen, indem auf die Sitzung des Ortsverbandes
Grob⸗Berlin, in welcher der Abgeordnete Naumann am kom-
menden Montag über die neudeutsche Wirtschaftspolitik refe⸗
rieren wird, hingewiesen wurde.
Hefterreich⸗ Ungarn.
W. Oesterreichnsche Delegationen. In fortgesetzter Be⸗
atung des Budgets des Auswärtigen Amtes trat Marakhl
für den Dreibund ein, dessen Festigkeit allen Verfuchen seiner
Gegner, die Bedeutung dieser stärksten Friedensgarantie her⸗
abzusetzen. widerstehe. Susteric erklärte, das Bündnis mit
Italien, dessen Innigkeit alle Oesterreicher wünschten, dürfe
nicht mit innerpolitischen Fragen in Zusammenhang gebracht
werden. Redner wandte sich darauf gegen die Angriffe des
Heiligen Stuhles und sprach die Zuversicht aus, daß es zwischen
den beiden feindlichen Lagern der italienischen Bevölkerung
zu einem Kompromiß kommen werde. Dann erst werde die
Finiaung Italiens vollständig sein.
Atalien.
W. Preßitimmen zur Kronprinzenreife. Rom, 28. Febr.
Popolo Romano schreibt: Nach dem Beschlusse des Kaisers
wird der Kaiser sich in Rom vom Kronprinzenpaar ver—⸗
treten lassen, welches der schlagendste Beweis für die Ge—
fühle sei, die die beiden Dynastien und Nationen verbinden.
Jeder weitere Kommentar sei müßig. — Auch der Cor—
riere della Sera spricht die Hoffnung aus, daß jetzt end⸗
lich die Polemik über die Kaiserreise ein Ende nehmen werde
und fügt hinzu, daß das Kronprinzenpaar in Rom eine warme
und sympathische Aufnahme finden werde, wie es die Be—
ziekungen Deutschlands und Italiens verlangen.
Frankreich.
W. Briand tritt zurück. Paris, 25. Febr. Es wird
ür sicher gehalten, daß das Kabinett Briand am
Montag nachmittag zu rüdtritt.
W. Paris, 25. Febr. Die dem Ministerium ergebenen
Blätter tkadeln das Vorgehen der Opposition in
scharser Weise. Die konservaliven. gemäfigten Blätter machen
kein Hehl daraus, daß sie das Bleiben des Ka—
binetts Briand wünschen, da dieses sonst einem
combinistischen Ministerium Platz machen würde
Ballkanstagten.
W. Die neue bulgarische Kaudelspolisit. Sosia, 25. Febr.
Der Finanzminister unterbreitete der GSobranie einen Ge⸗
setzentwurf, betreffend die Aenderung des allge—
meinen Zolltarifs. Danach sollen die Einfuhrzölle
für ausländische Artikel, die in den heimischen In—
dustriezweigen a usgedehnte Verwendung sinden, herabge—
setßt, die Ausfuhr von öndustriellen und Rohprodukten
erleichtert werden
Neueste Rachrichten und Telegramme.
W“ Merlin, 25. Febr. Die Nordd. Allg. Zig. schreibt:
Bei der Abstimmung über die Heeresvorlage hiel—
sen die bürgerlichen Parteien, mit Ausnahme der Polen und
veniger Eigenbrödler, in erfreulicher Geschlossenheit zusam—
nen. Nach eingehender Vorbereitung in der Kommission nahm
hie zweite Lesung nur einen Tag in Anspruch. Denkt man
an die schweren Kämpse um frühere Heeresvorlagen zurüch
so wird man gern den Umschwung anerkennen, der sich untern
en Parteien in der Behandlung der Wehrfragen vollzogen hat.
ODie Prinzipien, nach denen die Heeresverwaltung den ruhigen
ind sicheren Ausbau der Armee regelt, haben sich durch—
esetzt und bilden nicht mehr den Gegenstand heftiger par—⸗
amentarischer Kontroversen. Der seste Wille der Nation
ie Schlagfertigkeit des Heeres unbedingt gewahrt zu sehen
entrücte diese Grundfragen der nationalen Selbstbehauptungç
dem Parteistreite mehr und mehr. Selbst von sozialdemo—
kratischer Seite wird es für nützlich gehalten, gelegentlich ein
leine theoretische Verbeugung vor den vaterländischen Empsin—
ungen zu machen. In der Praxis bei den Abstimmungen
persagte die Sozialdemokratie freilich auch diesmal und bracht«
damit den bürgerlichen Parteien die Scheidelinie zum Be—
vußtsein, die durch keine Wahlabmachung zu verwischen ist.
baie ungeschmälerte Annahme der Vorlage wurde einmal durch
zie Darlegungen der Heeresverwaltung erleichtert, die keinen
Zweifel darüber ließen, daß nur das unbedingt Notwendige
Jefordert würde und sodann durch die befriedigenden Er—
flärungen, die von der Reichsfinanzverwaltung über die
deckungsfrage abgegeben werden konnten.
