Full text: Lübeckische Anzeigen 1911 (1911)

Die Laien in der Beritfungsinstanz. Bekanntlich hatte 
die Regierung bei der Abstimmung über die Einführung 
bes Laienelements in die Berufungsinstanz durch den Staats— 
setretär Lisco und einige Tage später durch die Nord⸗ 
deutsche Allg. 3ts. erklären lassen, daß dieser Beschluß des 
Reichstags für sie unannehmbar set und daß sie die ganze 
Strafprozeßordnung eher scheitern lassen würde, ehe sie diesemn 
Beschlutz zustimme. Bei jener Abstimmung hatte, wie ferner 
bekannt sein dürfte, das Zentrum den Ausschlag ge— 
geben, das in seiner großen Mehrheit für den volkstümlichen 
Antrag der fortschrittlichen Volkspartei eingetreten war. Wie 
wir jetzt aus parlamentarischen Kreisen erfahren, hält man 
trotz alledem das Zustandekommen der Strafpro— 
zeßreform fürgesichert, da man, trotz der namentlichen 
Abstimmung, auf einen Umfall des Zentrums in der dritten 
Sesung rechnet. Auf Grund vertraulicher Pourparlers, die 
in den letzten Tagen geführt wurden, soll das Zentrum 
die Ueberzeugung gewonnen haben, daß es der Regierung 
mit ihrer Drohung diesmal ernst ist, und als Regierungs⸗ 
partei will es natürlich das Odium nicht auf sich laden, 
die ganze Reform gefährdet zu haben. In der dritten 
Lesung werde daher die Mehrheit des Zentrums fsür die 
Wiederherstellung der Regierungsvorlage, d. h. für die Elimi— 
nierung der Lalen aus der Berufungsinstanz, stimmen. 
Das Privatbeamtenverficherungsgeseß wird im Bundes⸗ 
rate vorläufig noch nicht zur Beratung gestellt 
werden, da die Absicht vorliegt, zunächst die öoͤffentliche 
Kritik weiter sprechen zu lassen, ehe der Bundesrat seine 
Entschließungen saßt. Da die Interessenten zu einem Teile 
auf dem Standpunkte stehen, daß der Entwurf wohl brauch⸗ 
bare Grundlagen enthält, in seinen Einzelheiten aber noch 
recht reformbedürftig sei, so ist es nicht ausgeschlossen, 
dah nach Rücksprache mit den Interessenten« 
gruppen und den Fraktionen des Reichsstags der Ent— 
wurf erst einer weiteren Bearbeitung unterzogen 
wird, ehe er dem Reichstage zugeht, der ohnedies den 
Entwurf bei dem bisher zutage getretenen Widerspruch 
nit Rücksicht auf seine Geschäftslage kaum noch vor dem 
Zemmer erhedblich fördern könnte. 
Der Entwurf eines Seeunfallgeseßzes wird entgegen den 
früheren Absichten der Regierung dem Reichstag in 
dieser Session nicht mehr zugehen. Man kann 
in diesem Entschluß wohl das Bestreben erblicken, die ohne— 
hin mit wichtigen Vorlagen überreich ausgestattete Taguns 
nicht noch weiter zu belasten. Allerdings hatten die be— 
teiligten Kreise grozßen Wert darauf gelegt, die Vorlage 
noch in dieser Legislaturperiode durchberaten zu sehen, denn 
schon im Jahre 1900 war ein Vorentwurf veröffentlicht 
worden, zu dem alle Interessenten Stellung genommen 
hatten. Der Entwurf ist bekanntlich dazu bestimmt, das 
Gesetz, betr. die Untersuchung von Seeunfällen vom Jakre 
1877, abzuändern. 
Aus führungsinstruktion zum Viehfeuchengeseig. In dem 
Gesetz zur Unterdrückung von Viehseuchen vom Jahre 1809 
ist die Besttimmung enthalten, daß der Bundesrat vor 
Erlatz der Ausfsührungsbestimmungen Vertretungen der be 
teiligten Berufsstände hören soll. Auf Grund dieser Be— 
stimmung ist inzwischen an eine Reihe großer Berufs— 
organisationen, die sich auf das ganze Reichsgebiet erltredcken, 
das Ersuchen ergangen, zu den geplanten Ausführungs— 
oestimmungen Stellung zu nehmen. Der Deutsche Land 
wirtschaftsrat hat dieser Aufforderung bereits entsprochen. 
