Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

allein genügen, um es zu rechtfertigen, daß liberale Blätter sich 
mit dem Modernisteneid befassen. Zu den politischen Wir— 
kungen gehört — ganz abgesehen von der Frage, welche Folgen 
für den Staat aus dem Modernisteneid sich ergeben — vor 
allem die Verschärfung des konfessionellen Ge— 
gensatzes. Hätte sich die Zentrumspresse hierüber im Zweifel 
hbefunden, so müßte ste aus der Haltungl des konservativen 
Reichsboten eines anderen belehrt sein. Wenn selbst dieses 
konserbative Blatt aus der neuen römischen Gewissensverge⸗ 
waltigung den Schluß zieht, daß die katholische Kirche 
und das Zentrumstaatsgefährlicher seien als 
die Sozialdemokratie, dann sollte der liberalen Presse 
das Recht, die Methode der Hierarchie zu kritisieren, von leinem 
Zentrumsblatte bestritten werden. Zumal die K. Va3., die 
bereits die Reichsstagswahlen „ganz unter dem Zeichen des 
konfessionellen Hetze“ stehen sieht, müßte ihre Neigung, die 
liherale Presse mundtot zu machen, nicht laut werden lassen. 
Das rheinische Zentrumsblatt hat hierzu auch aus dem Grunde 
nicht die kleinste Befugnis, weil es selbst seit Jahren Ange⸗ 
legenheiten der protestantischen Kirche auf Grund von 
Betrachtungen protestantisch-kirchlicher Zeitschriften regelmäßig 
vor sein Forum zieht. Die Köln. Volksztg. wäre auf ihren 
dreisten Einschüchterungsversuch vermutlich kaum verfallen, wenn 
nicht die Besorgnis, daß die Modernismusfrage dem kleri⸗ 
kalen Parteiinteresse Schaden zufüügen könne, ihr einen „lühnen 
Griff“ als geboten hätte erscheinen lassen. Erfolg jedoch wird 
das rheinische Zentrumsblatt damit auch dann nicht haben, wenn 
es seine Tonart dem Stil der Borromäusenzyklika noch viel 
ähnlicher gestaltet. 
Ein lehrreiches Beispiel der unehrlichen und gewissenlosen 
Kampfesweise der Soziapemokratie bietet der Ausgang des 
Streiks in der Pforzheimer Edelmetall⸗-Industrie. Der 
Pforzheimer Anzeiger stellt dem sozialdemokratischen Streik— 
ieiter Vorhölzer folgendes Zeugnis aus: „SHerr Vorhölzer 
war zweifelsohne bereit, die Streilenden auf Gnade und 
Ungnade auszuliefern. Leichtsinnig hatte er die Ar—⸗ 
beiter in den Streik hineingesührt zu einer Zeit, wo v om 
ersten Tage an keine Aussicht auf Sieg war, denn 
die Hochsaison war eben vorüber; leichtsinnig über— 
ließ er sie jetzt ihrem Schicksal, ganz wie seiner— 
zeit beim Strebelwerk in Mannheim. Er hatte den Mut 
ganz und gar verloren. Das wurde auch durch die un—⸗ 
finnig verworrene Abkassung des Stimmzettels be— 
wiesen. der den Arbeitern vorgelegt wurde.“ Infolge dieser 
unehrlichen Haltung des Streikleiters und seiner offenbaren 
Unfähigteit haben, wie gemeldet wird, zahlreiche Arbeiter ihren 
Austritt aus dem sozialdemokratischen Verbande erklärt. Tat⸗ 
sächlich hat der Lohnkampf mit einer völligen Niederlage des 
sozialdemokratischen Metallarbeiterverbandes geendet. Aber 
größer noch ist die moralische Niederlage der Sozialdemokratie 
denn an einem eklatanten Beispiel ist in diesem Falle der 
deutschen Arbeiterschaft zum Bewußtsein gebracht worden, wie 
ihre Interessen ohne jedes Bedenken preisgegeben werden, 
wenn ein sogenannter Vertrauensmann sich einmal in den Kopf 
gesetzt hat, einen Vorstoß gegen das Unternehmerkum auszu⸗ 
fülhren und die Arbeitgeber die Macht einer sozialdemokra⸗ 
Organisation fühlen zu lassen. (Siehe auch den Leit⸗ 
artikel) 
Oeste rre ich⸗ Ungarn. 