Die Nordd. Allg. Itg. meldet: Die Prinzessin Vie—
oria Luise begleitet das Kaiserpaar auf befondere Ein⸗
adung des englischen Königspaares nach London.
W. Braunschweig., 25. Febr. Das Großherzogs⸗—
»aar von HSessen hat heute nachmittag die Rückreife
rach Darmstadt angetreten. Das Herzogspaar Johann
Albrecht geleitete die Gaste nach dem Bahnhoß. mo sie sich
herzlichst verabschiedeten.
W. Budapest, 25. Febr. Der frühere Ministerpräsiden!
Baron Desider Banffy ilt schwer erkrankt. Sein Zustand ijst
dedenklich,
W. Bombay, 25. Febr. Ter Kronprinz richtete vor
einer Abreise an den König von England solgendes
Telegramm: Ich vermag zwar nur meine wärmsten Danbk—
sagungen zu wiederholen, ich kann aber unmöglich Indien
erlassen, ohne Dir nochmals meine herzlichste Dankbarkeit für
deine Güte auszusprechen, wodurch meine Reise durch In—
ien einen so wundervollen und ersolgreichen Verlauf ge—
nommen bat. Dein ergebener Neffe Wilhelm.
Charlotteuburg, 25. Febr. Friedrich Sptielhagen
tarb heute, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben.
Er kränkelte seit Ottober. Daer plötzliche Tod seiner Lieb
lingstochser Tonie war ihm sechr nahe gegangen. Von diesem
Xugenblick an hatte er alles Interesse am Leben verloren.
W. Sumburg, 25. Febr. Der für die Reederei F. Laeis?
ruf der Werft von Blohm & Voß neuerbaute Viermaster
„Peking“ ist heute nachmittag 250 Uhr alücklich wo m Sta⸗
velgelaufen.
W. Wilhelmehaven, 25. Febr. In einer von Marine⸗
»ffizieren besuchten Bar kam es zwischen einem Leut⸗
rant und einem Handlungsreisenden zu einem Wort⸗
vechsel, im Verlauf dessen der Handlungsreisende dem
Rffizier einen Schlag ins Gesicht versetzte. Der
deutnant wollte den Schlag erwidern, wurde aber von Zivi
isten daran gehindert. Er verließ mit einem ebenfalls wie
er selbst in Zivil gekleideten Kameraden das Lokal, kehrte
iber bald wieder zurück und verlangte die Karte des Rei—
enden. Als ihm diese verweigert wurde, suchte er noch—
nals seine Wohnung auf, legte wieder seine Zivilkleidung an
ind bewaffnete sich mit einem Revolver. In die Bar zu—
ückgekehrt, gab er auf den Reisenden mehrere Schüsse ab. ohne
edoch zu tresfen. Dagegen wurde eine Bardame durch Streifs
chüsse leicht verletzt.
W. Reytjavik, 256. Febr. Ein Fischereidamprfer aus
Bremerhaven stramdete am 21. Februar auf Solheimsand
Die Besatzung von 7 Mann il ungekommen, darunter
alle Offiziere.
Deutscher Reichstag
W. Berliu, 25. Februar.
Die Weiterberatung des Etats wird beim Militäretat,
Titel Kriegsminister, fsortgesetzt.
Abg. Gans Edler Herr zu Putlitz (kons.): Mit der Auf—
tellung des Etats sind wir einverslanden; wir können nicht zu—
zeben, daß er Sparsamkeit vermissen läßt. Die jetzige Arniee
einteilung ist nicht zu entbehren. Wir können nur solche Dinge
urüdstellen, die für die Armee nicht absolut notwendig sind. In
dem Streben, dem Luxus in der Armee entgegenzutreten, möge
die Verwaltung fortfahren. Viele Militäranwärter dürften mit
iner Versorgung als Ansiedler sehr zufrieden sein. Von einer
Bevorzugung des Adels im Avancement kann nicht die Rede
ein. Die Armee als eine der ersten Grundlagen des Staates
nuß unangetastet bleiben. Unser Heer steht trotz aller Angriffe
och immer einzig in der Welt da. Der Fortschritt unserer Volks—
zildung ist herbeigeführt worden durch die Zucht des Heeres
Das Rückgrat ist die Freundschaft, die das Offizierkorps mit dem
triegsherrn verbindet; das kann uns niemand nachmachen. Ein
veiterer Vorzug des Heeres ist, dalnes ein Volksheer ist, zu—
ammengesetzt aus allen Ständen. Trotz aller Mihtöne wird er
o bleiben. Die Einzelheiten der Grundlage können sich ändern
iber die Grundlage muß bleiben. Das liegt im Interesse aller
Parteien; das ist das nationale Band, das alle verbindet.
