Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

Deutseher Reichstag. 
(134. Sitzung.) 
Berlin, den 24. Februar. 
Am Bundesratstisch: v. Heeringen, Wermuth. Das Haus 
st außerordentlich stark besetzßt. 
In namentlicher Abstimmung wird zunächst 8 1 der Vorlage 
iber die Erhöhung der Friedenspräsenzstärke des 
deutschen Heeres mit 247 gegen 66 Stimmen angenom— 
men; 11 Mitglieder enthalten sich der Abstimmung. 
Hierauf wird der Gesetzentwurf, durch den die Zulassung 
oon Hilfsmitgliedernim Kaiserlichen Patentamt 
im 3 Jahre, nämlich bis zum 31. März 1914 verlängert werden 
soll, in erster und zweiter Beratung ohne Debatte erledigt und 
mverandert angenommen. 
Danu setzt das Haus die Beratung des Reichshaus— 
alfts-Etals für 14511 fort und tritt ein in die Beratung des 
3pezial⸗Etats für die 
Verwaltung des Reichsheeres. 
ss wird begonnen mit den fortdauernden Ausgaben für das 
wreußische Kontingent, Gehalt des, preußtschen 
dritasminister 50000. M, Anspruch auf freie Dienstwoh— 
uag mit Geräteausstattung und Feuerungsmaterial, 3 Ra⸗ 
ipnen.“ Hierzu hiegt vor ein Antrag der Fortschrittlichen 
Zolkspartei: den Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, dafß 
ei der Besetzung militärischer Stellen allein die 
ꝛersoönliche Tüůchtigkeit entscheiden soll, daß insbesondere weder 
ine Bevorzugung des Adels, noch eine Zurücksetzung aus politi⸗ 
chen oder konfessionellen Rücksichten erfolgen soll. Dazu bean⸗ 
ragen die Mitglieder der Wirtschaftlichen Vereinigung hinter dem 
Jorte „Tüchtigkeit“ einzufügen: und die sonstige allgemeine Eia— 
ung zum Vorgesetzten. 
Abg. Erzberger (Zentr.): Nachdem soeben die Militärvor⸗ 
age muüt großer Mehrheit angenommen ist, kann man sich bei 
en Militär⸗Etat kürzer fassen. Dieser Etat hält sich im allge⸗ 
seinen in mäßigen Grenzen. Keine einzige Frattion könnte die 
Jerantwortung übernehmen, dem Heer eine minderwertige Waffe 
ur Verfügung zu stellen. Die maßgebenden Instanzen in der 
reresverwaltung haben zu prüfen, ob die Umbewaffung und 
seibewaffnung das Richtige getroffen habe. Sie haben zu unter⸗ 
uchen, in welschem Umfang die Umbewaffnung zu erjolgen hat. 
fEs ist ja zuzugeben, daß an einigen Punkten Sparsamkeit geübt 
horden ist, wir müfsen aber doch darauf dringen, daß diese Be— 
rebungen noch weiter fortgesetzt werden. Der frühere Kriegs— 
ninister v. Einem hat eine Kommission eingesett, die sich mit 
iner Vereinfachung namentlich inbezug auf das Intendan⸗— 
urwesen befassen sollte. Hoffentlich wird im nächsten Jahre 
ine Denkschrift über die Ergebnisse dieser Kommission vorgelegt 
verden. Dann werden wir unsererseits weitere Vonchläge machen 
önnen. Infolge dessen will ich auf die innere Militärvermaltung 
icht weiter eingehen. Die Zahl der Fehlstellen im Offizierkorps 
st in stetem Abnehmen begriffen. Es fragt sich, ob die Zabl 
erhöheren Offiziere in diesem Maße notwendig ist, ob 
ie beiden Armee⸗Inspekteure bleiben sollen. Wir 
aben in der Kommission der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, 
aß es untunlich sein würde, diese beiden Stellen zu streichen. 
der Kriegsminister hat eine etwaige Streichung einen Schlag ins 
hzesicht der Armee genannt. Die beiden Armee-Inspekteure waren 
is 1908 im Aggregiertenfonds untergebracht. Einstimmug wurde 
inAntrag angenommen, diese beiden Stellen aus demAggregierten⸗ 
onds zu nehmen und auf den ordentlichen Etat zu übernehmen. 