W. Das Befinden des Kaisers ist ausgezeichnet. Der 
Kaiser dürfte in den ersten Tagen der nächsten Woche die ge— 
wohnten Fahrten von Schönbrunn nach der Horburg aufnehmen. 
(Tel.) 
Ruland. 
WV. Das frühere Mitglied der französischen Kammer, 
Doumet, ist in Petersburg eingetroffen, um die Erri chtung 
eines französischen Instituts in Angriff zu 
nehmen, das gewissermaßen eine Dochteranstalt der Uni⸗ 
dersitäten in Paris und Nancy darstellen soll Die 
aussuche Regierung sicherte dem Plane ihre Unterstützung zu. 
Ddoumer wurde vomn Kaiser in Audienz empfangen. 
W. Die Wahlen zum finnischen Landtag hatten 
folgendes Ergebnis: Sozialdemokraten 27 2856, Altfinnen 
17 134, Jungfinnen 13 544. Shweden 10337 und Agrarier 3579 
Stimmen. (Tel.) 
Portugal. 
Der Prätendent von Vortugal, Herzog Miguel von Bra⸗ 
ganza, sagte zu dem Wiener Vertreter der Wiener Neuen Freien 
Presse, er hoffe, es werde in Portugal soweit kommen, daß er 
ur Rettung des Landes berufen werde. Er würde 
iich ĩn dresem Falle seiner Pflicht nicht entziehen. Würde König 
Manuel zugänglicher gewesen sein, so wäre es nicht so weit ge— 
temmen. Als die ersten Anzeichen der Revolution zutage traten, 
habe er zum Schutze des Königs an seiner Seite weilen wollen. 
der König habe dies aber abgelehnt, da er dazu die Erlaubnis 
des Parlaments und der Regierung haben müsse. Gegenwärtig 
sei neues Leben in die Partei des Serzogs gekommen. In allen 
Provinzen rühre es sich — Demgegenüber ist man nach Vrivat⸗ 
nachrichten, die aus Varis in Lissabon dort eingetroffen sind, 
dort jetzt davon überzeugt, daß den französischen Alarm— 
nachrichten über die Zustände in Portugal ein frivolbes 
Börsenmansöver zugrunde lag, um gewissen Elementen das 
Fischen im Trüben zu ermöglichen. Die Meldungen dürften zum 
garößten Teil auf bezahlte Arbeit von Royalisten zurück⸗ 
zuführen sein. Die letzten Dekrete der Regierung, Verminderung 
der Okltroi-Abgaben in Höhe von 500 Kontos, Aufhebung des 
Zolles auf gefrorenes Fleisch und Herabsetzung der Konsumge⸗ 
hühren hierfür machen einen vorzüglichen Eindruck. Die Groß⸗ 
finanz ist nach wie vor bereit, der Regierung jeden nötigen Kredit 
zu gewähren. so daß von Geldnot nichts zu merken ist. 
des cx Lronprinzen Weltreise. 
Non Vaul Lindenbers« 
Machdrudk verboten.) 
Mit einer Fuͤlle großer und mannigfaltiger Eindrücke wird 
das Kronprinzenpaar Ceylon verlassen haben. Konnte bei dem 
lurzen Aufenthalt auch nicht all das Fesselnde der Insel besichtigt 
werden, so war doch dafür gesorgt, dah das Kronprinzenpaar 
die interessantesten Stätten besuchte und lehrreiche Einblicke 
erhielt in das Leben und Treiben der eingeborenen Vevöllerung. 
Die Waldungen, die noch wilde Elefanten, ferner Bären und 
Leoparden bergen, lockten den Kronprinzen zu verschiedenen 
Jagdausflügen, allerdings kamen dabei nur Elefanten, Elche 
und Wildschweine in Betracht. Die Elefanten lernte das 
Kronprinzenpaar auch in gezähmtem Zustande kennen und 
hatte mehrfach Gelegenheit, die Kraft und Klugheit der Rüssel⸗ 
iere bei Bewältigung der verschiedensten Arbeiten zu 
dewundern. 