Die weiteren Gutachten dürften ebenfalls demnächst ein⸗ 
gehen. Die ganze Angelegenheit soll nach Möglichkeit so 
beschleunigt werden, daß der Bundesrat die Ausführungs-⸗ 
justruktion noch vor der Sommerpaule endauültiag feitstellen 
kann. 
Reichstagswahlvorbereitungen. In Medlenbürg⸗ 
Schwerin hat die nationalliberale Parteileitung beschlossen, 
da die mit dem medlenburgischen liberalen Landesverein ge— 
xührten Verhandlungen ergebnislos verlaufen sind, nur Dr. 
Pachnicke zu unterstützen, in allen übrigen Wahlkreisen eigene 
Kandidaten aufzustellen. — Die nationalliberale Partei und 
die fortschrittliche Volkspartei im Reichsstagswahlkreise Elber⸗ 
feld-Barmen nominierten als Kandidaten für die Reichstags⸗ 
wahl für den Wahlkreis Elberfeld-Barmen den nationallibe— 
ralen LNandtaasabgeordneten Dr. Hintzmann-Elberfeld. 
Norwegen. 
WV. Storthingdebatte über die Thronrede. Christiania, 
21. Febr. In der heutigen Storthingdebatte über die Thron⸗ 
ede führte der Minister des Neußern antnegen den Mit— 
— — — ——— 
zurecht, meine Kraft ist bald zu Ende. So ist es gut. Zuerst 
muht du versprechen, über das, was ich dir jetzt sage, zu 
ichweigen. Kannst du das?“ 
„Ich verspreche es, Frau Gräfin.“ 
Die Züge der Kranken verfinsterten sich. 
„Dein Grohvater war meines Sohnes Feind — ich weiß 
nicht, ob ich dir trauen kam, aber mir bleibt keine Wahl, 
und du bist die einzige, der ich vielleicht vertrauen kann“ 
Dorret senkte den Kopf. 
Die stolze Frau, die sie immer gefürchtet, mißachtete sie. 
Was würde fie wohl sagen, wenn sie wuhte. daß sie Timms 
Braut war? 
Dorret fröstelte. 
„Graf Reimar wird heute zurückrwartet,“ begann die 
Fräfin mit schwerer Zunge, „ich habe aber durch einen Zufall, 
»der besser gesagt, durch eine Unvorsichtigkeit von Gräfin 
Fridruns Tienerin erfahren, dak auch Gräfin Fridrun noch 
jeute hier eintrifft.“ 
Dorret schrie leise auf. 
„Sie kommt mit dem Grafen zurück?“ 
Gräfin Lidwina schüttelte ihr graues Haupt. 
„Nein, er ahnt wohl nichts von ihrer Ruckkehr. Sie 
komimt auf Umwegen Übers Watt, heimlich. Niemand soll ihre 
Rüdkehr ahnen. Nur ihre Lisberte hat Fridruns Befehle, die 
ich durch ein fürstliches Geschenk von ihr erforschte. Lisberte 
hat heimlich einen Schlitten in die Stadt bestellen müssen, der 
Fridrun hierher führen soll. Nun weißt du ja selbst, daß 
Undine unter allen Umständen den Grafen sprechen muß, ehe 
Fridrun heimkehrt. Wie ich Fridrun kenne, wird sie das zu 
verhindern wissen. Sie wird Undine das wichtige Dokument, 
das Ebbo Klas Undine anvertraute, und das er zurückgeben 
muß, wenn es Fridrun verlangt, entreißen, und sie wird, wie 
ich vermute, nicht eher ruhen, als bis sie gegen Undine und 
ihren Mann den Schlag geführt hat, zu dem ihre Rachsucht 
sie treibt Daß fie heimlich zurückkehrt, ist mir ein Beweis, 
dah sie Schlimmes im Schilde führt. Sie haßt Undine, und nur, 
um fie zu vernichten und sich an dem Grafen Reimar zu 
ächen, ist sie heimgekehrt. Ihre Rückkehr für heute muß 
IAm seden Vreis verhindert werden. Torref“ 
teilungen ausländischer Blätter aus, daß Norwegen nicht 
gegen den russischen Gesetzentwurß betreffend die Territorial— 
grenze im Weißen Meer Protest einlegte. Der Minister verhält 
sich der Frage gegenüber abwartend. 