Rie Verwaltung ist uns entgegengelommen, und 8 lönnen wir 
hr doch diese Stellen nicht ablehnen, Eine zweite Frage betrifft 
je Vorpatentierungen beiden Offigieren. Es ist 
ürzlich ein interefssantes Buch degen das von Sachkenntnis 
eugt. Der Verfasser weist darauf hin, daß diesle massenhasten Vor⸗ 
atentierungen das Apancement verlschlechtern. Die Folgen müssen 
uch im Eiat sich fühlbar machen durch eine größere Zahl von 
zensionierungen, usw. Ich bitte den Kriegsminister, eine Verein⸗ 
ichnng in den Grundsäßzen für die Vyrbaeeehernggen vorzunehmen. 
dotwendig ist auch eine Neuregelung im Abzugswesen. 
kine aß. der Kassen, so der Dederle usw. ist ja notwendig, 
ber es müßten doch die Beiträge der & Mirrr einer Revision 
nterzogen werden, da die Hahl der Musiter vermindert morden 
st. Manche der jetzigen Abzůge könnien sicherlich verschwinden. 
fin anderer Anl meiner Partei J vom obersten Kriegsherrn 
rfreulicherweise erfüllt worden, näm eine Einschränkung der 
jefichtigungen. Diese dienen nur dazu, Vorgesetzte und Mannschaf- 
en nerbös zu machen. Ich bitte den — dem Wunsche 
es Kaisers Rechnung zu tragen. Dann könnten auch Ersparnisse 
intreien. Ein Ünterschied zwischen bürgerlichen und adligen Offi— 
jeren darf nicht gemacht werden. Die Tatsache, daß es eee 
degimenter gibi, hat zu Mißständen geführt. Es ist hierin aber 
chon zum Teil Wandel ga worden. Was die Unter⸗- 
ffuzrere beirifft, so ist ihre Zahl in den lehßten 19 Jahren ganz 
—* gewachsen und das hat seine Konsequenz für unsere Be— 
mienschaft. Im diesjährigen Etat sind bereits 80 000 Unterpffi- 
jere von denen ein großer Teil mit dem Zivibversorgungsschein 
baeht. Das Bestreben der Militäranwärter, in besser be⸗ 
ahlse Stellen unterzukommen, ist ein ganz natürliches. In den 
eblen Jahren stockt aber das Abancement und das führt zu den 
erschiedenartigsten Unzuträglichkeiten. Der Kriegsminister gopet 
ei den apstemingepftichtigen Dehheden darauf hinwirken, daß bei 
er Anstellung nicht bloß auf die erehe der Anmeldungen, son⸗ 
ern auch auf die Zahl der Dienstjahre Rücksicht genommen wird. 
üßerdem aber wird die ganze Art der seitherigen Versorgung der 
aeeiere mil Zivilversorgungsscheinen revidiert werden müssen. 
finer Bermehrung der Stellen für Militäranwärter möchte ich das 
vori nicht reden, die Äbhilfe muß guf anderem Wege geschehen. 
Ran denkt ja jeßt daran, die Militäranwärter anzusiedeln, man 
enti an Aufleilung von Domänen zu diesem Zwede; in gewissem 
Megee důrfte hier Abhilfe zu sinden sein. Die Soldaten- 
ziß'handlungen sollen nach einer neuerdings veröffentlichten 
Statistik um 70 Prozent zurückgegangen sein, eine sehr erfreuliche 
ischeinung. Unliebsame große Soldatenmißhandlungsprozesse sind 
elten geworden. Den Soldaten sollte auch mehr als bisher gestattet 
berden eigene Uniforim zu tragen; es bestehen auf diesem 
gebieie bei den Truppenteilen sehr verschiedene Gepflogenheiten. 
zs sollte auch Anordnung getroffen werden, die Soldaten im Dienst⸗ 
nterricht darauf hinzuweisen, sich nicht mit fremden Pryonen in 
hespräche über militäxische Angelegenheiten einzulassen; i glaube, 
z sind, folche Maßnahmen schon eingeleitet worden. Die französi⸗ 
he Institution der Fremdenleglon sollte unseren Soldaten in 
der ganzen Eigentümlichkeit vor Augen geführt werden, um den 
* ug Deutscher nach Algier zu verhindern; schon in den Schul⸗ 
Anehn sollte davor gewarnt werden, und die französische 
—X sie eine solche Institution, die 
jner Kulturnation nicht würdig ist, noch länger beibehalten will. 