Die Beutegier der Eingeborenen wie die Jagdlust der Euro—⸗ 
zäer haben tüchtig unter dem Elefantenbestande der Insel auf⸗ 
zeräumt. Seit einiger Zeit sind deshalb strenge Schutzgesetze 
ꝛrlassen. Trotzdem wird leider der Tag kommen, an welchen 
zie Elefanten g änzlich von der Insel verschwunden sein werden 
die Eingeborenen fangen sie mittelst Fallen, die aus starken 
Kokosbäumen in dreieckiger Form gebaut sind. In dem einen 
Winkel ist eine schmale Oeffnung, durch die nur ein Elefant 
auf einmal gehen und die durch mit Stricken fest verbundene 
Pfähle verschlossen werden kann. Tausende von lärmenden 
Treibern scheuchen die Tiere auß, schrecken sie mit Fackeln 
ind treiben sie der Falle zu, in der man oft mehr als 
zundert fängt. Sie werden dann einzeln herausgelassen und 
nit starken Seilen an zahme Elesanten gebunden, die ihnen 
ede Ungebärdigkeit schnell abgewöhnen. 
Die Kronprinzessin besuchte die Ueberreste der uralten 
dauptstadt Ceylons, Anuradhapura, die im sfünften Jahr— 
hundert v. Ehr. schon in groher Blüte stand, damn, durch 
seindliche Ueberfälle verwüstet, vom Urwald verschlungen wurde, 
his im Jahre 1872 die Engländer einen Teil der Vauwerke 
reilegten. Aus diesen ersieht man, wie umfangreich und 
zrächtig einst die Stadt gewesen sein muß mit ihren säulen⸗ 
getragenen, mehrere Stockwerke ausweisenden Palästen, mit ihren 
Klöstern, welche die seltensten Heiligtümer bargen, mit ihren 
ßädern und Trinkhallen. 
Die letzten Tage verbrachte das Kronprinzenpaar in Kandy. 
Nach allen Richtungen hin kann man die herrliche Umgebung 
es reizend gelegenen Ortes durchstreifen, immer werden die 
Findrüce gleich starke und bezaubernde sein. Am schönsten im 
Dumbratal, durch das mit raschem Gefäll der Mahawlistrom 
lieht. Stundenlang ziehen sich Kakaoplantagen entlang; ihre 
»aumartigen Sträucher sind mit Früchten, die direft am Stamm 
zängen, reich gesegnet. Anr Wege gelegentlich ein kleines 
Singhalesendorf mit ärmlichen Hütten, dann wieder der schwei— 
sende Wald oder der von riesigen Bambusbüschen und Farn⸗ 
räãutern e ingesaumte Strom, während in der Ferne unter der 
tets schärfer hervortretenden Bergen sich der Adams⸗Pik macht⸗ 
voll erhebt. 
Längs der sehr sorgsam gehaltenen Straßen trifft man ir 
hestimmten Entfernungen Rasthäuser an, in deren einem auch 
as Kronprinzenpaar während eines Jagdausfluges geweilt 
diese von der Regierung unterhaltenen Unterkunfisstätten, welch 
ber die ganze Insel verstreut sind, gewähren dem Reisenden 
DObdach und Erquickung, beides zu einheitlich festgesetzten Be⸗ 
rägen, die in dem die Mitte des Häuschens einnehmenden 
ckzimmer und in den Schlafgemächern angeschlagen sind. Alles 
st sauber und freundlich, gut und ansprechend, und die fsin⸗ 
thalesischen Wirtinnen bedienen liebenswürdig und gewandt 
Die Preise sind sehr billig: eine kleinere Rast kostet 12, 
in Tag 30, Tag und Nacht 70 Pfennig usw.; in gleich be— 
cheidenen Grenzen halten sich die Beträge für Speisen und 
Hetränke. 
Bei derartigen Ausflügen konnte das Kronprinzenpaar am 
zesten beobachten, was die Engländer für Ceylon getan, in 
„essen einzelne Verwaltungszweige auch tüchtige einheimische 
dräfte aufgenommen sind. Straßen in Länge von Aber 2000 
nglischen Meilen durchziehen die Insel, und jeder Eingeborene, 
»er zwischen 18 und 55 Jahre alt ist, muß äährlich sechs 
Tage am Bau und der Erhaltung der öffentlichen Wege tätig 
ein. Die Hauptpunkte des Eilandes sind bequem mit der 
Bahn zu erreichen, der Telegraph reicht fast überall hin, 
und mehr als 300 Postämter vermitteln den regen Brief— 
wechsel; in gutem Zustand befindet sich das Schulwesen, es 
fehlt nicht an öffentlichen Hospitälern, die Sicherheit ist 
Aüberall eine große. 