Abg. Dr. Paasche (natlib.): Den letzten Worten des Vor—
redners schliehe ich mich an. DTas Heer hat in der Erziehung
bes Volkes so Großes geleistet und so Großes geschaffen, wie
es kein onderes jemals erreicht hat. Aber die Kritik müssen
vir uns vorbehalten. Deshalb bedauern wir den Erlaß des
Kriegsministers, der den Offizieren den Verkehr mit Abgeord-⸗
neten verbietet. Wir können das Urteil Sachverständiger bei
unserer Kritik nicht entbehren. ECs ist bedauerlich, dah es ver—
schiedenen Männern bürgerlichen Namens nicht möglich ist, ihre
Söhne in den Kapallerie-Regimentern unterzubringen. Trotz
Anerkennung aller Traditionen muß hier Abhilfe ageschaffen
werden, wie es z. B. in Oesterreich der Full iit. Hier sommt
die Somogenität Des Offizierkorps nicht in Frage. Auch iß
es Tatsache, dahß seit Jahrzehnten sein Jude mehr Offizier ge—
worden isi. Dafür ist nicht die Michtigkeit mabgebend gewesen,
jndirekt ist die Verwaltung daran ischuld. DTie Resolution Ab—
laß geht uns aber zu weit. Für die Ofsiziere der Grenz⸗Regi—
menter sollten Erleichterungen geschaffen werden. Die Spaͤr—
samkeit wird noch immer nicht lonsequent durchgeführt; bei Liefe
rungen könnte immer noch wirtschaftlicher verfahren werden,
ebenso wie bei Kasernenbauten. An dem Militärersatz wird da—
gzegen zu viel gespart, ähnlich bei den Ofsizieren in den Inva—
idenhäusern. Die verallgemeinerten Angriffe des Abgeordneten
Noske setzen das Ansehen des Heeres unberechtigt herab. Der
rzieherische Geist des Heeres muß dem Volk erhalten bleiben.
Abg. Branudys (Pole): Der bewaffnete Friede ist zu teuer
erkaufst durch Opfer an Geld und Menschen. Das platte Land
ieidet hauptsächlich darunter; den Bauernsöhnen sollte man den
Ddienst möglichst erleichtern. Auch sollte man die Soldaten in
richt zu entfernte Garnisonen legen. Die Disziplin beruht auf
Frömmigkeit. Darum muß auch für die religiösen Bedürfnisse
der Soldaten entsprechend gesorgt werden. Die Polen werden im
Heer verschiedentlich zurückgesetzt, und doch sind sie eine staatser⸗
jaltende Partei.
Abg. Liebermann (wirtsch. Vag.): Die Aussführungen der
herschiedenen Redner beweisen, wie die Beschäftigung mit dem
roßen Organismus unseres Heeres lelbst frühere Gegner zwingt,
hn lieb zu gewinnen. Den Klagen der Handwerker könnte
elbst abgeholfen werden. Der Erlaß des Kriegsministers
betreffend das Verbot für die Offiziere, sich mit den Abge—
ordneten in Verbindung zu setzen, richtet sich nicht gegen be—
rechtigte Beschwerden, sondern gegen Klatschereien.
Abg. Stücklen (Soz.): Ein Vollsheer ist unser Heer noch
nicht, denn in ihm kann nicht jeder ohne Rüchsicht auf die
Abstammung zu den höheren und höchsten Stellen aussteigen.
Der Erlaß des Kriegsministers bedeutet tatsächlich eine Her⸗
wWsetzung der Wgeordneten. Disziplin auf Straffurcht be—
ruhend nennen wir Kadavergehorsam. Eine Verhetzung der
Rekruten liegt uns sern, wir legen ihnen nahe, ihre Pflicht
zu tun, aber sich nicht schikanieren zu lassen. Die Zustände
in der Fremdenlegion hat die Arbeiterpresse eingehend be—
leuchtet. Das angebliche sozialdemokratische Flugblatt für die
badischen Soldaten, in dem zu Gehorsamsverweigerung auf—
gefordert wird, ist das Werk eines Waohnsinnigen oder Lod—
spitzels gewesen. Damit sollten jedensalls auch die hier ver⸗
langten Ausnahmegesetze vorbereitet werden. Das Rücgrat
des Staates sind nicht die Soldaten, sondern die Steuerzahler.
Unsere Kritik ist berechtigt. (Bravo! bei den Soz.)
Abg. Gothein (Vpt.): Die Versicherungsprämie, die wir
in Gestalt unserer Heeresausgaben zahlen, beträgt reichlich
in Prozent unseres Volksvermögens, ist also viel zu hoch.