die Köntroliversammlungen „ollten eingeschräult werden. 
ine im Jahre erscheint ausreichend Bei den großen Opfern, die 
as Volk fuůr das Heer zu bringen hat, ist es ängezeigt, auf seine 
vünsche in weitestein Maße Rücksicht zu nehmen. Namentlich sollte 
ei der Anlegung von Uebungsplätzen und Schießständen von dem 
Ritlel der Enteignung nur in den allerseltensten FJällen, wo sie gar 
ucht zu umgehen ist, Gebrauch, gemacht werden. Was das Be⸗ 
chaffungs wesen betrifft, so ist ins 1905 von der Militär- 
erwaltung mitgeteilt, daß sie billiger und besser fährt, wenn sie 
irett beim Produzenten dauft. Das trifft sicherlich auch heute noch 
m. Durch die Neuregelung des Suhmissionswesens bezüglich der 
Vergebung der iserang vbon Ausrüstungsstücken, die einer An⸗ 
regung der Budgetkommission entspricht, sind allein 600 000 Ain 
iesem Etat gespart. Ueber die Liefexung von W e und 
unision sind uns in der Kommijssion vertrauliche Mitteilun— 
sen gemacht. Vielleicht klärt uns die, Miljtärverwaltung hier dar⸗ 
ber auf, ob die Preise durch die Konkurrenz heruntergegangen sind 
der nicht. Ein pensionierter, besonders sachverständiger Offizier 
al mitgeteilt, daß die Deutschen Waffen- und Munitions-Fabriken, 
ie bisher ein Monopol für, Maschinengewehre hatten, einen vierfach 
oheren Preis erhalten haben, als wir ihn in den eigenen Werk— 
allen hätien aufwenden müssen, Wir wissen, daß leßztere nicht am 
eiligsten arbeiten, worin kein Vorwuxrk liegt. Die Privatindustrie, 
die das Maschinengewehr mit 900 4 geliefert hat, hat sicherlich 
abei auch noch ein gutes Geschäft gemacht. Ich gebe zu, daß Pa⸗ 
chie und Lizenzen mitbezahlt werden müssen, aber der 8,6 des 
Latentgesetzes gibt dem Kriegsminister die Fere Patente 
szutanfen, sowe es bei dem Ehrhardischen Verschluß geschehen ist. 
Abq. Roske (Soz.); Die gerinnfügigen Kürzungen im 
decresciat sind zurüczuͤführen auf die mißtiche Fingnzlage des 
Friches. Die Ranuschaftslöhnunng ist absolut unau— 
reichend, ihre Erhöhung ist dringend nötig. Es wird im Volt 
nicht verstanden, wie auf Kosten der gemeinen Soldaten die Offi— 
ie ? und Unteroffiziersgehälter erhöht werden kdomten. Hof— 
entlich wird die Einschraänkung der Besichtigungen auch wirklich 
urchgesfithrt. Das jetzige Militärsystem ist auf die Dauer nicht 
Altbar, das beweist auch das Anschwellen der Zahl der Mili⸗ 
äranwärter:. Die in der Resolution der Kommission çe— 
orderte Aenderung der Zivilversorgung der Militäranwärter 
nöglichst durch Ansiedlung als Bauern ist nichts als Utopisterei. 
die moderne blanmäßige Ingenderziehung Jäuft darauf hinaus. 