Geoßbeitannien. 
W. Beruhguung üher die deutfchen Marineproiekte 
LBondon, 21. Febr. Daily Chronicle sagt in einem Leit— 
artikel, zu der jüngsten Marinedebatte im deutschen Reichstage, 
daß diese Debatte ein gut Teil zur Reinigung der Atmosphäre 
zeitrage und dazu diene, die Aufrechterhaltung der guten 
Beziehungen zwischen beiden Ländern zu erleichtern. Die Aus— 
ührungen des Staatssekretärs v. Tirpitz zeigten England ganz 
senau, was Deutschland beabsichtige und was es nicht beab— 
ichtige, und folglich, was es von England erwarte und was 
einer Ansicht nach Englands gutes Recht sei. Jeder Grund zu 
egenseitigen Beschuldigungen wird dadurch beseitigt. Das 
Blatt fährt fort, daß das deutsche Flottenprogramm, wenn 
s auch einen defensiven Charakter habe, England zwinge, 
ine mächtigere Flotte zu bauen als Deutschland. Es bestehe 
ür keines der beiden Länder irgend ein Grund, über das 
Vorgehen des anderen zu klagen oder ihm feindselige Be— 
veggründe beizumessen. England habe einerseits auch nicht die 
jeringste Veranlassung zu einer Panik, andererseits habe es 
iber auch leinen vernünftigen Grund, die Regierung leicht⸗— 
ertiger Uebertreibungen zu zeihen. 
WM. London, 21. Febr. Unterhaus. Auf die Frage des 
Ldiberalen Mason, ob Deutschland oder dieTürkei Schritte 
internommen hätten, um eine Verständigungmit 
der britkschen Regierung, insbesondere betreffs der 
Baadadbahn zu erreichen, erwiderte Sir Edward 
Grey: Unterredungen Uber die Bagdadbahnfrage haben so 
wohl mit Deutschland als mit der Türkei zu verschiedenen Zeit 
punkten während der letzten Jahre stattgefunden. — Einé 
wettere Anfrage betraf den Bericht über die Mo— 
bilisierung der russischen Truppen an derchine— 
sischen Grenze. Unterstaatssekretär Wood antwortete: Die 
Angelegenheit ist eine, die Rußland und China betrifft. Ich 
bin nicht imstande, den Berichten etwas hinzuzufügen, die 
iber den Zwischenfall veröffentlicht sind. Es finden jetzt 
Verhandlungen zwischen Rußland und China 
tatt. Ich habe keinen Grund zu der Annahme, daß eine be— 
riedigende Beilegung nicht erreicht wird. — Der Premier 
ninister wurde von den Mitgliedern der Regie 
ungspartei und den Nationalisten mit enthu— 
tastischem Beifallempfangen, als er sich erhob, um 
oie Vetobill einzubringen. Die Vetobill ist die gleiche wie die 
in der letzten Session eingebrachte Vorlage. Asquith zog die 
Behauptung ins Lächerliche, daß die Regierung darauf aus— 
nehe, eine despotische Einzelkammer zu errichten. Er be— 
sonte die Dringlichkeit der Vetovorlage, da— 
mit nicht eine fortschrittliche Gesetzgebung ins Stocken gerate 
während des langen mühseligen Verfahrens, die zweite Kammer 
auf eine volkstümliche Bafis zu stellen. 