Heer und Flotte. 
W. Berlin, 6. Jan. Reichspostdampfer „Lützow“ mit dem 
kransport der vom Kreuzergeschwader abgelösten Offiziere und 
Mannschaften ist auf der Heimreise am 5. Jan. in Southampton 
ingetroffen und hat am 65. Jan. die Reise nach Antwerpen 
ortgeset. Reichspostdampfer Derfflinger“ mit dem Rekruten— 
ronsrort für die Marinefeldbatterie-in Tsingtau iist auf der 
Austeise am 6. Januar in Penang (Halbinsel Malakla) ein 
zetroffen und hat am 6. Jan. die Reise nach Singapore fort— 
gesehzt. „Scharnhorst“ ist am 6. Jan. von Saigon in Sed 
gegengen. „Augsburg“ ist am 5. Jan. in Danzig⸗Neufahr 
rasser eingetroffen 
Neueste Nachrichten und Celegramme. 
W. Berlin, 6. Jan. Der Kaiser begab sich heute vor—⸗ 
mittoqg auf einige Toge nach Hubertusstock. 
Wt. Berlin, 6. Jan. Das Statistische Amt Berlins stellte 
zie Ergebnisse der Volkszählung für Berlin und 
ie 67 BVororte mit denen von 1905 zusammen. Danach 
eträgt die Einwohnerzahl Berlins und der 67 Vororte am 
Dezember 1910: 3702 962 gegen 3210 447. Das bedeutet 
ine Zunahme von 492515 gleich 15,834 Prozent. In Berlin 
lein beträgt die Einwohnerzahl 2064 153 gegen 2040 148 im 
dezember 1905, das bedeutet eine Zunahme von 24 005 gleich 1,18 
Brezent, für die 67 Vororte allein 1638 809 gegen 1170 299 im 
Dezember 19005, das ist eine Zunahme von 460510 gleich 4002 
Brozent 
WVr. Straßhurg (Elsaß), 6. Jan. Von einer Auswei⸗ 
ung der Herren de Wendel aus Elsaß⸗Lothringen, von der 
in der Presse berichtet wurde, ist in Straßburger amtlichen 
Kreisen absolut nichts bekannt. Die Herren haben nach den 
n Eisaß⸗Lothringen bestehenden Vorschriften als Emigranten für 
den Aufenthalt im Lande eine Erlaubnis des Ministeriums nöotig, 
welche ihnen bisher oiährlich in beschränktem Umfange er— 
teint wurde. Für das Jahr 1011 ist ein solcher Antrag der 
derren de Wendel nicht eingegangen. Voraussichtlich wird ihm 
mie in früheren Jahren entsprochen. 
W. Malaga, 6. Jan. König Alfons und Ministerpräsi— 
dent Canalejas sind heute vormittag hier eingetroffen. Der 
König wurde lebhaft begrüßt. 
W. Buchara, 6. Jan. Der verstorbene Emir war an—⸗ 
geblich bereits einige Tage krank, was jedoch streng geheim ge—⸗ 
haltten wurde. Sein Tod erfoigte an einer Nierenkrankheit. 
die Beifetzung erfolgte in Kermine, dem beständigen Aufent⸗ 
haltsott des Verstorbenen. 
Wit. Veking, 6. Jan. Ein kaiserliches Edikt genehmigte das 
Abschiedsgesuch des Präsidenten des Verkehrsministeriums, 
Tana⸗-shao⸗yi wegen andauernder Krankheit. Sheng⸗ 
lung⸗pao, der bisherige Vizepräsident dieses Ministeriums, 
rurde zum stellvertretenden Präsidenten ernannk. Lord Li— 
hinge⸗son, früher chinesischer Gesandter in England, wird stell⸗ 
zertretender erster Vizepräsident als Nachfo her von Sheng-yun⸗ 
zei, dem das Amt der Perfonalangelegenheiten übertragen wurde. 
Wuyu⸗sheng, fruüher stellvertretender Großsekretär, folgt 
Sheng-kung-⸗paro im Amt noch. Man bedauert allgemein den 
nüͤdtrun Toang shao-yiss und hält die Veränderungen flr sehr 
bedeutungsvoll. Man nimmt an, daß der neue Beamtenstad 
eine entschiedenere Haltung in der Frage der Eisenbahnanleihen 
einnehnen wird. 