aß noch mehr, als bisher, in hurrapatriotischenn Sinn erzogen 
aird. Solche Bekämpfung der Sozialdemokratie ist absolut zweck⸗ 
os Die Wehrfähigkteit der Jugend sollte vielmehr 
ehoben werden durch Förderung des Turnunterrichts und Ver— 
ürzung der Arbeitszeit für Lehrlinge. Aufhören muß man mit 
er Drangsalierung der Arbeiterturnvereine. Es müßte möglich 
ein, die Dienstzeit zu verkürzen. Nach den Aeußeruüngen des 
aifers müffen die Garderegimenter als besonders bevorzugt gel⸗ 
ꝛn. In dem Posener Fall des Grafen Wartensicben hat ein 
Zeneral zum Quell, also zu einer offenbaren Gesetzwidrigkeit 
uigefordert. Wachtposten durften scharf nur schießen, wenn sie 
ich in Notwehr befinden. Man behandelt die Soldaten wie 
eine Kinder. Der Boykoit einzelner Wirtschaften wird vom 
etzigen Kriegsminister wieder schärfer gehandhabt. Ungehörig 
t, daß Soldaten Arbeiten für die königlichen Thea— 
ex leisten, daß sie die Kutscher der Offizlere spielen, oder, gar 
aß fie, Stteitarbeit tun müssen, wie es geschehen ist. Das Mili⸗ 
arstrafgesetz enthält noch immer geradezu unmenschliche Straf⸗ 
eflintmungen. Wenn die VBestrafungen abgenommen haben, so 
eweist das, wie günfstig die Sozialdemokratie auf unsere Jugend 
ewirkt hat. (Langandguernde Heiterkeit.) Diese will nicht mehr 
hie ein Hund behandelt werden. Solche Schindercien kommen 
rotz unscrer Jangiährigen Kritik immer noech mebr. Angesichts 
olcher Ehrlosiakeiten erkennen wir kein besondenns Ehrgefühl der 
Afiziere an. (Sehr richtig bei den Soz.) Die Ebren gerichte 
uhren zu direkten Gefehverletzungen in den Duellen. Wenn es 
ich um Dffiziere handelt, werden berechtigte Beschwerden unter⸗ 
rückt, wie in dem Fall des nach Württemberg dommandierten 
reußischen Hauptmanns Weller. Nach sozialde nokratischer Ge⸗ 
Innung wird dagegen geradezu geschnüffelt von den Bezirks— 
onimandos, die überhaupt merkwürdige Dinge tun. Nach dem 
Zissingschen Erlaß will man ja nicht einmal die Immunität der 
oͤgeordneten achten. Diesem System agen wir Kampi mit aller 
Hiacht an, bis es restlos überwunden ist. 
Inzwischen ist noch eine Resolution Wiedeberg (Itr.) einge⸗ 
jaangen auf Heranziehung der Heim arbeiter bei Vergebung 
on VLieferungen und Bedarfsartikeln für die Armee. 
Abg. Dr. Müller-Meiningen (F. B.): Als erfreulich sehen 
ruch wir die Kaiferliche Kabineitsorder über die Bes chtigun⸗ 
en an. Sie hat die Armee von einem schweren Alpdruck be⸗ 
reit. Wir wollen hoffen, daß sie nicht bloff auf dem Pavpier stehen 
leibt, und daß der vom Kaiser aufgestellte Grundsatz: es darf 
icht zuvpiel besichtint werden, auch in der Richtung der Sparsam⸗ 
eit wirkt, trobdem wir in dieser Beziehung zu Skeptikern gewor⸗ 
en find. Es ist anzuerkennen, daß Preußen in der körperlichen 
ranviidmig der Jugend vorangenangen ist, allerdinas hat die 
euische Lehrerschaft dieses Vorgeben angeregt., Deshalb haben 
dit von neüem wieder unseren Antrag eingebracht, durch den 
dir die Turnerei dadurch stärken wollen, daß hervorragende tur⸗ 
erische Rusbildung auch eine gewisse Vergünstigung in der Armee 
enießt. Im übrigen sehen wir wenig Erfreuliches in der Ent— 
icklung der Armee. Die ganze aroße Sp,a rsamkeits-Ak— 
ion, die 1808 einsetzte, bedeutet eigentlich einen großen Miß—⸗ 
rfolq. Man vertröstet uns jetzt mit der Reform der Militär⸗ 
erwaltung im engeren Sinne des Wortes auf eine Doenkschrift 
ind auf eine Kommission. Wir alauben nach den gemachten Er⸗ 
ahrungen nicht, daß etwas dabei herauskommen wird. Wir ver⸗ 
nissen ein Entgegenkommen des Krieasministeriums. Das aber 
anse zusfammen mit der verandertfen Haltungedes 
zentrums Das Zentrum hat auf dem Gebiet der Marine 
die in der Militärpolitik ganz andere Töne angeschlagen, wie 
or drei Jahren. Gestern hat der zweite Redner des Zentrums 
usgeführt, daß aus Ersparnissen nie etwas würde; warum? Weil 
s fo aeht, wie neulich bei den Kommandanturen, wie bei, dem 
iarcenetenfonds und den Feldiägern, Zuerst in der Kommisftou 
ediges Borgehen feitens eines Zentrumsredners, dann ein 
mer fmacheres und schließlich ein vollkommener Umfall. Wir 
erne daß die Mannschaftssörhnung bis heute nicht 
chöht ist, aber das Zentrum braucht ja nur die Führung zu über— 
ehnen! denn es hat das ganze Haus hinter fich. Guruf des 
Gröober: ünd das Geldꝰ) Herr Gröber, für Sie genügt 
a doch die Behauptung, daß die Deckung vorliene, und Sie be⸗ 
hilligen die Militärvorlage. Treiben Sie doch einmal Sparsam⸗ 
niehelitie Sie konnen auf unfere Unterstützung rechnen. (Buruf 
„es Abg.Erzberger.) Herr Kollege Erzberger, Sie haben ia 
yoch jetzt diee Fuͤhrung in dem schwarz⸗ blauen 
zck. Große Heiterkeit im Zentrum und rechts.) 