W. Die irische Vartei und die Krönungsfeier. Lon don 
22. Febr. Die irische Partei faßte gestern eine Resolution, 
n der die Mitglieder bedauerten, aussprechen zu müssen, 
daß die Zeit noch nicht gekommen sei, in welcher sie sich 
⸗ntschließen könnten, gemeinsam mit den übrigen Vertreterr 
der Untertanen des Königs die Krönungsfeier zu begehen 
Inzwischen drückten die Mitglieder ihre herzlichsten Glüc 
wuünsche für König Georg aus, sie seien überzeugt, daß das 
irische Volk den König bei einem Besuche Irlands mit der herz⸗ 
lichsten Gastfreundschaft empfangen würde. 
Trankreich. 
W. Aeußerung des Marineministers über Turbinenschiffe. 
Baris, 22. Febr. In der gestrigen Sitzung erklärte der 
Marineminister bezüglich der Turbinen für Panzerschiffe mit 
18 000 Tonnen, man hätte anfangs damit großen Aerger 
gehabt und die Flügel der Turbinen verkürzen lassen müssen. 
Die Panzerschiffe „Concordet“ und „Voltaire“ würden die 
Versuche wieder aufnehmen. Er sei überzeugt, daß die Tur— 
binen nunmehr gut funktionieren und hoffe, daß sie noch 
vor dem letzten Quartal 1911 in Dienst gestellt werden 
15nten 
Rußland. 
W. Die chinesische Note befriediat. Petersburg, 
21. Febr. Die Antwort Chinas auf die russische Note wurde 
gestern dem russischen Gesandten eingehändigt. Der Inhalt 
31 mie persaoutet. befriedigend 
„Wie könnte ich das, gnädiaste Gräfin?“ 
Die Kranke stöhnte schmerzhaft auf. Das Sprechen wurde 
chr so schwer und ihre Kraft versagte, aber sie mußte zu Ende 
kommen. 1— 
„Du mußt in die Stadt, Dorret, aber niemand darf es 
wissen.“ 
„Es gibt keinen Weg, Frau Gräsin. Alles ist verschneit.“ 
„Ich weiß, du bist eine vortreffliche Skiläuferin. Willst 
du es wagen?“ 
.Was soll ich tun, gnädigste Gräfin?“ 
Foxrfsekung folat.) 
— — 
Theater. Kunst und Wissenschaft. 
Fritz v. Uhde schwer erkranit. Wie aus München gemelder 
vird, ist Fritz v. Uhde plötzlich sehr schwer erkrankt. Sein 
zustand soll lebensgefährlich sein. Prof. Uhde, der vor 
rei Jahren seinen sechzigsten Geburtstag feierte, ist, wie 
veiter berichtet wird, vor ungefähr sechs Jahren an Ma— 
ern erkrankt. Seit dieser Zeit ist er immer kränklich ge— 
vesen. Der Künstler leidet an schwerer Arteriosklerose, und 
ein Befinden hat sich von Tag zu Tag verschlimmert. Der 
Patient nimmt fast keine Nahrung mehr zu sich und liegt häufig 
hewußtlos auf seinem Krankenlager. Es ist leider nur wenio— 
Zßoffnung auf Erhaltung seines Lebens. 
„Der Rosenkavalier“ im Hamburger Stadttheater. VWiit 
Spannung erwartet, ging Dienstag der vielgenannte, fast zu viel 
enannte Rosenkavalier“ im Hamburger Stadttheater in Szene. 