Wr. Newyork, 6. Jan. Wie die Newyork Tribune au— 
Washingtor meldet, haben die Unterhandlungen zum Abschluß 
eines allee umfassendenenglisch-amerikanischen Schied— 
gerichtsvertrages im Sinne der jüngsten Friedensrede de 
Präsidenten Taft begonnen. 
Die neue Fernsprechgebühren⸗Ordnung. 
Berliu, 6. Jan. Zu dem Entwurf der neuen Fernsprech 
gebuhrenordnung teilt die Nordd. Allg. Ztg. gegenüber den un 
richtigen durch die Presse hervorgerusenen Auffassungen mit 
Die Vorlage bringt durchweg eine Ermähigung der Grundgebüh 
uim 10 Mark jährlich für sämtliche Netze. Ferner ist die Gesprächs 
jehühr überalli von 5 Pfg. auf 4 Pfg. herabgesetzt. De— 
weiteren wird nicht mehr verlangt, daß jeder der Grundgebühren 
teilnehmer jährlich mindestens 20 Mefür 400 Ortsgespräche zah 
len mußß. Darüber hinaus führte die Budgetkommission, um ein 
1Agekürzte Sichzählung zu ermöglichen, eine gestaffelte Pausch 
zebühr ein, die einen sich steigernden Rabatt gewährt. Da 
durch tritt bei voller Ausnutzung eine weitere Herabsetzung de 
Gesrrächsgebühren bis auf 3 Pfg. in der letzten Staffel ein 
Trotzdem wird für die den telephonischen Ortsverkehr stark be 
rutzenden Teilnehmer eine Erhöhung der jährlich zahlbaren Ver 
rũtunq eintreten, die in Anbetracht der großen Inanspruchnahm— 
der Einrichtung als unbillig nicht bezeichnet werden kann. Vor 
zesonderer Bedeutung endlich ist, daß die Gebühr für Fern 
gespräche bei Entfernungen bis zu 20 Kilometer um 10 Pfa 
herabgesetzt werden soll. Der Entwurf ist also nicht verkehr⸗ 
eindlich gerade das Gegenteil ist der Fall. Die für den Mitte 
stand in der Presse angeführten Gesprächszahlen gehen we 
über die amtlich ermittelten Durchschnittszahlen hinaus. Da 
die Vorlage auf eine Bevorzugung des flachen Landes vor der 
Städten hinauslaufe, ist ganz unrichtig. Nach den amtliche! 
Erhebungen werden mindestens 66 Prozent aller Teilnehme— 
eine Gebührenermähßigung erfahren. TDavon kommen 80 Pro 
zent auf die Netze in den mittleren und gröhßeren Städten und nu 
20 Prozent entfallen auf kleinere Vermittelungsanstalten mi— 
weniger als hundert Stellen. 
i. Berlin, 6. Jan. Im Prozeß gegen den Fahnenijunke 
Viebbahn, der wegen Erschiekung eines Mannes auf der 
Wache sich vor dem Kriegsgericht zu verantworten hatte, bean 
tragte der Anklagevertreter, drei Monate und einen Tag Ge 
fännnis. Der Gerichtshof sprach den Angeklaaten frei, in de 
Annohme, der Angeklagte sei der Meinung gewesen, der Manß 
wolle ihn angreifen und er befinde sich in Notwehr. 
We Braunschweig, 6. Jan. Zu den jüngsten Vorkomm 
nissen im Softheater veröffentlichen die Braunschweigischen 
Anzeigen eine Erklärung der Sos⸗ und Oberhofämter, aus der 
herrorgeht, daß die Pensionierung des Hoflapellmeisters Rie— 
del mit seinem Streit mit der Hofopernsängerin Röder nicht: 
u tun hat, vielmehr mit Rüchsicht auf das hohe Alter Riedel⸗ 
ind das Fortschreiten der Leistungen der Oper eine jüngere Hilfs 
lraft diesem beigegeben werden lollte, Weiter besagt die Erklãrung, 
zaßßz der Entschluß, das Engagement der Sängerin Röder nicht da 
erneuern. bereits vor dem Bekanntwerden der gegenseitigen Klo⸗ 
gen gefaßr war. Die Ausführung der eventuelt in Erwͤgunc 
gezogenen Pensionierung Riedels werde lediglich beschleunigt duro 
die Begleitumstände, die bei der beigelegten Klage und Wider 
kiage zutage getreten sind. Die schroffe Form des an NRiede 
am 12. Dezember gerichteten Schreibens fällt lediglich dem Ge 
neralinlendanten Freiherrn von Wangenheim zur Last, der dic 
volle Verantwortung dafür durch Einreichung des Pensionieruno« 
gesuches übernommen hat. 