luch der Wirtschafts oykott ist ein volllommen untaug— 
iches Mittel zur Bekämpfung der Sozialdemokratie. Es kommt 
zuf die Einrichtungen in der Armee, vor allen Dingen die rechts— 
politischen, an. In der Beziehung haben wir eine Reform seit 
Jahren gefordert. Dazu haben wir die Pflicht, um so mehr, als 
Ar eben eme neue schwere Belastung des Volkes durch eine Mili— 
arvorlage beschlossen, haben. Wir wollen, daß eine innere Ge⸗ 
undung der Armee platzareift, daß berechtigter Grund der Unzu⸗ 
edenbeit im Heere moͤglichst ferngehalten wird. Daher haben 
bi u die Rechtsgieichhetim Offizierkorps bean⸗ 
ragt. Wir haben dargetan, daß auch der Offizier als Staats⸗ 
sürger dehandelt werden muß, und aus diesem Gesichtspunkt 
eraus die Bevorzugung gewisser Kreise im Offizierkorps verur⸗ 
eilt. Meine vorjahrigen Ausführungen hahen entschieden eine 
unde Stelle im Heer getroffen. Das beweist ein Erlaß des 
riegsministers, der nach meinen Juformationen unter 
em 10. März 1810 ergangen ist. Darin heißt es: 
Bei den bisherigen Beratungen des Militäretats im Reichs⸗ 
age ift behauptet worden, daß aktive Offiziere sich mit Klagen 
nd Schilderungen vermuͤtlicher Mißstände in der Armee an 
Ibgeordnete gewendet hätten. Eine Nachprüfung ist nicht mög⸗ 
ich an keiner Stelle dürfte jedoch ein Zweifel bestehen, daß ein 
exrartiges Verfahren durchaus unzulassig ist. Gört! hört! 
v Wenn das Kriegsministerium trotzdem darauf hinweist, 
o ngefchieht es, weil, ganz abgesehen von dem darin liegenden 
zerstoß gegen die Sisziplin uͤnd gegen die besonders für den 
Ffirier gebotene Zurückhaltung, durch solche zu parlamentari⸗ 
cher Verwertung bestimmte Mitteilungen die ernste Gefahr ent⸗ 
ehen würde, Angehörige der Armee in das politische Partei⸗ 
eben Hineinzuziehen, der unter allen Umständen vorzubeugen 
st. Die an jene Angaben geknüpfte Behauptung, daß altive 
Affiziere in den betreffenden Briefen gleichzeitig dringend um 
dichtnennung ihrer Namen gebeten hätten, glaubt das Kriegs⸗ 
ninsterium hur nebenbei erwähnen zu sollen, da auf ein solches 
zerfahren alle Anzeichen anonymer Anzeigen zutreffen würden. 
Derartige Fragen sollten von Zeit zu Zeit in der Armee be⸗ 
prochen werden. gez. v. Heeringen. 
Welch merkwürdige Anschauung über die Rechte und Pflichten 
es Parlaments! Der Offizier hat das Recht, sich mit berechtigten 
dlagen auch an einen Parlamentarier zu wenden. „In welche 
Ztellung wird das deutsche Parlament gedrängt! Soll es nur 
ie Ehre haben, Milliarden für die Armee zu bewilligen, ist es 
icht eine Art Provolation des Parlaments, daß man zu derselben 
Jeit, wo man dem Volke neue große Lasten auferlegt, die Geltend⸗ 
nachung des primitivsten Informationsrechts des Rarlameuts ats 
ine Disziplinlosigkeit verhindern will? Hier handelt es sich nicht 
im Parteifragen, sondern itm große Fragen, die die Armee in 
hrer Gesamtheit und damit das ganze deutsche Volk angehen. 