das Werk erschien in einer Aufführung und in einer Aus— 
tattung, die mit der Dresdener Uraufführung an Glanz und 
Zchönheit rivalisierte. Von Jelenko prachtvoll inszeniert, von 
Gustav Brecher meisterlich dirigiert, errang die Oper einen starken 
Erfolg, der nach dem letzten Akt überdies den Charakter einer 
herzlichsten Huldigung an die darstellenden Künstler annahm, 
die wirktlich ausgezeichnete Leistungen geschaffen haben. Von 
hnen sind die Damen Walker (.Rosenkavalier“), Fleischer-Edel 
Miarschallin), Schumann (Sophie), sowie Herr Lohfing (dieser 
als Baron Ochs v. Lerchenau) mit hohem Lob zu bedenken. Den 
N. Die Antwontnote Chinas an Rußland ist in Peking ver 
zssentlicht worden. Obschon sie nicht zugibt, daßß VBa, 
letzungen der Verträge stattgefunden habe, ist sie do, 
in äußerst versöhnlichem Tone gehalten. D 
Note weist darauf hin, daß die jetzt von den Chinese 
erhobenen Zölle, gegen die Rußland Einwendungen ge 
macht, bereits in Krast waren, als die russischen Konsulat, 
errichtet wurden. Die chinesische Regierung verspricht, der 
Beamten weitere Anweisungen über ihre Haltung gegen 
über den russischen Untertanen zu erteilen und gibt de— 
Ansicht Ausdruck, daß alle strittigen Punkte offenbar be 
gelegt werden könnten. 
W. Kein Einmarjsch rufsischer Truppen in Tibet. Die aus 
Schanghai eingegangene Nachricht, russische Truppen seie 
in Tibet eingerücht, wird von der Petersburger Tel⸗— 
graphen-Agentur als plumpe Erfindung bezeichnet. 
Türkei. 
W. Aufstannd im Jemen. Dscheddah, 21. Febr. An 
hänger Said Idris überfielen bei Suda eine Karawane und 
nahmen achtzig Kamele, die mit Lebensmitteln und Munition 
für die Garnison Hadje beladen waren, fort. Eine kleine Ab 
teilung unter dem stellvertretenden Gouverneur von Lohaja 
versuchte, die Karawane zu befreien, wurde aber mit Verlus 
von füunfzig Toten zurückgeschlagen. 
Amerika. 
W. Taft und das Gegenseitigkeitsablommen mit Kanada 
Washington, 21. Febr. Der republikanische Vorsitzende 
der Finanzkommission des Senats, Aldrick, richtete an Präsi 
dent Taft, der für die Bestätigung des Gegenseitigkeitsabkom— 
mens mit Kanada eintritt, ein Schreiben, in dem er erklärt 
dia Mitteilung von der Haltung Tafts in dieser Frage se 
im Senat mit Erstaunen aufgenommen worden, insbesonder⸗ 
unter den alten Republikanern, von denen einige nicht glau 
ben wollten, daß ein Mann, der immer für den Schutz jeder 
Industrie gewesen sei, das Programm des Freihandels mi 
Kanada unterschreiben werde. 
W. Gegen den Schedsgecichtsvertrag zwifchen Amerika 
und Großbritannict. Newyork, 21. Febr. Eine von den 
irischamerikanifschen und deutsch⸗amerikanischen Gesellschaften ab 
gehaltene Versammlung nahm einstimmig einen Beschlußantrac 
an, der gegen den Schiedsgerichtsvertrag zwischen den Vereinig 
ten Staaten und Großbritannien Stellung nimmt, da eine der— 
artige Allianz den Groll der anderen europäischen Mächte 
hervorrufen und die Beziehungen der Vereinigten Staaten 
zu diesen Mächten verschlechtern würde. 
W. Flottenprogramm für 1912. Washington, 21. Febr 
Das Repräsentantenhaus nahm das Flottenbauprogramm füß 
1912 an, das den Bau von zwei Schlachtschiffen, zwei Kohlen⸗ 
dampfern, acht Torpedobootszerstörern und vier Unterseebooten 
vorsieht 
Tagesberi 
agesbericht. 