Sie muß herabgesetzt werden durch eine passende Verstän—
zigung zwischen den Mächten. Für die Militäranwärter kann
unter den heutigen Verhältnissen nicht genügend gesorgt wer—⸗
den, daher muß die Zahl eingeschränkt werden, auch da⸗
dadurch, daß Unteroffiziere zu Leutnants avanzieren.
Kriegsminister v. Heeringen: Cin verlorener Sieg bostet
uns mehr, als die Haltung eines starken Heeres. Die Re—
iruten werden seit längerer Zeit nach dem Verkältnis der
rorhandenen Wehrfähigen ausgehoben. Die Offiziere der
Srenzgarnisonen sind tatsächlich übel dran. Um dem ab⸗
zuhelfen, ist inzwäschen viel getan worden. In der Klei—
zung arbeiten wir so sparfam und wirtschaftlich wie möglich;
»er einzelne Mann kostet im ganzen 71 Muäährlich mit
Paradesachen. Die Ehrengerichte ordnen kein Duell an, son⸗
dern erörtern die Vorgänge, die zu Konflikten gesührt haben.
Für sie bleibt die Kabinettsorder von 1844 maßgebend. Nach
dem Gesetz ist die Zurüchsetzung wegen der Konsession un—
gesetzlich. Die Nichtbeförderung der Juden ist ungesetzich.
Antisemttische Neigungen bestehen in der Armee nicht. Die
Mannheimer Flugschriften sind doch wohl kein Zufall. Wir
nüssen Difziplin halten. Das wird uns schwer gemacht, weil
ie Rekruten verhetzt in die Kaserne kommen. Ich misbillige
vie jeder Offtzier die Mißhandlungen aufs allerentschiedenste.
Die alten Soldaten hängen an ihre Regimenter — dach
richt, weil fie wie Hunde behandelt werden —, das hat
Züdafrika bewiesen, wo ein Offizier für einen Soldaten dur⸗
tete, blutete dieser sür ihn. So soll es auch in Zukunft
zleiben. (Lebhaftes Bravo! rechts.)
Abg. Graf Carmer (kons.): Ter Kriegsminister sollte die
Jeineren und mittleren Städte im Osten, die früher eine
Sarnison hatten, wieder mit einer solchen belegen. Den
aͤrmeren Soldaten sollte jährlich eine Heimatreise gewährt
werden. Geifall rechts.)
Abg. Linz GRpt.): Der organisierte Handwerkerstand und
die Heimarbeiter miussen in höherem Maße als bisher bef
ven Reichslieferungen und bei den Lieferungen der Militär—⸗
verwaltung berüchssichtigt werden. Die Forderungen der Mili—
taͤranwärter lassen fich hoffeentlich bald erfüllen.
Abg. Raab (w. Vgg.): Die Juden gehören nicht nur
einer anderen Religion an, auch einer anderen Rasse. Wirklich
ernste Neigung zum Militärdienst, insbesondere für den Kriegs⸗
fall, dürfte bei den Juden nicht bestehen. Die Frage des
ũdischen Ofstziers, seine Hineinbringung in das Heer, bedeutet
ine Verpflanzung der Komik in das Heer. Wir müssen
unser Heer vor diesen zersetzenden Elementen schützen. (Bei
kall bei den Antisemiten.)
Darauf wird der Antrag auf Schuß der Debatte eingebracht.
Abg. Wiemer (Vpt.): Angesichts der letzteren Rede des
Abg. Raab widerspreche ich dem Antrage und bezweifle die
Beschlußfähigkeit des Hauses.
Abg. Heinze (natlib.): Mit Rüdsicht auf diese letzte Rede
iehe ich meine Unterschrift unter dem Schlußantrag zurüd.
Bewegung.)
Abg. Frir. v. Hertling: Auch ich ziehe aus demselben
Grunde meine Unterschrift zurück. (Allgemeine Unruhe.)
Abg. Raab: Die Herren mögen antworten, ich stehe zur
Verfügung.
Darauf wird die Vertagung beschlossfen. Montag 2 Uhr⸗
Fortsetzuna.
Heer und Flotte.
W. Kiel, 25. Febr. Admiral a. D. Vaschen ist keuke
im Alter von 76 Jahren gestorben.
W. Berlin, 25. Febr. „Scharnhorsit“ mit dem stellver—
tretenden Chef des Kreuzergeschwaders ist am 25. Febr. von
Amoy nach Tsingtau in See gegangen. „Freya“ ist am
25. Febr. in Southampton eingetrosfen und setzt am 7. März
zie Reise nach Kiel fort. VPotstation für „Deutschland“ bis
zum 27. Febr. vorm. Kiel, vom 27. Febr. nachm. bis zum
6. März nachm. Wilbelmshaven. vem 7. his 8 März nachm.
Nremerkaven. dann Kiel