Wie oft wird der Vorwurf gegen uns erhoben, wir verständen 
on militärischen, Fragen gar nichts. Woher sollen wir denn 
insere Informationen nehmen? Kann denn die Armee solche 
nformationen nicht ertragen? Wenn wir die Namen nennten, 
dwiirden diese Offiziere — es ist ja das ein Hohn auf ein mo— 
ernes Disziplinarrecht — einfach kassiert werden. Der Direk⸗ 
or der Kriegsakademie, ich glaube, es war General 
Manteuffel, hat an die Mitteilung des Ministerialerlasses die 
zjemerkung geknüpft, er wolle hoffen, daß der Abgeordnete 
m Reichstage nicht die Wahrheit gefagt habe; wenn 
och, so, waͤre es eine Schmach fiir das OHifizierkarvs 
)Riese versteckte Insinuation weife ich entschieden zurück, ebenso die 
merhörte Veleidigung des Parlaments, als wäre es eine Schmach 
ir einen Offizier, sich an das Parlament zu wenden. (Sehr auf! 
inks) Herr v. Einem, dessen ritterlichen Sinn wir ftets 
aben, hat gesagt, daß wir mit unserer Kritik der dies daetaum 
len.“ Wir haben einzig und allein die Zukunft der Armee un 
Auge, wenn wir diese ungenügenden rechtspolitischen Verhältnisse in 
inserer Armee kritfisseren. Denselben Zweck verfolgt auch unser 
etziger Antrag. Er enthält eigentlich selbstverständliches, und ich 
egreife nicht, weshalb die Militärverwaltung sich zu solchen Kon— 
essionen nicht vichen wilte Die gesamte Prefse, mit Ausnahme 
er Rechten, interessiert sich vßt für diese Fragen, und in der Täg— 
ichen Runbschau und, der Rheinisch-Wesifälischen Zeitung sind be— 
jettenswerte Artikel über die Bevorzugung des Adels in 
er Ärmee erschienen. 1908 und, 1909 haben wir nachgewiesen, daß 
on 252 Generalfiabsoffizieren 155 adelig und 97 bürgerlich waren 
er lJetzte Kriegsminister hat scharf hervorgehoben, daß er in der 
obilisserung der Armee eine große Gefahr sehe. Es sind jetzt aller— 
ugs einige Konzessions-Schultzes in die Garde eingestellt worden. 
—D—— Aber die 
ache wird nicht andauern. Der preußische Adel ist stärker als der 
kriegsminister, der Reichskanzler und der Kaiser selbst. Wir haben 
je großen Verdienste des preußischen Adels um die Armee stets 
nerkannt; aber aus diesen Verdiensten kann man nicht einen Grund 
erlenen, die Bürgerlichen zurüchzuweisen. Wir wollen nicht wieder 
den Zuftänden von 1830 bis 1887 zurücgkommen. Vor dem 
riege gab es noch viele bürgerliche Offiziere. Wie ve es mit der 
amilie und Kameradschaftin Offizierskreisen aus? 
die Schlesische Schul-Zeitung hat neulich berichtet, daß ei 
ompagnieches, der während eines Mandbeets mit esinem Seminar-⸗ 
hrer in Quartier lag, gebeten hat, von seiner Teilnahme an einem 
diner abzusehen, weil ex mit einem Seminarlehrer nicht an einem 
tische sitzen könne. (Lebhafter Widerspruch — Ich bin bereit, 
em Kriegsminister das Material zu überweisen. Zuruf des 
driegsministers.) Der Kriegsminister kennt es. Dann wäre 
he ihm dankbar, wenn er im Interesse der Lehrerschaft diese Mit— 
eiluuig dementieren könnte In Bezug anf, die Rechtsverhältnisse 
i Heere haben wir nur Rückschritte zu verzeicknA. JZu einer Reihe 
on, Fällen sind unter den nichtigsten Wo— en ausgezeichnet 
ualifizierte jüdissche Offiziers-Aspiranten zurückgesetzt 
horden. Eln Aspirant wurde zurückgesetzt wegen mangelnder Zu⸗ 
ückhallumg gegenuͤber einem Offizier. Ver Aspirant hat bis heute 
uicht was darunter zu berstehen ist. Die Armnee ist mich 
azu da, konsessionelle Proselylenmacherei zu treiben. (Sehr richtig!) 