O Lübeck, 22. Februar 
Die bevorstehenden Ofterzeugnisse der höheren 
Schulen 
werden in Preußen in Zukunft einige bemerkenswerte Ver— 
inderungen aufweisen, die auch für die Lübecker Kreise von 
Interesse sein dürften. So wird durch die neue Dienstanweisung 
für die höheren Schulen angeordnet, daß z. B. ein Zeugu 
jur Fleih nur noch in Ausnahmefällen auf ausdrücklichen Be— 
schluhß der Klassenkonferenz erteilt wird. Ist dies der Jall, 
so wird empfohlen, das Urteil, wie auch das über Betragen 
und Ausmerksamkeit, nicht in dem bisher üblichen kurzen Scheme 
zu geben, sondern in einer Form, aus der die Vor 
züge oder Schwächen des Schülers hervorgehen 
Diese Neuerung dürfte in Eltern- und Lehrerkreisen ungeteilten 
Beifall finden. Ist es doch für den Lehrer oft sehr schwierig 
über den Fleiß eines Schülers ein Urteil zu fällen, das in der 
— 
Dadurch wird der Begabte also von vornherein begünstigt, wäh 
tend der Minderbegabte ssich oft genug bitter gekränkt fühlt 
wenn sein Fleiß im Hinblick auf die mäbige; 
Leistungen geringergewertet wird. als es den Tat 
sachen entspricht 
—Aeéh&&eee—eo — 
X Eine Verfammlung der Kaufmonnschaft findet am Don 
nerstag, dem 9. März, nachmittags 5 Uhr, in der Börse statt 
zur Wahl eines Mitgliedes der Handelskammer an Stelle 
— aus Gefundheitsrücsichten ausgeschiedenen Herrn 8 
RABoaͤarr 
———— x — 
intensivsten Eindruch machten die poetischen Szenen, die Epi— 
soden des Sinnens, der süßen Lyrik, an denen die Musik Straußens 
reich ist und auf denen ihr Wert ruht; wogegen die burlesken 
Szenen mit empfindlichen Längen den Zuschauer berührten. Das 
Haus war ausverkauft, der Beifarl, wie die Hbg. Nacht. be— 
ichten, im Laufe des Abends steigend; zum Schluß konnten die 
Darsteller, Kapellmeister Brecher und Herr Jelenko, oftmale 
dankend auf der Szene erscheinen. — Die Neue Obg. Zts. schreibt 
„Der Rosenkavalier“, diese angebliche „Komödie fin 
Viusik“ von v. Hofmannsthal und Richard Strausb, hat, wenn 
man den geklatschten Beifall allein für beweiskräftig halter 
mag, im Hamburger Stadttheater einen starken Erstauf— 
ührungs-⸗Erfolg gehabt. — Nach dem Sbg. Correspondent war 
der Erfolg nach dem ersten Akt lau — er steigerte sich nach den 
weiten zu einem regelrechten Aktschlußerfolg, während der Bei 
fall nach dem dritten Akt nur und ausschließlich den DTarstellern 
dem Kapellmeister und dem Regisseur galt. die allesamt un 
zähligen Hervorrufen folgen mußten. 
Caruso⸗Pafcha. Dem B. L.A. wird geschrieben: „Caruso⸗ 
Gastspielvertrag, der vor kurzem mit der Wiener Hosope 
ustande gekommen ist, enthält eine Reihe von eigen 
rrtigen Sonderbestimmungen, die einem anderen 
Künstler so leicht nicht zugebilligt werden dürften. Se 
ist es ihm gestattet, auf der Bühne bis zum Aufgehen 
des Vorhanges zu rauchen. Ein Feuerwehrmann befinde“ 
iich ständig hinter dem Sänger, um im gegebenen Augen 
dlick den Zigarettenstummel des Tenors in einem Wasser 
räpfchen aufzufangen. So lange Caruso auf der Bühn 
»der kinter den Kulissen sich befindet, darf sich niemand 
»bendort aufhalten, der nicht zurzeit an dieser Stell— 
zeschäftigt ist. Weder ein Außenstehender noch ein Mit 
zZlied des Theaters darf den Bühnenraum während de—s 
Sastspiels Carusos betreten. So lange Caruso auf der 
ZSzene ist, darf nicht umgebaut werden. (In München 
iel ihm einmal der Vorhang auf den Kopf — das mag 
Caruso unangenehm gewesen sein, daß er etwas ähnliche— 
noch einmal befürchtet, Im „Gefolge“ des Künstler— 
befinden sich: sein Arzt, sein Korrepetitor, sein Sekretär 
der Impresario und der Kapellmeister. Allen diesen Per— 
sonen ist der Zutrift zu gestatten. Sie haben den Künstle
	        
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