We Braunschweig, 6. Jan. Wie verlautet, wird gege 
das Berliner Montagsblatt wegen Beleidigun« 
des Herzogregenten in einem Artikel, welcher die Vorkomm 
nisse im Hoftheater behandelte, die Majestätsbeleid; 
gungsklage erhoben. 
WM. Vohwinkel, 6. Jan. Nachdem sich die Elberselder Stadt 
veroidneten fur die Eingemeindung Vohwinkels in 
Eiberfeld ausgesprochen haben, beschloß der Gemeinderat vor 
Bohrinkel gestern nach 72stündiger geheimer Sitzung mit * 
gegen 68 Stimmen die Eingemeindung in Elberfeld. 
yye Aachen, 6. Jan. Im Waldhotel wurden heute frül 
fünf Mitglieder der Familie des Pächters Hirsch infolge Gas 
bergiftung betäubt aufgefunden. Sie wurden ins Kran⸗ 
kenhaus gebracht. An ihrem Aufkommen wird gezweifelt. 
W. Oldenzaal, 6. Jan. 800 mittellose Rüdwan de—⸗ 
rer, welche die Uranium Line ohne genügende Subsistenzmitte 
aͤber die holländische Grenze zu bringen verfuchte, wurden polizei 
äch angehalten und an die Linie zurückgeschidt. Es handelt sid 
um jene unkonzessionierte Verbindung zwischen Newyork und Roi 
terdam, die nacheinander die Namen Newyork Continental Lint 
Northwest Transport Line und Uranium Line führte und dere 
Dampfer wiederholt mit Beschlag belegt worden sind. 
We. Paris, 6. Jan. Die Direktion der Siaatseisenbahi 
meacht bekannt, daß der von Paris nach Angers laufende Zu 
heute vormittag in Rambouillet entgleiste. Sechs Personen 
wurden leicht verletzt. Das Hauptgleise war den ganzen Ta— 
über gesperrt. 
Paris, 6. Jan. In Beziers hat nachts zwischen Steue 
beasiten und Schmugglern, die 500 Liter Alkohol einzu 
chmuggeln versuchten, ein hefstiges Handgemenge star 
gesunden. Zwei Beamte wurben durch Revolverschüsse und Stei 
rürfe verwundet. Drei Schmuggler wurden verhaftet. 
London, 6. Jan. Die hiesige Polizei hat sich davon über 
zeugt, daß das Verbrechen von Houndsditch und de 
Kampf in Stepnen nicht zufällige Ereignisse, sondern n 
Joige des Treibens einer grohen organisierten Bande rus! 
scher Terroristen sind. Sie will ermtttelt haben, de 
der engere Kreis dieser Organisation aus 28 Männern un 
ernigen Frauen bestand. Von diesen sind bisher nur drei dure 
Jewallsamen Tod ur“*3dlich gemacht. 
dye Loudon, 6. Jan. Die gesetzliche Totenschau ergab, daß de 
ine 'der Verbrecher in der Sydney⸗Straße dure 
inen Schuß hinter das Ohr geiötet worden ist. Nach Aussag 
des Arztes kann der Verbdrecher die tödliche Verletzung sich nie 
zelbst beigebracht haben. 
Wt. London, 6. Jan. Bei der gesetzlichen Leichenscho 
in der Sydney⸗Street setzte der Vertreter der Krone auseinande⸗ 
daß die von den Verbrechern gebrauchten Waffen eine Schuß 
peite bis 1400 Mieter besessen haben und die Vistolen 
Polizeibeamten eine viel kleinere. Aus diesemn Grunde zog we 
Soldalen heran. Der den Besehl führende Polizeioffiziet 
rärte, er habe die Manuschaften und die Feuerwehr von 
Anräherung au das sreunende Haus adgedalten, da er
	        
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