diese Negt darin, daß man Linen Unterschied macht zwischen Juden, 
ie sich taufen lassen, und solchen, die sich nicht en lassen. 
die neiugefchränkte Kommandogewalt bei Beförderung und Ver⸗ 
bschiedung der Offiziere muß beseitigt werden. Das Militär— 
trafrescht entspricht nicht mehr den modernen Anschauungen, 
hdie Kriminglstatiftik beweist dies. Die Siguatur des Militär⸗ 
frafrechts ist: drakonische Strafe für Untergebene, viel zu leichte 
Arafen für Vorgesetzte, die sich an Untergebenen vergehen. Heute 
ud die Ehrenderichte nichts als gutachtliche Behörden, die 
itscheidung, erfolgt von seiten des Kabinetts, wir verlangen, 
aß fie wirklich Recht sprechen, ihre Reform isft dringend nötig, 
Anftlaärung erfordert das aufsehenerregende Abschiedsgesuch des 
hrasen Wartensleben und die Verabschiedung des Chefredakteurs 
8Hannoverschen Couriers Dr. Jänecke, weil er Maximilian 
zarden empfangen hat. Hätte er auch seinen Abschied bekom—⸗ 
den, wäre Fürft Eulenburg bei ihm abgestiegen? (Sehr aut!) 
inser kultures hochstehendes Heer verlangt auch verstärkte Rechts⸗ 
sarantien und ein Losreißen von der einseitigen Ansicht, daß die 
Umee nur ein perfoönliches Werkzeug eines noch so wohlmeinenden 
utotratifchen Herrschers ist. Was wir verlangen, entspricht nicht 
iur der Verfassung, sondern auch der Tradition der Armee. 
Beifall.) 
Preußischer Kriegsminister v. Heeringen: Ich stimme ganz 
mit dem Vorredner dahin überein, daß unser deutsches Volksheer 
n er derechten Grundlage auigebaut werden muß, aber über 
en Weg, auf dem dieses zu erreichen ist, wird schwerlich eine 
debereinstimmung exrreicht werden können. Unser Fiel ist: die 
inbedingte Festhaltung der Disziplin, der un— 
edinngie Gehorsam im Heere, denn wir mögen unser Heer noch 
o hut vbewaffnen, wir mögen es mit noch so guten Führern ver⸗ 
ehen, ohne Disziplin in der Armee wird sie memals das leisten, 
as sie eisten mußß. Cebhafte Zustimmung rechts); eine nicht 
ilinie e Arcmes Nieinen Fiennig wert. Erueute Zustim⸗ 
nung rechts). Also über das Ziel werden wir uns wahrscheinlich 
inigen, über den Weg aber, auf bem es zu erreichen ist, nicht. 
der Abgeordnete Erzberger hat gefragt, wann die Verein— 
huüntommiffsione mit hren, Arbeiten 3u Ende 
ein wirdee Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die Arbeiten 
der Kommission 1011 so weit beendet fein werden, daß man 
an da lige Material schöpfen könne, wann aber die Denk⸗ 
hrift vorgelegt werden könnte, kann ich zur Zeit nicht angeben. 
der Abg. Erzverger ist dann auf die Fremdenlegion, zu 
echen hekommen; auch wir wünschen, daß nach dieser Richtung 
noͤgchste Auftlarung eintrete. Die Vorausseßung aber dafür 
ste“ daß uns vor allen Dingen auch die Presse darin 
erfiagt. Wir erieben es aber, daßz die Fremden⸗ 
egion in einem Teil der Presse geradezu verherrlicht wird. 
das muß öͤffentlich guf das scharfste gegeißelt werden. e 
zuftimmung.) Es ist dann von Konftrollpersamm ungen 
esprochen worden. Die Erhebungen darüber sind noch nicht voͤllig 
zu Eude gekommen. Ich glaube in Anbetracht der Grüůnde, die für 
en Fall der Mobilmachung von verantwortlicher Stelle angeführt 
vorden sind, daß es kaum möglich sein wird, die Frühjahrskontroll⸗ 
erfammlungen in Wegfall zu bringen. Eins aber kann ich gewiß 
uͤsagen, wir werden versuchen, fie det Bevöllerung tunlichst zu erleich⸗ 
rnwWir werden auch erwägen, ob wir nicht diejenigen dispensieren 
zunen, die vorher eine militärische Uebung gemacht haben. Auch 
dollen wir in Bezug auf die Kontrollbezirke eine Erleichterung ein⸗ 
reben lassen. Eine weiteve Frage bezog fich auf die Waffen, 
reise. Diese Frage ist in der ien eingehend behandelt 
brden. Ich habe vort gauseinandergesetzt, warum eine Geheim 
alung der Preise mit Rüchsicht auf die Industtie bestehe. Es ist 
ier wogen worden, wie weit wir in Zukunft mit Mitte ilungen 
in die Oeffentlichkeit weitergehen können Die Preise der Maschimen⸗ 
ewehre find bereits zurückgegangen. Wir machen sie jetzt in unserer 
genen Fabrik in Spandau. Bei den Waffenlieferungen handelt es 
ch in erster Linie darum, daß die Preise angemessen und die Liefe⸗ 
ungen gut sind. Im Mobilmachungsfalle find wir auf die Industrie 
mngewiesen, deshalb müssen wir sie uns fichern. Die Preise werden 
ucch die militärischen Fabrilen kontrolliert. Schmerzlich für mich 
stes, die Forderung für die erhöhten Mannschafts! öhne 
uücht einstellen zu bönnen, protestieren muß ich dagegen. daß, Herr 
Noßke die Mannschafisloöhne als ein Ausspielen der Mannschaften 
gegen ihre Vorgesetzten hinstellte. (Bravo! rechts.) Im Pensions⸗ 
vads sind die Rannschaftspensionen wesenslich mehr angewachsen, 
⸗ die fuͤr die Offiziere Daß Herr Noske mich nicht hat loben kän⸗ 
en, ist' mir schmeichelhaft. (Btavo! vrechts.) Dazu sind unsere 
Jrundanschauungen zu verschieden, ein Hintansetzen der Partei soll 
uͤcht darin liegen. Die Juge,.n derziehung in Körperübungen 
ind Sport ist die wichtigsie Aufgabe des Sigates. Eine Verkürzung 
er Dienftzeit für derartige Mannschaften ist nicht angängig, da fie mit 
ur Ausbildung benötigt werden. Wir brauchen auch Unterführer, 
eshalb sind wir darauf hinaus, selbständig denkende Menschen in der 
Armee zu erziehen. (Lachen b. d. Soz.) Bei der Infanterie ist die 
weisaͤhrige Dienstzeit und bei den berittenen Truppen die dreijährige 
sohvendig. Das ist nötig, um die Soldaten so auszubilden, wie der 
xruftfall es erfordert. Der Abg. Nos!e hat eine Rede des Kaisers in 
hßotédam angeführt, in der er eine Bevorzugung der Garde 
inden wollte. Soll der Kaiser anders sprechen, wenn er an die 
harde sich wendet. glauben Sie, daß ich anders gesprochen habe, 
venn ich au mein Kegiment sprach? Ist es nicht ganz natürlich. daß 
ch die Leute, die ich vor mir habe, auf die Vorzüge ihrer Stellung 
nweise und einen, gesunden Regimentspatriotismus in ihnen er— 
vecke? Nur derjenige, der auf Lein Regiment stolz ist, der seine 
Truppe hoch häht, ist' cin guter Soldat innd wird auch in schweren 
Zeiten durchhalten. (Lebhaster Beifall) Das DueltGolßund 
Braf Wartenslebe,u ist mir nicht bekannt. Ich habe davon 
jur in den Zeitungen gelesen; die Aklen liegen mir nicht vor. Ein 
veneralleutnant Graf Wartenslehen exrifliert nicht. Der in Vetrach' 
ommende Graf Wartensleben ist Landrat gewesen. (Zustimmuns 
echts.) Aber ich kann dargauf jetzt noch nicht eingelhen. Der Tor 
n der Armee ist, wie der Auddruck „Lümmel“ zeigt, viellsicht viel— 
ach kein angenehmer (Heiterkeit); jedenfalls muß ich aber enticrie⸗ 
en dagegen Verwabrung einlegen, daß wir, wie der Auc Nooke 
agt, unsere SDoldalen schlimmer wie die Hunde behandelten, das is 
sücht der Fall. (Widerfspruch und Unrilhe b. d. Soz. Lebhaiter 
eifall rechts.) 
Es ist nicht so einfach, schon aus dem Grunude, weil wir volltom— 
Nen davon überzeugk sind, daß wir nur mit willigen Soldaten
	        
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